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§ 2 Dogmatische Einordnung des Forschungs- und
Entwicklungsvertrages
Die Frage nach der rechtlichen Einordnung des Forschungs- und Entwicklungsvertrages wird, wenngleich noch verhältnismäßig wenig untersucht, in der noch
recht übersichtlichen Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet.
Als ganz eigenständiger Vertragstypus kann der Forschungs- und Entwicklungsvertrag sehr viele verschiedene vertragstypische Elemente enthalten, vorrangig
solche aus Dienst- und Werkvertragsrecht, daneben aber auch aus Kaufrecht, Gesellschaftsrecht, Miete oder Pacht. Auch Regeln eines Auftragsverhältnisses oder
sogar arbeitsrechtliche Regelungen können relevant werden.50 Entscheidend aber,
da diese den typischen Schwerpunkt bilden, sind die Regeln über den Dienst- und
den Werkvertrag und die damit verbundene Frage der Abgrenzung.
A. Der Forschungs- und Entwicklungsvertrag
Um die Rechtsnatur des Forschungs- und Entwicklungsvertrages näher bestimmen zu können, bedarf es zunächst einer Skizzierung des wesentlichen Inhaltes
des Forschungs- und Entwicklungsvertrages.
I. Leistungsgegenstand des Forschungs- und Entwicklungsvertrages
Der Vertragsgegenstand ist abhängig von der Ausgestaltung und dem Ziel des
Projektes. Dieses kann je nach Forschungs- und Entwicklungsgebiet völlig unterschiedlich ausfallen. Leistungsgegenstand können daher z.B. die Durchführung
von Messreihen, Analysen und Berechnungen sein, die Gewinnung von geologischen Daten, die Anfertigung von Prototypen im Bereich von Robotik und Mechatronik für den medizinischen Gebrauch, die Entwicklung neuartiger, aerodynamischer Sportgeräte, die Untersuchung von Oberflächenstrukturen und Entwicklung neuer Oberflächenlasuren, die Entwicklung von Software zur Positionierung und Steuerung von Satelliten, die Bestimmung von UV-Strahlenwerten
oder die Gewinnung embryonaler Stammzellen. Häufig sind auch Vorstudien, die
die grundsätzliche Machbarkeit eines Projektes im Vorfeld untersuchen, dem eigentlichen Projekt vorgeschaltet. Die Beauftragung der Entwicklung eines Prototypen oder einer Methode ist dabei bedingt durch ein positives Ergebnis der
Machbarkeitsstudie, so dass ein solches Projekt in zwei Phasen abläuft. Problematisch wird dies insbesondere dann, wenn die Machbarkeitsstudie die grund-
50 Pagenberg/Geissler Vertragsmuster 10 Rn. 10.
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sätzliche Durchführbarkeit des Projektes bescheinigt, dies aber dann im folgenden Projektablauf bei der Entwicklung des Prototypen nicht bestätigt werden
kann.
Sehr häufig werden auch Analysen und Messreihen vertraglich mit der Anfertigung von Berichten verknüpft, so dass nicht alleine die Untersuchung und
Durchführung von Verfahren und Analysen Vertragsgegenstand wird, sondern
meist auch ein entsprechender Bericht geschuldet wird, der die Ergebnisse der
Studien enthält.
So unübersehbar variantenreich die Möglichkeiten von Forschung und Entwicklung sind, so schwierig wird die vertragliche Fassung eines solchen Projektes.
Denn oftmals sind dienst- und werkvertragliche Elemente so eng miteinander verknüpft, dass der Übergang fließend ist und sich die korrekte juristische Einordnung, im Wesentlichen in Bezug auf Dienst- oder Werkvertragsrecht, als sehr
schwierig erweist.
II. Durchführung der Arbeiten
Meist werden die einzelnen Arbeitsschritte in zeitliche und sachliche Abschnitte
aufgeteilt. Je nach Art und Umfang des Vorhabens ist die Vertragsabwicklung an
Warnpflichten und Kontrollrechte, an Berichts- und Abnahmepflichten für Einzelabschnitte, Lenkungs- und Einweisungsbesprechungen oder sonstige Zusammenarbeitsregelungen gebunden.51
III. Zahlungsbedingungen
Aufgrund der oft langfristig angelegten Projekte in Forschung und Entwicklung
ist die Zahlungspflicht des Auftraggebers häufig an die Erreichung von Meilensteinen gekoppelt.52 Die Höhe der Vergütung hängt von verschiedenen Faktoren
ab. Sowohl der zu erwartende Aufwand der Forschungsarbeiten, abhängig davon,
ob in dem gewünschten Bereich bereits Grundlagenforschung betrieben wurde,
auf der man aufbauen kann, kann dabei einen ebenso großen Einfluss auf den
Preis nehmen wie auch die Einschätzung des Risikos, welches mit dem Projekt
verbunden ist.
Wichtig sind bei Langzeitprojekten auch die Vereinbarung von Preisgleitklauseln. Sie dienen der Anpassung des Preises an die jeweiligen Marktpreise und die
sich unter Umständen verändernde Wirtschaftslage.
51 Ullrich, Band 2, S. 52, 53.
52 Vgl. hierzu auch MünchVertragshdb./Möffert VIII.2, S. 942, der das gesetzliche Leitbild
der vollständigen Projektvorfinanzierung, wie es sich für Werkverträge aus § 641 Absatz
1 Satz 1 ergibt, bei Entwicklungsverträgen zu Recht für realitätsfern hält.
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References
Zusammenfassung
Im wirtschaftlichen Wettbewerb um innovative Produkte und Verfahren haben Forschungs- und Entwicklungsverträge erhebliche Bedeutung. Diesem besonderen Vertragstyp widmet sich die Arbeit und liefert Antworten und Lösungen auf wichtige Fragen wie die nach der Rechtsnatur von FuE-Verträgen, nach Risiken und ihrer Abfederung sowie insbesondere auf die Frage nach der Wirksamkeit von Haftungsfreizeichnungen. Die Arbeit gibt praktische Empfehlungen für die Vertragsgestaltung sowie wertvolle Hinweise zu den Besonderheiten des FuE-Vertrags. Das Werk ist aus der Tätigkeit der Verfasserin als Syndikusanwältin einer großen Forschungseinrichtung entstanden und eine praktische Hilfe für alle mit FuE-Projekten befassten Mitarbeiter von Unternehmen und Forschungseinrichtungen, Rechtsanwälte und Wirtschaftsjuristen.