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vertragsparteien vereinbarten Berechnungsweg aber für weitestgehend zulässig.44
Diese Rechtsprechung hat der Senat in mehreren Folgeentscheidungen bestätigt. 45
Allein die Zahl der Beanstandungen und Klagen gegen die Ermittlung der Startgutschriften verdeutlicht, welche Relevanz die Frage nach den Grenzen ablösender
Versorgungstarifverträge hat. Auch zuvor ist diese Frage bereits mehrfach relevant
geworden, etwa beim Abbau der Überversorgung46 im öffentlichen Dienst
1983/84.47 Das rechtfertigt es, ihr ausführlicher nachzugehen.
D. Gang der Untersuchung
Der Frage nach den Grenzen ablösender Versorgungstarifverträge kann man sich
sinnvoll nur von den allgemeinen Grundlagen der betrieblichen Altersversorgung,
des Tarif- und des Versicherungsrechts her nähern. Im 1. Kapitel gilt es nicht nur,
sich einen Überblick über die Rechtsverhältnisse zu verschaffen, es findet vielmehr
bereits eine erste wichtige Weichenstellung statt. Die Grenzen ablösender Versorgungstarifverträge sind vor allem davon abhängig, ob man die tarifliche Regelungsbefugnis auf eine privatautonome Entscheidung der Verbandsmitglieder zurückführen kann, oder es eines Rückgriffs auf einen staatlichen Delegationsakt bedarf. Im
sich anschließenden 2. Kapitel ist dann zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen
ein ablösender Versorgungstarifvertrag in Versorgungsrechte eingreifen kann und in
welchen Fällen überhaupt ein Eingriff vorliegt.
Dem eigentlichen Gegenstand der Untersuchung, der Frage nach den Grenzen ablösender Versorgungstarifverträge widmen sich das 3., 4. und 5. Kapitel. Dabei
sollen die bislang in Rechtsprechung und Literatur diskutierten Grenzen (Drei-
Stufen-Modell, Verhältnismäßigkeit, Vertrauensschutz) im 3. Kapitel einer kritischen Betrachtung unterzogen und darauf aufbauend im 4. Kapitel ein eigenes Lösungsmodell entwickelt werden. Im 5. Kapitel werden schließlich die Besonderheiten bei nichtorganisierten Arbeitnehmern dargestellt.
Kühn/Ebinger, VersR 2005, 1713; ablehnend dagegen Ackermann, BetrAV 2006, 247;
Konrad, ZTR 2006, 356; Wein, BetrAV 2006, 331.
44
BGH 14.11.2007, BetrAV 2008, 203; zustimmend Hügelschäffer, BetrAV 2008, 254; Konrad,
ZTR 2008, 296; Wein, BetrAV 2008, 451; ablehnend dagegen Wagner, BetrAV 2008, 153.
Keine Bedenken gegen die Berechnung der Startgutschriften hatte auch das LAG Hamm, Urteil vom 18.1.2006, ZTR 2006, 320.
45
BGH 14.5.2008, FamRZ 2008, 1343; BGH 17.9.2008, Az. IV ZR 155/07, IV ZR 320/07, IV
ZR 205/06, IV ZR 311/07, n.v.
46
Zum Begriff der Überversorgung unten Kap. 2 C I 2 a, S. 98 f., Kap. 3 C II 1, S. 119.
47
Vgl. BGH 16.3.1988, AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 25 und unten Kap. 2 C I
2 a, S. 98 f. BVerfG und BAG mussten sich in späteren Entscheidungen ebenfalls mit dem
Abbau der Überversorgung im öffentlichen Dienst beschäftigen, BVerfG 6.11.1991, ZTR
1992, 63; BAG 25.5.2004, AP BetrAVG § 1 Überversorgung Nr. 11; BAG 19.11.2002, AP
BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 40; BAG 20.8.2002, AP BetrAVG § 1 Überversorgung Nr. 9;
BAG 20.2.2001, EzA BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 24; BAG 24.8.1993, AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 19; BAG 24.4.1990, AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 43.
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Eng mit den Grenzen ablösender Versorgungstarifverträge verknüpft ist die Frage, welche rechtlichen Grenzen Versorgungseinrichtungen zu beachten haben, wenn
sie ihre Satzung an den ablösenden Versorgungstarifvertrag anpassen. Ihr wird im 6.
Kapitel nachgegangen.
Im 7. Kapitel werden die Folgen aufgezeigt, die ein Verstoß gegen die dargestellten rechtlichen Grenzen hat, im abschließenden 8. Kapitel die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst.
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References
Zusammenfassung
Die gesetzliche Rente ist längst nicht mehr sicher. Schutz gegen drohende Versorgungslücken bieten Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung. Neben betriebsbezogenen Versorgungssystemen gewinnen in der Praxis auch solche auf tariflicher Grundlage zunehmend an Bedeutung. Doch wie verhält sich ein solches System im Krisenfall? In welchem Umfang sind Eingriffe in Versorgungsrechte zur Rettung von Unternehmen möglich?
Diesen in Literatur und Rechtsprechung umstrittenen Fragen widmet sich die vorliegende Arbeit. Untersucht wird, ob die vom Bundesarbeitsgericht entwickelte Drei-Stufen-Theorie auf ablösende Versorgungstarifverträge übertragbar ist und welche Bedeutung Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Vertrauensschutzgesichtspunkte haben. Auf der Grundlage staatlicher Schutzpflichten entwickelt der Autor ein eigenes Lösungsmodell.
Das Werk wurde mit dem Südwestmetall-Föderpreis 2008 ausgezeichnet.