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deren Umsetzung war in Teil I. dieses Kapitels nach geeigneten Regelungsinstrumenten gesucht worden. Vorschläge für direkt wirkende ordnungsrechtliche Maßnahmen
konnten sodann als Ergebnis der Untersuchung präsentiert werden.
In dem hiermit abzuschließenden Teil II. des Kapitels F. wurden nunmehr die als
geeignet befundenen Maßnahmen auf ihre rechtliche Umsetzbarkeit hin überprüft.
Dabei ließ sich Folgendes feststellen:
Freiwillige Regelungen der Produktverantwortlichen, insbesondere auch in Form
einer freiwilligen Selbstverpflichtung, scheiden zur Umsetzung der in Teil I. dieses
Kapitels erarbeiteten Maßnahmenvorschläge aus. Sie wären weder durch das Kooperationsprinzip rechtlich geboten, noch rechtspolitisch sinnvoll. So könnten freiwillige
Maßnahmen nur dann zum Erfolg führen, wenn sich auch die zahlreichen, in Deutschland agierenden Reifenhändler allesamt diesen verpflichtet fühlten. Gerade das aber
erscheint angesichts der enormen Gewinnchancen von Sektierern und dem immer
beliebter werdenden Online-Handel utopisch.
Umsetzen ließen sich die in dieser Arbeit vorgeschlagenen Maßnahmen jedoch durch
Rechtsverordnungen auf Grund der Ermächtigungen des § 23 Nr. 3 und 4 KrW-/
AbfG. Die insofern statuierbaren Regelungen würden aus heutiger Sicht auch Anforderungen höherrangigen Rechts genügen. Sie wären insbesondere mit dem Verhält nismäßigkeitsgebot des § 22 Absatz 3 KrW-/AbfG sowie mit den im Vertrag zur
Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) getroffenen Festlegungen über den
freien Warenverkehr vereinbar.
Nicht zuletzt deshalb wäre denn auch der Erlass eines Gesetzes im formellen Sinne
weder alternativ noch kumulativ notwendig.
III. Zusammenfassung
Kapitel E. der Arbeit hatte die mit einer Konkretisierung der abfallrechtlichen Produktverantwortung für Reifen zu verfolgenden Zielsetzungen ermittelt und dazu
bereits einige grundlegende Maßnahmenvorschläge unterbreitet Steigerung der Kilometerlaufleistung, Optimierung des Nachschneidens von Lkw-Reifen, Stärkung der
Runderneuerung.
In dem hier noch einmal zusammenzufassenden Kapitel F. konnte nunmehr ein Weg
zur Umsetzung dieser Maßnahmenvorschläge aufgezeigt werden. Dazu wurden
zunächst die insofern benötigten Regelungsinstrumente herauserarbeitet:
• Dabei zeigte sich, dass Rücknahmepflichten als abfallwirtschaftliches Instrument
einer Konkretisierung der Produktverantwortung für Reifen ausscheiden. Sie tragen nicht zum Gelingen einer modernen, auf Ressourcenschonung ausgerichteten
Abfallpolitik bei. So erfahren insbesondere Abfallvermeidung und Wiederverwendung von Reifen durch Rücknahmepflichten keine fördernde Wirkung, da
nicht zu erwarten ist, dass es im Zuge ihrer Geltung zu Laufleistungssteigerungen,
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einer Optimierung des Nachschneidens sowie einer Stärkung der Runderneuerung
kommen kann.
• Wesentlich erfolgsversprechender können die drei genannten Ziele stattdessen
mittels direkt wirkender, ordnungsrechtlicher Maßnahmen umgesetzt werden:
So sollten den Reifenherstellern im Hinblick auf eine Steigerung der Laufleistung
von Neureifen klare Vorgaben gemacht werden, welche konkreten Mindestlaufleistungen künftig von ihren Reifen erwartet werden. Damit die Hersteller diese
Anforderungen schon bei der Entwicklung und Konstruktion ihrer Reifen einkalkulieren können, wäre die Definition eines einheitlichen Laufleistungstests notwendig. Diesen müsste jeder Reifentyp als Voraussetzung für seinen Vertrieb in
Deutschland bestehen. Idealer Weise sollte der Test bereits Gegenstand einer die
Laufleistung regelnden Norm sein.
Daneben sollte die mit dem Reifen mögliche, maximale Kilometerzahl eines
Durchschnittsfahrers als unverschlüsselte Kenngröße auf der Seitenwand oder
dem Verkaufsetikett eines jeden in Deutschland vertriebenen Pneus vorzufinden
sein.
Während eine Steigerung der Laufleistung zugleich auch der Optimierung des
Nachschneidens von Lkw-Reifen dient, könnte die Anwendung dieses Verfahrens
daneben wie folgt gefördert werden:
Das Gesetz könnte als eine Vertriebsvoraussetzung künftig vorsehen, wie viel
nachschneidefähiger Gummi sich unterhalb des Originalprofilgrundes befinden
muss und um wie viel sich der Profilgrund mindestens vertiefen lassen muss, ohne
dass es zu Gefahren für den Straßenverkehr kommen kann. Eventuell könnte auch
die Bestimmung genügen, um wie viele Prozentpunkte des Originalprofils sich ein
Reifen mindestens vertiefen lassen muss, ohne dass es zu Gefahren für den Stra-
ßenverkehr kommen kann. Der Gesetzgeber sollte sich den Einsatz solcher Regelungsinstrumente allerdings sehr genau überlegen. Sie könnten künftigen Produkt entwicklungen im Wege stehen und damit auch ökologische Verbesserungen des
Reifens verhindern.
Was schließlich die Stärkung der Runderneuerung anbetrifft, so kann für den
Pkw-/LLkw-Reifensektor vorläufig nur auf eine Steigerung der Laufleistung und
einen hiermit verbundenen Preisanstieg von Neureifen gesetzt werden. So können runderneuerte Reifen für den Kunden attraktiver werden. Direkte Verpflichtungen, zeitweilig runderneuerte Reifen zu verwenden oder aber abgefahrene
Reifen runderneuern zu lassen und danach wiederzuverwenden, scheiden hingegen aus.
Fördernde Effekte einer Mindestkilometerlaufleistung können ferner auch im
Lkw-Reifensektor zu einer Stärkung der Runderneuerung führen. Daneben ließen
sich den Herstellern konkrete Vorgaben machen, welche qualitativen Eigenschaften ihre Karkassen nach einem ersten Leben noch zu erfüllen haben. Entsprechende Testverfahren wären zu etablieren und mit zu regeln. Das Bestehen der
Tests müsste Voraussetzung für den Vertrieb eines Lkw-Reifens in Deutschland
sein.
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Der Gesetzgeber sollte hinsichtlich solcher Bestimmungen allerdings beachten,
dass es sich letztlich um Konstruktionsvorgaben handeln. Die Existenz einer Karkasse im heutigen Sinne wird verbindlich vorgeschrieben. Konstruktionsvorgaben
aber sind geeignet, die Weiterentwicklung eines Produktes auch im Hinblick auf
seine ökologischen Verträglichkeit zu behindern.
Nachdem somit also die benötigten Regelungsinstrumente herausgearbeitet werden
konnten, wurden sie in dem hier zusammenzufassenden Kapitel F. schließlich auch
auf ihre rechtliche Umsetzbarkeit hin überprüft. Dabei ließ sich Folgendes fest stellen:
• Freiwillige Regelungen der Produktverantwortlichen, insbesondere auch in Form
einer freiwilligen Selbstverpflichtung, scheiden zur Umsetzung der erarbeiteten
Maßnahmenvorschläge aus. Sie wären weder durch das Kooperationsprinzip
rechtlich geboten, noch rechtspolitisch sinnvoll. So könnten freiwillige Maßnahmen nur dann zum Erfolg führen, wenn sich auch die zahlreichen, in Deutschland
agierenden Reifenhändler allesamt diesen verpflichtet fühlten. Gerade das aber erscheint angesichts der enormen Gewinnchancen von Sektierern und dem immer
beliebter werdenden Online-Handel utopisch.
• Umsetzen ließen sich die Maßnahmen stattdessen durch Rechtsverordnungen auf
Grund der Ermächtigungen des § 23 Nr. 3 und 4 KrW-/AbfG. Die insofern statuierbaren Regelungen würden aus heutiger Sicht auch Anforderungen höherrangi gen Rechts genügen. Sie wären insbesondere mit dem Verhältnismäßigkeitsgebot
des § 22 Absatz 3 KrW-/AbfG sowie mit den im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) getroffenen Festlegungen über den freien Warenverkehr vereinbar.
• Nicht zuletzt deshalb wäre denn auch der Erlass eines Gesetzes im formellen
Sinne weder alternativ noch kumulativ notwendig.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Wie kann abfallrechtliche Produktverantwortung dazu beitragen, das in Reifen verborgene Abfallvermeidungspotential auszuschöpfen? Welche Regelungen sind hierfür sinnvoll und rechtmäßig?
Das moderne Abfallrecht verfolgt das Ziel, den Stoffeinsatz bei der Produktherstellung durch ressourcensparendes Produktdesign möglichst zu minimieren und Stoffe durch lange Benutzungsdauer und mehrfache Verwendung über große Zeiträume im Umlauf zu halten. Die Entstehung von Abfall soll vermieden werden.
Bei Reifen lässt sich dies im Wesentlichen auf drei Arten erreichen. So kann zunächst die Kilometerlaufleistung erhöht werden, so dass ein Reifenwechsel und damit ein Altreifenanfall verzögert werden. Weiterhin können Reifen durch die Anwendung der Verfahren des Nachschneidens und der Runderneuerung „weitere Leben“ gegeben werden, so dass die aus dem Verkehr auszusondernde Zahl von Reifen erheblich verringert werden kann.
Das Buch zeigt auf, wie Reifenhersteller zur Anwendung dieser Verfahren und damit zur Wahrnehmung ihrer abfallrechtlichen Produktverantwortung gebracht werden können. Besonderes Gewicht wird dabei auf die Berücksichtigung von Vorsorgeprinzip und Lebenszykluskonzept gelegt.