297
der Europarat in Straßburg fest. Während der Europarat die Aktivitäten vor Ort
durchführte, bot die Kommission Vorschläge und allgemeine Unterstützung für das
Programm an. Eine Evaluierung aus dem Jahr 2003, deren Ergebnisse nicht veröffentlicht wurden, kritisierte, dass die Gemeinsamen Programme bis dahin zu wenig
kohärent gewesen seien und stärker als eine gemeinsame Initiative der albanischen
Regierung, des Europarats und der Europäischen Kommission gestaltet werden
müssten. Außerdem würden sie noch zu wenig von den verantwortlichen albanischen Institutionen getragen. Die letzte Bemerkung verweist auf die geringe Involvierung der albanischen Regierung in die Entwicklung der jeweiligen Programme.
Trotzdem hat sich nach Ansicht des Europarats die Tatsache, dass Albanien Mitglied des Europarats ist, grundsätzlich positiv auf die Zusammenarbeit der drei Partner des Programms ausgewirkt. „(M)uch of the work of the Joint Programme could
be carried out in very close and privileged co-operation with the Albanian authorities“ (vgl. Council of Europe/European Commission 2002 a: 8). So ist z.B. die Zusammenarbeit aller drei Akteure im Leitungskomitee des Gemeinsamen Programms
zumindest ein Zeichen für eine größere Partizipation an der Programmgestaltung.
Bei anderen internationalen Organisationen bestand eine solche institutionalisierte
Form der Kooperation nicht.
6.3. Die Instrumente der Integration und Demokratisierung
Der Europarat unterstützte Albanien bei der Justiz- und Rechtsreform und dem
Schutz der Menschenrechte in Albanien im Rahmen der Gemeinsamen Programme
vor allem durch zwei Instrumente.382 Das erste Instrument bestand im politischen
Dialog, dem Monitoring und der Beratung der albanischen Regierung, u.a. durch die
Bereitstellung internationaler und nationaler Expertisen. Dabei stand die Unterstützung bei der strukturellen Reform der Rechtsinstitutionen und der Modernisierung
der Gesetzgebung in Übereinstimmung mit europäischen Normen und Standards im
Vordergrund. Thematisch engagierte sich der Europarat in einem breiten Spektrum
von Themenfeldern, das von Fragen des Menschenhandels über Anti-Korruptionsmaßnahmen bis zu Minderheiten reichte.
Als zweites Instrument führte der Europarat Projekte zur fachlichen und personellen Unterstützung von Institutionen des Rechts- und Justizsystems durch. Dies geschah in Form von Seminaren, Workshops, Expertenmissionen, Studienreisen und
kam, konnte im Rahmen der empirischen Forschung nicht mehr nachgeprüft werden, da die
Feldforschungsphase 2003 abgeschlossen wurde.
382 Neben dem binationalen Kooperationsprogramm mit Albanien engagierte sich der Europarat
darüber hinaus mit verschiedenen regionalen Initiativen für die Demokratisierung Südosteuropas, u.a. mit der „Group of States against Corruption“ (GRECO) (vgl. http://www.coe.int/
t/dg1/greco) oder dem „Programme against corruption and organized crime“ (PACO) (vgl.
http://www.coe.int/paco-impact). Hier sollen allerdings nur die nationalen Programme berücksichtigt werden.
298
Trainingskursen sowie in kleinem Umfang durch materielle Hilfe (z.B. für Übersetzung und Druck von Publikationen).
6.3.1. Die Instrumente der Integration I: Politischer Dialog, Monitoring und
Beratung bei der Rechts- und Justizreform
Die Rolle des Europarats beim politischen Dialog mit der albanischen Regierung,
dem Monitoring und der Beratung der albanischen Rechts- und Justizreform soll im
Folgenden an zwei Beispielen verdeutlicht werden. Das erste betrifft die Umsetzung
der Konventionen des Europarats, denen Albanien beigetreten ist, wie z.B. des Protokolls Nr. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention zur Abschaffung der
Todesstrafe. Das zweite Beispiel ist die Beratung des Europarats beim Aufbau eines
gesetzlichen Rahmens für das Justizsystems.
6.3.1.1. Die Umsetzung des Protokolls Nr. 6 der Europäischen
Menschenrechtskonvention zur Abschaffung der Todesstrafe
Albanien hat bislang 64 Konventionen und Protokolle des Europarats ratifiziert,
darunter die Europäische Menschenrechtskonvention, die Rahmenkonvention für
den Schutz nationaler Minderheiten, die Europäische Sozialcharta und die Europäische Konvention zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender
Behandlung.383 Sechs Konventionen wurden bisher von Albanien unterschrieben,
aber nicht ratifiziert und 132 Konventionen und Protokolle des Europarats wurden
weder unterschrieben noch ratifiziert.384 Die Parlamentarische Versammlung des
Europarats überprüft regelmäßig die Einhaltung der Konventionen und Protokolle,
von denen Albanien Vertragspartner ist und verabschiedet Resolutionen, in denen
sie zu den Fortschritten der Umsetzung in Albanien Stellung nimmt.
Am Beispiel der Abschaffung der Todesstrafe in Albanien lassen sich die Bemühungen des Europarats zur Einhaltung der Konventionen durch seine Mitgliedsländer verdeutlichen. Als Albanien 1995 Mitglied des Europarats wurde, verpflichtete
sich die albanische Regierung zunächst, die Todesstrafe nicht mehr anzuwenden und
sie dann gesetzlich abzuschaffen. Nach dem Beitritt wurde die albanische Regierung
1996 in der Resolution 1097 der Parlamentarischen Versammlung des Europarats
aufgefordert, das 6. Protokoll der europäischen Menschenrechtskonvention, das die
Todesstrafe verbietet, zu unterzeichnen und die Todesstrafe de jure abzuschaffen
(vgl. Council of Europe 1996). 1999 verabschiedete die Parlamentarische Versammlung die Resolution 1187, in der kritisiert wurde, dass Albanien die Todesstrafe immer noch nicht abgeschafft hatte, „in violation of their committment to
abolish the death penalty within a certain delay following accession to the Council
383 Vgl. http://conventions.coe.int (Zugriff: 2.1.2007).
384 Ebd.
299
of Europe“ (Council of Europe 1999: 1 f.). Im Rahmen des dritten Kooperationsprogramms des Europarats mit Albanien wurden daher in den Jahren 1999 und 2000
eine Reihe von Aktivitäten gefördert, die Albanien bei der Vorbereitung der Abschaffung der Todesstrafe unterstützen sollten (vgl. Council of Europe/European
Commission 2002 a). So wurde z.B eine internationale Konferenz über die Abschaffung der Todesstrafe durchgeführt. Darüber hinaus war ein wichtiger Beitrag des
Europarats die Übersetzung und Bereitstellung von Gesetzestexten und Urteilen des
Europäischen Menschenrechtshof zum Thema, die sonst nicht auf Albanisch zugänglich waren. Im Dezember 1999 entschied das albanische Verfassungsgericht,
dass die Todesstrafe nicht mit der 1998er Verfassung Albaniens vereinbar ist. Im
September 2000 ratifizierte Albanien schließlich das 6. Protokoll zur Europäischen
Menschenrechtskonvention und die Todesstrafe wurde zum 1. Oktober 2000 abgeschafft (vgl. Council of Europe/European Commission 2000). Damit zeigt sich, dass
der Europarat mit seiner öffentlichen Kritik Albanien zu einer Übereinstimmung mit
seinen Normen führte.
6.3.1.2. Die Rechtsberatung im Rahmen der Gemeinsamen Programme
Ein zentraler Bestandteil der Unterstützung des Europarats im Rahmen der Gemeinsamen Programme bestand in der Bereitstellung von Expertisen für die Gestaltung
von Gesetzesentwürfen.385
Das erste Gemeinsame Programm (1993–1995)
Im Rahmen des ersten gemeinsamen Programms begleitete der Europarat durch die
Bereitstellung von internationalen Experten die albanischen Behörden dabei, Entwürfe des neuen albanischen Zivil- und Strafrechts und der damit in Verbindung
stehenden Verfahrensgesetze zu erstellen. Diese neuen Gesetze traten schließlich
Ende 1994 und Anfang 1995 in Kraft. Darüber hinaus zielte das Programm auf die
Ausbildung von Amtsrichtern, Rechtsanwälten und der Polizei ab und unterstützte
die Reform des Justizministeriums und der Strafvollzugsanstalten.
Das zweite Gemeinsame Programm (1995–1997)
Die Umsetzung des zweiten Gemeinsamen Programms begann im Mai 1995 (vgl.
Council of Europe 1998). Im Rahmen dieses Programms leistete der Europarat einen
Beitrag zur Erstellung des Verfassungsentwurfs. Dessen endgültige Fassung 1998
385 Darüber hinaus unterstützte er den Aufbau und die Stärkung von Institutionen des Rechtsund Justizsystems, wie u.a. das Amt des Generalstaatsanwalts, das Justizministerium, das
Verfassungsgericht, das Ministerium für öffentliche Ordnung, die Richterakademie und den
Ombudsmann. Auf Beispiele dieser Unterstützung wird in Kapitel 6.3.2 eingegangen (vgl.
Council of Europe/European Commission 2002 a, b).
300
wurde durch ein Referendum angenommen, in dem er internationale und nationale
Experten zur Verfügung stellte. Dazu griff er u.a. auf die Expertisen der Venedigkommission zurück. Weiterhin wurde die albanische Zivilprozessordnung mit Hilfe
von Experten des Europarats entworfen und 1996 verabschiedet. Damit wurde eine
wichtige rechtliche Lücke gefüllt. Außerdem unterstützte der Europarat die Überprüfung der albanischen Gesetzgebung auf ihre Kompatibilität mit den europäischen
Menschenrechtsstandards.386
Das zweite Gemeinsame Programm lief bis September 1997, wurde aber wegen
der umstrittenen Parlamentswahlen von 1996 mehrmals unterbrochen. „After the
disputed elections in May 1996 the pace of implementation of the activities slowed
down considerably, due especially to the far reaching changes following the elections and the resulting precarious political situation, which created a particular lack
of responsiveness from the competent authorities“ (Council of Europe 1998: 4). Die
Unterbrechung der Projekte aufgrund von Wahlen spiegelte ein grundsätzliches
Problem der Unterstützung der internationalen Gemeinschaft in Albanien wider. So
war es für den Europarat (wie auch andere internationale Organisationen) schwierig,
in den Monaten vor den albanischen Lokal- bzw. Parlamentswahlen die Programmaktivitäten weiterzuführen. Denn zu diesen Zeiten kam die albanische Administration zum Stillstand. Auch der starke Personalwechsel in den albanischen Ministerien
nach den Wahlen behinderte eine Kontinuität in der Durchführung der Programme.
„Many projects therefore had to be relaunched and many civil servants that received
joint programme training have since left their function“ (Council of Europe/
European Commission 2002 a: 7).387 Während der politischen und wirtschaftlichen
Krise im Jahr 1997 wurde die Durchführung des zweiten Programms (wie die Aktivitäten anderer internationaler Organisationen) zwischen Februar und Juli 1997
vollkommen gestoppt.388 Das zweite Programm konnte daher nur teilweise umgesetzt werden. Trotzdem gelang es aber im Rahmen der ersten beiden Gemeinsamen
Programme des Europarats und der Europäischen Kommission die ersten Schritte
zum Aufbaus eines rechtlichen Rahmens in Albanien zu unterstützen, der sich an
europäischen Standards und dem Respekt der Menschenrechte orientierte.389
386 Im Rahmen des zweiten gemeinsamen Programms begleitete der Europarat außerdem die
Reorganisation des Amts des Generalstaatsanwalts und den Aufbau der Richterakademie und
setzte die bisherige Unterstützung der Weiterbildung von Amtsrichtern und anderen Justizangestellten, der Reform des Justizministeriums und der Strafvollzugsanstalten fort (vgl. Council of Europe 1998). Vgl. Kapitel 6.3.2.
387 Besonders für die Aktivitäten des Europarats, die zu einem großen Teil auf die Aus- und
Weiterbildung von öffentlichen Angestellten abzielen, führte eine hohe Personalfluktuation
zu einem Verlust des vermittelten Wissens innerhalb der jeweiligen Institutionen
388 So wurde die finanzielle Unterstützung im Rahmen des PHARE-Programms der Europäischen Kommission, aus der auch das Joint-Programm finanziert wird, in dieser Zeit eingefroren (vgl. Council of Europe 1998).
389 Vgl. http://assembly.coe.int/Documents/AdoptedText/TA95/eopi189.htm (Zugriff: 1.3.2007).
301
Das dritte Gemeinsame Programm (1997–2001)
Um die Unterstützung der eingeleiteten Reformen fortzusetzen und die Projekte
umsetzen zu können, die 1996–1997 unterbrochen worden waren, beschloss der
Europarat, sein Engagement im Rahmen eines dritten Gemeinsamen Programms
weiterzuführen (vgl. Council of Europe/European Commission 2002 a). Er reagierte
damit auf den von den albanischen Behörden geäußerten Bedarf nach einer weiteren
Unterstützung im Bereich der Rechts- und Justizreform. Mit einem finanziellen
Umfang von insgesamt 1.348.000 EUR war es das bis dahin größte Gemeinsame
Programm des Europarats und der Europäischen Kommission. Das dritte Gemeinsame Programm wurde 1997/1998 vorbereitet und konzipiert. Wegen der politischen
Krisen in jenen Jahren begann seine Umsetzung jedoch erst im Januar 1999. Es
endete 2001.
Das dritte Programme unterstützte die Umsetzung des „Ersten Aktionsplans für
die Justiz- und Rechtsreform“ der albanischen Regierung, der am 12. Januar 1999
von Ministerpräsident Ilir Meta, dem damaligen Leiter der Delegation der Europäischen Kommission und dem Speziellen Repräsentanten des Europarats in Tirana
unterzeichnet wurde (vgl. Council of Europe/European Commission 2000). „The
aim was to streamline the co-operation carried out in the legal field and ensure firm
commitment from the Albanian authorities to the proposed activities“ (Council of
Europe/European Commission 2002 a: 3). Der Aktionsplan umfasste drei wesentliche Ziele:
1) die Verbesserung des institutionellen und rechtlichen Rahmens des Rechts- und
Justizsystems,
2) das effektive Funktionieren des Justizsystems und
3) die Stärkung der Justiz im Rahmen einer allgemeinen Reform des Rechtssystems.
Diesen Zielen entsprechend richtete sich die Unterstützung des Europarats auf die
weitere Entwicklung des rechtlichen Rahmens und die Förderung der Menschenrechtsnormen in Albanien (u.a. durch Trainings zur Europäischen Menschenrechtskonvention und Bereitstellung von Publikationen zum Thema Menschenrechte).390
Die Fortsetzung des dritten Gemeinsamen Programms (2001–2003)
2001 beschloss der Europarat, nach dem umfangreichen dritten Programm ein kleineres Nachfolgeprogramm aufzulegen.391 Zwischen April 2001 und April 2003 wurde daher das sog. „Gemeinsame Programm III BIS“ durchgeführt. Es sollte sich
gezielt der Konsolidierung der mit den bisherigen Gemeinsamen Programmen unterstützten Reformen des Rechts- und Justizsystems widmen. Der Beginn eines weite-
390 Darüber hinaus setzte der Europarat die Unterstützung der Richterakademie, des Generalstaatsanwalts, der albanischen Anwaltskammer sowie der Reform des Justizministeriums und
der Strafvollzugsanstalten fort.
391 Vgl. http://www.jp.coe.int/programmes/albaniaIIIbis/ (Zugriff: 3.1.2007).
302
ren umfassenden vierten Gemeinsamen Programms wurde vom Europarat nicht für
sinnvoll erachtet.
Das „Gemeinsame Programm III BIS“ diente der Unterstützung des „Zweiten
Aktionsplans zur effektiven Funktion des albanischen Justizsystems“, der am
23. Mai 2001 von der albanischen Regierung, der Europäischen Kommission und
dem Europarat unterzeichnet wurde (vgl. Council of Europe/European Commmission 2002 b). Er richtete sich in seinem Fokus stärker auf die Konsolidierung des
institutionellen und gesetzlichen Rahmens des Justizsystems, der im Zuge des ersten
Aktionsplans geschaffen worden war. Die Ziele des zweiten Aktionsplans umfassten:
1) die Stärkung der Qualität des legislativen Prozesses,
2) die Stärkung der Weiterbildung der juristischen Amtsträger, die mit der Umsetzung der Reformen betraut sind und
3) das effektive Funktionieren der Rechts- und Justizinstitutionen.
Der Europarat kam zu der Schlussfolgerung, dass Albanien inzwischen einen elaborierten rechtlichen Rahmen besäße, der sich auf die Verfassung von 1998 stützt.
Deswegen sei es nun notwendig, „to go beyond the normative level of assistance, to
help ensure effective implementation of the existing laws“.392 So zielte das Unterstützungsprogramm des Europarats vor allem auf die stärkere Umsetzung des bis dahin entwickelten rechtlichen Rahmens ab. Weiterhin räumte das Programm der Annäherung der albanischen Gesetzgebung an europäische Normen und Standards, vor
allem an den acquis communautaire im Rahmen des SAA, eine hohe Priorität ein.393
Das vierte Gemeinsame Programm (2003–2005)
Das vierte Gemeinsame Programm wurde im November 2003 begonnen und dauerte
bis 2005. Es widmete sich vor allem der Umsetzung des etablierten gesetzlichen
Rahmens in Albanien, u.a. durch die Aus- und Weiterbildung von Anwälten und
Richtern zur Europäischen Menschenrechtskonvention sowie die Verbesserung des
Schutzes der Menschenrechte durch Trainings, Übersetzungen und die Bereitstellung von entsprechenden Informationsmaterialien.394
6.3.1.3. Die Beurteilung der Reformfortschritte im Rechts- und Justizbereich
Der Europarat überprüfte die Fortschritte Albaniens bei der Justiz- und Rechtsreform anhand der Implementierung der von der albanischen Regierung seit 1999
392 http://www.jp.coe.int/programmes/albaniaIIIbis/ (Zugriff: 3.1.2007).
393 Außerdem verfolgte das Gemeinsame Programm III BIS das Ziel, die neu etablierten Institutionen, wie u.a. die Richterakademie, das Amt des Generalstaatsanwalts und die Institution
des Ombudsmanns, zu stärken.
394 Unter dem Programm wurden darüber hinaus das Notarsystem und die zwei bestehenden
Rechtsfakultäten in Tirana und Shkodra sowie der Aufbau einer Rechtsfakultät in Vlora unterstützt. Außerdem wurde die Unterstützung der Richterakademie, der Reform des Strafvollzugssystem und der albanischen Anwaltskammer fortgesetzt.
303
verfassten Aktionspläne. Dazu wurde seit Anfang 1999 ein- bis zweimal jährlich
eine Konferenz zur Justiz- und Rechtsreformen in Albanien durchgeführt. Die Konferenzen fanden abwechselnd in Albanien, Brüssel oder Straßburg statt und wurden
vom Europarat und der Europäischen Kommission gemeinsam mit dem albanischen
Justizministerium organisiert. An den Konferenzen nahmen teil: hochrangige Vertreter der albanischen Justiz (u.a. der Generalstaatsanwalt, der Ombudsmann, die
Direktorin der Richterakademie), Experten und Vertreter des Europarats und der
Europäischen Kommission sowie Vertreter ihrer Mitgliedsländer und NRO-Repräsentanten, die in die Justizreform involviert waren.
Tabelle 56: Die Konferenzen zur Rechts- und Justizreform in Albanien und
ihre Themen
Datum, Ort Thema
1. 18.–19. Januar 1999,
Straßburg/Frankreich
y Evaluierung der Justizreform
2. 18.–19. November 1999,
Tirana/Albanien
y Untersuchung der Elemente des Justizsystems
und ihrer Verbindungen zueinander y Etablierung eines unabhängigen Rechtssystem
3. 16.–17. November 2000,
Brüssel/Belgien
y k.A.
4. 28.–29. Januar 2002,
Straßburg/Frankreich
y Weitere Kooperation für das effektive Funktionieren des albanischen Justizsystems
5. 10.–11. Februar 2003,
Saranda/Albanien
y Beurteilung der Umsetzung des „Zweiten Aktionsplans für das effektive Funktionieren des
Justizsystems in Albanien“ von 2001 y Beurteilung des Fortschritts der Rechts- und
Justizreform seit der letzten Konferenz y Definition der weiteren Umsetzung des zweiten
Aktionsplans, besonders in Hinblick auf die
Perspektiven für die Richterakademie
15. März 2004,
Tirana/Albanien
Sonderkonferenz: y Entwicklung einer langfristigen Strategie zur
nachhaltigen Sicherung der Richterakademie
6. 16. März 2004,
Durres/Albanien
y Justizreform
304
7. 3. Mai 2005,
Straßburg/Frankreich
y Konsolidierung des Justizsystems und Stärkung
seiner Glaubwürdigkeit gegenüber den albanischen Bürgern y Verlässlichkeit des albanischen Justizsystems y Beurteilung der Umsetzung des „Zweiten Aktionsplans für das effektive Funktionieren des
Justizsystems in Albanien“ von 2001
Quelle: http://www.coe.int/T/E/Legal_Affairs/About_us/Events/2003-02E.asp (Zugriff: 30.4.2007).
Auf den Konferenzen wurden gemeinsam mit den albanischen Behörden die erreichten Fortschritte der albanischen Regierung sowie der Stand der Umsetzung der Gemeinsamen Programme diskutiert und evaluiert. Die Konferenzen endeten mit gemeinsamen Schlussfolgerungen, die Empfehlungen für die weiteren Schritte in der
Rechts- und Justizreform beinhalteten. Die Tabelle zeigt im Überblick die wichtigsten Gesetze, die mit Hilfe des Europarats erarbeitet wurden. Dazu zählen u.a. das
Gesetz zur Organisation der Justiz, das Gesetz zur Funktion und Organisation des
Obersten Gerichtshof und die Reform der Zivilprozessordnung.395
Tabelle 57: Auswahl von Gesetzen, die mit Hilfe des Europarats entworfen wurden
Jahr Mit Hilfe des Europarats entworfene Gesetze
1. Gemeinsames Programm 1993–1995
1994 y Zivilrecht 1994 in Kraft getreten
2. Gemeinsames Programm 1995–1997
1995 y Strafrecht y Strafprozessordnung 1995 in Kraft getreten
1996 y Zivilprozessordnung
3. Gemeinsames Programm 1997–2001
1998 y Richtergesetz
y Verfassung
1998 im Parlament verabschiedet
1998 durch Referendum
angenommen
395 Darüber hinaus unterstützte der Europarat die Etablierung der Richterakademie (1997) und
des Ombudsmanns (2000). Außerdem nahm eine Vielzahl von albanischen Beamten und Angestellten des Rechts- und Justizsystems an Trainings und Studienreisen des Europarats teil.
305
Ab 1999: 1. Aktionsplan für die Justiz- und Rechtsreform der albanischen Regierung
1999 y Zusätze zum Gesetz über die Organisation
der Justiz y Gesetz über den Ombudsmann
y Gesetz über das staatliche Publikationszentrums
2000 in Kraft getreten
1999 im Parlament angenommen; 2000 Ombudsmann ernannt
2000 y Gesetz über den Generalstaatsanwalt
y Gesetz über die Rolle und Funktion des
Justizministeriums y Gesetz über die Organisation der Rechtspolizei y Entwicklung des Verwaltungsrechts und
Reform der Zivilprozessordnung y Gesetz über die staatliche Anwaltschaft y Gesetz über die staatliche Polizei y Gesetz über die Organisation und die
Funktion des Verfassungsgerichtshofs
2000 im Parlament angenommen
2000 verabschiedet
Gemeinsames Programm III BIS 2001–2003
Ab 2001: 2. Aktionsplans zur effektiven Funktion des albanischen Justizsystems
der albanischen Regierung
2001 y k.A.
2002 y Gesetz über den Obersten Gerichtshof y Zusätze zum Strafrecht zur Verbesserung
der Untersuchungsverfahren der Gerichte y Gesetz über die Funktion des Generalstaatsanwalts
Quelle: http://albanien.eu.com/zzE_Mit.html (Zugriff: 22.4.2007).
Zwischen 1997 und 1999 arbeitete der Europarat eng mit dem Staatsminister für
„Legislative Reform und die Beziehung zum Parlament“ beim Entwerfen von 22
legislativen Akten zusammen.396 Wie die Tabelle deutlich macht, wurden vor allem
in den beiden Jahren nach der Verabschiedung des ersten Aktionsplans für die Justiz- und Rechtsreform der albanischen Regierung 1999 und 2000 eine Vielzahl von
Gesetzen für den Aufbau des Rechts- und Justizwesens mit der Rechtsberatung des
Europarats entworfen. Die Überprüfung der Umsetzung des ersten Aktionsplans der
396 Sie betrafen u.a. das Verwaltungsverfahrensgesetz, das Delikthaftungsrecht, das Gesetz über
die Auskunftspflicht öffentlicher Einrichtungen, das Asylrecht, das Staatsbürgerschaftsrecht
(vgl. http://www.ipls.org/services/ judicial/j10.html).
306
albanischen Regierung auf der dritten Konferenz über die Rechts- und Justizreform
im Jahr 2000 kam daher zu dem Ergebnis, dass es der albanischen Regierung mit
Hilfe des Europarats gelungen war, die zentrale Gesetzgebung in Bezug auf das
Justizsystem zu entwerfen bzw. zu verabschieden (vgl. Council of Europe/European
Commmission 2002 b). Damit war ein wesentliches Ziel des 1. Aktionsplans erreicht worden.
Die Umsetzung des zweiten Aktionsplans, der 2001 verabschiedet wurde, dauerte
wesentlich länger, denn dort ging es vor allem um Fragen der Implementierung der
neuen Gesetzgebung und der Konsolidierung der neu etablierten rechtlichen Institutionen. Die siebte Konferenz zur Rechts- und Justizreform kam im Mai 2005 zu dem
Ergebnis, dass Fortschritte bei der Modernisierung des Rechts- und Justizsystems
erreicht worden waren. Die Betonung seiner Glaubwürdigkeit gegenüber den albanischen Bürgern müsste nun Priorität haben.
In einer Untersuchung der externen Unterstützung der Rechts- und Justizreform
nennt das albanische Institut für Politik- und Rechtsstudien den Europarat „by no
doubt the most remarkable partner of the Government in terms of technical assistance in law drafting“.397 Damit wird insgesamt deutlich, dass der Europarat einen Beitrag zur Modernisierung und Anpassung des albanischen Rechtssystems an europäische Standards leistet, indem er internationale und europäische Expertisen zur Verfügung stellte, die die Regierung bei der Reform der Gesetzgebung berieten.
6.3.2. Die Instrumente der Integration II: Unterstützungsprojekte im Rechtsund Justizbereich
Der Europarat benutzte als zweites Instrument im Rahmen seiner Gemeinsamen
Programme Projekte zum Aufbau und zur Stärkung von Institutionen des Rechtsund Justizsystems. Die Unterstützung von zwei zentralen Institutionen, dem Ombudsmann und der Rechtsakademie, wird im Folgenden im Detail betrachtet. Beide
Institutionen haben sich mittlerweile zu funktionierende Institutionen entwickelt und
können als „Erfolgsbeispiele“ der Unterstützung des Europarats bezeichnet werden.
6.3.2.1. Die Unterstützung des Europarats für die Institution des Ombudsmanns
Der Ombudsmann, auf albanisch „Avocati i Popullit“ (Advokat des Volkes) genannt, wurde mit der Verfassung von 1998 als neue Institution in Albanien geschaffen. In Kapitel IV des ersten Teils der Verfassung wurden in fünf Artikeln die Rechte und Pflichten, der Status und die wesentlichen Kompetenzen des Ombudsmanns
festgelegt (vgl. Albanian Constitution 1998). Laut Art. 60, 1 der albanischen Verfassung hat der Ombudsmann die Aufgabe, die Rechte, Freiheiten und rechtlichen Interessen von Individuen gegenüber ungesetzlichen oder missbräuchlichen Handlungen
397 http://www.ipls.org/services/judicial/j10.html.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Im Schnittfeld von Transformations- und Integrationsforschung bietet die Arbeit eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Einflussmöglichkeiten europäischer Institutionen auf die Demokratisierung in Südosteuropa. Analysiert wird die Demokratisierungshilfe von EU, OSZE und Europarat am wenig untersuchten Fall des „scheinheiligen Demokratisierers“ Albanien. Scheinheilige Demokratisierer stellen die Demokratisierungsbemühungen europäischer Organisationen in Südosteuropa vor große Herausforderungen. Wegen der prekären Sicherheitslage weisen sie einen erhöhten Stabilisierungsbedarf auf und begrenzten dadurch die Wirkung des Engagements der europäischen Akteure. In Auseinandersetzung mit den Forschungsansätzen der Internationalen Sozialisierung, der Europäisierung und der Konditionalität leistet die Arbeit einen Beitrag zur Debatte über die Rolle externer Akteure und untersucht die Wirkungszusammenhänge zwischen der internationalen und nationalen Dimension der Demokratisierung von Transformationsländern. Die Ergebnisse der Studie werfen einen kritischen Blick auf die EU-Konditionalität und zeigen die Notwendigkeit einer neuen Integrationsstrategie für die Länder Südosteuropas auf.