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Zusammenfassung in Thesen: Familienzusammenführung in Europa –
Völkerrecht, Gemeinschaftsrecht und nationales Recht
Das Recht der Familienzusammenführung in Europa wird in hohem Maß von mehreren Rechtsebenen durchdrungen, die sich wechselseitig beeinflussen und ergänzen: Das Gemeinschaftsrecht überformt zunehmend nationales Nachzugsrecht. Letzteres wird zudem durch verfassungsrechtliche und völkerrechtliche Vorgaben bestimmt. Menschenrechtliche Standards sind ebenso vom – nationales Recht angleichenden Gemeinschaftsgesetzgeber – zu beachten. Sie werden aber auch umgekehrt
in ihrer innerstaatlichen Wirksamkeit durch die gemeinschaftsrechtlichen Entwicklungen unterstützt.
Teil 1: Menschenrechtliche Maßstäbe zum Schutz der Familie von Migranten
(1) Das Recht auf Familienschutz wird in den universellen Instrumenten zu den
grundlegenden Menschenrechten gezählt. Ebenso messen die regionalen Verträge
des Europarates dem Familienschutz eine hohe menschenrechtliche Bedeutung zu.
Sie weisen mit der Entstehung von Spezialkonventionen nicht nur formal eine den
Konventionen der Vereinten Nationen vergleichbare Entwicklung auf. Auch inhaltlich greifen sie das Thema Menschenrecht und Migration explizit auf und legen
spezifische Lösungsansätze zum Schutz der Familie und ihres Zusammenlebens dar.
Die Begründung liegt in dem Dilemma, dass für Millionen von Wanderarbeitnehmern, obgleich dauerhaft in europäischen Staaten aufhältig, der rechtliche Status und
ihre innerstaatlich gewährten Rechte denen eines vorübergehenden Aufenthalts
entsprechen. Diesen Menschen ist es nicht möglich, einige der für ‚jedermann’ geltenden Rechte zu nutzen, weil sie Migranten sind. Dazu zählt auch das Recht auf
Achtung des Familienlebens.
(2) Neben der teils begrenzten vertraglichen Bindung (UNWAK, ILO-
Konvention Nr. 143) ist für die universellen menschenrechtlichen Texte die mangelnde Einlassung auf konkrete rechtliche, d. h. einklagbare Verpflichtungen im
Sinne eines Anspruchs kennzeichnend. Die Staaten sind zwar zu einer allgemeinen,
programmatischen Anerkennung hoher Schutzgüter, der Festlegung auf Zielvorstellungen oder die Verpflichtung, bestimmte Eingriffe selbst zu unterlassen, bereit.
Einigkeit herrscht damit in Bezug auf gemeinsame Werte (AEMR, Pakte). Uneinigkeit herrscht hingegen über das ‚Wie’ der konkreten Verpflichtungen. Besonders die
Spezialtexte zeichnen sich insoweit durch vorsichtige Formulierungen aus (UN-
WAK, KRK). Dennoch setzen diese Verträge als weltweit ausgehandelte und in
Kraft getretene Rechtsinstrumente Maßstäbe als existentes Recht (ILO, UNWAK,
KRK) und verdeutlichen zugleich (bzw. deswegen) die Dringlichkeit dieser Fragen.
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Staatliches Handeln gerät bei Abweichung von diesen Mindeststandards unter erheblichen Rechtfertigungszwang. So können bspw. nur noch gewichtige Gründe
eine kindeswohlwidrige Trennung von den Eltern rechtfertigen (IPbpR, KRK). Auch
dem in europäischen Staaten gängigen formalen Verweis auf die fehlende Unterzeichnung der UNWAK kommt nur befristete Geltungskraft zu, da die zugrunde
liegenden Pakte auch von ihnen ratifiziert wurden.
(3) Die Tendenz liegt eindeutig in der zunehmenden Geltungskraft der Menschenrechte. Menschenrechte kommen besonders dort zum Zug, wo staatlicher Schutz
begrenzt ist. Die Antwort des universellen Rechts auf die Probleme weltweiter Migrationsbewegungen ist die Anerkennung der überragenden Bedeutung der Familienzusammenführung. Diese Tendenz muss die nationales Recht angleichende Gemeinschaft als Teil der Weltgemeinschaft bei der Regelung des neuen Migrationsrechts aufnehmen.
(4) Die entscheidende Frage ist, inwieweit die Antworten internationaler Institutionen staatliche Souveränität beschränken. Die menschenrechtlichen Texte des
universellen Völkerrechts formulieren kein generelles Recht auf Einreise. Die Kontrolle über die Auswahl der Schutzberechtigten obliegt damit unverändert im Grundsatz der schutzverpflichteten staatlichen Autorität. Aufgrund der menschenrechtlichen Bedeutung des Familienlebens muss die Möglichkeit des Familiennachzugs
dennoch die Regel sein. Es handelt sich hier nicht um einen Fall der generellen Einreise, da sie die Zulassung der zusammenführenden Person voraussetzt. Hat der
Staat seine Souveränität zugunsten der Einreise von Migranten ausgeübt und sie
seiner Staatlichkeit unterstellt, erstreckt sich die Verpflichtung zur Gewährung menschenrechtlicher Mindeststandards auf diese Personen und ihre Familienangehörigen. Auch das Anerkenntnis der innerstaatlichen Zuständigkeit für die Kriterien und
‚Bedingungen’ der Einreise drückt implizit aus, dass das ‚Ob’ nicht mehr in ihre
Zuständigkeit fällt. Die staatliche Souveränität beschränkt sich allein auf das ‚Wie’
des Nachzugs.
(5) Der den Staaten verbleibende Spielraum zur Gestaltung des Familiennachzugs
ist durch die grundsätzliche Verpflichtung selbst und durch konkrete Konventionsbestimmungen begrenzt. Unterschiedlich sind die Antworten der universellen Vertragstexte auf die Frage, wer zur Familie zu zählen ist und an welche Voraussetzungen der Nachzug gekoppelt werden darf. Ein einheitliches Familienkonzept existiert
für den Nachzug nicht. Stattdessen gibt es im Rahmen des Nachzugs unterschiedliche Mindestauslegungen des Begriffs Familie. Übereinstimmendes Minimum der
personellen Begrenzung ist die Kernfamilie. Danach kann der Nachzug bei Ehegatten und minderjährigen Kindern als Mitgliedern der Kernfamilie nicht verweigert
werden.
(6) Eine nach heutigem Verständnis menschenrechtskonforme Regelung erstreckt
sich über reine Fragen der Einreise hinaus auf die Bedingungen und Gestaltung des
langfristigen Aufenthalts der Familienangehörigen. Beschäftigten sich frühere
Rechtsinstrumente vor allem mit den wandernden Arbeitnehmern und ihrer Tätigkeit
selbst, rücken die jüngeren Ansätze stärker die Folgen ihres langfristigen Aufenthalts ins Zentrum. Dafür sprechen die Positivierungen in den Spezialkonventionen,
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die diese Fragen ausdrücklich thematisieren und als Mindeststandard anerkennen.
Für die konzeptuelle Ausgestaltung des Familienschutzes lautet die klare völkerrechtliche Antwort: Schutz der Familie ist bei Migranten gleichbedeutend mit dem
Schutz der Einheit der Familie. Die Möglichkeit der Familienzusammenführung
muss daher gegeben sein und den Nachziehenden, wie dem Zusammenführenden
auch, müssen Rechtspositionen für den Aufenthalt gewährt werden.
(7) In den jüngeren Texten (UNWAK, KRK, ILO-Konvention Nr. 143) und der
Rechtsprechung zu den älteren Texten (UN-Menschenrechtsausschuss) finden sich
zunehmend Äußerungen zur Integration von Migranten. Bemerkenswert ist in der
UNWAK der Blick auf die Auswirkungen von Migration auf das Gemeinwesen.
Folgend dem Anerkenntnis, dass die Trennung der Familie durch Migration besondere Härten mit sich bringen kann, ist Familiennachzug aus Sicht des Völkerrechts
auch ein unabdingbares Instrument der Integration. Dabei wird für den Aufenthalt
der Grundsatz der Inländergleichbehandlung, d. h. der unbeschränkte Zugang der
Familienmitglieder zu Bildung und – spätestens bei unbefristetem Aufenthalt – auch
zu Beschäftigung besonders hervorgehoben (UNWAK). Des Weiteren haben die
völkerrechtlichen familienschützenden Mindeststandards dazu beigetragen, unter
Integrationsaspekten verbesserte Kriterien zur Aufenthaltssicherheit im Sinne einer
statusrechtlichen Angleichung mit fortschreitendem Aufenthalt zu entwickeln. Dies
ist besonders relevant für Angehörige der zweiten Generation.
(8) Die europäischen Spezialkonventionen und ihre Judikatur zum Recht auf Familiennachzug sind weit entwickelt. Gemäß der ESC ist Familiennachzug im Rahmen der Erleichterungspflicht die Regel und es obliegt dem Staat nach Ansicht des
Sachverständigenausschusses allein die Ausgestaltung der Verpflichtung. Die Festlegung der Bedingungen des Familiennachzugs verbleibt zwar im Grundsatz im
innerstaatlichen Ermessen. Jedoch setzen die Bestimmungen der EWAK und der
ESC, konkretisiert durch die Conclusions des Sachverständigenausschusses, diesem
Ermessen ebenfalls Grenzen, indem sie die Erleichterungspflicht auf die Frage der
Bedingungen erstrecken. Im Laufe der Zeit erfolgte eine immer stärkere Verschiebung hin zur Perspektive langfristiger bzw. dauerhafter Einwanderung. Dies zeigt
sich besonders bei den familienrelevanten Themen. Neben den Einreiseregelungen
verdeutlichen vor allem die Aufenthaltsregelungen den Zusammenhang von Familiennachzug und (langfristigem) Aufenthalt.
(9) Die Einhaltung europäischer Standards durch die Mitgliedstaaten bleibt hinter
dem Maß der Verpflichtungen zurück. Auch auf regionaler Ebene ist die Korrelation
von inhaltlicher Reichweite und Rechtsdurchsetzung völkerrechtlicher Bestimmungen sichtbar. Sobald der Inhalt konkreter in der Sache wird, umso vager ist der Anwendungsbefehl und desto schwächer die Rechtskraft der Verpflichtungen. Weiteres
Problem ist, dass ESC und EWAK neben dem geringeren Ratifikationsstand erhebliche Einschränkungen im Anwendungsbereich aufweisen.
(10) Den normativen Maßstäben steht das Problem der sehr unterschiedlich entwickelten Kontrollsysteme gegenüber. Die allgemeinen universellen Texte wie der
IPbpR und EMRK zeichnen sich durch ein stärkeres System aus als die Spezialkonventionen UNWAK, KRK oder ESC. Insofern hat sich die UN-Individual-
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beschwerde mit derzeit 111 Vertragsparteien (darunter alle Mitgliedstaaten der erweiterten EU-27 – ausgenommen UK) zu einem wichtigen Verfahren entwickelt und
werden die Rechtssprüche des Menschenrechtsausschusses aus Genf durchaus als
derer des Straßburger Gerichtshofes vergleichbare, nicht zu unterschätzende Alternative angesehen. Die Fälle Winata und bzw. Rodrigues da Silva bestätigen dies
beispielhaft im Bereich des Familienschutzes für illegale Migranten.
(11) Im Ergebnis ist die ‚alte’ EMRK nicht nur inhaltlich, sondern auch hinsichtlich ihrer Durchsetzungs- und Kontrollinstrumentarien das für Migranten am meisten entwickelte, effektivste und erfolgreichste Instrument des Europarates. Die
EMRK enthielt als ältester Text zunächst keinerlei Regelung zu Migration. Dennoch
gewährt sie – als das einzige der untersuchten Instrumente des Europarates, welches
seinen Anwendungsbereich auf alle Menschen ohne Unterscheidung nach ihrer
Staatsangehörigkeit, dem Wanderungsmotiv oder der Dauer des Aufenthalts erstreckt – familiären Schutz für Migranten. Sowohl bei Nachzugs- als auch Ausweisungskonstellationen geht es um die Bedeutung der Familie als Einheit, sei es bei
ihrer Herstellung durch Zusammenführung oder bei ihrer Aufhebung und Trennung
durch Ausweisung. Dem Vorwurf der Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung bis hin
zum Lotterie-Vergleich zu Lasten der Rechtssicherheit für alle Beteiligten begegnet
der den Umständen des Einzelfalls verpflichtete Gerichtshof dabei durch zunehmende Strukturierung der Rechtsprechung und Betonung verallgemeinerungsfähiger
Kriterien.
(12) Die Rechtsprechung von Kommission und Gerichtshof ist insofern impulsgebend, als sie schrittweise den durch die Zeit geschaffenen Tatsachen dauerhafter
Einwanderung Rechnung trägt. Die EMRK basiert zwar wie die universellen Konventionen auf dem völkerrechtlichen Grundsatz, dass kein grundsätzliches Recht auf
familiär motivierte Einreise besteht. Daher hängt nach der Straßburger Rechtsprechung eine Verletzung des familiären Achtungsanspruchs erheblich davon ab, dass
das Familienleben zumutbar woanders praktiziert werden kann (sogenannter elsewhere approach). Der EGMR gestand dabei den Konventionsstaaten, die keinen gemeinsamen europäischen Standard bei Familiennachzug aufwiesen, einen besonders
hohen Wertungsspielraum (margin of appreciation) zu. Bereits die ältere Rechtsprechung zeigte indes trotz ihres Einzelfallcharakters, dass die Beurteilung der Zumutbarkeit einem deutlichen Wandel im Verständnis von Zu- und Einwanderung unterlag. Auch wenn sie kein absolutes Recht auf Ausweisungsschutz anerkennt, verstärkte die Rechtsprechung der Straßburger Organe den Ausweisungsschutz von
Angehörigen der zweiten Generation erheblich unter hoher Berücksichtigung des
Integrationsstandes des Ausländers und seiner Angehörigen. Die zweite Generation
kann nicht (mehr) auf eine ‚Einreiseentscheidung’ verwiesen werden und zumutbar
in ein ihr unbekanntes Land ausreisen. Ebenso ist das Argument, selbst eigene
Staatsangehörige eines Staates – wie noch im Fall Abdulaziz – könnten nicht unbedingt Nachzug ihres ausländischen Familienangehörigen unter Artikel 8 EMRK
verlangen, da es ihnen zumutbar sei, ihren Angehörigen ins Ausland zu folgen, nicht
(mehr) entscheidendes Kriterium. Es kommt den familiären Interessen inzwischen
erhebliches Gewicht im Abwägungsprozess mit öffentlichen Interessen zu.
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(13) Die inhaltlichen Argumentationen der Ausweisungsentscheidungen sind
komplementär zu den Nachzugsentscheidungen und haben diese in der Praxis beeinflusst. Bislang waren die begrenzenden Wirkungen von Artikel 8 EMRK in den
zahlreicheren Fällen der Aufenthaltsbeendigung deutlicher, aber auch im Ergebnis
stärker als in den Entscheidungen des EGMR zu Familiennachzug. In der jüngeren
Rechtsprechung erfolgte durch die Kopplung der Argumentationen beider Konstellationen eine rechtliche Weiterentwicklung.
(14) Besonders im Falle des Familienlebens ausländischer Eltern mit inländischen
Kindern wird nicht mehr die Entscheidung zwischen Migration oder Familie verlangt. In Nachzugsfällen kommt v. a. der Existenz von (inländischen) Kindern ein
besonderes Gewicht zur Begründung eines Nachzugsanspruchs zu. Dies zeigt das
verstärkte Maß menschenrechtlicher Begrenzungswirkung gegenüber staatlicher
Einwanderungskontrolle. Sie verweigert sich abstrakt schematischen Entscheidungskonzepten, indem sie dem regelmäßig betonten Vorrang des öffentlichen Interesses die individuelle menschenrechtliche Perspektive korrigierend gegenüberstellt.
(15) Es kommt den europäischen Grundrechten und folglich dem EGMR als zentraler Instanz zur authentischen Auslegung der Grundrechte der EMRK erhebliche
Bedeutung für das europäische Asyl- und Einwanderungsrecht zu. Das Potenzial der
Europäischen Verpflichtungen liegt – im Gegensatz zu den universellen Maßstäben
– in ihrer mittelbaren Wirkung für das qua Grundrechtscharta der EMRK verpflichtete Gemeinschaftsrecht einschließlich dem sich an den Straßburger Auslegungen
orientierenden EuGH. Entsprechend enthält die Richtlinie zur Familienzusammenführung den Verweis auf die Standards der EMRK und ESC. Ebenso hatte für den
EuGH die Rechtsprechung des EGMR Vorrang bei seiner Entscheidung zu dieser
Richtlinie.
(16) Umgekehrt behält der EGMR das Gemeinschaftsrecht im konventionsrechtlichen Blick, wenn es durch die Konventionsstaaten und nationalen Verfassungsgerichte angewendet wird. Der Straßburger Gerichtshof versteht die Rolle der EMRK
zunehmend als die eines verfassungsrechtlichen Instruments des ‚europäischen ordre
public’ auf dem Gebiet der europäischen Grund- und Menschenrechte. Das schließt
den in besonderem Maße grundrechtssensiblen gemeinschaftlichen Harmonisierungsprozess im Asyl- und Einwanderungsrecht ein.
(17) Angesichts der zunehmenden gemeinschaftlichen Standardisierung im Bereich des europäischen Familiennachzugsrechts dürfte sich der bislang vom EGMR
den Konventionsstaaten zugestandene weite margin of appreciation im Ausländerrecht künftig verringern. Zugleich dürfte die Wahrscheinlichkeit (und Notwendigkeit) zunehmen, dass die Akteure des gemeinschaftsrechtlichen Harmonisierungsprozesses (un-)mittelbare Vorgaben des EGMR zur grundrechtlichen Dimension der
Familie zu berücksichtigen haben. Völkerrecht ergänzt insoweit die gemeinschaftsrechtliche Entwicklung.
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Teil 2: Ein Gemeinschaftsrecht für Familienzusammenführung?
(18) Auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts vollzogen sich in den vergangenen
Jahren mit der Weiterentwicklung des Freizügigkeitsrechts und der Harmonisierung
des Asyl- und Ausländerrechts weitreichende Entwicklungen. Mit der Verknüpfung
dieser beiden Bereiche im Sinne von Tampere sind die Grundlagen für ein einheitliches Migrationsrecht gelegt. Dies gilt auch für das Familiennachzugsrecht. Dabei
zeigt der Vergleich der Freizügigkeits- mit der Familiennachzugsrichtlinie, dass dem
Gemeinschaftsrecht keine einheitliche Vorstellung über die Bedeutung von ausländischen Familien im Integrationsprozess und ihrer rechtlichen Beeinflussung zu
Grunde liegt.
(19) Mit der Reform durch die neue Freizügigkeitsrichtlinie wird die schrittweise
erfolgte Weiterentwicklung vom Markt- zum Unionsbürger endgültig sichtbar. Dem
Bereich des Freizügigkeitsrechts liegt nach über 40-jähriger Entwicklung ein klares
Mobilitätskonzept innerhalb von Europa zugrunde. Als dessen Charakteristikum
besteht der (mitgliedstaatliche) Begründungsaufwand nicht in der gleichen, sondern
der ungleichen Behandlung von wandernden Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen. Für ein Nachzugsrecht genügt daher die Tatsache der Niederlassung
eines Unionsbürgers in einem anderen Land. Dessen Motive, ob länger- oder kürzerfristiger, zwecks Erwerbs, Nichterwerbs oder Bildung, sind im Gegensatz zu Drittstaatsangehörigen im Wesentlichen sekundär.
(20) Das Konzept der Freizügigkeitsrichtlinie ist als integrationsfördernd zu bezeichnen. Vorherrschend ist die Ansicht des ‘Rechts auf Integration‘ durch Gleichbehandlung und Gewährung von Rechten sowohl auf als auch im Aufenthalt. Vor
allem der Sinn und Vorzug des Daueraufenthaltsrechts, welches eine weitgehende
Gleichbehandlung mit Inländern zur Folge hat, liegt in der stärkeren Entfernung
vom Prinzip öffentlicher Sicherheit und Ordnung zugunsten einer gemeinsamen
Daseinsvorsorge von In- und Ausländern. Es stellt besonders für Familienangehörige ein eigenständiges, die Akzessorietät beendendes Recht dar. Aus praktischer
Sicht ist bedauerlich, dass durch die Richtlinie keine absolute Aufenthaltssicherheit
für langaufhältige Unionsbürger und insbesondere ihre drittstaatsangehörigen Familienmitglieder gewährt wird. Sie wäre – spiegelbildlich zu einem von jedweden
Voraussetzungen losgelösten Recht auf Daueraufenthalt – im Sinne eines „elementaren“ und „persönlichen“ Rechtsstatus des Unionsbürgers konsequent. Ein absoluter
Ausweisungsschutz wird indes vom Gemeinschaftsrecht – ebenso von der EMRK –
nicht gefordert.
(21) Nach mehrjähriger Entwicklung existiert mit der Familiennachzugsrichtlinie
künftig ein gemeinschaftliches Recht für Drittstaatsangehörige auf Familiennachzug.
Dieses bislang nationale Recht befindet sich damit auf dem Weg der Europäisierung.
Im Zusammenspiel mit der Daueraufenthaltsrichtlinie folgt daraus eine zunehmende
Standardisierung der Bedingungen der Einreise und des Aufenthalts Familienangehöriger aus Drittstaaten. Das Novum eines Rechts für Drittstaatsangehörige auf
Familiennachzug und damit auf Einwanderung in einen bestimmten Staat ohne Bezug auf Unionsbürger wird insbesondere im Vergleich zu den bislang für Dritt-
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staatsangehörige relevanten menschenrechtlichen Standards des Artikel 8 EMRK
deutlich. Dieser sieht – abgesehen von besonderen Fällen – ein ausdrückliches Recht
auf Familiennachzug ebenso wenig vor wie ein generelles Recht auf Einreise in
einen anderen Mitgliedstaat.
(22) Nach Abschluss der ersten Harmonisierungsstufe liegt dem gemeinschaftlichen Migrationsrecht kein klares Einwanderungskonzept familiärer Wanderung
nach Europa zu Grunde. Die Familiennachzugsrichtlinie differenziert zwischen verschiedenen Wanderungsmotiven nach Europa wie Erwerb, Bildung oder humanitärem Schutz. Die prinzipiell allen Migranten gemeinsame Frage nach dem Verbleib
im Familienverband findet dabei unterschiedliche Antworten. Mit der fehlenden
Einheitlichkeit verbunden ist eine Umkehrung der Logik im Verhältnis zum Mobilitätskonzept von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen. Der mitgliedstaatliche Begründungsaufwand besteht im Unterschied dazu nicht in der ungleichen,
sondern der gleichen Behandlung von wandernden Drittstaatsangehörigen und ihren
Familienangehörigen. Der niedrige Harmonisierungsgrad der Familiennachzugsrichtlinie drückt mit Blick auf ihre Entstehungsgeschichte nicht nur aus, dass der
erreichten Einigung keine einheitliche Vorstellung von Familiennachzug unter den
Mitgliedstaaten zu Grunde lag. Der Text bildet vor allem den großen Einfluss nationalen Rechts während des Verhandlungsprozesses auf den Inhalt ab. Die als prägend
zu bezeichnende Einflussnahme Deutschlands sowie Frankreichs und der Niederlande in den Gremien des Ministerrats zeigt, dass sich die restriktiven Einwanderungskonzepte im Ergebnis am konkretesten in den rechtlichen Regelungen durchzusetzen
vermochten, während der integrationsbetonte Ansatz der europäischen Vorschläge
vor allem in der Präambel der Familiennachzugsrichtlinie enthalten ist. Das ursprünglich an das Freizügigkeitsrecht angelehnte Konzept der Familiennachzugsrichtlinie ist durch die mitgliedstaatlichen Spielräume unscharf geworden.
(23) Mit dem niedrigen Niveau der Angleichung ist auch das darin zum Ausdruck
kommende Integrationskonzept für drittstaatsangehörige Einwanderer nicht (mehr)
überzeugend. Dem gewährten gemeinschaftlichen Recht auf Zugang – kombiniert
mit der Möglichkeit erheblichen nationalen Spielraums – folgen nur begrenzt integrationsrelevante Aufenthaltsrechte für die Familienmitglieder. Familiennachzug
kann dabei nicht nur als Mittel zur Integration, sondern es können auch Integrationsanforderungen als Mittel zur Nachzugsbegrenzung verstanden werden.
(24) Die neuen Bestimmungen erhalten auf der europäischen Plattform dennoch
ein nicht zu unterschätzendes Potenzial für die Richtung der harmonisierenden Entwicklungen in Europa. Die gemeinschaftliche Behandlung von Drittstaatsangehörigen und ihren Familien vollzieht sich künftig auf der gleichen rechtlichen Ebene wie
der der Unionsbürger. Zwar genügt die Annäherung der Rechtspositionen nicht dem
Anspruch von Tampere. Die Auslegung und Anwendung der sich auf unterschiedlichem Niveau befindlichen Rechte und Pflichten unterliegt aber den gemeinschaftlichen Regeln und Prinzipien. Insoweit besteht eine neue rechtliche Vergleichbarkeit
der Behandlung zwischen Unionsbürgern und Drittstaatsangehörigen. Sie verbietet
die bisherige getrennte Betrachtung von Unionsbürgern und Drittstaatsangehörigen.
Es wird schrittweise nach dem unverändert maßgeblichen Prinzip von Tampere, wie
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es in der Präambel der Familiennachzugs- und weiteren Migrationsrichtlinien verankert ist, das gemeinschaftliche Nachzugsrecht für Drittstaatsangehörige und ihre
Familienmitglieder (weiter) zu entwickeln sein, das sich gegenüber dem einzelfallorientierten EGMR nicht mehr auf Sonderfälle beschränkt.
(25) Für diesen sich prozesshaft vollziehenden Konzeptwandel kommt der Auslegungshoheit des EuGH zentrale Bedeutung zu. In seiner ersten Entscheidung im
Bereich des gemeinschaftlichen Einwanderungsrechts trifft der Gerichtshof grundlegende Äußerungen zur Einordnung dieses neuen Rechtsinstruments und dem anzulegenden Überprüfungsmaßstab. Dabei zeichnen sich vorsichtig eine eigenständige
Handhabung und erhebliche Bedeutung der Gemeinschaftsgrundrechte für das neue
Migrationsrecht ab. Der EuGH beschränkt sich trotz der Orientierung an der Rechtsprechung des EGMR nicht darauf, ein ‚Wahrer der Grundrechte der EMRK’ zu
sein. Vielmehr versteht er die Familiennachzugsrichtlinie als ein über die menschenrechtlichen Mindeststandards hinausgehendes gemeinschaftliches Rechtsinstrument
für die „harmonisierte Verwirklichung des Rechts auf Familienzusammenführung“.
Entsprechend basiert seine Prüfung sowohl vom Ansatzpunkt als auch in rechtsdogmatischer Hinsicht auf der gemeinschaftsrechtlichen Vorgehensweise. Die Grenzen des Familiennachzugs zu Drittstaatsangehörigen ergeben sich für den Gerichtshof zum einen aus der Richtlinie und ihrer Präambel selbst. Letztere enthält dabei
die auslegungsleitende Zielverpflichtung von Tampere. Sie folgen zum anderen aus
den zu beachtenden allgemeinen Prinzipien des Gemeinschaftsrechts wie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dem Prinzip des effet utile, dem Prinzip der Einheit des
Gemeinschaftsrechts sowie den Gemeinschaftsgrundrechten. Deren Anwendungsbereich hat der Gerichtshof anlässlich dieser Entscheidung erweitert und die Grundrechtscharta als Rechtsquelle anerkannt. Dem geringeren Grad der Angleichung
„durch Koexistenz verschiedener Situationen, je nachdem ob sich die einzelnen
Mitgliedstaaten dafür entscheiden, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen“, steht
aus Sicht des Gerichtshofs ausdrücklich die Verpflichtung zur (gemeinschafts-)
grundrechtskonformen Auslegung und Umsetzung der Richtlinie entgegen.
(26) Die Familiennachzugsrichtlinie wird als eine Art Katalysator zu einer größeren Vereinheitlichung des europäischen Familiennachzugsrechts führen. Dies belegt
die deutliche Betonung der gemeinschaftlichen Rechte aus der Familiennachzugsrichtlinie und (einheitliche) Anwendung gemeinschaftsrechtlicher Prinzipien durch
den EuGH in seiner ersten Entscheidung auf diesem Rechtsgebiet.
(27) Langfristig gesehen ist mit der Familiennachzugsrichtlinie neben dem konzeptuellen ein struktureller Wandel dieses Rechtsgebiets eingeleitet. An die erste
Stufe, die mit Tampere begann, schließt sich das sogenannte Den-Haag-Programm
mit dem Schwerpunkt der Weiterentwicklung und Evaluierung der Umsetzungsprozesse an. Nächste mögliche Etappen einer gesetzlichen Weiterentwicklung der Familiennachzugsrichtlinie sind zudem mit der Rendez-vous-Klausel vorgezeichnet.
Sie dürften spätestens mit dem Inkrafttreten des Reformvertrags unter veränderten
und weniger politischen Verhandlungsbedingungen stattfinden.
(28) Das Gemeinschaftsrecht zu Familiennachzug fügt sich in die bereits bestehende Koexistenz der Menschenrechtsschutzsysteme in den Mitgliedstaaten der
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Gemeinschaft ein. Divergenzen, die denkbar sind, stellen allerdings kein Mangel
(als solcher) dar. Sie beziehen sich auf unterschiedliche Systeme, welche durchaus
ihren Sinn haben. Darüber hinaus liegt das Potenzial dieses Mehrebenenschutzes in
der wechselseitigen Ergänzung und Verstärkung der völkerrechtlichen und gemeinschaftlichen Instrumente, wie es an dem Beispiel der KRK deutlich wird.
Teil 3: Das Zuwanderungsgesetz als zeitgemäßes Familienzusammenführungsrecht?
(29) Die Veränderungen des deutschen Familiennachzugsrechts vollzogen sich seit
dem Jahrtausendwechsel in zwei Schritten: der innerstaatlichen Reform des Ausländergesetzes 1990 durch das Zuwanderungsgesetz 2004 sowie der Europäisierung
durch das Richtlinienumsetzungsgesetz 2007. Beide Vorhaben blieben hinter den
selbst gesetzten Ansprüchen zur Schaffung eines zeitgemäßen migrationspolitischen
und europäischen Migrationsrechts zurück.
(30) Mit dem Aufenthaltsgesetz 2004 wurde entgegen der Forderung der Zuwanderungskommission nach einem neuen Gesetz für den Bereich des Familiennachzugs im Wesentlichen das alte Recht beibehalten. Insgesamt ergeben sich zwar einige Verbesserungen im Nachzugsrecht und damit eine etwas „bessere Strukturierung
des nur schwer überschaubaren Regelungsgeflechts zum Familiennachzug“. Aus
ihnen kann aber kein Paradigmenwechsel im Sinne eines rechtspolitischen Konzeptwandels abgeleitet werden.
(31) Die Verbesserungen werden durch die Änderungen des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2007 teilweise wieder relativiert. Obgleich die Umsetzung der Familiennachzugsrichtlinie nicht mehr viele Änderungen erwarten ließ, nachdem es an
einer entsprechenden Einflussnahme auf der EU-Ebene gefehlt und Deutschland mit
dem Ziel eines möglichst geringen Änderungsbedarfs verhandelt hatte, zeitigte das
Richtlinienumsetzungsgesetz über die zwingende Anpassung hinaus erhebliche Folgen für den Bereich des Familiennachzugs: Die Beschränkungen zum Ehegattennachzug zu Drittstaatsangehörigen sind erheblich und über die Richtlinienumsetzung
hinaus auf den Ehegattennachzug zu Deutschen erstreckt. Für den Bereich des Familiennachzugsrechts fiel der erste Schritt auf dem Weg zu einem europäischen Zuwanderungsrecht daher im Ganzen klein aus.
(32) Aus rechtspolitischer Sicht stellt die erneute Absenkung der Nachzugsstandards einen Rückschritt für das Migrationsrecht dar. Die verschiedenen Beschränkungen wie Altersgrenze, Sprachkenntnisse und Einkommen werden mit der besseren Integration und Bekämpfung von Zwangsehen begründet. Das Gewicht dieser
Argumente variiert aber deutlich nach der Migrantengruppe und Nationalität. Dies
macht sie nicht nur verfassungsrechtlich zweifelhaft. Es stellt auch Familiennachzug
vorrangig in Zusammenhang mit erwünschter Migration und ihrer Kontrolle.
(33) Die Familiennachzugsrichtlinie unterscheidet sich nicht nur in ihrer Entwicklung, sondern auch in ihren Auswirkungen vom Familiennachzug im Rahmen des
Freizügigkeitsrechts. Das Freizügigkeitsrecht ist sowohl in gemeinschaftsrechtlicher
als auch in rechtsvergleichender Sicht klar als europäisch zu bezeichnen. Demge-
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genüber ging beim Aufenthaltsrecht für Drittstaatsangehörige das Fehlen eines
grundlegenden innerstaatlichen Konzeptwechsels mit einem erheblichen Maß an
Ablehnung der europäischen Entwicklungen einher. Dies zeigte sich besonders bei
den von hoher Sensibiliät getragenen Verhandlungen zur Familiennachzugsrichtlinie
und setzte sich im Rahmen des ebenso zögerlich erfolgten Umsetzungsprozesses
fort. Die Akzeptanz europäischer Einflüsse auf das deutsche ‚Ausländerrecht’ ist
dabei erheblich geringer und einseitig motiviert. Im Unterschied zum Freizügigkeitsrecht liegen die Folgen der Mindestharmonisierung für Drittstaatsangehörige in der
Absenkung geltender Standards im deutschen Familiennachzugsrecht. Sie machen
zugleich den konzeptuellen Unterschied der Familiennachzugsrichtlinie zur Freizügigkeitsrichtlinie deutlich. Ein vollständiger rechtlicher Konzeptwandel für den
Familiennachzug zu Drittstaatsangehörigen würde auch ein rechtspolitisches Umdenken voraussetzen: Zur Betrachtung von Einwanderung als Normalität gehört
Familieneinheit. Dem widerspricht eine einseitig auf Begrenzung und auf Kosten
des Familienlebens ausgerichtete Politik. Die Art und Weise der Richtlinienumsetzung der sagt nicht nur etwas über die Gemeinschaftskonformität aus, sondern zeigt
zugleich, dass die Bundesrepublik weniger die integrative Wirkung familiärer Einheit unterstützt als vielmehr die Möglichkeiten einer erheblichen Steuerung und
Beschränkung familiärer Wanderung bis an die Grenzen von Artikel 8 EMRK nutzt.
Von einem zeitgemäßen Nachzugsrecht kann daher keine Rede mehr sein.
(34) Formal ausgenommen von diesem Vergemeinschaftungsprozess sind derzeit
die Nachzugsregeln zu Deutschen. Dafür gibt es (noch) keine gemeinschaftsrechtliche Regelung. Hier liegt insbesondere seit der Verschärfung durch das Richtlinienumsetzungsgesetz dringender Änderungsbedarf. Die Aufhebung der Ungleichbehandlung eines großen Teils der Staatsangehörigen in Deutschland im Verhältnis zu
freizügigen Unionsbürgern kann (derzeit) nur durch den deutschen Gesetzgeber
erfolgen. Der deutsche Gesetzgeber sollte dem nachkommen, da das zentrale Argument, das Ausländerrecht unterfalle nicht dem Gemeinschaftsrecht, mit dem Europäisierungsprozess entfallen ist.
(35) Die Auswirkungen der Europäisierung des ‚Ausländerrechts’ stellen sich im
Hinblick auf völkerrechtliche Verpflichtungen ebenfalls als ambivalent dar. Auf der
einen Seite verhilft das Gemeinschaftsrecht völkerrechtlichen Verpflichtungen zur
Durchsetzung. Der Umsetzungsprozess der Familiennachzugsrichtlinie in Deutschland lässt erkennen, dass das ZuwG 2004 in mehreren Punkten die Verpflichtungen
der KRK besser umsetzt. Ebenso bekommen die bereits lange Zeit kritischen Conclusions des ESC-Sachverständigenausschusses zu Deutschland verstärktes Gewicht. Auf der anderen Seite werden sowohl bestehende menschenrechtliche Defizite des deutschen Nachzugsrechts gegenüber den Verpflichtungen aufgrund der
EMRK und internationaler Abkommen durch die Änderungen des ZuwG 2007 vergrößert als auch die zuvor erreichten Verbesserungen teils wieder reduziert.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Untersuchung widmet sich einem der umstrittensten und in dieser Komplexität wenig behandelten Felder des modernen Migrationsrechts. Die Autorin begreift Familienzusammenführung als ein europäisches Migrationsphänomen, das einer rechts- und länderübergreifenden sowie interdisziplinären Perspektive bedarf. Die Darstellung besitzt mit ihrer Zusammenführung von Völkerrecht, Europarecht und deutschem Verfassungsrecht mit Elementen der Politikwissenschaft Seltenheitswert.
Im Zentrum stehen die aktuellen Entwicklungen in der EU. Die Entwicklung der Familienzusammenführungsrichtlinie wird vor dem Hintergrund völkerrechtlicher Verpflichtungen und nationaler Veränderungen kritisch untersucht. Dabei werden die Verhandlungspositionen zur Richtlinie vor dem Hintergrund des französischen, niederländischen und deutschen Nachzugsrechts analysiert. Des Weiteren erforscht die Autorin die Auswirkung dieses Europäisierungsprozesses für Unionsbürger einerseits sowie für Drittstaatsangehörige andererseits einschließlich der Gruppe der Asylberechtigten und Flüchtlinge und hinterfragt das Zuwanderungsgesetz 2007 auf Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen und internationalen Verpflichtungen.