19
würden neue Einnahmequellen verschlossen bleiben.26 § 31 Abs. 4 UrhG a.F.
hätte dem Urheber nach alledem häufig nur »Steine statt Brot« gebracht.27
Als problematisch galt insbesondere auch, dass nach bisheriger Rechtslage das
Risiko einer Blockade für den Fall bestand, dass mehrere Urheber an einem Werk
beteiligt waren.28 Sofern ein Miturheber das aus § 31 Abs. 4 UrhG a.F. resultierende Verbotsrecht geltend machte, konnte er damit die von den anderen Miturhebern befürwortete Verwertung in der neuen Nutzungsart blockieren. Sollten
beispielsweise ganze Jahrgangsbände einer Zeitschrift aus vergangenen Jahrzehnten auf CD-ROM29 oder im Internet30 veröffentlicht werden, so erwies es sich
in der Vergangenheit als schlichtweg unmöglich, das Einverständnis aller beteiligten Urheber einzuholen.31
Aus den genannten Gründen hatte sich die Medienwirtschaft seit langem für
die Aufhebung des § 31 Abs. 4 UrhG a.F. eingesetzt.32
Angesichts der in vielen Archiven ruhenden »Schätze« musste zudem nicht nur
eine Lösung für die Zukunft, sondern auch für bereits in der Vergangenheit abgeschlossene Nutzungsverträge gefunden werden. Unter dem Stichwort »Archivproblematik« wurde vor allem diskutiert, wie man die Archive der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten mittels digitaler Technologie für ein breites Publikum öffnen könnte.33
B. Entwicklung der Reform
Bereits im Rahmen der Reform des Urhebervertragsrechts 2002 wurde die geäu-
ßerte Kritik aufgegriffen. So enthielt der sog. »Professorenentwurf34« einen Vorschlag für eine Reform des § 31 Abs. 4 UrhG a.F. , der allerdings nicht in den spä-
26 Amtl. Begründung des Reg-E, BT-Drucks. 16/1828, S. 22; so auch Bornkamm, ZUM 2003,
1010, 1012.
27 Schwarz, ZUM 2003, 733, 738 f.
28 Donhauser, S. 152 f.; Castendyk/Kirchherr, ZUM 2003, 751, 754.
29 Nach h.M. ist die CD-ROM im Vergleich zu den Printmedien jedenfalls dann eine neue
Nutzungsart, wenn sie zusätzlich zur reinen Textwiedergabe weitergehende Funktionen
bietet (BGH, GRUR 2002, 248, 251 – SPIEGEL-CD-ROM; Wandtke/Grunert in Wandtke/
Bullinger, § 31 UrhG Rn. 52; Fromm/Nordemann/Hertin, §§ 31/32 UrhG Rn. 18; Dreier/
Schulze/Schulze, § 31 UrhG Rn. 97; Drewes, S. 116 ff; Donhauser, S. 142 ; Fitzek, S. 128
ff.; Hoeren, MMR 2002, 233).
30 Der Internetauftritt einer Zeitung wird gegenüber der gedruckten Zeitung als selbstständige Nutzungsart angesehen (LG Berlin, ZUM 2000, 73, 75 – Fotos im Internet; OLG Hamburg, ZUM 2000, 870, 873 - digitaz).
31 Donhauser, S. 152 f.; Zscherpe, S. 204; Bornkamm, ZUM 2003, 1010, 1012.
32 Berger, GRUR 2005, 907, 908.
33 Hierzu z.B. Weber, ZUM 2003, 1037, 1038. Fraglich war beispielsweise, ob ältere Theateraufzeichnungen im digitalen ZDF-Theaterkanal gesendet werden dürfen (Bolwin, ZUM
2003, 1008, 1009).
34 Vorschlag von Dietz/Loewenheim/Nordemann/Schricker/Vogel, GRUR 2000, 765, 766,
773; hierzu: Donhauser, S. 153 f.
20
teren Regierungsentwurf35 einging. Bei der Verabschiedung des »Ersten Korbes36« fand die Norm dann erneut keine Berücksichtigung, da die Regierung sich
zunächst auf die Umsetzung der zwingenden, fristgebundenen Vorgaben der
Richtlinie 2001/29/EG konzentrieren und zudem sorgfältig beobachten wollte,
wie sich die Urhebervertragsrechtsreform 200237 in der Praxis bewährte. Der Problematik der unbekannten Nutzungsart wollte sie sich daher erst im sog. »Zweiten
Korb« zuwenden.38
Zur Vorbereitung des »Zweiten Korbes« verschickte das Bundesjustizministerium im Juli 2003 einen Fragebogen, in dem die beteiligten Kreise u.a. danach
gefragt wurden, ob das Verbot des § 31 Abs. 4 UrhG a.F. angesichts der §§ 32, 32
a UrhG überflüssig geworden sei und ob es durch einen Anspruch auf eine gesonderte und angemessene Vergütung ersetzt werden könnte.39 Die Legitimität des
§ 31 Abs. 4 UrhG a.F. war insbesondere aufgrund der Einführung der §§ 32, 32 a
UrhG40, welche eine angemessene Vergütung des Urhebers sicherstellen sollen,
immer stärker angezweifelt worden.41 Auf einen ausreichenden Schutz der Interessen des Urhebers allein durch §§ 32, 32 a UrhG verwiesen dabei freilich nur
Vertreter der Ansicht, nach der § 31 Abs. 4 UrhG a.F. ausschließlich die vermögensrechtlichen Interessen des Urhebers schützen sollte.42
35 Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern, BT-Drucks. 14/6433, S. 3, 13. Aus formellen Gründen handelt es sich
bei der BT-Drucks. 14/6433 um einen Entwurf der damaligen Koalitionsfraktionen und
bei der BT-Drucks. 14/7564 um den eigentlichen Regierungsentwurf (dazu Jani, S. 281
f.). Da die BT-Drucks. 14/7564 jedoch auf den Entwurf der Koalitionsfraktionen verweist,
wird im Folgenden unter der Bezeichnung »Regierungsentwurf« ausschließlich auf die BT-
Drucks. 14/6433 Bezug genommen und lediglich im Hinblick auf die Stellungnahme des
Bundesrates auf die BT-Drucks. 14/7564 verwiesen.
36 Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 10.9.2003,
BGBl. I, S. 1774.
37 Gesetz zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern
vom 22.3.2002, BGBl. 2002 I, S. 1155.
38 Amtl. Begründung des Reg-E, BT- Drucks. 16/1828, S. 1; von Rom, ZUM 2003, 128, 130,
134. Zur Urheberrechtspolitik in der 14. und 15. Legislaturperiode: Jani, UFITA 2006,
511ff.
39 Dieser Fragebogen ist ebenso wie weitere Gesetzesmaterialen und umfangreiche Stellungnahmen zum »Zweiten Korb« auf der Homepage des Instituts für Urheber- und Medienrecht im Internet unter www.urheberrecht.org abrufbar (www.urheberrecht.org/topic/
Korb-2/bmj/Fragebogen.pdf (Stand: 1.12.2007)).
40 Gesetz zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern
vom 22.3.2002, BGBl. 2002 I, S. 1155.
41 Lütje/Paul in Hoeren/Sieber, 7.2 Rn. 85; Krüger, ZUM 2003, 122, 123; Poll, GRUR Int.
2003, 290, 300; Ory, AfP 2004, 500; Grewenig, ZUM 2003, 1025, 1026; Schwarz, ZUM
2003, 1032, 1033; Weber, ZUM 2003, 1037.
42 Zum Schutzzweck des § 31 Abs. 4 a.F. siehe Teil 2/A/I. Krüger, der auch immaterielle Interessen des Urhebers als geschützt ansieht, schlug daher zusätzlich ein Widerspruchsrecht
für den Fall vor, dass eine Verwertung die persönlichen Interessen des Urhebers gefährdet
(ZUM 2003, 122, 123).
21
Das Bundesjustizministerium hatte sich vorgenommen, den »Zweiten Korb«
im Wege einer »kooperativen Gesetzgebung« zu verabschieden.43 Diesem Ziel
folgend führte es einen ausgesprochen aufwendigen Konsultationsprozess durch,
um die Interessengegensätze der betroffenen Kreise in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Hierzu wurden zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens nicht nur
der o.g. Fragebogen verschickt, sondern auch eine Haupt- und diverse Unterarbeitsgruppen einberufen, von denen eine, die Arbeitsgruppe »31 IV«, sich mit der
Aufhebung des § 31 Abs. 4 UrhG a.F. sowie mit dem »Archivproblem« beschäftigte.44
Vor und im Laufe der Beratungen in der Arbeitsgruppe erfolgten verschiedene
Vorschläge zur Neuregelung, die teilweise auch Eingang in den Regierungsentwurf gefunden haben.45 Diese Vorschläge sahen zum Teil gesonderte Regelungen
für »Neuverträge46« (nach einer Reform abgeschlossene Verträge) und »Altverträge47« (vor einer Reform abgeschlossene Verträge) vor.48
In mehreren Vorschlägen wurde die Übertragbarkeit von Rechten an unbekannten Nutzungsarten an eine angemessene Vergütung geknüpft.49 So sollten nach
einem Vorschlag von Lindner/Evers die Einräumung von Nutzungsrechten für
unbekannte Nutzungsarten sowie Verpflichtungen hierzu wirksam sein, soweit
dies ausdrücklich im Vertrag vereinbart sei und dem Urheber dafür ein angemessenes Entgelt gewährt werde. Daneben sah der Entwurf eine Erweiterung der Vermutung des § 88 UrhG auf alle Nutzungsarten sowie die Einführung einer cessio
legis in § 89 UrhG vor.50
Nach Schwarz sollte die angemessene Vergütung keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Einräumung von Rechten an unbekannten Nutzungsarten sein. Vielmehr sollte der Urheber einen dem § 32 a Abs. 1 UrhG vergleichbaren Nachver-
43 Zypries, ZUM 2003, 981, 982; Ruttig, K&R 2004, 182, 183.
44 Zur Kritik an der Zusammensetzung der Arbeitsgruppen: Hoeren, MMR 2004, 429, 430.
45 Ausführlich zu einzelnen Vorschlägen: Castendyk/Kirchherr, ZUM 2003, 751 ff., welche
die am Erich-Pommer-Institut stattfindenden Diskussionsrunden zur Reform des § 31 Abs.
4 UrhG a.F. zusammenfassen; Schwarz, ZUM 2003, 733 ff.
46 Schwarz, ZUM 2003, 733, 740.
47 Schwarz, ZUM 2003, 733, 740.
48 Vorschläge für eine Übergangsregelung im Hinblick auf sog. »Altverträge« unterbreiteten
z.B. J.B. und W. Nordemann im Rahmen der Initiative »Pro Filmwirtschaft« von »Film20«,
GRUR 2003, 947 ff. (speziell auf die Filmwirtschaft bezogen); Schulze, ZUM 2000, 432,
446 f. (zum Nacherwerb der »Online-Rechte«); Dreier, Urheberrecht und digitale Werkverwertung, S. 34 (zu »digitalen Rechten«); Vogel (zur Öffnung der Rundfunkarchive; Vorschlag vorgestellt von Castendyk/Kirchherr in ZUM 2003, 751, 761).
49 So bereits: »Zweiter Zwischenbericht der Enquete-Kommission« (Fn. 11), S. 9.
50 Der »Zwischenstand« des Reformvorschlags von Lindner/Evers ist abgedruckt bei:
Schwarz, ZUM 2003, 733, 742. Zur Reform der §§ 88, 89 siehe Teil 3/D.
22
gütungsanspruch erhalten, wenn sich die ursprünglich vereinbarte Vergütung im
Zeitpunkt der jeweiligen Nutzung als unangemessen erweisen sollte.51
Zscherpe plädierte für eine »erweiterte Gesetzesänderungslösung«. Danach
sollte § 31 Abs. 4 UrhG aufgehoben werden und dem Urheber in einem neuen
§ 31 a UrhG ein gesetzlicher Vergütungsanspruch für die Einräumung von Rechten an unbekannten Nutzungsarten eingeräumt werden.52
J.B. und W. Nordemann schlugen eine (zunächst) auf den Filmbereich
begrenzte Neuregelung vor, nach der § 31 Abs. 4 UrhG auf Filmwerke keine
Anwendung finden und die Übertragungsvermutungen der §§ 88 Abs. 1, 89 Abs.
1 UrhG um die Vermutung auf Einräumung der Rechte an unbekannten Nutzungsarten erweitert werden sollte. Im Gegenzug sollte der Urheber einen eigenen, von
§ 32 UrhG unabhängigen Vergütungsanspruch erhalten, der grundsätzlich nur
durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden könne.53
Es gab auch andere Vorschläge, nach denen die Rechte an unbekannten Nutzungsarten nur durch eine Verwertungsgesellschaft wahrgenommen werden sollten.54 Die Verwertungsgesellschaftspflichtigkeit der Rechte stieß jedoch aufgrund
der mit ihr verbundenen Nachteile auf Ablehnung: Sofern die neue Nutzungsart
dem Verwerter keinen geldwerten Vorteil bringe, würden selbst niedrige Tarife
der Verwertungsgesellschaften prohibitiv wirken. Wenn ein Werk erfolgreich sei,
stünde der Urheber bei einer pauschalen Vergütung über Verwertungsgesellschaften schlechter da als bei einer individualvertraglichen Lösung. Im Übrigen würde
dem Urheber bei Einführung einer Verwertungsgesellschaftspflicht aufgrund des
Abschlusszwangs der Verwertungsgesellschaft (§ 11 UrhWG) die Verfügungsbefugnis entzogen.55
Schließlich gab es auch Stimmen in der Literatur, die eine Reform der § 31 a
UrhG und §§ 88, 89 UrhG gar nicht für zwingend erforderlich hielten und die
stattdessen eine Lösung de lege lata anregten.56
51 Schwarz, ZUM 2003, 733, 742 f. Die Vorschläge von Evers und Schwarz fanden sich im
Rahmen der Stellungnahme der Filmwirtschaft zum »Zweiten Korb« in kombinierter und
leicht abgeänderter Fassung wieder (Stellungnahme der Filmwirtschaft vom 29.10.2003,
abrufbar unter: www.film20.de/down/Urheberrecht_291003.pdf (Stand: 1.12.2007), auszugsweise abgedruckt im Anhang).
52 Zscherpe, S. 210 ff. (abgedruckt im Anhang).
53 Vorschlag von J.B. und W. Nordemann im Rahmen der Initiative »Pro Filmwirtschaft« von
»Film20«, GRUR 2003, 947 ff. (abgedruckt im Anhang). Zur Reform der §§ 88, 89 UrhG
siehe Teil 3/D.
54 Dies betrifft hauptsächlich Vorschläge zum Nacherwerb der Rechte bei »Altverträgen«
(Schulze, ZUM 2000, 432, 446 f.; Vogel, vorgestellt von Castendyk/Kirchherr in ZUM
2003, 751, 761); siehe auch »Zweiter Zwischenbericht der Enquete-Kommission« (Fn.
11), S.16.
55 Castendyk/Kirchherr, ZUM 2003, 751, 759; Vorschläge des Börsenvereins des Deutschen
Buchhandels vom 18.6.2004, S. 4, abrufbar unter: www.urheberrecht.org/topic/Korb-2/st/
2004/boev-vorschlaege-zweiter-korb.pdf (Stand: 1.12.2007, auszugsweise abgedruckt im
Anhang); Stellungnahme der Filmwirtschaft vom 29.10.2003, S. 9, a.a.O. (Fn. 51). Zur Kritik an einer Verwertungsgesellschaftspflicht auch: Loewenheim, FS Pieper, S. 709, 724.
56 Schaefer, FS Nordemann, S. 227 ff.
23
Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle, dass es neben den dargestellten
Vorschlägen für eine Neuregelung auch massive Kritik an der Aufhebung des § 31
Abs. 4 UrhG a.F. gegeben hat.57 Dem Urheber würde eines der wirkungsvollsten
Instrumente zu seinem Schutz genommen.58 Die Streichung des § 31 Abs. 4 UrhG
a.F. im Zuge des »Zweiten Korbes« würde die gerade durch die Reform des Urhebervertragsrechts beabsichtigte Stärkung der Urheber konterkarieren.59 Auch
habe die Einführung der §§ 32, 32 a, 36 UrhG bislang noch nicht dazu führen können, dass die angemessene Vergütung des Urhebers sichergestellt sei. Verwiesen
wurde hierbei insbesondere auf die nur schleppend vorangehende Aufstellung
gemeinsamer Vergütungsregeln i.S.d. § 36 UrhG.60
Dementsprechend wurde auch die Ansicht vertreten, dass die Regelung des
§ 31 Abs. 4 UrhG a.F. beibehalten und lediglich um einen § 31 a UrhG ergänzt
werden solle, der eine Nachverhandlungspflicht des Urhebers statuiere. Der
Urheber könne dabei die nachträgliche Rechtseinräumung nur dann ablehnen,
wenn hierfür ein sachlicher Grund bestehe. Sofern der Urheber ein Angebot des
Verwerters zum Nacherwerb der Rechte ohne sachlichen Grund nicht innerhalb
einer Frist von einem Monat annehme, könne der andere von der berechtigten
Verwertungsgesellschaft die Einräumung der Nutzungsrechte zu angemessenen
Bedingungen verlangen.61 Auch bestehende Verträge würden durch die vorgeschlagene Regelung um eine Pflicht zum Abschluss einer Zusatzvereinbarung
ergänzt, so dass eine gesonderte Übergangsvorschrift nicht erforderlich sei.62
Die Arbeitsgruppe »31 IV« kam trotz dieser Proteste am Ende ihrer Sitzungen
mehrheitlich zu dem Ergebnis, dass das strikte Verbot der Einräumung von Rechten an künftigen Nutzungsarten aufzuheben und durch eine neue Regelung, die
für alle Werkkategorien gelten sollte, zu ersetzen sei. Auch hinsichtlich des
»Archivproblems« bestand weitgehend Einigkeit, dass eine Übergangsregelung
erforderlich sei.63
Die alte Bundesregierung legte am 27. September 2004 einen »ersten« Referentenentwurf zum »Zweiten Korb« vor, in den die Ergebnisse der Arbeitsgruppensitzungen Eingang fanden.64 Im Wesentlichen entsprach dieser erste Referen-
57 Siehe z.B.: Schricker/Schricker, § 31 UrhG Rn. 25 a; Wandtke/Holzapfel, GRUR 2004, 284
ff.; Vogel, FAZ vom 25.10.2004, S. 35.
58 Wandtke, FS Nordemann, S. 267, 268; Vogel, FAZ vom 25.10.2004, S. 35.
59 Stellungnahme der VG Bild-Kunst vom 30.10.2003, abrufbar unter: www.urheberrecht.org/topic/Korb-2/st/2003/stellungn-zweiter-korb.pdf (Stand: 1.12.2007).
60 Schulze, GRUR 2005, 828, 832; Schimmel, ZUM 2003, 1028, 1031.
61 Dieser Vorschlag wurde in der Arbeitsgruppe von Schack, Erhard, Schimmel und Pöppelmann unterbreitet und in der Stellungnahme der Initiative Urheberrecht zum Reg-E anlässlich der Anhörung im Rechtsausschuss erneut vorgebracht. Er ist abrufbar unter: www.bundestag/de/ausschuesse/a06/anhoerungen/10_5Urheberrecht2_V/04_StN/
Schimmel_Init_Urhe.pdf (Stand: 1.12.2007; auszugsweise abgedruckt im Anhang).
62 Anlage 1 zur Stellungnahme der Initiative Urheberrecht, a.a.O. (Fn. 61).
63 Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeitsgruppensitzungen, abrufbar unter:
www.urheberrecht.org/topic/Korb-2/bmj/707.pdf (Stand: 1.12.2007).
64 Referentenentwurf vom 27.9.2004, abrufbar unter: www.urheberrecht.org/topic/Korb-2/
bmj/760.pdf (Stand: 1.12.2007); auszugsweise abgedruckt im Anhang.
24
tenentwurf bereits dem späteren Regierungsentwurf. Die Bundesregierung entschied sich gegen eine ersatzlose Streichung des § 31 Abs. 4 UrhG a.F., da hierdurch die Stellung des Urhebers zu weit aufgehoben würde. Die stattdessen vorgeschlagene Regelung solle die Interessen der Urheber, Verwerter und der Allgemeinheit gleichermaßen berücksichtigen. In Anbetracht der vergleichbaren Interessenlage sowie der Konvergenz der Medien und Verwertungsformen hielt die
Bundesregierung im Übrigen eine Differenzierung nach Werkkategorien oder
Medien nicht für geboten.65 Die allgemeine Vorschrift zur Einräumung von Nutzungsrechten (§ 31 UrhG) sollte dementsprechend lediglich um eine besondere
Vorschrift für unbekannte Nutzungsarten ergänzt werden. Der hierzu vorgeschlagene § 31 a des Referentenentwurfs (Ref-E) sah - wie der spätere Regierungsentwurf - ein Schriftformerfordernis sowie zum Schutz des Urhebers ein (bislang im
Urhebergesetz nicht existierendes) Widerrufsrecht vor. Der Urheber sollte grundsätzlich in der Lage sein, seine Entscheidung zur Einräumung der Rechte an künftigen Nutzungsarten zu revidieren. Entsprechend dem späteren Regierungsentwurf sollte das Widerrufsrecht aber nur bis zum Beginn der Nutzung in einer
neuen Nutzungsart bestehen und auch bei Abschluss von Vergütungsvereinbarungen sowie beim Tod des Urhebers entfallen sowie bei Werkgesamtheiten mit
Rücksicht auf die anderen Urheber beschränkt sein. Eine Pflicht zur Benachrichtigung des Urhebers über die geplante Aufnahme der Nutzung in einer neuen Nutzungsart war nicht vorgesehen. Für den Fall, dass der Verwerter die Nutzung in
einer neuen Nutzungsart aufnimmt, schlug bereits der Referentenentwurf eine
Ergänzung der erst im Jahre 2002 eingeführten Vergütungsregelungen (§§ 32, 32
a UrhG66) durch § 32 c Ref-E vor. § 32 c Ref-E stellte jedoch insoweit eine
Abweichung von den bisherigen Regelungen dar, als dass er dem Urheber auch
im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses keinen vertraglichen, sondern einen gesetzlichen Vergütungsanspruch gewährt. Schließlich enthielt auch
der erste Referentenentwurf eine entsprechende Neuregelung der §§ 88, 89 UrhG,
wobei allerdings in § 89 Ref-E die Einführung einer cessio legis zugunsten der
Filmhersteller vorgeschlagen wurde und § 31 a Ref-E im Filmbereich komplett
unanwendbar sein sollte (§ 32 c Ref-E sollte dagegen gelten). In § 137 l Ref-E
war die zur Öffnung der Archive erforderliche Übergangsregelung für »Altverträge« vorgesehen.
Dieser erste Referentenentwurf wurde in der Öffentlichkeit ausführlich diskutiert. In zahlreichen Stellungnahmen67 sowie im Rahmen eines Symposiums
haben die beteiligten Kreise ihre Ansichten zum Entwurf geäußert. Auch interessierte Bürger konnten über ein Internet-Forum am öffentlichen Meinungsbil-
65 Referentenentwurf vom 27.9.2004, S. 39 f., a.a.O. (Fn. 64); so auch die amtl. Begründung
des Reg-E, BT- Drucks. 16/1828, S. 22.
66 Daneben wurde mit der Reform des Urhebervertragsrechts in § 11 Satz 2 UrhG das Prinzip
der angemessenen Vergütung zum gesetzlichen Leitbild bzw. zum wesentlichen Grundgedanken des Urheberrechts erhoben (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/8058, S. 17 f.).
67 Abrufbar unter: www.urheberrecht.org/topic/Korb-2 (Stand: 1.12.2007).
25
dungsprozess teilnehmen.68 Durch die vorgezogenen Neuwahlen im Jahr 2005
kam es dann jedoch in der letzten Legislaturperiode nicht mehr zu einem Regierungsentwurf. Damit war das Reformvorhaben aber nicht – wie von einigen Gegnern erhofft69 – aus der Welt geschafft, sondern wurde von der neuen Bundesregierung kurz nach Beginn der Amtszeit wieder aufgegriffen. Schon im Januar
2006 legte sie einen »zweiten« Referentenentwurf70 vor und beschloss bereits am
22. März 2006 den »Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft«.71
Gegenüber dem Referentenentwurf vom 27. September 2004 enthielt der
Regierungsentwurf in seiner Fassung vom März 2006 (wie schon der insofern
wortlautgleiche »zweite« Referentenentwurf) im Bereich der §§ 31 a, 32 c nur
relativ geringfügige Änderungen. Neben einigen sprachlichen Abweichungen
wurde in § 31 a Abs. 2 des Regierungsentwurfs (Reg-E) noch der Ausschluss des
Widerrufsrechts bei Vereinbarung der Vergütung nach einer gemeinsamen Vergütungsregel ergänzt, sowie in § 32 c Abs. 1 Reg-E der Hinweis auf § 32 Abs. 2 und
4 UrhG zur Bestimmung der angemessenen Vergütung hinzugefügt. In § 31 a
Abs. 3 Reg-E fehlte zudem das noch im Referentenentwurf vorgesehene Erfordernis einer »repräsentativen Gruppe«, die im Falle von Werkgesamtheiten den
Widerruf erklären musste. Stärker wich der Regierungsentwurf von den ursprünglich vorgeschlagenen Regelungen der §§ 88, 89 Ref-E ab. Zwar wurden die Auslegungsnormen der §§ 88, 89 UrhG entsprechend der Neuregelung im ersten Teil
des UrhG auch auf unbekannte Nutzungsarten erweitert. Von der Einführung
einer cessio legis in § 89 UrhG wurde jedoch Abstand genommen. Neben § 32 c
Reg-E sollte zudem § 31 a Reg-E auch im Filmbereich zumindest in Bezug auf
das Schriftformerfordernis Anwendung finden. § 137 l Reg-E stimmt im Wesentlichen mit der im Referentenentwurf vorgesehenen Übergangsregelung überein.
Der Bundesrat nahm mit Beschluss vom 19. Mai 2006 ausführlich zum Regierungsentwurf Stellung.72 Er wies darauf hin, dass das Schriftformerfordernis des
§ 31 a Abs. 1 Satz 1 Reg-E den Besonderheiten von Open Access- und Open
Source-Verwertungsmodellen nicht hinreichend Rechnung trage, da Verträge in
diesem Bereich üblicherweise nicht schriftlich geschlossen würden.73 Daneben
hielt der Bundesrat die Einführung einer »Benachrichtigungspflicht« vor Aufnahme der Nutzung in § 31 a UrhG für unabdingbar. Das Widerrufsrecht sei im
bisherigen Regierungsentwurf zu schwach ausgestaltet, da der Urheber nur bei
Kenntnis von der geplanten Nutzungsaufnahme eine wirkliche Entscheidungs-
68 Pressemitteilung des BMJ vom 27.12.2004, abrufbar unter: www.bmj.de (Stand:
1.12.2007).
69 Schricker/Schricker, § 31 UrhG Rn. 25 a.
70 Referentenentwurf vom 26.1.2006, abrufbar unter: www.urheberrecht.org/topic/Korb-2/
bmj/760.pdf (Stand: 1.12.2007).
71 BT-Drucks. 16/1828. Bezüglich §§ 31 a, 32 c, 88, 89 UrhG ist der Regierungsentwurf mit
dem 2. Referentenentwurf identisch.
72 BT-Drucks. 16/1828, S. 37 ff. = BR-Drucks. 257/06 (auszugsweise abgedruckt im
Anhang).
73 BT-Drucks. 16/1828, S. 37 f. = BR-Drucks. 257/06, S. 3.
26
möglichkeit habe.74 Weiter wendete sich der Bundesrat gegen die Einführung des
gesetzlichen Vergütungsanspruchs in § 32 c UrhG. Da der Anspruch im Zusammenhang mit einer vertraglichen Nutzung stehe, solle er vielmehr in § 32 UrhG
integriert werden.75 Hinsichtlich der Übergangsregelung des § 137 l UrhG äußerte
der Bundesrat ferner erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken.76
In ihrer Gegenäußerung vom 14. Juni 2006 lehnte die Bundesregierung die Statuierung einer »Benachrichtigungspflicht« in § 31 a UrhG weiterhin mit der
Begründung ab, dass der hiermit verbundene zusätzliche bürokratische Aufwand
die intendierte Öffnung des Urhebergesetzes für den Einsatz neuer Nutzungsarten
erschwere.77 Die systematische Einordnung des Vergütungsanspruchs solle dagegen im weiteren Gesetzgebungsverfahren ebenso wie die Übergangsregelung des
§ 137 l UrhG und die hinreichende Berücksichtigung von Open Access- und Open
Source- Verwertungsmodellen überprüft werden.78
Am 29. Juni 2006 wurde der Regierungsentwurf erstmals im Bundestag beraten und zur federführenden weiteren Beratung an den Rechtsausschuss überwiesen.
In einer öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss am 29. November 2006
zeigten sich die geladenen Experten hinsichtlich der Neuregelung zu unbekannten Nutzungsarten weiterhin uneins und forderten zum Teil sogar die Beibehaltung der alten Rechtslage.79
In den anschließenden Berichterstattergesprächen wurden schließlich die
Änderungsvorschläge des Bundesrates in weiten Teilen durchgesetzt. In der am
4. Juli 2007 vom Rechtsausschuss beschlossenen Formulierungshilfe80 wurde in
§ 31 a Abs. 1 Satz 2 UrhG eine Ausnahme vom Schriftformerfordernis mit Blick
auf Open Access- und Open Source- Verwertungsmodelle eingefügt. Zudem
wurde der Ausschluss des Widerrufsrechts mit Beginn der Nutzung in einer neuen
Nutzungsart fallen gelassen und stattdessen die vom Bundesrat vorgeschlagene
Benachrichtigung über die beabsichtigte Nutzungsaufnahme in § 31 a Abs. 1 Satz
4 UrhG ergänzt. Nicht durchgesetzt hat sich dagegen die geforderte Eingliederung des Vergütungsanspruchs in § 32 UrhG. Auch bezüglich der Übergangsregelung des § 137 l UrhG gab es nur relativ geringfügige Änderungen, was angesichts der massiven Kritik an dieser Norm doch überraschte. Zwar wurde die
Anregung des Bundesrates hinsichtlich der Benachrichtigung über die geplante
Nutzungsaufnahme auch hier aufgegriffen. Abgesehen davon wurde die Regelung
jedoch lediglich um eine Verwertungsgesellschaftpflichtigkeit des Vergütungsanspruchs ergänzt.
74 BT-Drucks. 16/1828, S. 38 = BR-Drucks. 257/06, S. 4.
75 BT-Drucks. 16/1828, S. 38 = BR-Drucks. 257/06, S. 4 f.
76 BT-Drucks. 16/1828, S. 44 f. = BR-Drucks. 257/06, S. 18 ff.
77 BT-Drucks. 16/1828, S. 46.
78 BT-Drucks. 16/1828, S. 46 f., 50.
79 Meldung vom 29.11.2006, abrufbar unter: www.bundestag.de/aktuell/hib/2006/2006_
363/08.html (Stand: 1.12.2007). Zur Diskussion auch: Seibold, ZUM 2007, 702ff.
80 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/5939, auszugsweise abgedruckt im Anhang.
27
Bereits am 5. Juli 2007 beschloss der Bundestag in seiner letzten Sitzung vor
der Sommerpause den Regierungsentwurf in der Fassung der Formulierungshilfe
sowie einen Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen, mit dem eine
Arbeitsagenda für einen »Dritten Korb« vorgegeben wird.81 Danach soll u.a. überprüft werden, ob gesetzgeberischer Handlungsbedarf hinsichtlich der Einführung
einer Widerrufsmöglichkeit auch für Filmurheber besteht.
Nachdem der Gesetzesbeschluss am 21. September 2007 auch vom Bundesrat
gebilligt worden war,82 konnte der »Zweite Korb« schließlich – mehr als drei
Jahre nach Veröffentlichung des ersten Referentenentwurfs – am 1. Januar 2008
in Kraft treten.
81 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/5939, S. 3 f.
Hoeren beurteilt die Chancen für einen zeitnahen «Dritten Korb« angesichts der fortgeschrittenen Legislaturperiode als gering (MMR 2007, 615, 620).
82 BR-Drucks. 582/07 (Beschluss).
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References
Zusammenfassung
Seit Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft („Zweiter Korb“) am 1.1.2008 können Urheber nunmehr auch die Rechte zur Nutzung ihrer Werke in unbekannten Nutzungsarten wirksam übertragen.
Das Verbot solcher Verträge wurde ersetzt durch Bestimmungen zum Vertragsschluss und durch Einführung eines Widerrufsrechts sowie eines gesetzlichen Vergütungsanspruchs zum Schutz der Urheber. Die Verfasserin stellt die Neuregelung sowie ihre Auswirkungen auf die Vertragspraxis vor. Dabei kommt sie zu dem Ergebnis, dass die Verwertungshemmnisse, die nach alter Rechtslage bestanden, im Wesentlichen überwunden sind, dass dabei aber auch die Interessen der Urheber aufgrund der neuen Bestimmungen angemessen gewahrt werden. Abschließend werden die Punkte zusammengefasst, an denen noch eine Nachbesserung des Gesetzgebers erfolgen sollte.
Die Autorin ist derzeit Mitglied der Kammer für Urhebersachen am LG Hamburg.