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keine abweichenden Anhaltspunkte vorliegen, nur als Maßstab für die Berechnung
des mit Eintritt des Versorgungsfalls entstehenden Vollrechts anzusehen. Sieht die
Versorgungsregelung eine bedarfsabhängige, in den ersten Jahren der Betriebszugehörigkeit stark ansteigende Wertberechnung vor (beispielsweise 4 Prozent statt der
durchschnittlichen 2,5 Prozent pro Jahr), kann dem Arbeitgeber bzw. den Tarifvertragsparteien also nicht einfach unterstellt werden, sie wollten die (höheren) Leistungen auch bei einer bloßen Teilleistung erbringen.
Abweichend von § 2 Abs. 1 BetrAVG ist der am Ablösungsstichtag erdiente
Teilbetrag folglich nur dann zu berechnen, wenn die (tarifliche) Versorgungsregelung dies ausdrücklich vorsieht oder sie zumindest auf den Fall des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis bezogen ist. Anderenfalls erfolgt die Berechnung nach § 2 Abs. 1 BetrAVG.
3. „Erdiente“ Dynamik
Folgt man dem BAG und erkennt – entgegen der hier vertretenen Ansicht – die
„erdiente“ Dynamik als zweite von drei Besitzstandsstufen an,256 stellt sich die Frage, nach welchem Maßstab die zum Ablösungsstichtag erdiente Dynamik zu berechnen ist. Das BAG wendet auch diesbezüglich § 2 Abs. 1 BetrAVG analog an.
§ 2 Abs. 5 BetrAVG sei auf die Anwartschaftsberechnung bei fortbestehendem
Arbeitsverhältnis nicht übertragbar, weswegen die darin enthaltene Änderungssperre
nicht greife.257 Soll die Versorgungsrente nach der am Ablösungsstichtag geltenden
Versorgungsordnung 20 Prozent des zuletzt erzielten Bruttomonatsgehalts betragen
und hat der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt 30 von 40 möglichen Dienstjahren
zurückgelegt, beträgt die erdiente Dynamik, wenn das Bruttomonatsgehalt bis zum
Eintritt des Versorgungsfalls von 3.000 € auf 5.000 € steigt, nach § 2 Abs. 1
BetrAVG ¾ x 20% x (5.000 € - 3.000 €) = 300 €.
Nach zutreffender Ansicht ist die künftige Dynamik der Versorgungszusage zum
Ablösungsstichtag jedoch nicht erdient und daher zu den noch nicht erdienten Anwartschaftsteilen zu zählen.
IV. Schutz durch höherrangiges Recht
Das Betriebsrentengesetz enthält selbst keine Regelungen, die den Entzug bereits
zugesagter Versorgungsleistungen beschränken und so den Besitzstand des Arbeitnehmers schützen. Auch das TVG regelt den Besitzstandsschutz nicht. Zur Ermittlung der Rechtsprinzipien, die tariflich zugesagte Versorgungsrechte gegen ver-
256
Zum Streitstand oben II 1 und 2, S. 71 f.
257
BAG 10.9.2002, AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 37 (II 1); BAG 11.12.2001, AP BetrAVG § 1
Ablösung Nr. 36 (II 1); BAG 18.4.1989, AP BetrAVG § 1 Unterstützungskassen Nr. 23 (B 1
b); BAG 17.4.1985, AP BetrAVG § 1 Unterstützungskassen Nr. 4 (B II 3 c 2).
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schlechternde Neuregelungen schützen, muss daher auf verfassungsrechtliche Wertungen zurückgegriffen werden.
Bei erdienten Versorgungsrechten ist insbesondere fraglich, ob sie zum verfassungsrechtlich geschützten Eigentum zählen, d.h. der Eigentumsgarantie des Art. 14
GG unterfallen. Daneben kommt für erdiente wie für nicht erdiente Versorgungsrechte ein Schutz durch Art. 12 GG und Art. 2 Abs. 1 GG in Betracht. Die dem
Ganzen eigentlich vorgelagerte Frage nach der Geltung der Grundrechte im Privatund insbesondere im Tarifvertragsrecht soll an dieser Stelle vorerst noch dahinstehen.258 Die weit überwiegende Meinung geht zumindest von einer mittelbaren Bindung der Tarifvertragsparteien an Grundrechte aus.
1. Eigentumsschutz von Versorgungsrechten
Zum verfassungsrechtlich durch Art. 14 GG geschützten Eigentum zählen jedenfalls
alle privatrechtlichen vermögenswerten Positionen, die das bürgerliche Recht einem
privaten Rechtsträger als Eigentum zuordnet, daneben aber auch alle sonstigen vermögenswerten Rechte, die dem Einzelnen durch privatrechtliche Normen so zugeordnet sind, dass er die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher
Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf.259 Der verfassungsrechtliche
Eigentumsbegriff erfasst damit neben dem bürgerlichrechtlichen Sacheigentum und
anderen dinglichen Rechte auch zivilrechtliche Ansprüche und Forderungen.260 Der
verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff reicht insoweit deutlich weiter als der bürgerlichrechtliche.
Nach diesen Kriterien unterfallen Versorgungsansprüche und – als bedingte Forderungen261 – auch Versorgungsanwartschaften grundsätzlich dem Schutzbereich
des Art. 14 GG. Gleichwohl wird die Frage, inwieweit tarifliche Versorgungsrechte
durch Art. 14 GG geschützt sind, in Rechtsprechung und Lehre unterschiedlich
beurteilt. Das BAG hat hierzu in zwei Entscheidungen neueren Datums Stellung
bezogen. Danach sollen Versorgungsansprüche, auch soweit sie auf einem Tarifvertrag beruhen, der Eigentumsgarantie unterfallen,262 Versorgungsanwartschaften
hingegen vom Schutzbereich ausgenommen bleiben.263 Das BAG stützt sich dabei
auf die ständige Rechtsprechung des BVerfG, wonach Art. 14 GG nur den (konkret)
258
Eingehend unten Kap. 3 E II 4, S. 141 ff.
259
BVerfG 7.12.2004, E 112, 93, 107; BVerfG 22.5.2001, E 104, 1, 8; BVerfG 26.5.1993, E 89,
1, 6; BVerfG 9.1.1991, E 83, 201, 208 f.; BVerfG 19.6.1985, E 70, 191, 199.
260
BVerfG 7.12.2004, E 112, 93, 107; BVerfG 9.1.1991, E 83, 201, 208 f.; BVerfG 31.10.1984,
E 68, 193, 222; BVerfG 8.6.1977, E 45, 142, 179.
261
Oben Kap. 1 A I, S. 30.
262
BAG 20.2.2001, EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 24 (I 2 a ee); a.A. B/R/O/Rolfs, BetrAVG,
Anh § 1 Rn. 609; im Anschluss daran auch Kemper/Kisters-Kölkes/Kemper, BetrAVG, § 1
Rn. 285.
263
BAG 19.11.2002, AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 40 (B I 3 c cc); ebenso B/R/O/Rolfs,
BetrAVG, Anh § 1 Rn. 609 und Kemper/Kisters-Kölkes/Kemper, BetrAVG, § 1 Rn. 285.
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vorhandenen Bestand an vermögenswerten Rechten schützt, nicht aber bloße Hoffnungen, Chancen und Gewinnerwartungen.264 Da Tarifverträge grundsätzlich jederzeit gekündigt und durch einen zeitlich nachfolgenden Tarifvertrag abgelöst werden
können, stehe den Versorgungsanwärtern eine i.S.d. Art. 14 GG bereits gefestigte
Rechtsposition nicht zu.265 Der BGH hat sich dem in seiner Entscheidung zum Systemwechsel in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes jedenfalls für den
unverfallbaren Teilbetrag einer Versorgungsanwartschaft angeschlossen.266
Der für die betriebliche Altersversorgung zuständige Dritte Senat des BAG hat
die Frage nach dem Eigentumsschutz von Versorgungsrechten allerdings zuletzt –
ebenso wie das BVerfG267 – ausdrücklich offen gelassen.268
Das OLG Karlsruhe hat den Schutzbereich des Art. 14 GG für Versorgungsansprüche und erdiente Versorgungsanwartschaften dagegen für eröffnet erklärt und
dies damit begründet, dass die Versorgungsleistungen „in erheblichem Maße durch
den personalen Bezug des Anteils eigener Leistungen der Pflichtversicherten geprägt (sind)“ 269. Dies überzeugt im Ergebnis, aber nicht in der Begründung. Mit der
Betonung des Entgeltcharakters der betrieblichen Altersversorgung ist das Argument, den Versorgungsanwärtern stehe eine gefestigte Rechtsposition noch nicht zu,
nicht widerlegt. Dennoch trifft die Rechtsauffassung des OLG Karlsruhe im Ergebnis zu. Aus der jederzeitigen Kündigungs- oder Ablösungsmöglichkeit eines Tarifvertrags kann nicht der Schluss gezogen werden, dass tarifliche Versorgungsrechte
nicht von Art. 14 GG geschützt sind. Die – wenn auch durch den Eintritt des Versorgungsfalls bedingte – Forderung entsteht bereits zum Zeitpunkt, in welchem dem
Arbeitnehmer eine Versorgungszusage erteilt wird. Damit unterfällt sie grundsätzlich dem Eigentumsschutz. Dass ihre konkrete inhaltliche Ausgestaltung und damit
die Höhe der monatlichen Versorgungsrente noch nicht feststeht, bleibt hierauf im
Ergebnis ohne Einfluss. Selbst den überkommenen Eigentumsgrundrechten ist, wie
Art. 14 Abs. 1 Satz 2 verdeutlicht, eine gewisse Gesetzesabhängigkeit immanent.
Erforderlich, aber auch hinreichend für das Eingreifen der Eigentumsgarantie ist
vielmehr, dass das vermögenswerte Recht zumindest in seinem Kern gewährleistet
ist.270 Diese Voraussetzung ist bei Versorgungsansprüchen und bei erdienten Versorgungsanwartschaften erfüllt, gleichgültig auf welcher Rechtsgrundlage sie beruhen. Denn das BAG schränkt den rückwirkenden Entzug bereits erdienter Versor-
264
BVerfG 26.6.2002, E 105, 252, 277; BVerfG 18.5.1988, E 78, 205, 211; BVerfG 14.1.1987, E
74, 129, 148; BVerfG 31.10.1984, E 68, 193, 222; BVerfG 21.6.1977, E 45, 272, 296.
265
BAG 19.11.2002, AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 40 (B I 3 c cc).
266
BGH 14.11.2007, BetrAV 2008, 203, 205 f.
267
BVerfG 9.5.2007, BetrAV 2007, 576, 577; BVerfG 3.12.1998, NZA-RR 1999, 204; BVerfG
15.7.1998, E 98, 365, 401.
268
BAG 21.8.2007, AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 69 (B IV 2 b aa); BAG
25.5.2004, AP BetrAVG § 1 Überversorgung Nr. 11 (B I 4 b aa [1]).
269
OLG Karlsruhe 24.11.2005, Az. 12 U 102/04, n.v. (B IV 6 b) und 22.9.2005, ZTR 2005, 588;
im Ergebnis zustimmend ErfK/Steinmeyer, Vorbem. BetrAVG Rn. 23; ders., FS Schaub,
S. 727, 733. Dem pflichtet Rengier, RdA 2006, 213, 215 = BetrAV 2007, 20, 22 jedenfalls für
den öffentlichen Dienst bei.
270
Schenke, FS Lorenz, S. 715, 722.
83
gungsrechte durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Vertrauensschutzprinzip erheblich ein und hat daneben in mehreren Entscheidungen auch einen
schlechthin unentziehbaren Kernbereich an Rechten anerkannt.271 Ein vollständiger
Entzug bereits erdienter Rechtspositionen wäre danach jedenfalls unzulässig. Damit
ist die den Versorgungsanwärtern zustehende Rechtsposition in dem von Art. 14
Abs. 1 GG geforderten Maß verfestigt, geht also über eine bloß tatsächliche Erwartung hinaus.
Abweichend zu entscheiden ist hinsichtlich des zum Ablösungsstichtag noch
nicht erdienten Teilbetrags der Versorgungsanwartschaft. Versorgungstarifverträge
sind jedenfalls mit Wirkung für die Zukunft jederzeit abänderbar, so dass ein
schutzwürdiges Vertrauen der Arbeitnehmer insoweit nicht entstehen kann. Von
einer Gewährleistung noch nicht erdienter Versorgungsrechte im Kernbereich kann
daher nicht gesprochen werden. Anders als der bereits erdiente, ist der bis zum Ablösungsstichtag noch nicht erdiente Teilbetrag des Versorgungsrechts daher durch
Art. 14 GG nicht geschützt.272 Das entspricht im Übrigen auch der ständigen Rechtsprechung des BGH, der für den vergleichbaren Fall der Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses das Vertrauen der anderen Vertragspartei, das Dauerschuldverhältnis werde trotz bestehenden Kündigungsrechts nicht aufgelöst, als nicht durch
Art. 14 GG geschützt ansieht.273
Erdiente Versorgungsrechte – Versorgungsansprüche und -anwartschaften – sind
damit im Ergebnis als verfassungsrechtliches Eigentum durch Art. 14 GG geschützt;
zugesagte, aber noch nicht erdiente Versorgungsrechte unterfallen dagegen nicht
dem Schutzbereich des Art. 14 GG.
2. Berufsfreiheit
Die in Art. 12 GG gewährleistete Berufsfreiheit sichert die Freiheit, einen Beruf zu
wählen und auszuüben.274 Geschützt ist grundsätzlich jede Beschäftigung, die der
Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient, d.h. die auf Erwerb gerichtete Beschäftigung. Durch diese Zielrichtung lässt sich der Gewährleistungsgehalt des
Art. 12 GG von dem des Art. 14 GG abgrenzen. Art. 14 GG schützt nur das bereits
Erworbene.275
Als bereits erworbene Rechte fallen Versorgungsanspruch und erdienter Teilbetrag der Versorgungsanwartschaft grundsätzlich in den Schutzbereich des Art. 14
271
Unten Kap. 3 D, S. 128 ff.
272
So im Ergebnis auch OLG Karlsruhe 22.9.2005, ZTR 2005, 588 (B IV 6 d ee, insoweit nicht
veröffentlicht).
273
BGH 17.3.1994, NJW 1994, 3156, 3157; BGH 8.7.1993, NJW 1993, 3131; BGH 20.2.1992,
NJW-RR 1992, 780, 781; BGH 7.1.1982, NJW 1982, 2181, 2182.
274
BVerfG 20.3.2001, E 103, 172, 183 f.; BVerfG 15.7.1998, E 98, 365, 395; BVerfG
14.11.1984, E 68, 256, 267; BVerfG 21.10.1981, E 58, 358, 363 f.
275
BVerfG 16.2.2000, E 102, 26, 40; BVerfG 25.5.1993, E 88, 366, 377; BVerfG 10.3.1992, E
85, 360, 383.
84
GG. Der Schutzbereich des Art. 12 GG wäre nur eröffnet, wenn durch die Herabsetzung von erdienten Versorgungsanwartschaften zugleich in die berufliche Tätigkeit
als solche oder in die Wahl des Arbeitsplatzes eingegriffen würde. Von vornherein
nicht durch Art. 12 GG geschützt sind bereits verrentete Arbeitnehmer, da sie keinen
Beruf mehr ausüben.
Die berufliche Tätigkeit als solche, d.h. ihre Form, ihr Umfang sowie die eingesetzten Mittel, ist durch den Eingriff in Versorgungsrechte regelmäßig nicht betroffen. Auch nach dem Eingriff ist der Arbeitnehmer in der Lage, seine bisherige Tätigkeit inhaltlich unverändert fortzuführen. Die durch Art. 12 GG geschützte Freiheit, seinen Beruf auszuüben,276 ist damit jedenfalls nicht beeinträchtigt. Neben der
Berufsausübungsfreiheit schützt Art. 12 GG aber auch die Berufswahl. Durch eine
gesetzliche (oder tarifliche) Regelung darf die freie Wahl eines anderen Arbeitsplatzes daher nicht in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt oder faktisch erschwert
werden.277 Eine faktische Erschwernis läge aber nur vor, wenn gerade an das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis unverhältnismäßige Folgen geknüpft werden
und sich der Arbeitnehmer deswegen scheut, seinen bisherigen Arbeitsplatz aufzugeben.278 So liegt der Fall bei tariflichen Eingriffen in erdiente Versorgungsanwartschaften indes nicht. Soweit verschlechternde Versorgungstarifverträge sich –
wie durchgängig – darauf beschränken, im bestehenden Arbeitsverhältnis Versorgungsanwartschaften herabzusetzen, die Kündigung also nicht durch damit verbundenen nachteilige Folgen erschwert wird, wird auch die freie Wahl des Arbeitsplatzes nicht beeinträchtigt. Demgemäß wird der Schutzbereich des Art. 12 GG durch
Eingriffe in erdiente Versorgungsanwartschaften nicht beeinträchtigt.
Die gleichen Überlegungen gelten für Eingriffe in den zum Ablösungsstichtag
noch nicht erdienten Teilbetrag. Auch mit diesem ist weder ein Eingriff in die ausgeübte Tätigkeit noch in die freie Wahl des Arbeitsplatzes verbunden.
3. Allgemeine Handlungsfreiheit
Neben Art. 14 und 12 GG kommt auch ein Schutz durch die in Art. 2 Abs. 1 GG
gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit in Betracht. Als bloßes Auffanggrundrecht ist Art. 2 Abs. 1 GG allerdings gegenüber spezielleren Freiheitsrechten subsidiär, kommt also nur zum Tragen, wenn der Schutzbereich eines spezielleren Freiheitsrechts nicht eröffnet ist.279 Demgemäß schützt Art. 2 Abs. 1 GG nicht vor Eingriffen in bereits erdiente Versorgungsrechte, da deren Schutz bereits Art. 14 GG
276
BVerfG 26.10.2004, E 111, 366, 373; BVerfG 26.6.2002, E 105, 252, 265.
277
BVerfG 20.3.2001, E 103, 172, 183; BVerfG 15.7.1998, E 98, 365, 397; BVerfG 3.11.1982, E
62, 117, 146; BAG 12.10.1972, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 77 (5); BAG 27.7.1972, AP
BGB § 611 Gratifikation Nr. 75 (I 3).
278
So für die Verfallbarkeit von Versorgungsanwartschaften BVerfG 15.7.1998, E 98, 365, 397.
279
BVerfG 26.5.1993, E 89, 1, 13; BVerfG 16.12.1981, E 59, 128, 163; BVerfG 16.1.1957, E 6,
32, 37.
85
sicherstellt. Art. 2 Abs. 1 GG schützt daher allenfalls vor dem Entzug zugesagter,
am Ablösungsstichtag aber noch nicht erdienter Versorgungsrechte.
Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet die allgemeine Handlungsfreiheit und, als deren
Bestandteil, die Privatautonomie des Einzelnen, d.h. die Selbstbestimmung im
Rechtsleben.280 Art. 2 Abs. 1 GG schützt außerdem vor der Auferlegung von Geldleistungspflichten, wozu insbesondere Steuern281 aber auch sonstige finanzielle
Nachteile282 zählen. Nach der Rspr. des BVerfG besteht ein Anspruch darauf, nicht
durch staatlichen Zwang mit einem Nachteil belastet zu werden, der nicht in der
verfassungsmäßigen Ordnung begründet ist.283 Entsprechendes gilt – vorbehaltlich
der Grundrechtsbindung – auch für den Schutz gegenüber tariflichem Zwang. Auch
von den Tarifvertragsparteien können Arbeitnehmer daher grundsätzlich fordern,
nicht mit Nachteilen belastet zu werden, die in der verfassungsmäßigen Ordnung
nicht begründet sind. Ein solcher Nachteil kann auch in dem ganz oder teilweisen
Entzug eines zuvor gewährten Vorteils bestehen, wie der Möglichkeit, zugesagte,
aber noch nicht erdiente Versorgungsleistungen durch künftige Betriebstreue zu
erdienen. Daher unterfallen zum Ablösungsstichtag noch nicht erdiente Versorgungsanwartschaften dem Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG.
4. Zwischenergebnis
Der verfassungsrechtliche Schutz von Versorgungsrechten variiert. Während bereits
erdiente Versorgungsrechte zum verfassungsrechtlich geschützten Eigentum gehören und daher durch Art. 14 GG gegenüber einem rückwirkenden Entzug geschützt
sind, werden zum Ablösungsstichtag noch nicht erdiente Versorgungsrechte lediglich von Art. 2 Abs. 1 GG erfasst.
B. Geltung des ablösenden Versorgungstarifvertrags im Arbeits- und im Bezugsverhältnis
Durch einen ablösenden (verschlechternden) Versorgungstarifvertrag können Versorgungsrechte nur verschlechtert werden, soweit dieser an die Stelle der bisherigen
Versorgungsregelung tritt. Ist dies nicht der Fall (wie bei individualvertraglichen
Versorgungszusagen, die aufgrund des Günstigkeitsprinzips fortgelten), kann das
betreffende Versorgungsrecht von vornherein nicht durch Tarifvertrag entzogen
280
BVerfG 6.2.2001, E 103, 89, 100; BVerfG 19.10.1993, E 89, 214, 231.
281
BVerfG 5.2.2002, E 105, 17, 32 f.; BVerfG 5.4.1978, E 48, 102, 115 f.; BVerfG 14.12.1965,
E 19, 206, 215 f.
282
BVerfG 17.7.2003, E 108, 186, 234 (Altenpflegeumlage); BVerfG 10.3.1998, E 97, 332,
340 f. (Kindergartengebühr); BVerfG 15.12.1970, E 29, 402, 408 (Konjunkturzuschlag).
283
BVerfG 17.7.2003, E 108, 186, 234; BVerfG 10.3.1998, E 97, 332, 340 f.; BVerfG
14.12.1965, E 19, 206, 215 f.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die gesetzliche Rente ist längst nicht mehr sicher. Schutz gegen drohende Versorgungslücken bieten Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung. Neben betriebsbezogenen Versorgungssystemen gewinnen in der Praxis auch solche auf tariflicher Grundlage zunehmend an Bedeutung. Doch wie verhält sich ein solches System im Krisenfall? In welchem Umfang sind Eingriffe in Versorgungsrechte zur Rettung von Unternehmen möglich?
Diesen in Literatur und Rechtsprechung umstrittenen Fragen widmet sich die vorliegende Arbeit. Untersucht wird, ob die vom Bundesarbeitsgericht entwickelte Drei-Stufen-Theorie auf ablösende Versorgungstarifverträge übertragbar ist und welche Bedeutung Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Vertrauensschutzgesichtspunkte haben. Auf der Grundlage staatlicher Schutzpflichten entwickelt der Autor ein eigenes Lösungsmodell.
Das Werk wurde mit dem Südwestmetall-Föderpreis 2008 ausgezeichnet.