166
staat im Vergleich zum ersten Mitgliedstaat zusätzliche Einschränkungen möglich
sind. Insoweit kann nur von einem „Einstieg“ in ein Freizügigkeitsrecht für Drittstaatsangehörige gesprochen werden.689 Perspektivisch können jedoch Drittstaatsangehörige infolge des Gleichbehandlungsprinzips das gleiche Freizügigkeitsrecht
erwerben wie EU-Bürger. Dies würde allmählich Migration innerhalb der Gemeinschaft rechtlich in innere Mobilität verwandeln.690
B. Der Anwendungsbereich der Familienzusammenführungsrichtlinie
Der persönliche Anwendungsbereich der Familiennachzugsrichtlinie ist im Laufe
der Verhandlungen erheblich begrenzt worden. Im Ergebnis erstreckt er sich auf
Drittstaatsangehörige mit dauerhaftem Aufenthaltsstatus sowie Flüchtlinge im Sinne
der Genfer Flüchtlingskonvention. Nicht in der Familiennachzugsrichtlinie geregelt
ist der Nachzug für kurzfristige oder als vorübergehend betrachtete Aufenthalte
Drittstaatsangehöriger, sei es zu Erwerbs-, Studiums, Praktikums- oder anderen
Zwecken; ebenso bei Personen, denen vorübergehender oder subsidiärer Schutz
zuerkannt wurde.
Mit der Begrenzung der Nachzugsregeln auf dauerhaft aufhältige Drittstaatsangehörige ist nicht nur eine Abgrenzung zur Freizügigkeitsrichtlinie verbunden. Dies
schließt auch drittstaatsangehörige Familienangehörige von Unionsbürgern, die
nicht das Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nehmen (Inländer), vom Anwendungsbereich aus. Für sie gilt bislang nationales (Ausländer-)Recht.691 Unterschiedlich beantwortet wird, ob Inländer, die zugleich Drittstaatsangehörige sind (Doppelstaater), sich auf die Familiennachzugsrichtlinie berufen können, wenn sie ihre Angehörigen nachziehen lassen.692 Auf Drittstaatsangehörige mit der Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats findet hingegen Freizügigkeitsrecht Anwendung.
Insgesamt ergibt sich ein komplexes aufenthaltsrechtliches System des Familiennachzugs auf europäischer Ebene, das in der folgenden Übersicht 5 zusammengefasst wurde.
689 Vgl. den 6. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und
Integration über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, Berlin Aug.
2005, S. 442 f.
690 So im Vorausblick insbesondere Niessen, J., in: Bade/Münz (Hg.), Migrationsreport 2002,
S. 217. Ebenso im Grundsatz, aber skeptisch angesichts der geringeren Standards, Halleskov,
L., The Long-Term Residents Directive: A Fulfilment of the Tampere of Near-Equality?,
EJML 2005, 181 ff.
691 Zur Problematik der Inländerdiskriminierung, S. 167 f.
692 Dienelt, K., Auswirkungen der Familienzusammenführungsrichtlinie auf das AufenthG,
S. 32, sowie ausführlicher Groenendijk, K., ZAR 2006, 191, 197 ff.
167
Übersicht 5: Das neue aufenthaltsrechtliche System des Familiennachzugs der EG
BEZUGSPERSON: UNIONSBÜRGER
EHEGATTEN
PARTNER KINDER
WEITERE
VERWANDTE
Gemäß RL 2004/38/EG (Freizügigkeit Unionsbürger) [seit 30. April 2004 in Kraft] bei Aufenthalt als Arbeitnehmer, Selbständiger, oder Nichterwerbstätiger, Student mit ausreichenden Existenzmitteln/Krankenversicherung. Rechtsanspruch: Nachzug Ehegatten/eingetragener Partner entsprechend nationalem Recht, ebenso Verwandte in aufsteigender (ausgenommen Studenten) und absteigender Linie bis 21 Jahre bei Unterhaltsgewährung; Nachzugserleichterung weiterer Verwandter und nicht ehelicher Lebenspartner bei Unterhalt.Rechtsfolge: vertragliches Aufenthaltsrecht. Ab dreimonatigem Aufenthalt:- für Unionsangehörige – Anmeldebescheinigung.- für Drittstaatsangehörige – auf Antrag: fünfjährige Aufenthaltskarte.
BEZUGSPERSON:
DRITTSTAATSANGEHÖRIGER, GFK-FLÜCHTLING
Nach RL 2003/86/EG (Familiennachzug) [seit 3. Okt. 2003 in Kraft], wenn: - mindestens einjähriger Aufenthaltstitel und begründete Aussicht auf Daueraufenthalt (erwerbstätig, nichterwerbstätig, Forscher (Forscher-RL), GFK-Flüchtlinge (Flüchtlingsschutz-RL), nicht: Studenten und Opfer von Menschenhandel (Studenten-RL, Menschenhandel-RL). DesWeiteren (ausgenommen für GFK-Flüchtlinge):- angemessener Wohnraum, ausreichende Einkünfte, Krankenversicherung,- mögliche zweijährige, ausnahmsweise dreijährige Wartezeit,- Integrationsmaßnahmen (vor Einreise).
Rechtsfolge: mindestens einjähriger, abgeleiteter, verlängerbarer Aufenthaltstitel.
EhegattennachzugRechtsanspruch:wenn 18 Jahre, wenn älter als 21 Jahre.
Nach Ermessen: Partnernachzug.
Verbot:Nachzug weiterer Ehegatten.
KindernachzugRechtsanspruch:gemeinsame Kinder/ Sorgerecht/Unterhalt; bis 18 Jahre: bei gemeinsamer Einreise; über zwölf Jahre: bei Integrationsfähigkeit (nicht bei Flüchtlingen); bis 15 Jahre: bei vorheriger Antragstellung.Nach Ermessen:weitere Kinder der Ehegatten/Partner.
Nachzug VerwandterRechtsanspruch:Eltern minderjähriger Flüchtlinge.Nach Ermessen:
Vormund/Verwandteminderjähriger Flücht-linge; Eltern der Ehe-gatten ohne Bindung im Herkunftsland(Unterhalt); kranke, volljährige Kinder der Ehegatten/Partner.
SUBSIDIÄRER SCHUTZ
RL 2004/83/EG (Flüchtlings-/ subsidiärer Schutz) [seit 20. Okt. 2004 in Kraft] verlangt:
Wahrung der Familieneinheit im Land anwesender, begleitender Familien-angehöriger: Ehegatte / Partner (gem. nat. Recht), minderjährige ledige Kinder.Rechtsfolge: gleicher Status, mindestens einjähriger Aufenthaltstitel.
VORÜBERGEHENDER
SCHUTZ
Assoziationsabkommen:Maghreb-Staaten – nationales Ausländerrecht.
Assoziationsabkommen EWG/Türkei i.V.m. ARB 1/80.
RL 2001/55/EG (vorübergehenderSchutz) [seit 7. Aug. 2001 in Kraft] gewährt:Zusammenführung von auf der Flucht getrennten Familienmitgliedern: Rechtsanspruch für Ehegatten / Partner (gem. nat. Recht) sowie ihre minderjährigen, ledigen Kinder.Nach Ermessen: enge Verwandte, die im Familienverband leben. Rechtsfolge: gleicher Status.
ASSOZIATIONSRECHT
Keine EG-Regelung – Anwendungnationales Ausländerrecht.
INLÄNDER
168
I. Die ungelöste Frage der Inländerdiskriminierung
Hat der zusammenführende Unionsbürger von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch
gemacht, greift für die Regelung des Familiennachzugs – wie im dritten Kapitel
beschrieben – das Gemeinschaftsrecht. Demgegenüber fehlt bislang für die (bislang
rein national betrachtete) Konstellation, dass der Staatsangehörige als Unionsbürger
nicht von der Freizügigkeit Gebrauch machte (Inländer) und drittstaatsangehörige
Familienmitglieder in den Mitgliedstaat seiner Staatsbürgerschaft nachholen wollte,
mangels Gemeinschaftsbezug eine Regelung auf europäischer Ebene. Sie unterfällt
nationalem (Ausländer-)Recht. Deutschland und die Niederlande behandeln dabei
im Unterschied zu Frankreich693 eigene Angehörige im Vergleich zu Unionsbürgern
schlechter.694 Das Paradoxon besteht darin, dass sich die nach nationalem ‚Ausländer’-Recht bestimmende Lage im Bereich des Familiennachzugs gerade mangels
Wanderung der staatsangehörigen Bezugsperson ungünstiger ist.695 So kann beispielsweise ein in Deutschland lebender französischer Staatsangehöriger seinen
drittstaatsangehörigen Ehepartner, seine Eltern sowie seine Kinder bis zum Alter
von 21 Jahren ohne weiteres nachziehen lassen. Für einen deutschen Staatsangehörigen und seine Familienangehörigen ist dies (inzwischen) nur bei Erfüllung
zahlreicher Voraussetzungen möglich. Der Nachzug zu Inländern ist daher dem
Grunde nach nicht Gegenstand dieser Untersuchung, da es sich streng genommen
nicht um Migrantenfamilien handelt. Allerdings sind auch binationale Ehen und
Familien von den Auswirkungen von Migration in ihrem Familiendasein berührt.
Dies gilt nicht nur für die spezielle Gruppe der Aussiedler als Migranten mit deutscher Staatsangehörigkeit. Die innerstaatlichen Hindernisse betreffen in mehreren
Ländern überwiegend Staatsangehörige mit Migrationshintergrund: So übersteigt
der Anteil des Ehegattennachzugs zu Deutschen inzwischen696 – bei zugleich sinkenden Nachzugszahlen697 – den Ehegattennachzug zu Ausländern (2006: 45,1%
693 S. aber die seit 2006 erfolgte Verschlechterung der französischen Lage, S. 261 ff., Fn. 1105
(a. E.). Zur Gleichbehandlung in Belgien und (bis 2006) auch Österreich im Weiteren.
694 Vgl. zu Deutschland im Weiteren sowie zu den Niederlanden in diesem Kapitel, S. 266,
Fn. 1115. Gleiches gilt für das Vereinigte Königreich. Für das Vereinigte Königreich ist die
Familiennachzugsrichtlinie nicht anwendbar.
695 So für Deutschland treffend Renner, G., NVwZ 2004, 792, 796.
696 Zum Zeitpunkt des Zuwanderungsberichts erfolgte in etwas mehr als der Hälfte der Fälle der
ausländische Familiennachzug zu einem deutschen Ehepartner, Bericht der Unabhängigen
Kommission „Zuwanderung“. Zuwanderung gestalten, Integration fördern, Berlin, 4. Juli
2001, S. 15 bzw. 189. Diese Relation ist in den folgenden Jahren unverändert geblieben. Vgl.
bis zum 31. Dez. 2005, BAMF, Migration, Asyl und Integration in Zahlen, 14. Aufl., S. 69.
697 Das Jahr 2006 weist die niedrigste Zahl seit der Erfassung des Familiennachzugs in der Visastatistik aus: Es wurden 50.300 Visa zum Zweck des Familiennachzugs erteilt (2005: 53.213).
Die etwas höher liegenden Angaben des AZR bestätigen dies. Genauere Angaben sind dem
Migrationsbericht 2006 zu entnehmen, insb. S. 113 ff. ebenso Kreienbrink, A./ Rühl, S., Familiennachzug in Deutschland, Kleinstudie IV im Rahmen des Europäischen Migrationsnetzwerks, Working Paper 10/2007, S. 39 ff.
169
gegenüber circa einem Drittel).698 In Belgien sind sogar 80 % und in den Niederlanden sogar ca. 90 %699 der Zusammenführenden nicht Drittstaater, sondern eingebürgerte oder gebürtige Staatsangehörige mit Migrationshintergrund. Der Nachzug zu
Inländern ist aber auch aus einem weiteren rechtlichem Grund im Blick zu behalten:
Die Familiennachzugsrichtlinie hat insofern ‚Auswirkung’ auf diesen Bereich, als
die (nationale) Erstreckung von Beschränkungen der Richtlinie zum Familiennachzug zu Drittstaatsangehörigen auf den Nachzug zu Inländern dazu führt, dass sich
deren Schlechterstellung im Verhältnis zu Unionsbürgern verstärkt hat.700
Auch die Kommission hielt eine gemeinschaftliche Regelung für inländische
Unionsbürger für erforderlich, um die Ungleichbehandlung zwischen im Lande verbleibenden Unionsbürgern im Verhältnis zu wandernden Unionsbürgern abzuschaffen. Sie nahm daher in ihrem ursprünglichen Vorschlag zur Familienzusammenführung eine entsprechende Regelung auf.701 Im dritten Vorschlag wurde dieser
Passus gestrichen, insbesondere aufgrund bundesdeutscher Vorbehalte wegen der
Gruppe der Aussiedler, und es wurden Familienangehörige der inländischen Unionsbürger vom Anwendungsbereich der Familiennachzugsrichtlinie ausgeschlossen.702 Nach Ansicht der Kommission sollte diese Frage in einem speziellen Vorschlag, allerdings erst im Anschluss an die zu diesem Zeitpunkt noch in Entwicklung befindliche Neuordnung des Freizügigkeitsrechts geregelt werden.703
Die folgende beispielhafte Zusammenfassung verschiedener nationaler Rechtslagen zum Nachzug zu Inländern stellt angesichts der verschiedenen Grundgedanken
der Privilegierung bzw. Gleichbehandlung gegenüber Drittstaatsangehörigen beson-
698 Die Nachzugszahlen von Ehegatten zu deutschen Staatsangehörigen lagen im Jahr 2006 bei
22.697 Personen (2005: 23.780 Personen). Ebenfalls rückläufig ist die Zahl der Zuzüge von
Ehegatten zu ausländischen Staatsangehörigen (2006: 16.888 Personen). Häufigstes Herkunftsland des Ehegatten- und Familiennachzugs ist weiterhin die Türkei. Vgl. auch den
7. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration
über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, Berlin Dez. 2007, S. 222.
699 Nach Informationen des Staatsblad 2004, Nr. 496, S. 18, haben 93 % der (zusammenführenden) Antragsteller auf Familienbildung (gezinsvorming, d. h. wenn die Ehe nach Einreise des
Ehegatten geschlossen wird) die niederländische Staatsangehörigkeit. In vielen Fällen betrifft
der Ehegattennachzug Niederländer aus Immigrantengruppen der zweiten oder dritten Generation, vgl. Groenendijk, K./Minderhoud, P., De Nederlands invloed op nieuw Europese
regels betreffende migratie en asiel, in: Asbeek Brusse/Broeders/Griffiths (Hg.), Immigratie
en asiel in Europa. Een lange weg naar gemeenschappelijkheid?, S. 137, 144.
700 Ziegler, K. S., Integration und Recht im Lichte der Migrationspolitik, in: Sahlfeld u. a. (Hg.),
Integration und Recht, 2003, S. 127, 148. Vgl. dazu in verschiedenen Mitgliedstaaten Walter,
A., Inländerdiskriminierung bei Familiennachzug, Nimwegen 2008, Teil 1. Zu Deutschland s.
auch Kapitel 6, S. 364 f.
701 Art. 4 KOM (1999) 638. Dieser Ansatz zur Gleichstellung war ebenfalls bereits im Entwurf
des Übereinkommens vom 30. Juli 1997 zur Regelung der Zulassung von Staatsangehörigen
dritter Länder in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten enthalten, vgl. Art. 25 KOM (1997)
387, ABl. C 337 vom 7. Nov. 1997, S. 9. Zu diesem Entwurf, vgl. in diesem Kapitel, S. 152 f.
702 Art. 3 Abs. 3 RL 2003/86/EG (Familiennachzug). Zur Verhandlungsgeschichte s. S. 222,
Punkt 1, Fn. 965.
703 Vgl. Kommentar zu Art. 3 Dok. 6912/03 MIGR 16 (Einigung Familiennachzugs-RL).
170
ders den Harmonisierungsbedarf dieser Frage dar, wie er zum Verhandlungszeitpunkt (AuslG 1990) bestand.704 Die deutsche Rechtslage zum Ehegattennachzug
hat sich insoweit erst durch das Änderunggesetz 2007 wesentlich geändert.705
Typologisch war der Familiennachzug zu Deutschen im Vergleich zu Drittstaatsangehörigen zuvor weitergehend und unter weniger engen Voraussetzungen zulässig. Diese Privilegierung ergibt sich daraus, dass die deutschen Staatsangehörigen
ein Recht auf Verwirklichung von Ehe und Familie auch mit einem nichtdeutschen
Partner im Inland haben. Die Privilegierung betrifft vor allem die Kernfamilie, sonstige Angehörige deutsch-ausländischer Familien sind im Vergleich zu ausländischen Familien nicht erfasst. Der Ehegatte eines Deutschen (ebenso Lebenspartner706) konnte grundsätzlich eine Aufenthaltsgenehmigung beanspruchen, weil der
deutsche Ehepartner ein absolutes Recht auf Verbleib in Deutschland besitzt und er
ohne einen Zuzug seines ausländischen Partners gehindert wäre, eine dem Wesen
der Ehe entsprechende Lebensgemeinschaft zu führen.707 Einen Rechtsanspruch
besitzt auch das minderjährige, ledige Kind eines Deutschen708, das (seit der Reform
des StAG 2000 nur noch ausnahmsweise) nicht bereits die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt erworben hat sowie umgekehrt das Elternteil eines deutschen
Kindes.709 Der Familienbegriff ist damit im Verhältnis zu Unionsbürgern insofern
ein engerer, als diese ihre Kinder bis zum Alter von 21 Jahren und auch weitere
Verwandte nachziehen lassen können. Als allgemeine Voraussetzung des Nachzugs
zu Deutschen genügte das familiäre Zusammenleben.710 Es wurden keine sonstigen
Voraussetzungen von dem deutschen Zusammenführenden, wie Wohnraum oder
eine Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich einer ausreichenden Kranken-
704 Zu den weiteren Argumenten für eine mögliche gemeinschaftsrechtliche Lösung, vgl. Walter,
A., Inländerdiskriminierung bei Familiennachzug, Nimwegen 2008, Teil 2.
705 Dazu ausführlich in Kapitel 6, S. 329 ff.
706 § 27a i.V.m. § 23 AuslG 1990 sowie Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft vom
16. Feb. 2001, BGBl. I 2001, S. 266. Dieses Gesetz wurde vom BVerfG mit Urteil vom
17. Juli 2002 als verfassungsgemäß bestätigt, NJW 2002, 2543, 2545; Boele-Woelki,
K./Fuchs, A. (Hg.), Legal Recognition of Same-Sex Couples in Europe, S. 92.
707 § 23 Abs. 1 Nr. 1 AuslG 1990; Renner, G., AuslR, Kommentar, 7. Aufl., § 23, Rn. 2. Nunmehr sind als weitere Voraussetzungen eine Altersgrenze von 18 Jahren sowie Sprachkenntnisse erforderlich.
708 § 23 Abs. 1 Nr. 2 AuslG 1990.
709 Das Elternrecht ist dabei umso gewichtiger, je stärker es rechtlich abgesichert ist und je
umfassender es tatsächlich wahrgenommen wird. Der sorgeberechtigte Elternteil hat einen
Rechtsanspruch auf Aufenthaltsgenehmigung zum Zwecke der Ausübung der Personensorge,
§ 23 Abs. 1 Nr. 3 AuslG 1990. Zu dem Wandel der Rechtsprechung hinsichtlich des nichtsorgeberechtigten Elternteils, insbesondere beim Umgangsrecht, s. Schuler-Harms, M., Das
Recht auf Familieneinheit im nationalen Recht, in: Barwig/Beichel-Benedetti/Brinkmann
(Hg.), Perspektivwechsel im Ausländerrecht?, S. 192, 201 ff.
710 Aber behördliche Ermessensentscheidung, wenn ein Ausweisungsgrund gegen Familienangehörige vorliegt, oder der deutsche Ehepartner Sozialhilfe für andere Familienangehörige
in Anspruch nimmt, § 23 Abs. 3 i.V.m. § 17 Abs. 5 AuslG 1990; Hailbronner, K., AuslR,
Kommentar, Bd. 1 (Okt. 2003), AuslG, § 23, Rn. 10a ff.
171
versicherung, verlangt.711 Nach der Einreise ist dem ausländischen Familienmitglied
eine befristete Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.712 Diese wird in der Regel auf drei
Jahre befristet.713
Der Nachzug zu Niederländern bestimmte sich demgegenüber nach den gleichen
Regeln wie für Drittstaatsangehörige.714 Hingegen unterfielen die Familienangehörigen französischer Staatsangehöriger weitgehenden Privilegierungen ähnlich
Unionsbürgern im Rahmen der Freizügigkeitsregelungen.715 Dies galt infolge verfassungsgerichtlicher Entscheidung auch für den Nachzug zu Österreichern716
(ebenso aus gesetzgeberischer Entscheidung in Belgien): Nachdem die alte gesetzliche Regelung717 zu einer massiven Inländerdiskriminierung im Bereich des Familiennachzuges führte, erklärte der österreichische Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 17. Juni 1997 die günstigeren Nachzugsbestimmungen für EWR-
Bürger auch auf österreichische Staatsbürger anwendbar und vereinheitlichte beide
mit dem Argument, allein dies entspräche auch „dem aus Artikel 8 i.V.m. Artikel 14
EMRK fließenden Gebot, die in der EMRK festgelegten Rechte und Freiheiten ohne
Benachteiligung zu gewährleisten.“718 Dies änderte sich mit dem 1. Januar 2006: Im
Zuge der Umsetzung der Familiennachzugsrichtlinie durch das Niederlassungs- und
Aufenthaltsgesetz (NAG 2005) wurde auch die Schlechterbehandlung von Österreichern im Verhältnis zu Unionsbürgern wieder eingeführt.719 Die menschenrechtliche
Problematik dieser Schlechterbehandlung stellt damit erneut.720
711 § 23 AuslG 1990; Hailbronner, K., AuslR, Bd. 1, AuslG, § 23, Rn. 5; Renner, G., AuslR,
Kommentar, 7. Aufl., § 23, Rn. 3; Davy, U./Cinar, D., Deutschland, in: Davy (Hg.), Integration von Einwanderern, S. 285. Dies hat sich mit dem ÄndG 2007 ebenfalls geändert.
712 § 17 Abs. 1 i.V.m. § 23 Abs. 1 AuslG 1990.
713 § 23 Abs. 2 AuslG. Hailbronner, K., AuslR, Bd. 1, AuslG, § 23, Rn. 8; Renner, G., AuslR,
Kommentar, 7. Aufl., § 23, Rn. 11.
714 Steenbergen, H., in: Kuijer/dies., Nederlands vremdelingenrecht, 5. Aufl., 2002, S. 167 f.
sowie in diesem Kapitel, S. 266, Fn. 1115.
715 Vgl. Davy, U., Frankreich, in: dies. (Hg.), Integration von Einwanderern, S. 434.
716 Nach Zeichen, S., Wanderarbeitnehmer und ihr Recht auf Familienleben, S. 271, dort Fn. 235,
hatte der neue § 49 FrG 1997 (BGBl. I 1997/75) den Zweck, den (bisherigen) Miss-Stand zu
beseitigen, wobei weiterhin insofern eine Ungleichbehandlung bestehe, als dass die Niederlassungsbewilligungen für Angehörige von Österreichern in den ersten beiden Jahren nur befristet ausgestellt würden.
717 § 3 AufG, öst. BGBl. 1992/466; § 29 i.V.m. § 28 FrG 1992, öst. BGBl. 1992/838.
718 VfSlg 14.863: „Verletzung … infolge denkunmöglicher Auslegung des Begriffs ‚EWR-
Bürger’“. Grussmann, W. D., sieht darin eine weit über das Fremdenrecht hinausreichende
und in ihrem Ausmaß noch gar nicht absehbare Folgejudikatur, ders., Fremdenrecht betreffend Wanderarbeitnehmer, in: Feik (Hg.) Freizügigkeit der Arbeitnehmer in Österreich, S. 50.
Die Ungleichbehandlung zu sonstigen Fremden sei jedoch verfassungsrechtlich unbedenklich, VfSlg 13.836.
719 Während in manchen Punkten sich die rechtliche Lage für Drittstaatsangehörige verbesserte,
so beim Kindernachzugsalter von nunmehr 18 Jahren: §§ 2 Abs. 1 Z 9 iVm 46 bzw. 47 NAG.
720 Walter, A., Inländerdiskriminierung bei Familiennachzug, Nimwegen 2008, Teil 3.
172
II. Dauerhaft aufhältige Drittstaatsangehörige
‚Dauerhaft’ aufhältig heißt, die zusammenführende Person besitzt einen Aufenthaltstitel von mindestens einjähriger Gültigkeit und hat „begründete Aussicht auf
Erhalt des dauerhaften Aufenthaltsrechts“.721 Die Familiennachzugsrichtlinie bezieht
sich hier auf die Richtlinie des Rates betreffend den Status langfristig aufhältiger
Drittstaatsangehöriger.722 Erforderlich ist u. a. für den Status des sogenannten Daueraufenthaltberechtigten ein fünfjähriger rechtmäßiger Aufenthalt.
Das Kriterium der „begründeten Aussicht“ wurde erst nach den Verhandlungen
im Rat in den dritten Vorschlag aufgenommen. Der Begriff „begründete Aussicht“
ist zwar nicht genauer definiert. Der Besitz eines dauerhaften Titels ist aber nicht
Voraussetzung und der Nachweis dauerhaften Aufenthalts muss nicht erst erbracht
werden. Die begründete Aussicht genügt. Der Text der „Aussicht auf Zuerkennung
eines ständigen oder langfristig geltenden Aufenthaltsrechts“ findet sich allerdings
bereits in der Entschließung des Rates zum Familiennachzug.723 Hintergrund ist die
Absicht, das Recht auf Familiennachzug vorübergehend anwesenden Personen ohne
die Möglichkeit einer Verlängerung des Titels nicht zu gewähren. Diese Regelung
zielt laut Kommissionsbegründung besonders auf au pair’s und Praktikanten ab.724
Die zusammenführenden Drittstaatsangehörigen können entweder selbst eingewandert sein (zu Erwerbszwecken, entgeltloser Tätigkeit oder auch Nichterwerb)
oder in der Union geboren sein, ohne die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates
erworben zu haben. Erfasst sind ebenfalls in einem eigenen Kapitel anerkannte
Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Sie genießen teils vergünstigte Nachzugsbedingungen.725
Von Studenten ist nicht (mehr) die Rede, wohingegen sie im ersten Vorschlag
noch als begrenzt nachzugsberechtigt erwähnt wurden. Dort hatte die Kommission
den Nachzug von Partnern und Kindern der Studenten vergleichbar dem derzeitigen
Gemeinschaftsrecht als Ermessensentscheidung vorgesehen. Zwar ist nach dem
verabschiedeten Text der Familiennachzugsrichtlinie nicht ausdrücklich ausgeschlossen, dass sie ebenfalls gemeint sind, dies ergibt sich jedoch aus dem Zusammenspiel der Richtlinien. Die Studentenrichtlinie726 selbst enthält keine Regelung
721 Art. 3 Abs. 1 RL 2003/86/EG (Familiennachzug).
722 S. zu dem Konzept der Daueraufenthaltsrichtlinie S. 163 f. Lautete die Formulierung zunächst noch „begründete Aussicht auf Erhalt des unbefristeten Aufenthaltsrechts“, wurde daraus später „dauerhaft“, Dok. 10214/03 bzw. konsolidierte Fassung mit Erwägungsgründen
Dok. 10501/1/03 (Einigung Daueraufenthaltsrichtlinie).
723 Entschließung über die Harmonisierung der nationalen Politiken im Bereich Familienzusammenführung vom 1. Juni 1993 in Kopenhagen, in: Hailbronner, K., AuslR, Bd. 4 (Okt. 2003),
D 9.1, Nr. 6. Dazu auch S. 151 f.
724 Au-pairs und Saisonarbeitnehmer sind ausdrücklich vom Anwendungsbereich ausgenommen,
Art. 3 Abs. 2 lit. e) RL 2003/109/EG (Daueraufenthalt).
725 Art. 9-12 RL 2003/86/EG (Familiennachzug); s. dazu in diesem Kapitel, S. 201 f.
726 Richtlinie 2004/114/EG des Rates vom 13. Dez. 2004 über die Bedingungen für die Zulassung von Drittstaatsangehörigen zur Absolvierung eines Studiums oder zur Teilnahme an ei-
173
des Familiennachzugs für diese Personengruppe. Allerdings erhalten Studenten
danach einen Aufenthaltstitel von einem Jahr, der verlängert werden kann. Indes ist
nicht die Erteilung eines weiteren, unbefristeten Titels nach dieser Richtlinie möglich. Die Daueraufenthaltsrichtlinie wiederum schließt zunächst Drittstaatsangehörige, die sich zwecks Studiums oder Berufsausbildung in einem Mitgliedstaat aufhalten, aus ihrem Anwendungsbereich aus.727 Sie sieht jedoch im Weiteren vor, dass
die Zeiten, in denen sich der Drittstaatsangehörige zwecks Studiums oder Berufsausbildung in dem Mitgliedstaat aufgehalten hat, (nur) zur Hälfte in die Berechnung des Zeitraums von fünf Jahren einfließen,728 wenn ihm ein Aufenthaltstitel
gewährt wurde, auf dessen Grundlage ihm die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zuerkannt werden kann.729 Damit dürfte es für Studenten
schwer sein, mittels allein auf Studienzwecken beruhenden Aufenthalts eine „begründete Aussicht auf einen dauerhaften Aufenthaltstitel“ zu haben und ein Nachzug
ausgeschlossen sein.
Obwohl die Kommission ausdrücklich günstigere Bedingungen für Angehörige
von Forschern als die der Familiennachzugsrichtlinie vorschlug,730 enthält die verabschiedete Forscher-Richtlinie731 weder ein ausdrückliches Recht auf Familiennachzug noch Regelungen zum Status der Familienmitglieder.732 Die nachzugswilligen
Familienmitglieder unterfallen damit (gegebenenfalls strengerem) nationalem Recht
bzw. der Familiennachzugsrichtlinie, mit der Folge, dass dies, entsprechend den
Befürchtungen der Kommission, der Intention der Forscherrichtlinie zuwiderläuft.733
nem Schüleraustausch, einer unbezahlten Ausbildungsmaßnahme oder einem Freiwilligendienst, ABl. L 375 vom 23. Dez. 2004, S. 12 (Studentenrichtlinie).
727 Art. 3 Abs. 2 lit. a) RL 2003/109/EG (Daueraufenthalt).
728 Der Kommissionsentwurf nahm Promovierende davon noch aus. Deren Zeit sollte voll angerechnet werden. Nach fünfjährigem Aufenthalt sollten sie den Daueraufenthaltsstatus erwerben können, „da die Eingliederung hochqualifizierter Personen in die Gesellschaft und den
Arbeitsmarkt gefördert werden sollte“, vgl. Kommentar zu Art. 5 Abs. 2 lit. b) KOM (2001)
127 (Daueraufenthaltsrichtlinie), S. 17. Dies wurde im Laufe der Verhandlungen gestrichen,
vgl. auch Peers, S., EJML 2003, S. 107, 133.
729 Art. 4 Abs. 2 UA 2 RL 2003/109/EG (Daueraufenthalt).
730 Vgl. Fn. 1353.
731 Richtlinie 2005/71/EG vom 12. Okt. 2005 über ein besonderes Zulassungsverfahren für Drittstaatsangehörige zum Zwecke der wissenschaftlichen Forschung, ABl. L 289 vom 3. Nov.
2005, S. 15.
732 Erwägungsgrund 18 RL 2005/71/EG (Forscher) sieht lediglich vor, dass „besondere Aufmerksamkeit […] der Erleichterung und Förderung der Wahrung der Einheit der Familie des
Forschers […] gelten [sollte]“.
733 Vgl. Peers, S., Key Legislative Developments on Migration in the European Union, EJML
2005, 87, 112 f.
174
III. Kein Nachzug bei vorübergehendem Aufenthalt
Drittstaatsangehörige mit vorübergehendem Aufenthalt sind ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen. Dies betrifft Asylbewerber während
der Dauer des Anerkennungsverfahrens sowie Drittstaatsangehörige, denen Aufenthalt im Rahmen des vorübergehenden und subsidiären Schutzes gewährt wurde.734
Sie haben nach dem Richtlinienkonzept keine Aussicht auf einen langfristigen Aufenthaltsstatus.
1. Vorübergehender Schutz
Vorübergehender Schutz ist in einer bereits früh verabschiedeten Richtlinie geregelt.735 Die Umsetzungsfrist endete am 30. Dezember 2002. Die Richtlinie sieht für
die Frage des Familiennachzugs lediglich eine Zusammenführung von bestimmten
Familienmitgliedern vor, deren Familienbande vor der Flucht bestanden und während der Flucht getrennt worden sind. Das sind Ehegatten bzw. im nationalen Recht
in ähnlicher Weise gestellte nicht eheliche Partner, deren minderjährige ledige Kinder sowie enge abhängige Verwandte, die im Familienverband lebten. Zusammenführung kann sowohl die Zusammenführung mit Familienangehörigen, die in einem
anderen Mitgliedstaat vorübergehenden Schutz erhalten, als auch Nachzug aus dem
Drittstaat bedeuten. Dabei besteht für Ehegatten, Partner und Kinder im Gegensatz
zu den engen Verwandten ein Rechtsanspruch.736
2. Subsidiärer Schutz
Subsidiäre Schutzgewährung bedeutet, dass Schutzbedürftigkeit besteht und die
bisherigen Schutzformen diesen Schutz mangels Erfüllung der Voraussetzungen
nicht leisten. Subsidiärer Schutz ist bereits im Anfangsstadium nach der Stellungnahme des Parlaments vom Mai 2001 aus dem ersten Vorschlag der Familiennach-
734 Art. 3 Abs. 2 lit. a-c) RL 2003/86/EG (Familiennachzug).
735 RL 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur
Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser
Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten (Vorübergehender Schutz), ABl. L 212 vom 7. Aug. 2001, S. 12. An dieser Richtlinie beteiligt sich
auch das Vereinigte Königreich. Des Weiteren ist diese Richtlinie mit Entscheidung der
Kommission vom 2. Okt. 2003 auf Irland anwendbar, vgl. Entscheidung 2003/690/EG der
Kommission vom 2. Okt. 2003 zum Antrag Irlands auf Annahme der Richtlinie 2001/55/EG
(Vorübergehender Schutz), bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2003) 3428, ABl. L 251
vom 3. Okt. 2003, S. 23.
736 Art. 15 Abs. 2 und 3 RL 2001/55/EG (Vorübergehender Schutz).
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zugsrichtlinie mit der Begründung entfallen, dass dieses – bis dato noch gemeinschaftsrechtlich ungeregelte – Konzept in einem eigenen Instrument erfasst werden
sollte.737 Dies ist im Folgenden mit der Richtlinie betreffend Flüchtlinge und Personen, die subsidiären Schutz genießen, geschehen.738 Das Parlament plädierte daher
in seiner Empfehlung zum dritten Vorschlag der Kommission unter Verweis auf den
ersten Vorschlag der Kommission für eine (Wieder-)Aufnahme des subsidiären
Schutzes in den Anwendungsbereich der Familiennachzugsrichtlinie.739 Dennoch
blieb dies aus.740 Die Kommission verlegte diese Frage ebenso wie die Regelung des
Daueraufenthaltsstatus für diese Personen und ihre Familien auf die zweite Phase
der Harmonisierung des Gemeinschaftsrechts. Damit fehlt für diese Gruppe (bislang) auf gemeinschaftlicher Ebene eine ‚begründete Aussicht auf dauerhaften Aufenthalt’ im Sinne der Familiennachzugsrichtlinie.741
Im Laufe der Verhandlungen zur Flüchtlingsschutzrichtlinie zeigte sich, dass
nicht alle Mitgliedstaaten bereit waren, beiden Schutzkategorien der Flüchtlinge und
des subsidiären Schutzes den gleichen Rechtsstatus zu gewähren. Insbesondere bei
den Rechten im Aufenthalt, d. h. bei der Frage der Familieneinheit, dem Aufenthaltsstatus sowie dem Zugang zu Beschäftigung und Sozialschutz (Gesundheitsversorgung, Integrationshilfen, Integrationsmaßnahmen), werden niedrigere Standards
für Drittstaatsangehörige, denen Aufenthalt im Rahmen des subsidiären Schutzes
gewährt wird, vorgesehen. Für Personen mit subsidiärem Schutzstatus gibt es kein
Recht auf Nachzug von Familienangehörigen, sondern nur die Möglichkeit der
Wahrung der Familieneinheit von bestimmten, bereits im Land anwesenden (begleitenden) Familienangehörigen. Als Familienangehörige werden Ehepartner, nichtverheiratete Partner sowie unverheiratete und abhängige minderjährige Kinder defi-
737 Dabei hatten sich neben anderen auch Frankreich und Deutschland in den Ratsverhandlungen
gegen eine Harmonisierung für diese Gruppe ausgesprochen (Dok. 8633/00, 4). Vgl. zum
Nachbesserungsbedarf zu diesem Punkt im ZuwG, Kapitel 7, S. 358 f.
738 RL 2004/83/EG vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den
Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die
anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden
Schutzes (Flüchtlingsschutz), ABl. L 304 vom 30. Sept. 2004, S. 12. Die Umsetzungsfrist endete am 10. Okt. 2006. Die Kommission legte den Vorschlag KOM (2001) 510 endg. am
5. Sept. 2001 (Flüchtlingsschutz-RL) vor. Das Vereinigte Königreich und Irland haben am
29. Jan. 2002 bzw. am 13. Feb. 2002 gemäß Art. 3 des Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands ihre Absicht mitgeteilt, sich an der Annahme dieser Richtlinie zu beteiligen. Die Richtlinie wurde vom Rat am 30. März 2004 vorbehaltlich eines Parlamentsvorbehalts der niederländischen Delegation angenommen.
739 Dok. PE 319.245 vom 24. März 2003, A 5 0086/2003 endg., S. 16.
740 Auch Erwägungsgrund 11 des zweiten Vorschlages, welcher vorsah, dass eine Regelung des
Familiennachzuges zu diesen Personen so schnell wie möglich erfolgen sollte, entfiel im dritten Vorschlag.
741 Im Vorschlag der Daueraufenthaltsrichtlinie war dieser Status explizit noch für Flüchtlinge
und Personen mit subsidiärem Schutz enthalten, wurde aber gestrichen. Die Kommission hat
im 6. Juni 2007 einen neuen Vorschlag (KOM (2007) 298) vorgelegt, s. dazu die Ausführungen zu den Besonderheiten der Familiennachzugsrichtlinie für Flüchtlinge S. 201 ff., a. E.
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niert, die sich im Zusammenhang mit dem Antrag auf internationalen Schutz in
demselben Mitgliedstaat aufhalten. Sie erhalten den gleichen Status. Er kann erlöschen, wenn der Schutz nicht mehr benötigt wird. Die mit dem Schutzstatus verbundenen Rechte müssen zumindest denen entsprechen, die Antragstellern während des
Prüfverfahrens zugestanden werden und sind gleichermaßen begleitenden Familienangehörigen zu gewähren. Im Detail wird aber auch hier wieder eine unterschiedliche Behandlung von Antragsteller und Familienangehörigen vorgesehen. Neben
dem Schutz vor Zurück- und Ausweisung gehört dazu ein mindestens einjähriger
verlängerbarer Aufenthaltstitel für den Antragsteller und seine begleitenden Familienangehörigen.
Diese Ungleichbehandlung beider Flüchtlingsgruppen ist nicht nur aus Sicht des
UNHCR problematisch.742 Auch im Rahmen der Klageerhebung des Parlaments
gegen die Familiennachzugsrichtlinie743 befürwortete der Ausschuss für Bürgerfreiheiten (LIBE), der bereits in seiner Empfehlung zum dritten Richtlinienvorschlag
der Kommission für eine Aufnahme des subsidiären Schutzes in den Anwendungsbereich der Familiennachzugsrichtlinie plädierte, eine Klageeinreichung auch in
diesem Punkt. Dies wurde allerdings nicht aufgenommen.744
C. Die Bedingungen für das Recht auf Familienzusammenführung
Die Richtlinie regelt die „Bedingungen für die Ausübung des Rechts auf Familienzusammenführung durch Drittstaatsangehörige.“745 Über die bestimmten gemeinsamen Modalitäten dieser Rechtsausübung hinaus belässt sie den Mitgliedstaaten zugleich das Recht, günstigere Regelungen zu treffen oder beizubehalten.746
Insofern sind in der Richtlinie zunächst allgemeine Voraussetzungen wirtschaftlicher, verfahrenstechnischer und integrationspolitischer Natur für den Nachzug vorgesehen. Im Laufe der Verhandlungen entfallen ist das ausdrückliche Verbot, wonach die materiellen Voraussetzungen nur zur Sicherung der Bedürfnisse der Fami-
742 Die jedenfalls nach europäischem Recht mögliche Trennung von Eltern und Kindern stellt
eine Diskriminierung der des subsidiären Schutzes bedürftigen Gruppe dar: „UNHCR unzufrieden mit neuen Regelungen zur Familienzusammenführung“, Stellungnahme des UNHCR
zur Richtlinie Familienzusammenführung vom 23. Sept. 2003. S. dazu auch in Kapitel 1,
S. 60 f.
743 S. dazu Kapitel 5.
744 Protokoll der außerordentlichen Sitzung des Ausschusses am 21. Okt. 2003.
745 Art. 1 RL 2003/86/EG (Familiennachzug).
746 Ausdrücklich in Art. 3 Abs. 5 RL 2003/86/EG (Familiennachzug). Darüber hinaus bestimmt
Art. 63 Satz 2 EG, dass Maßnahmen, die vom Rat nach den Nummern 3 und 4 beschlossen
worden sind, die Mitgliedstaaten nicht daran hindern, in den betreffenden Bereichen innerstaatliche Bestimmungen beizubehalten oder einzuführen, die mit diesem Vertrag und mit internationalen Übereinkünften vereinbar sind. Dazu Boeles, P., Nederland en het toekomstig
Europees gezinsherenigingrecht, in: Brouwer/Groenendijk (Hg.), Derdelanders in de
Europese Unie, S. 85, 95.
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References
Zusammenfassung
Die Untersuchung widmet sich einem der umstrittensten und in dieser Komplexität wenig behandelten Felder des modernen Migrationsrechts. Die Autorin begreift Familienzusammenführung als ein europäisches Migrationsphänomen, das einer rechts- und länderübergreifenden sowie interdisziplinären Perspektive bedarf. Die Darstellung besitzt mit ihrer Zusammenführung von Völkerrecht, Europarecht und deutschem Verfassungsrecht mit Elementen der Politikwissenschaft Seltenheitswert.
Im Zentrum stehen die aktuellen Entwicklungen in der EU. Die Entwicklung der Familienzusammenführungsrichtlinie wird vor dem Hintergrund völkerrechtlicher Verpflichtungen und nationaler Veränderungen kritisch untersucht. Dabei werden die Verhandlungspositionen zur Richtlinie vor dem Hintergrund des französischen, niederländischen und deutschen Nachzugsrechts analysiert. Des Weiteren erforscht die Autorin die Auswirkung dieses Europäisierungsprozesses für Unionsbürger einerseits sowie für Drittstaatsangehörige andererseits einschließlich der Gruppe der Asylberechtigten und Flüchtlinge und hinterfragt das Zuwanderungsgesetz 2007 auf Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen und internationalen Verpflichtungen.