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2) Inhalt
Die Freistellung nach der TT-GVO gilt nur für Vereinbarungen, die Wettbewerbsbeschränkungen enthalten, die unter Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag fallen. Nach
Artikel 2 TT-GVO werden Technologietransfervereinbarungen zwischen zwei
Unternehmen freigestellt, die die Produktion der Vertragsprodukte ermöglichen.
Ein Vertragsprodukt ist ein Produkt, welches mit der lizenzierten Technologie
produziert wird.41 Handelt es sich dabei um konkurrierende Unternehmen, so ist
nach Art. 3 Absatz 1 TT-GVO Voraussetzung für die Freistellung, dass der gemeinsame Marktanteil der Parteien auf dem betroffenen relevanten Technologieund Produktmarkt 20% nicht überschreitet. Für nicht konkurrierende Unternehmen gilt eine Marktanteilsschwelle von 30%, Artikel 3 Absatz 2 TT-GVO.
3) Anwendbarkeit auf Forschungs- und Entwicklungsverträge
Forschungs- und Entwicklungsverträge werden in der Regel zwischen zwei Unternehmen abgeschlossen. Auch nur in diesem Fall findet nach Artikel 2 TT-GVO
diese Verordnung direkte Anwendung. Fraglich ist, ob die TT-GVO auch bei Vereinbarungen von mehr als zwei Unternehmen Anwendung findet. Hier geht die
Kommission davon aus, dass auf Grund der vergleichbaren Fragestellungen bei
Lizenzvereinbarungen zwischen mehr als zwei Unternehmen die Grundsätze der
TT-GVO bei der Einzelprüfung der Lizenzvereinbarungen analog anwendbar
sind.42
FuE-Verträge fallen, sofern sie überhaupt vom Verbot des Art. 81 Absatz 1 EG-
Vertrag erfasst sind, in der Regel unter die Verordnung Nr. 2659/2000. Ob parallel
ebenso die Verordnung Nr. 772/2004 hierfür zur Anwendung kommt, wird im
Folgenden dargestellt.
III. Verhältnis der Verordnung (EG) Nr. 2659/2000 zu (EG) Nr. 772/2004
Häufig vereinen Forschungs- und Entwicklungsverträge verschiedene Elemente
der den Gruppenfreistellungsverordnungen zugrunde liegenden Vertragstypen.
So ist z.B. ein Forschungs- und Entwicklungsvertrag, der auf die Entwicklung eines Prototypen gerichtet ist, sehr häufig gekoppelt mit der Lizenzvergabe an der
dem Prototypen zugrunde liegenden Technologie. Damit kann sowohl die Verordnung für FuE-Vereinbarungen (EG) Nr. 2659/2000 als auch die (EG) Nr. 772/
2004 für Technologietransfervereinbarungen anwendbar sein. Wenn man von der
grundsätzlichen Zulässigkeit der parallelen Anwendbarkeit von GVOen aus-
41 ABL.EG L 123 vom 27.04.2004, S. 13.
42 ABL.EG C 101 vom 27.04.2004, S. 8.
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geht,43 stellt sich hier das Problem, ob ein solcher Mischtyp einer Vereinbarung
einheitlich unter die FuE-GVO oder unter die TT-GVO zu subsumieren ist oder
andererseits je nach seinem Regelungsgegenstand nach beiden GVOen zu beurteilen ist, also eine parallele Anwendung stattfindet. Die Kommission äußert sich
zu diesem Problem in ihren Leitlinien zur Anwendung von Artikel 81 EG-Vertrag
auf Technologietransfer-Vereinbarungen. Danach findet die Verordnung (EG) Nr.
2659/2000 auf die Gewährung von Lizenzen Anwendung, die die Parteien einer
FuE-Vereinbarung einander oder einer gemeinsamen Einrichtung erteilen.44 Nur
in dem Fall, dass die Ergebnisse der FuE-Vereinbarung an Dritte lizenziert werden, fällt diese mit dem Dritten geschlossene Lizenzvereinbarung nicht unter die
Verordnung (EG) Nr. 2659/2000, sondern wird nach der TT-GVO beurteilt, soweit die Voraussetzungen dieser Verordnung erfüllt sind.45 Zu einer parallelen
Anwendung der beiden GVOen im Rahmen eines einheitlichen Forschungs- und
Entwicklungsvertrages kommt es daher nicht.
C. Artikel 34 EGBGB
Bei Forschungs- und Entwicklungsverträgen im internationalen Bereich ist zwingend Artikel 34 EGBGB zu berücksichtigen. Geregelt ist danach ohne Rücksicht
auf das auf den Vertrag anzuwendende Recht die Durchsetzung zwingender Normen. Unter zwingenden Normen im Sinne des Artikel 34 EGBGB sind nicht einfache oder national zwingende Normen zu verstehen, sondern solche international zwingenden Bestimmungen, die sich ohne Rücksicht auf das Wirkungsstatut
der von ihnen berührten zivilrechtlichen Rechtsverhältnisse, d.h. auch gegen eine
Rechtswahl, durchsetzen.46 Diese Voraussetzung erfüllen jedoch nur Normen, die
nicht nur dem Schutz und Ausgleich widerstreitender Interessen der Vertragsparteien und damit reinen Individualbelangen dienen, sondern daneben zumindest
auch öffentliche Gemeinwohlinteressen verfolgen.47 Einfache Unabdingbarkeit
nach materiellem Recht reicht nicht aus.48
Für den Forschungs- und Entwicklungsvertrag können sich im Sinne von Artikel
34 EGBGB zwingende Normen speziell aus dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG)
und der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) ergeben. Soweit hier Verbote eingreifen, die zu schwebender Unwirksamkeit oder Nichtigkeit führen, setzen sie
43 Coenen S. 139.
44 ABL.EG C 101 vom 27.04.2004, S. 11.
45 ABL.EG C 101 vom 27.04.2004, S. 11.
46 MüKo/Martiny Art. 34 Rn. 8.
47 Staudinger/Magnus Art. 30 EGBGB Rn. 193, entscheidend ist dabei der Normzweck; vgl.
auch BGH NJW 2006, 762, 764, wonach das deutsche Verbraucherkreditgesetz jedenfalls
nicht als zwingende Norm im Sinne des Art. 34 EGBGB einzuordnen sei, da der Schutz
von Gemeinwohlinteressen als bloßer Nebeneffekt für die Anwendung des Art. 34 EGBGB
nicht ausreiche.
48 MüKo/Martiny Art. 34 Rn. 8.
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References
Zusammenfassung
Im wirtschaftlichen Wettbewerb um innovative Produkte und Verfahren haben Forschungs- und Entwicklungsverträge erhebliche Bedeutung. Diesem besonderen Vertragstyp widmet sich die Arbeit und liefert Antworten und Lösungen auf wichtige Fragen wie die nach der Rechtsnatur von FuE-Verträgen, nach Risiken und ihrer Abfederung sowie insbesondere auf die Frage nach der Wirksamkeit von Haftungsfreizeichnungen. Die Arbeit gibt praktische Empfehlungen für die Vertragsgestaltung sowie wertvolle Hinweise zu den Besonderheiten des FuE-Vertrags. Das Werk ist aus der Tätigkeit der Verfasserin als Syndikusanwältin einer großen Forschungseinrichtung entstanden und eine praktische Hilfe für alle mit FuE-Projekten befassten Mitarbeiter von Unternehmen und Forschungseinrichtungen, Rechtsanwälte und Wirtschaftsjuristen.