260
OSZE ungefähr auf das Niveau ihrer Repräsentanz zurück, das 1998 nach der
Staatskrise geherrscht hatte.
Wie bereits erwähnt, muss die Reduzierung der OSZE-Präsenz in den Regionen
Albaniens vor dem Hintergrund der sich im Herbst Jahr 2002 bemerkbar machenden
negativen Stimmung gegenüber der OSZE gesehen werden. Auf dem Weg der Annäherung an die EU, der sich in dieser Zeit klarer abzuzeichnen begann, war eine
starke Vor-Ort-Präsenz der OSZE im gesamten Land von Seite der albanischen
Regierung nicht mehr erwünscht.332 Es ist daher anzunehmen, dass die zunehmend
kritische Haltung der albanischen Regierung gegenüber der OSZE auch damit zu tun
hat, dass die OSZE besser als jede andere internationale Organisation die lokalen
Entwicklungen, auch in entlegenen Gebieten des Landes, verfolgen konnte. Dass die
OSZE der albanischen Regierung durch die Reduzierung der lokalen Büros entgegenkam, war aus Sicht der OSZE ein symbolischer Akt, mit dem sie ihr Vertrauen in
die Fortschritte Albaniens verdeutlichen wollte.333 Die Entscheidung, welche Büros
geschlossen werden, traf die OSZE.
5.3. Die Instrumente der Integration und der Demokratisierung
Es können verschiedene Phasen des Engagements der OSZE-Präsenz in Albanien
unterschieden werden. Es zeigt sich, dass sie sich mit den Erfahrungen anderer
OSZE-Missionen decken (vgl. Huber et al. 2003). Die OSZE setzte im Wesentlichen
zwei zentrale Instrumente ein, zum einen den politischen Dialog mit der Regierung,
ihre Beratung und die Vermittlung zwischen den politischen Parteien, zum anderen
die Durchführung von Demokratisierungsprojekten. Der jeweiligen Phase entsprechend änderte sich der Mix der Instrumente, die die OSZE in Albanien anwandte.
Die erste Phase war geprägt von der unmittelbaren Reaktion auf eine Krise mit dem
Ziel, Stabilität im Sinne von Konfliktprävention und Konfliktlösung zu erreichen
(im Fall Albaniens vor allem zwischen 1997 und 1999). Dieses Stadium verlangte
ein großes Maß an Flexibilität, so dass es schwer war, an einer Agenda oder Strategie festzuhalten (vgl. ebd.). Auch in Albanien war die OSZE in der Zeit nach 1997
zunächst in erster Linie beobachtend, beratend und vermittelnd in Krisenmanagement und -prävention tätig.
Mit einer zunehmenden Stabilität trat in der zweiten Phase die Arbeit an spezifischen Reformzielen, z.B. in der Gesetzgebung und im Institutionenaufbau, in den
Vordergrund. Das geschah u.a. mit Projekten, durch die die Umsetzung der neuen
Gesetzgebung unterstützt und die Verantwortung auf lokale Kräfte und Institutionen
übertragen wurde. Nach einer Stabilisierung der Lage ab 2001/2002 begann die
OSZE damit, Demokratisierungsprojekte zu entwickeln und durchzuführen.
332 Interview mit einem Mitarbeiter der OSZE-Präsenz in Albanien, am 3.3.2003 in Tirana.
333 Ebd.
261
Betrachtet man die beiden Instrumente der OSZE, so zeigt sich auch in Albanien
eine Herausforderung, die sich allen OSZE-Missionen auf dem Balkan stellte, denn
„the leverage and repertoire of incentives are limited. The power of missions is
mainly moral, as the OSCE represents an entry point into European organisations
that many OSCE participating States would like to join“ (Huber et al. 2003: 30). Die
OSZE bietet vor allem soziale Anreize, wie z.B. eine internationale Legitimität. Alle
OSZE Verpflichtungen sind nur politisch bindend. Wenn ein teilnehmender Staat
nicht in der Lage ist, eine Übereinstimmung mit diesen Verpflichtungen zu erzielen,
besteht das größte Risiko darin, dass seine Mitgliedschaft in der OSZE suspendiert
wird. Darüber hinaus verfügte die OSZE nur über geringe materielle Sanktionsmöglichkeiten, die im Sinne einer Konditionalität angewendet werden können. Vor allem
ihre moralische Autorität und ihre Funktion als Legitimitätsspender waren jedoch
von großer Bedeutung. Die OSZE-Präsenz in Albanien versuchte sich daher durch
Monitoring und öffentliche Kritik einen Spielraum für Einflussmöglichkeiten auf die
Innenpolitik Albaniens zu verschaffen.
Im Folgenden sollen die zwei zentralen Instrumente der OSZE, die Beratung und
Vermittlung sowie die Durchführung von Demokratisierungsprojekten, in zentralen
Aktivitätsfeldern anhand von Fallbeispielen untersucht werden.
5.3.1. Die Instrumente der Integration I: Monitoring, Beratung und Vermittlung
Die OSZE begleitet den Demokratisierungsprozess Albaniens durch Monitoring,
Beratung und Vermittlung in zentralen Bereichen wie Wahlen, Rechtsreform und
Sicherheitskooperation. Im ersten Teil des Kapitels soll auf das allgemeine Krisenmanagement der OSZE in Albanien eingegangen werden. Im zweiten Schritt wird
die Unterstützung der OSZE bei den Wahlen untersucht.
5.3.1.1. Die stabilisierende Rolle der OSZE durch Krisenmanagement
und Konfliktprävention
In den ersten Jahren nach der Etablierung der Präsenz im Jahr 1997 spielte die
OSZE albanischen Experten zufolge eine sehr wichtige Rolle beim Konfliktmanagement und bei der Krisenprävention, vor allem durch die Vermittlung zwischen den
sich feindlich gegenüber stehenden politischen Parteien, der SP und der DP.334 Auf
der höchsten politischen Ebene bestand ein direkter Dialog zwischen dem Leiter der
Präsenz und den wichtigsten politischen Vertretern (Ministerpräsident, Oppositionsführer, Staatspräsident etc.). Aufgrund ihrer starken Involvierung in den politischen
334 Interviews mit einem Vertreter eines albanischen Forschungsinstituts und mit einem Vertreter
einer albanischen NRO aus dem Medienbereich, am 20.1.2003 und 22.1.2003 in Tirana.
262
Prozess Albaniens in jener Zeit wird die Bedeutung der OSZE von einem albanischen Experten sogar mit der eines innenpolitischen Akteurs gleichgesetzt.335
Vor allem nach dem Zusammenbruch der staatlichen Strukturen 1997 zielte ein
großer Teil der Bemühungen der OSZE darauf ab, die Handlungsfähigkeit der Regierung und der Verwaltung wieder herzustellen und den Wiederaufbau der staatlichen Strukturen zu unterstützen. So konnte z.B. durch Vermittlung des OSZE-
Sonderbotschafters Vranitzky und italienischer Regierungsmitglieder Anfang März
2007 eine Regierung der Nationalen Versöhnung aus den beiden großen Parteien,
der Sozialistischen Partei und der Demokratischen Partei, gebildet werden (vgl.
Grubmayr 1997). Ziel dieser „Stabilitätsregierung“ war es in erster Linie, Neuwahlen im Juli 1997 vorzubereiten (vgl. Luarasi 1997).
Auch nach dem unmittelbaren Krisenjahr 1997 war die Vermittlungstätigkeit der
OSZE nötig, um neue Krisen im politisch weiterhin instabilen Land zu verhindern.
So kam es nach dem Mord an dem DP-Politiker Azem Hajdari am 12. September
1998 zu öffentlichen Protesten, die zwei Tage andauerten und sich in gewalttätigen
Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der Oppositionspartei DP und Staatsvertretern entluden.336 Die Anschuldigung, die SP-Regierung sei in die Ermordung
involviert, führte zu einer Regierungskrise, die schließlich im Rücktritt von Ministerpräsident Fatos Nano im September 1998 mündete. „Many observers feared that
unrest would transform into anarchy similar to the 1997 incidents, however, both
political sides appeared to avoid it“ (International Helsinki Federation for Human
Rights 1998: 6). Nach einem gemeinsamen Besuch von Vertretern der OSZE und
des Europarats in Tirana riefen die OSZE, die EU und die WEU in einer gemeinsamen Stellungnahme am 23. September 1998 die albanische Regierung und die Opposition zur Besonnenheit auf (vgl. OSCE 1998). Unter der Führung von Pandeli
Majko (SP) wurde schließlich eine neue Regierung gebildet.
Außerdem bemühte sich die OSZE-Präsenz 1999 nachdrücklich um eine Lösung
der Pattsituation zwischen der Regierung und der Oppositionspartei DP, die zwischen Juli 1998 und Juli 1999 das Parlament boykottierte – trotz der Herausforderungen, denen Albanien in dieser Zeit wegen der Kosovo-Krise gegenüber stand.
Wegen der Blockade der DP und weil sich die Regierung auf die Bewältigung der
Flüchtlingskrise konzentrierte, stagnierten über ca. neun Monate hinweg die albanischen Reformanstrengungen.337 Die OSZE bemühte sich, die Bedingungen dafür zu
schaffen, dass die DP ins Parlament zurückkehrte (vgl. OSCE 1999 a). Durch den
Druck der OSZE-Präsenz und der internationalen Gemeinschaft sowie durch kritische Stimmen innerhalb der DP gelang es Ende Juli 1999, eine Einigung zwischen
335 Interview mit dem Leiter eines albanischen Forschungsinstituts Vertreter der albanischen
Zivilgesellschaft, am 21.1.2003 in Tirana.
336 Dabei stürmten 2000 Anhänger der DP mehrere Staatsgebäude, randalierten und forderten
den Rücktritt von Ministerpräsident Fatos Nano. Das Staatsfernsehen und -radio wurden von
Oppositionellen besetzt (vgl. Carlson/Inman 2004; OSCE 1998).
337 Im Folgenden Interview mit einem Mitarbeiter der OSZE-Präsenz in Albanien, am 22.1.2003
in Tirana.
263
den beiden großen Parteien zu erreichen und die DP zur Rückkehr ins Parlament zu
bewegen.
Nach der zunehmenden Stabilisierung der politischen Lage in Albanien nach
2000/2001 lag der Schwerpunkt der Arbeit der OSZE darauf, die Regierung bei
ihren Reformen zu beraten und den Reformweg durch die Bereitstellung von Expertisen zu unterstützen. Die OSZE sah ihre Aufgabe auch darin, in politisch sensiblen
Bereichen (z.B. Menschenhandel, Umweltverschmutzung) zu intervenieren und die
Regierung dazu aufzufordern, sich mit diesen Problemen zu beschäftigen. In vielen
Fällen wurden die albanischen Verantwortlichen bei der Problemlösung angeleitet.
Das geschah u.a. durch die Beratung von Ministerien, z.B. beim Kampf gegen den
Menschenhandel. So wurde ein „roundtable“ organisiert, der alle wichtige Gruppen
zusammenbrachten, um über dieses Problem zu diskutieren.
5.3.1.2. Die Unterstützung der OSZE bei den Wahlen und der Wahlgesetzreform
Eine zentrale Rolle durch Beratung und politische Vermittlung spielte die OSZE bei
der Vorbereitung und Durchführung der Wahlen sowie der Reform der Wahlgesetzgebung. Die Unterstützung der Wahlen gehörte zu den zentralen Aufgaben der
OSZE und ist daher ein wichtiges Beispiel für die Rolle der OSZE im Demokratisierungsprozess Albaniens, das im Folgenden näher betrachtet wird.
Demokratische Wahlen sind das zentrale Element einer Demokratie. Sie bilden
das wichtigste Kriterium für eine minimalistische Definition einer Demokratie. Daher muss es kritisch gesehen werden, dass die politischen Wahlen nach Aussagen
von nationalen und internationalen Beobachtern immer noch einer der schwächsten
Punkte der Demokratie in Albanien sind (vgl. OSCE/ODIHR 1997, 2001, 2003).
Obwohl jede der Parlaments- und Kommunalwahlen in Albanien nach 1997 von der
internationalen Gemeinschaft als zumindest frei akzeptiert wurden, wurden sie bisher trotz einiger Verbesserungen nicht in geregelter und fairer Weise durchgeführt.
Von den internationalen Wahlbeobachtern der OSZE und dem Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (Office for Democratic Institutions and Human Rights, ODIHR) wurden regelmäßig grundlegende Probleme in der Wahlvorbereitung und -durchführung bemängelt.338 Zu den Problemen, die bisher nicht gelöst
wurden, zählen vor allem die unvollständige Registrierung der Wähler und die daraus resultierende Fehlerhaftigkeit der Wählerlisten sowie Probleme bei der Zusammensetzung und Funktion der Zentralen Wahlkommission (ZWK). Diese Probleme
bildeten auch die zentralen Streitpunkte, die für eine anhaltende Auseinandersetzung
zwischen den beiden großen Parteien SP und DP sorgten (vgl. OSZE/ODIHR 2000).
Während bis zu den Wahlen von 2001 diese Probleme vor allem als technische Herausforderungen gesehen wurden, die u.a. auf die starke Migration in Albanien und
338 Während die OSZE-Präsenz in Albanien den Prozess der Wahlgesetzreform kontinuierlich
begleitete, leistete ODIHR zusätzliche Unterstützung in den Wochen vor, während und nach
den Wahlen durch Entsendung von Missionen nach Albanien (vgl. OSCE/ODIHR 2000).
264
von Albanien ins Ausland und dem damit einhergehenden unvollständigen Melderegister zusammenhängen, führte die OSZE/ODIHR sie danach zunehmend auf einen
mangelnden politischen Willen zum Umsetzen der reformierten Wahlgesetzgebung
zurück. Ein Vertreter einer albanischen NRO aus dem Medienbereich wies besonders darauf hin, dass den häufigen Parlamentsboykotten durch die jeweilige Oppositionspartei die Nicht-Anerkennung der Wahlergebnisse voranging.339 Eine faire
Wahl und die Anerkennung der Wahlergebnisse sei gleichermaßen bedeutsam. In
ähnlicher Weise brauche man eine demokratische Regierung und eine demokratische
Opposition. Seiner Ansicht nach werde sich die Rolle der internationalen Vertreter
erst dann reduzieren, wenn eine normale politische Debatte und Auseinandersetzung
in Albanien möglich sei.
Seit 1997 war die OSZE-Präsenz in Albanien aktiv am Prozess der Wahlreform
beteiligt. Sie beobachtete gemeinsam mit ODIHR die Wahlen, sprach Empfehlungen
aus und beriet die Regierung und die Zentrale Wahlkommission bei der Umsetzung
der Wahlrechtsreform. Dabei war ihre Rolle als Vermittlerin besonders wichtig, da
sich die Verhandlungen über die Novellierung des Wahlgesetzes zwischen den politischen Parteien als ein höchst umstrittener und schwieriger Prozess erwies, der von
mehreren Rückschlägen gekennzeichnet war.
Die OSZE begleitete gemeinsam mit ODIHR die folgenden Wahlen in Albanien:340
Parlamentswahlen 1996 (DP) 1997 (SP) 2001 (SP) 2005 (DP)
Kommunalwahlen 2000 (SP) 2003 (SP)
Kennzeichnend für die Wahlbeobachtung der OSZE/ODIHR war ein umfassendes
Bewertungssystem, das nicht nur den Wahltag selbst, sondern die gesamte Wahlvorbereitung und -durchführung inkl. Nachwahlen einbezog. Die Bewertung bezog sich
auf die Einhaltung der nationalen albanischen Wahlgesetzgebung und der internationalen Verpflichtungen, die Albanien gegenüber den OSZE-Mitgliedsländern in
Bezug auf die Durchführung demokratischer Wahlen eingegangen war (vgl. OSCE
1999 b).
Im Folgenden sollen der Kontext und die Rolle der OSZE während der Wahlen in
drei Schritten betrachtet werden. Dabei wird analysiert, 1) welche Unterstützung die
OSZE geleistet hat (Expertisen etc.), 2) welche Empfehlungen sie im Nachgang der
Wahlen ausgesprochen hat und 3) ob und wie die albanischen politischen Parteien
auf diese Empfehlungen reagiert haben. Bei der Beurteilung der Wirkung der Arbeit
der OSZE/ODIHR wird zu unterscheiden sein, ob und wie die albanischen Akteure
339 Interview mit einem Vertreter einer albanischen NRO aus dem Medienbereich, am 22.1.2003
in Tirana.
340 Dazu kamen kommunale Zwischenwahlen 1998 und das Referendum über die Verfassung im
November 1998. Sie werden ebenso wie die Wahlen von 1996 hier nicht berücksichtigt.
265
die Empfehlungen von OSZE/ODIHR aufgenommen haben (z.B. auf der formalen
Ebene in Form von konkreten Gesetzesänderungen) und inwiefern es bei den darauffolgenden Wahlen in den Bereichen, die von der OSZE kritisiert wurden, zu einer
„Verbesserung“ der Wahlprozesse kam (Verhaltensänderung im Sinne einer Anwendung der Gesetze). Dazu werden die von OSZE/ODIHR im Nachgang zu jeder
Wahl ausgesprochenen Empfehlungen den von ihnen wahrgenommenen positiven
und negativen Veränderungen bei den darauffolgenden Wahlen gegenübergestellt.341
Die Parlamentswahlen von 1997: Innenpolitische Stabilisierung durch Neuwahlen
Die Parlamentswahlen, die im Juni 1997 stattfanden, waren von zentraler Bedeutung
für die Wiederherstellung von Sicherheit und Ordnung in Albanien, nachdem der
Zusammenbruch der Pyramidenspiele zu Chaos und bürgerkriegsähnlichen Zuständen geführt hatte. In diesem Kontext – und vor allem weil die Gefahr von erneuten
bewaffneten Ausschreitungen bestand – hatte die Unterstützung der Wahldurchführung nach der Etablierung der Präsenz in Albanien im April 1997 hohe Priorität im
Krisenmanagement der OSZE (vgl. Grubmayr 1997). In dieser Situation erforderte
die Wahlvorbereitung zunächst „mehrere Besuche von Vranitzky, Interventionen der
interessierten Länder, fast tägliche Konferenzen des OSZE-Missionschefs mit
Staatspräsident und Regierungschef und den pausenlosen Einsatz von Wahlgesetz-
Spezialisten, die vor allem von ODIHR bereitgestellt wurden, um eine annähernde
Einigung über die Wahlabwicklung zu erzielen“ (Grubmayr 1997: 5). Der damalige
Leiter der OSZE-Präsenz, Grubmayr, beschreibt die Situation als besonders schwierig, da die Regierungsparteien in der Frage des Wahlgesetzes stark zerstritten waren.
Kennzeichnend für die politischen Spannungen im Land war nach seiner Beobachtung, dass die Mehrheit der Parteien „lieber gar keine Wahlen als einen vom eigenen
Standpunkt aus abträglichen Kompromiss über das Wahlgesetz“ wollte (ebd.: 6).
Während die beiden großen Parteien SP und DP in der Frage des Mehrheitswahlrechts taktierten, wollten vor allem die kleinen Parteien eine Regelung erreichen, die
sicherstellte, dass sie auch bei einem minimalsten Wahlerfolg im Parlament repräsentiert sein würden. Der Einsatz der OSZE führte schließlich u.a. dazu, dass die
Eintrittsschwelle in das Parlament von vier Prozent auf zwei Prozent gesenkt und
damit die Chance der kleineren Parteien auf eine Repräsentation im Parlament erhöht wurde. Neben der Besuchsdiplomatie und den hochrangigen Gesprächen übte
die internationale Gemeinschaft massiven Druck auf die albanische politische Elite
aus, um Fortschritte bei den Wahlvorbereitungen zu erzielen und ein Scheitern der
Wahlen abzuwenden. So drohte sie u.a. mit dem Abzug der Multinationalen Schutztruppe und der Verweigerung jeglicher finanzieller Hilfe, sollten die politischen
341 Auf eine detaillierte Darstellung der technischen Details der Wahlvorbereitung und -durchführung in Albanien und deren Beurteilung durch die OSZE/ODIHR wird hier verzichtet. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Empfehlungen kann der jeweiligen Gegenüberstellung
(siehe Tabellen) und den einzelnen, ausführlichen OSZE/ODIHR-Wahlberichten entnommen
werden (vgl. OSCE/ODIHR 1997, 2000, 2001, 2003, 2004, 2005 e).
266
Parteien absichtlich die Wahlen scheitern lassen.342 Durch die Ankündigung von
Sanktionen wurde versucht, die Kosten einer Nichtbefolgung der internationalen
Forderungen zu erhöhen und Anreize für eine geregelte Durchführung der Wahlen
zu schaffen.
Dem OSZE-Sonderbeauftragten Vranitzky gelang es schließlich, die Parteien am
9. Mai 1997 zur Unterzeichnung eines „politischen Kontrakts“ zu bewegen. In ihm
wurde ein Konsens der Parteien über den Wahlmodus und die Verpflichtung festgeschrieben, den Bericht der internationalen Gemeinschaft über die Wahlen nicht anzufechten. Gleichzeitig wurde das Mandat der Multinationalen Schutztruppe ausgeweitet, damit sie in weiten Teilen des Landes die Sicherheit der ausländischen
Wahlhelfer und -beobachter garantieren konnte (vgl. Grubmayr 1997). Weiterhin
entsandte ODIHR eine umfassende Wahlbeobachtungsmission mit 29 Langzeitbeobachtern und 475 internationalen Kurzzeitbeobachtern nach Albanien (vgl. OSCE/
ODIHR 1997). Schließlich stellte das Büro von ODIHR eine technische Beratungsgruppe zur Verfügung, die die albanische Regierung beim Management der Wahlen
unterstützte, u.a. bei Fragen der Wählerregistrierung, des Wahlgesetzes, der Medienberichterstattung und der Wähleraufklärung. Allein bei der Analyse der Wahlgesetzgebung waren mehr als 90 technische Berater involviert (vgl. ebd.).
Die Durchführung der Wahlen und die Empfehlungen von OSZE/ODIHR
Die Wahlen, die zwischen dem 29. Juni und dem 6. Juli 1997 in mehreren Wahlrunden stattfanden, wurden von der OSZE-Sonderkoordinatorin für die albanischen
Wahlen und Abgeordneten des Europaparlaments, Lalumière, als „acceptable given
the prevailing circumstances“ bezeichnet (OSCE/ODIHR 1997: 4). Insgesamt hatte
die internationale Gemeinschaft durch ihre Präsenz und insbesondere die OSZE
durch ihre Vermittlungs- und Beraterrolle in der kritischen Situation des Jahres 1997
ein erfolgreiches Krisenmanagement betrieben. Sie sorgte für eine weitgehend gewaltfreie Durchführung der Wahlen und eine unter den damaligen Umständen in
Albanien hohe Wahlbeteiligung von 73 Prozent (vgl. Grubmayr 1997). Damit konnte eine innenpolitische Stabilisierung durch Neuwahlen erreicht und eine neue Regierung gebildet werden, die im wesentlichen dem Volkswillen entsprach.
Die OSZE/ODIHR verfasste zu den Parlamentswahlen einen Abschlussbericht, in
dem umfassende Empfehlungen zur Verbesserung des Wahlprozesses gegeben wurden (vgl. OSCE/ODIHR 1997). Als Schwachpunkte der Wahl wurden vor allem das
Wahlgesetz, die Zentrale Wahlkommission (ZWK), die Weiterbildung der Wahlkommissionsmitglieder, die Wählerregistrierung, die Medien, die Wähleraufklärung
und die nationalen Wahlbeobachter genannt.343 Die internationale Gemeinschaft
betonte zusätzlich, dass es ohne die Bemühungen der albanischen Seite um eine
342 Die Multinationale Schutztruppe unter dem Namen „Operation Alba“ hatte ihren Einsatz
Mitte April 1997 in Albanien begonnen (vgl. Grubmayr 1999).
343 Siehe Tabelle 50.
267
nationale Aussöhnung zwischen den verfeindeten politischen Parteien nach der
Wahl keine Basis für die Bereitstellung weiterer internationaler Hilfe geben würde.
Die Kommunalwahlen von 2000: Signifikante Fortschritte in der Wahldurchführung
Zur Vorbereitung der Kommunalwahlen, die im Oktober 2000 stattfanden, wurde
bereits im Februar 1999 in der OSZE-Präsenz der Posten eines „Liaison-Beauftragten für die lokale Regierung“ geschaffen. Zu seinen Aufgaben gehörte es, die
internationale Hilfe für die Vorbereitung der Lokalwahlen zu koordinieren. Weiterhin entsandte die OSZE eine internationale Mission nach Albanien, die den Prozess
der Wählerregistrierung beobachten sollte, da Fehler und Auslassungen im Register
bei den vorangegangenen Wahlen zu erheblichen Problemen geführt hatten. Mit der
Bemühung um eine landesweite Wählerregistrierung versuchte die albanische Regierung den internationalen Bedenken gegenüber unkorrekten Wählerlisten zu begegnen, die ein wesentlicher Kritikpunkt des ODIHR-Berichts an den Wahlen des
Jahres 1997 gewesen waren. Die sog. „Enumeration Observation Mission“ war Teil
des Wahlunterstützungsprogramms der OSZE-Präsenz in Albanien, die damit auf
eine zentrale Schwäche der vorherigen Wahlen reagierte. Ihr Ziel war es, sicherzustellen, dass die Zusammenstellung des Nationalen Wahlregisters konkret und transparent erfolgte „observing the activities of door-to-door registration of voters.“
(OSZE-Präsenz in Albanien, Pressemitteilung vom 8. Juni 2000).
Die OSZE unterstützte außerdem die Bildung einer Arbeitsgruppe der politischen
Parteien, die den Entwurf für ein Wahlgesetz, das internationalen Standards entspricht, erarbeiten sollte. Auch damit reagierte die albanische Regierung auf eine
Empfehlung von ODIHR zu den Wahlen von 1997. Nach intensiven Verhandlungen
zwischen den Parteien wurde das neue Wahlgesetz am 8. Mai 2000 als Gesetz Nr.
8609 vom Parlament verabschiedet (vgl. OSCE 2000 a). Auf formaler Ebene wurde
durch die Schaffung dieses rechtlichen und administrativen Rahmens für demokratische Wahlen eine erhebliche Angleichung an internationale Standards erreicht (vgl.
OSCE/ODIHR 2000).
Die Durchführung der Wahlen und die Empfehlungen von OSZE/ODIHR
Die Kommunalwahlen 2000 fanden zwischen dem 1. und dem 15. Oktober statt. Sie
waren gekennzeichnet von „significant progress towards meeting the standards for
democratic elections formulated in the 1990 OSCE Copenhagen Document“ (OSCE/
ODIHR 2000: 1, Hervorhebung J.H.). Nach Einschätzung der OSZE und des Europarates waren die Kommunalwahlen 2000 die demokratischsten des Landes nach
1990, obwohl einige Unregelmäßigkeiten festgestellt wurden.
Positiv wurden in dem Wahlbeobachtungsbericht von ODIHR vor allem die folgenden drei Aspekte hervorgehoben: Erstens wurde das neue Wahlgesetz angewandt
und bot eine gute Basis für die Wahldurchführung. So erfolgte z.B. die Zählung der
Stimmen überwiegend in Übereinstimmung mit dem Wahlgesetz. Zweitens war die
268
Wahlkampagne insgesamt die friedlichste seit 1991. Drittens bot zum ersten Mal ein
breites Spektrum an Medien den Wählern umfassende Informationen zur Wahl an.
Negativ wurde vor allem die stark polarisierte politische Atmosphäre bei den
Wahlen beurteilt. So nahm die DP, die starke Stimmenverluste zu verzeichnen hatte,
die Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen zum Anlass, langanhaltende Protestaktionen durchzuführen und der Regierung Wahlmanipulation vorzuwerfen. Nach Ansicht von ODIHR waren außerdem die administrative Durchführung und die Leistung der Zentralen Wahlkommission (ZWK) durch einen Mangel an Unabhängigkeit
eingeschränkt worden. So kam die OSZE zu dem Ergebnis, dass die Verkündung der
Wahlergebnisse durch die ZWK „after the first round was slow and incomplete, and,
between rounds, it did not take action to remedy some of the shortcomings observed
on 1 October“ (OSCE/ODIHR 2000: 1). Schließlich wurden, wie auch schon bei den
Wahlen von 1997, Fehler sowie Auslassungen im Wahlregister festgestellt.
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Empfehlungen von OSZE/
ODIHR nach den Wahlen von 1997 und ihre Beurteilung der Veränderungen bei den
Wahlen von 2000.
Tabelle 50: OSZE/ODIHR-Empfehlungen nach den Wahlen von 1997 und
Beurteilung der Wahlen von 2000
Themenbereich Empfehlung nach Wahl 1997 Veränderungen bei Wahlen 2000
(+ positiv, – negativ)
Wahlgesetz y Kontinuierliche Verbesserung
des Wahlgesetzes, damit es die
Veränderung des Wahlsystems
reflektiert y Breiten Reformkonsens zum
Wahlsystem erreichen (Verhältnis der Mandate möglichst nah an
Verhältnis der Wählerstimmen) y Etablierung eines realistischeren
Zeitplans für die Wahl y Detaillierte Beschreibung der
(Un-)Gültigkeit der Wahlscheine
y + Eine erhebliche Angleichung
an internationale Standards für
demokratische Wahlen wurde
durch die Verabschiedung eines
neuen konstitutionellen, rechtlichen und administrativen Rahmens erreicht y + Das neue Wahlgesetz wurde
angewandt und bot generell eine
gute Basis für die Wahldurchführung
Zentrale Wahlkommission
(ZWK) und
Wahladministration
y Etablierung einer Mehrparteienwahlkommission, sobald Wahlen
ausgerufen werden y Verbesserung der Verfahren und
Methoden der ZWK als Grundlage für effektive, transparente und
einheitliche Administration der
Wahlen (dieses Problem trat bei
den Wahlen von 2003 wieder auf)
y – Die Ernennungen der ZWK
waren umstritten und die politische Balance in der ZWK unausgeglichen y – Die Leistung der ZWK wurde
durch Ausführungsmängel und
Mangel an Unabhängigkeit beeinträchtigt y – Der administrative Rahmen der
Wahlen war problematisch
269
Wählerregistrierung
y Dringend nötig ist die Erstellung
eines kompletten Wählerregisters, begleitet von einem vollständigen Melderegister (ist bis
2005 ein großes Problem!)
y – Es gab Fehler und Auslassungen im Wählerregister
Wahlkampagne
und Medien
y Etablierung demokratischer
Standards in den Staatsmedien,
gleiche Repräsentation der politischen Parteien in der Wahlwerbung
y + Die friedvollste Wahlkampagne seit 1991 y + Breites Spektrum an Medien
bot den Wählern umfassende Informationen zur Wahl an y – Es herrschte eine stark polarisierte politische Atmosphäre
Wählererziehung
y Mehr Aufklärung der Bürger
über das Wahlverfahren
y Keine Angaben
Training der
Zonen- und
Wahlstationskommissionsmitglieder
y Ein standardisiertes Training zum
Wahlprozess und zur Umsetzung
des Wahlgesetzes ist dringend
nötig
y Keine Angaben
Einheimische
Wahlbeobachter
y Sicherstellen der Akkreditierung
von unabhängigen zivilgesellschaftlichen und parteigebundenen Wahlbeobachtern
y Keine Angaben
Quelle: Eigene Zusammenstellung auf der Grundlage von OSCE/ODIHR 1997, 2000.
Vergleicht man die Empfehlungen der OSCE/ODIHR nach den Wahlen von 1997
mit ihrer Beurteilung der Wahldurchführung von 2000, dann sind vor allem Fortschritte bei der Anwendung des neuen Wahlgesetzes, in der Wahlkampagnenführung und bei der Berichterstattung der Medien sichtbar, die sich aus der Umsetzung
von internationalen Standards ergaben. Unverändert problematisch hingegen blieben
die Zusammensetzung und die Leistungen der Zentralen Wahlkommission und die
unvollständigen bzw. fehlerhaften Wählerlisten. Damit wurde in diesen Bereichen
trotz formaler Änderungen im Wahlgesetz keine Verhaltensänderung erzielt.
Die Empfehlungen von OSZE/ODIHR für die darauffolgenden Wahlen richteten
sich daher vor allem auf eine Verbesserung der Verfahren der ZWK und der nationalen Wählerregistrierung sowie auf die Stärkung der kleinen Parteien in der Wahlkampagne und den Medien (vgl. OSCE/ODIHR 2000).
Die Parlamentswahlen von 2001: Rückschritte auf dem Weg nach Europa
Nach den Wahlen vom Oktober 2000 unterstützte die OSZE die albanischen Parteien bei der Umsetzung der ODIHR-Empfehlungen für die darauffolgenden Parlamentswahlen. Zur Vorbereitung der Wahlen, die im Juni 2001 stattfinden sollten,
leistete die OSZE politische, rechtliche und technische Unterstützung für die Regierung und die Zentrale Wahlkommission. So veranstaltete die OSZE-Präsenz im
270
Dezember 2000 einen runden Tisch mit Vertretern aller Parteien, bei dem von den
beiden großen Parteien ein Abkommen zur Kooperation bei den Wahlen unterzeichnet wurde. Im Februar 2001 besuchte eine ODIHR-Mission Albanien, um die Regierung bei den weiteren Schritten der Umsetzung der ODIHR-Empfehlungen zu beraten. Außerdem setzte die OSZE ihre Unterstützung der Wählerregistrierung fort.
Obwohl es der OSZE-Präsenz gemeinsam mit ODIHR gelungen war, sicherzustellen, dass die meisten ihrer Empfehlungen vor den Parlamentswahlen 2001 umgesetzt
wurden, verliefen die Wahlen selbst nicht in der von der internationalen Gemeinschaft erhofften Weise.
Die Durchführung der Wahlen und die Empfehlungen von OSZE/ODIHR
Die Parlamentswahlen begannen am 24. Juni 2001 und dauerten bis zum 19. August
2001. Der Wahlprozess wurde von ODIHR als langgezogen, umstritten, unsicher
und fragmentiert kritisiert (vgl. OSCE/ODIHR 2001). In einigen Wahlkreisen kam
es zu ernsthaften Unregelmäßigkeiten, die nach Ansicht der OSZE/ODIHR stärker
in einem fehlenden politischen Willen als in technischen Defiziten des Wahlgesetzes
zu suchen waren. Dort wurden die Wahlen wiederholt, weil es keinen Konsens über
die Wahlergebnisse in den lokalen Wahlkommissionen bzw. Beschwerden über
Unregelmäßigkeiten vor dem Verfassungsgericht gab. Insgesamt wurden deshalb
fünf Wahlrunden durchgeführt, was dazu führte, dass der Wahlprozess zeitlich stark
auseinandergerissen wurde.
Außerdem wurde das Wahlgesetz nach Ansicht der OSZE vor allem von der SP
bis zum Äußersten in seinen Interpretationsspielräumen ausgereizt. Die Fragmentierung der Wahl ermöglichte es der SP und den mit ihr verbündeten Parteien, die
Nachwahlen in einigen Wahlkreisen so zu „gestalten“, dass sie die Mehrheit im
Parlament erreichten, die nötig war, um den Staatspräsidenten im Jahr 2002 mit den
eigenen Stimmen wählen zu können. So überließ die SP den ihr nahestehenden
Kleinstparteien dort den Platz um eine Stichwahl, wo diese günstiger platziert waren
(vgl. Schmidt-Neke 2002). Insgesamt „errang“ die SP auf diese Weise gemeinsam
mit ihrem Koalitionsbündnis 88 von 140 Parlamentssitzen. 84 Stimmen im Parlament waren notwendig, um den Präsidenten bestimmen zu können.
Die Tabelle 51 zeigt im Detail die Empfehlungen von OSZE/ODIHR nach den
Wahlen von 2000 und ihre Beurteilung der Wahlen von 2001.
271
Tabelle 51: OSZE/ODIHR-Empfehlungen nach den Wahlen von 2000 und
Beurteilung der Wahlen von 2001
Themenbereich Empfehlungen nach Wahlen 2000 Veränderung bei Wahlen 2001
(+ positiv, – negativ)
Wahlgesetz y Keine Angaben y – Das Wahlgesetz wurde von der
SP bis zum Äußersten in seinen
Interpretationsspielräumen ausgereizt
Zentrale Wahlkommission
(ZWK) und
Wahladministration
y Verhältnis zwischen der ZWK
und anderen staatlichen Institutionen, der lokalen Verwaltung
und den Präfekturen klar regulieren y Interne Verfahrensregeln für
ZWK, um die Effektivität und
Transparenz ihrer Arbeit zu erhöhen
y + Die ZWK funktionierte mit
größerer Unabhängigkeit und
Transparenz y – Teilweise erschien politischer
Druck die Leistung der ZWK zu
gefährden und einige Beschwerden behandelte die ZWK nicht
adäquat y – Ernsthafte Irregularitäten im
Wahlprozess y +/– Die Wahl wurde generell
ruhig und ordentlich durchgeführt (gilt für 1. Wahlrunde)
Wählerregistrierung
y Verbesserung der Genauigkeit
des nationalen Wählerregisters y Klarere Verfahren für den Erhalt
und die Aktualisierung des Wählerregisters und Ausgabe von
Wählerkarten y Technische Kapazitäten der
ZWK mit internationaler Unterstützung zur Verbesserung der
Wählerregistrierung stärken
y – Fehler und Auslassungen im
Wahlregister
Kampagne und
Medien
y Einladung von kleineren politischen Parteien zu Wahldebatten
im Fernsehen, um die Teilnahme
eines größeren Spektrums an politischen Kräften zu ermöglichen y Gesetzliche Regelung zur Parteienfinanzierung muss geändert
werden, damit kleinere Parteien
genügend Mittel zur Wahlwerbung in den Medien erhalten
y +/– Ein breites Spektrum an
Medien bot den Wählern umfassende Informationen zur Wahl an
(nach der ersten Wahlrunde
wurde allerdings von den öffentlichen Sendern zunehmend die
SP als Regierungspartei bevorzugt) y +/– Die Wahlkampagne wurde in
einer ruhigen Atmosphäre, mit
Ausnahme vereinzelter Vorfälle,
durchgeführt y – Die größeren politischen Parteien behandelten sich wie Feinde
272
Wählererziehung
y Informationskampagne für die
Wähler durchführen, damit sie
vor den Parlamentswahlen 2001
ihren Eintrag ins Wahlregister
aktualisieren
y (bei Wahlen 2003 waren 1.500
albanische Wahlbeobachter beteiligt)
Training der
Wahlkommissionen (WK)
y Ein standardisiertes Training zum
Wahlprozess und zur Umsetzung
des Wahlgesetzes ist dringend
nötig y Verwaltung der ZWK entlang
moderner Managementtechniken
reorganisieren und Training der
Wahlkommissionen auf allen
Ebenen verbessern
y Keine Angaben
Wahlanfechtung
y Überprüfung der Schlichtung von
Wahlanfechtungen in Übereinstimmung mit Richtlinien von
OSZE/ODIHR
y Keine Angaben
Quelle: Eigene Zusammenstellung auf der Grundlage von OSCE/ODIHR 2001.
Positiv beurteilte die OSCE/ODIHR, dass die Kampagnen-Durchführung wieder in
einer ruhigen Atmosphäre stattfand und die Medien umfassende Informationen zur
Verfügung gestellt hatten (vgl. EIU 2001). Im Vergleich zu den Wahlen von 2000
stellte die OSZE/ODIHR fest, dass die ZWK mit größerer Unabhängigkeit und
Transparenz funktionierte. Damit waren die Empfehlungen von OSZE/ODIHR für
eine Verbesserung der Verfahren der ZWK auch umgesetzt worden.
Negativ wurde im Wahlbericht von ODIHR vor allem die Wahladministration
(nach der ersten Runde), die Wählerregistrierung sowie die Verfahren zur Beschwerde und Berufung beurteilt. Sie wurden als Bereiche identifiziert, in denen die
Regierung besondere Reformanstrengungen unternehmen sollte. So hatten z.B. Unklarheiten im Verfahren, wie mit Wahlbeschwerden umzugehen ist, zu monatelangen Verspätungen bei der Bekanntgabe der Wahlergebnisse geführt (vgl. OSZE-
Präsenz in Albanien, Pressemitteilung vom 21. November 2002). In ihren Empfehlungen zu den Parlamentswahlen 2001 schlugen die OSZE/ODIHR daher den albanischen Vertretern vor, einen parlamentarischen Ausschuss zu bilden, der sich einer
weiteren Reform des Wahlrechts widmen sollte. Er sollte Verbesserungen für den
Wahlprozess identifizieren, eine Revision der Wahlgesetzgebung diskutieren und
sich der Umsetzung der ODIHR-Empfehlungen nach den Wahlen von 2001 widmen.
Die Kommunalwahlen von 2003: Verpasste Chance für Fortschritte
Wie zentral die Umsetzung der internationalen Empfehlungen für Albanien war,
machte 2002 der damalige Leiter der OSZE-Präsenz, Geert-Hinrich Ahrens, deutlich: „Implementation of the ODIHR recommendations is a critical step for Alba-
273
nia’s integration into Euro-Atlantic structures, and is important in view of the opening of negotiations on the Stabilization and Association Agreement“ (OSZE-
Präsenz in Albanien, Pressemitteilung vom 27. Februar 2002). Nach langen Auseinandersetzungen, die erst durch die Vermittlung von OSZE und Europarat beigelegt
werden konnten, unterzeichneten die beiden großen Parteien SP und DP am 4. April
2002 ein Protokoll, in dem sie ihren Willen erklärten, gemeinsam an der Umsetzung
der OSZE/ODIHR-Empfehlungen zu arbeiten. Im Mai 2002 wurde – den Empfehlungen von OSZE/ODIHR folgend – ein parlamentarischer Zwei-Parteien-Ausschuss eingerichtet, dessen Mandat bis zum 31. März 2003 lief.344
Im Rahmen des Mandats des Zwei-Parteien-Ausschusses leistete die OSZE gemeinsam mit ODIHR und dem Europarat kontinuierliche Unterstützung bei der
Reform der Wahlgesetzgebung. So organisierte die OSZE-Präsenz auf Bitte der
beiden Ausschuss-Vorsitzenden (Blendi Klosi und Jemin Gjana) im Juni 2002 eine
ODIHR-Mission nach Albanien, die den Ausschuss in Detailfragen zur Umsetzung
der ODIHR-Empfehlungen beriet. Weiterhin wurden im November und Dezember
2002 in Tirana vier „runde Tische“ für die Mitglieder des parlamentarischen Ausschusses, Vertreter des Verfassungsgerichts, des Obersten Gerichtshofs, der Zentralen Wahlkommission und anderer albanischer Institutionen sowie der Zivilgesellschaft organisiert. Sie beschäftigten sich mit Fragen der Wahladministration, den
Verfahren zur Beschwerde und Berufung sowie der Praxis des Wähler- und Melderegisters (vgl. OSZE-Präsenz in Albanien, Pressemitteilung vom 3. Dezember 2002).
Dort wurden verschiedene Modelle der Wählerregistrierung von ODIHR- und Europarat-Experten präsentiert und diskutiert. Schließlich finanzierte die OSZE-Präsenz
lokale Experten, die bei der Überarbeitung wichtiger Bereiche der Gesetzgebung
berieten und organisierten nach der Verabschiedung des reformierten Wahlgesetzes-
Trainings für die albanischen Medien.
Bei den teilweise sehr zähen Verhandlungen im Zwei-Parteien-Ausschuss vermittelte die OSZE kontinuierlich zwischen den unterschiedlichen Parteiinteressen und
trug damit entscheidend dazu bei, dass die Verhandlungen schließlich zu einem
Ergebnis geführt wurden. So gelang u.a. in der letzten Sitzung noch eine Einigung
zur Frage der Wahlbeschwerden und Berufungen. Der damalige Botschafter der
OSZE-Mission, Osmo Lipponen, äußerte in einer Pressemitteilung vom 7. Februar
2003 seine Zufriedenheit mit dem Prozess: „‚We value highly Albania’s achievements in the difficult task of electoral reform through a consensual process‘“ (vgl.
OSZE-Präsenz in Albanien, Pressemitteilung vom 7. Februar 2003).
Die Veränderungen des Wahlgesetzes wurden am 1. April 2003 im Konsens der
Parteien des parlamentarischen Ausschusses angenommen (vgl. OSCE 2003 a). Die
344 Obwohl der Ausschuss „bi-partisan“ genannt wurde, waren nicht nur die zwei großen Parteien DP und SP vertreten, sondern alle Parteien, die im Parlament repräsentiert sind (Interview
mit einem Vertreter der OSZE-Präsenz Albanien, am 10.12.2003 in Tirana). DP und SP hatten gemeinsam den Vorsitz des Ausschusses. Die meisten Entscheidungen wurden im Konsens der Parteien getroffen (vgl. OSCE/ODIHR 2001, OSCE/ODIHR/Council of Europe
2004).
274
Verbesserungen, die in insgesamt 16 Änderungspaketen zusammengefasst wurden,
betrafen vor allem die Medienberichterstattung, die Rolle der Polizei und der staatlichen Autoritäten während der Wahl, die Wählerlisten und die administrativen Prozesse für Wahlbeschwerden und Berufungen (positiv nur in der ersten Runde).
OSZE Botschafter Lipponen begrüßte die Änderungen mit den Worten: „‚By demonstrating political will to address these issues, the committtee has made significant technical improvements to the electoral framework‘“ (OSZE-Präsenz Albanien,
Pressemitteilung vom 1. April 2003).345
Das revidierte Wahlgesetz wurde schließlich am 19. Juni 2003 als Gesetz Nr.
9087 vom albanischen Parlament verabschiedet (vgl. OSCE/ODIHR/Council of
Europe 2004). Mit der Reform des Wahlgesetzes wurden die Meinungsverschiedenheiten zur Wahlgesetzgebung zwischen der Opposition und der Regierung, die über
ein Jahrzehnt hinweg ausgetragen wurden, vorübergehend beseitigt.346
Durch die mehr als ein Jahr dauernde Unterstützung bei der Reform der Wahlgesetzgebung durch Beratung und Vermittlung leistete die OSZE auf formaler Ebene
einen wichtigen Beitrag zur Institutionalisierung der Demokratie in Albanien. Die
Veränderungen des Wahlgesetzes bezogen zu einem großen Teil die Empfehlungen,
die im OSZE/ODIHR-Bericht zu den Wahlen 2001 genannt wurden, mit ein. Damit
wurden durch das Engagement der OSZE/ODIHR auf formaler Ebene Verbesserungen des Wahlgesetzes erzielt, die sich an den von der OSZE/ODIHR angeführten
internationalen Standards orientierten. Nach der Verabschiedung des Gesetzes wies
der Direktor von ODIHR darauf hin, dass es nun dringend notwendig sei, „that the
upcoming local government elections make substantial progress towards full
compliance with OSCE commitments for democratic elections“ (OSZE-Präsenz
Albanien, Pressemitteilung vom 14. Juli 2003).
Die Durchführung der Wahlen und die Empfehlungen von OSZE/ODIHR
Das neue Wahlgesetz wurde erstmals bei den darauffolgenden Kommunalwahlen
am 12. Oktober 2003 in 384 Gemeinden und Stadtbezirken Albaniens angewandt. In
zehn Kommunen wurden Nachwahlen abgehalten, die erst am 16. November 2003
stattfanden. Die letzte Wahlrunde wurde schließlich im Dezember 2003 in Tirana
durchgeführt.
345 Am 20. Mai 2003 wurde ein zweites Protokoll zwischen der SP und der DP unterzeichnet, das
die letzten offenen Fragen der Wahlreform klärte. Die Parteien einigten sich darin darauf, die
Diskussionen über das Wahlgesetz nach den Lokalwahlen 2003 fortzuführen, um verbleibende Probleme, die identifiziert worden waren, mit der Unterstützung und Expertisen der OSZE
zu lösen. Sie betrafen u.a. die Grenzen der Wahlbezirke und das Problem der quasiunabhängigen Kandidaten (vgl. OSZE-Präsenz in Albanien, Pressemitteilung vom 20. Mai
2003).
346 Das Wahlgesetz wurde danach nochmals im Oktober 2004, im Januar und im April 2005
ergänzt (vgl. OSCE/ODIHR 2005 e).
275
ODIHR entsandte 12 Wahlexperten zur OSZE-Präsenz in Tirana und 18 Langzeitbeobachter in die Regionen Albaniens. Zusätzlich waren 250 internationale
Kurzzeitbeobachter aus 18 OSZE-Ländern sowie nationale Beobachter involviert.
Die internationalen Beobachter stellten erhebliche qualitative Unterschiede in der
Durchführung der einzelnen Wahlrunden fest. Die erste Wahlrunde am 12. Oktober
2003 bezeichnete ODIHR in seinen vorläufigen Schlussfolgerungen als einen weiteren Fortschritt auf dem Weg zur Übereinstimmung mit den Standards der internationalen Gemeinschaft, der OSZE und dem Europarat. Vor allem das politische Klima
zwischen den beiden großen Parteien habe sich normalisiert und die hitzigen Debatten seien abgekühlt, was einen großen Fortschritt gegenüber den Wahlen von 2001
bedeutete (vgl. OSCE/ODIHR 2003). OSZE/ODIHR stellte auch Verbesserungen im
Hinblick auf die Wahlkampagne, die Wahladministration, das Verhalten der Polizei,
die Medienberichterstattung sowie den Umgang mit Beschwerden und Berufungen
fest.
Die Betrachtung aller Wahlrunden ergab ein etwas anderes Bild. So wurden die
Wahlen als langwierig und umstritten kritisiert. Vor allem in Tirana, in dem ca. ein
Drittel der Wähler leben, wurden erhebliche Unregelmäßigkeiten und Fehler bei der
Stimmenauszählung festgestellt.347 „International observers concluded that, while
the Central Election Commission deserved credit for administering the elections in a
generally professional, transparent, and evenhanded manner, it lacked effective rules
of procedure“ (OSZE-Präsenz, Pressemitteilung vom 14. Oktober 2003). Das führte
dazu, dass wichtige Entscheidungen und Anweisungen zu spät erfolgten, Wahlmaterialien und öffentliche Gelder zur Finanzierung der Parteikampagnen zu spät verteilt
und Kommissionsmitglieder zu spät ausgebildet wurden. Probleme verursachten
wiederum die unvollständigen Wählerlisten, Listenänderungen in der letzten Minute
und Stimmenabgaben im Familienverbund.
Die folgende Tabelle zeigt im Detail die Empfehlungen von OSZE/ODIHR nach
den Wahlen von 2001 und ihre Beurteilung der Wahlen von 2003.
Tabelle 52: OSZE/ODIHR-Empfehlungen nach den Wahlen von 2001 und
Einschätzung der Wahlen von 2003
Themenbereich Empfehlungen nach Wahlen 2001 Veränderung bei Wahlen 2003**
(+ positiv / – negativ)
Wahlgesetz* y Etablierung eines parlamentarischen Zwei-Parteien-
Ausschusses zur Untersuchung
der Probleme der Wahl y Verbesserung des Wahlgesetzes
anhand der ODIHR-Empfehlungen y Vereinfachung des Wahlsystems
(Wahlen nur an einem Tag)
y + Die Wahlen wurden auf der
Grundlage des neuen, verbesserten Wahlgesetzes vom Juni 2003
durchgeführt y – Wegen Wahlwiederholungen
Bekanntgabe der Resultate erst
am 24.2.2004
347 Interview mit einem Vertreter der OSZE-Präsenz in Albanien, am 22.1.2003 in Tirana.
276
Zentrale Wahlkommission
(ZWK) und
Wahladministration*
y Politische Parteien sollen weiterhin in den WK vertreten sein, um
Vertrauen in den Wahlprozess zu
vermitteln y Mitglieder der ZWK sollen keine
familiären und Geschäftsbeziehungen zu Kandidaten haben, um
Interessenkonflikte zu vermeiden y ZWK muss adäquate Ressourcen
erhalten (Arbeitsräume etc.) y Die Seriennummern der Wahlprotokolle sollen protokolliert
werden y Benutzung von sichereren Wahlurnen
y +/– Verbesserung der Wahladministration, aber erhebliche Fehler
bei der Stimmenzählung y +/– ZWK handhabte die Wahlen
generell in professioneller, transparenter und unparteiischer Weise, aber es fehlten klare Verfahrensregeln für spezifische Probleme y – Probleme bei der Ernennung
von Mitgliedern der WK y +/– WK auf mittlerer und unterer
Ebene funktionierten in einer offenen Weise, wurden aber stark
politisiert bei Entscheidungen,
die gegen die Interessen von
SP/DP sprachen y – Fälle von Gruppen- oder Familienwahl blieben zahlreich
Wählerregistrierung*
y Verbesserung der Genauigkeit
der Wählerliste
y – Das Ausmaß des Problems der
Wählerregistrierung war größer
als erwartet
Kampagne und
Medien*
y Das Gesetz über die Regulierung
der Medien muss richtig angewendet werden y Unparteilichkeit der Medien
(privat und vor allem staatlich)
muss garantiert werden y Freier, gleicher und fairer Zugang zu den Massenmedien muss
gewährt werden. y Gesetzliche Regelung zur Parteienfinanzierung muss geändert
werden, damit kleinere Parteien
genügend Mittel zur Wahlwerbung in den Medien erhalten
y + Medien hielten sich an den
gesetzlichen Rahmen für eine
ausgeglichene und unagressive
Berichterstattung y + Die Wahlkampagnen wurden
in einer ruhigen Weise durchgeführt y + Stärkere substantielle Diskussion über politische Themen ohne hitzige Rhetorik: Politische
Parteien erkannten sich zunehmend als Opponenten (und nicht
als Feinde) an y + Starker Rückgang bei Beschwerden über Einschüchterungen y – Späte Bereitstellung der Wahlfinanzierung, Vorteile für amtierende Parteien
Training der
Wahlkommissionen
(WK)
y Bessere Ausbildung der Mitglieder der WK nötig
y Keine Angaben
Wahlanfechtung und
Berufung*
y Besondere Aufmerksamkeit muss
der Wahlanfechtung und dem
Berufungsprozess gewidmet
werden
y + Verbesserung der Behandlung
von Beschwerden und Berufungen
277
Beteiligung von
Frauen
y Größere Beteiligung von Frauen
an den Wahlen muss sichergestellt werden y Größere Transparenz bei der
Auswahl von Kandidatinnen und
Kandidaten und der Mitglieder
der ZWK/WK y Gruppen- bzw. Familienwahl soll
unterbunden werden
y Keine Angaben
Polizei* y Keine Angaben y + Polizei hielt sich an das Gesetz
über die Staatspolizei, das ihre
Rolle während der Wahlen regelt
* Thema der Diskussionen im parlamentarischen Zwei-Parteien-Ausschuss zur Wahlreform.
** Hier werden nur die Ergebnisse des Abschlussberichts berücksichtigt (vgl. OSCE/ODIHR 2004).
Vergleicht man die Empfehlungen der OSZE/ODIHR nach den Wahlen von 2001
mit ihrer Beurteilung der Wahldurchführung von 2003, wird deutlich, dass in einigen Bereichen, die im Zwei-Parteien-Ausschuss diskutiert und in einer Veränderung
des Wahlgesetzes beschlossen wurden, zumindest in der ersten Wahlrunde Fortschritte bei der Umsetzung zu verzeichnen sind. Dies betrifft u.a. die verbesserte
Wahlkampagnenführung, Medienberichterstattung und Behandlung von Beschwerden und Berufungen sowie die Rolle der Polizei. Die Bemühungen der OSZE/
ODIHR führten damit nicht nur zu einer formalen Anpassung des Wahlgesetzes an
internationale Standards, sondern trugen auch in einigen Bereichen zu einer Anwendung des Wahlgesetzes und damit zu einer Verhaltensänderung der politischen Akteure bei (vgl. OSCE Presence in Albania 2004 b).
Problematisch ist allerdings, dass nach dem Abschluss aller Wahlgänge eine erhebliche Verschlechterung des anfangs positiven Eindrucks deutlich wurde. Insgesamt konnten zentrale Aspekte der Wahlen nicht verbessert werden. So wurde im
Vergleich zu den Wahlen von 2001 keine Lösung für die unvollständigen bzw. fehlerhaften Wählerlisten sowie die Zusammensetzung und Leistungen der Zentralen
Wahlkommission gefunden. In diesen Bereichen erfolgten daher trotz formaler Anpassung der Gesetzgebung an die Empfehlungen der OSZE/ODIHR keine Verhaltensänderungen.
Im ODIHR-Abschlussbericht zu den Lokalwahlen vom Februar 2004 wurde die
albanische Wahlgesetzgebung umfassend von externen Experten von ODIHR und
der Venedigkommission des Europarats bewertet (vgl. OSCE/ODIHR 2004).348 Der
Bericht umfasste einen sehr detaillierten Katalog von Empfehlungen. Sie bezogen
sich auf eine weitere Verbesserung des rechtlichen Rahmens der Wahlen, die Wahl-
348 Die Europäische Kommission für Demokratie durch Recht, vor allem als „Venedigkommission“ bekannt, ist die beratende Stelle des Europarats für Verfassungsfragen. Sie wurde 1990
gegründet und spielt eine führende Rolle bei der Annahme von Verfassungen, die den Standards des verfassungsrechtlichen Erbes Europas entsprechen (vgl. http://www.venice.coe.int,
Zugriff: 12.4.2006).
278
verwaltung, den Prozess der Berufung und Beschwerden, die Medien, die Teilnahme
von Frauen an der Wahl und die inländischen Wahlbeobachter.349 Der Bericht wies
außerdem darauf hin, dass eine weitere Revision des albanischen Wahlgesetzes und
der damit verbundenen Gesetze notwendig sei.
Insgesamt kam ODIHR in seinem Abschlussbericht daher zu dem Urteil, dass
„(t)he local government elections were a missed opportunity for significant progress
towards compliance with OSCE commitments and other international standards for
democratic elections“ (OSCE/ODIHR 2004: 1, Hervorhebung J.H.). Hervorgehoben
wurden dabei in erster Linie die unvollständigen bzw. fehlerhaften Wählerlisten, die
bereits seit 1997 ein Problem darstellten, das trotz internationaler Unterstützung bei
der Wählererfassung nicht gelöst worden war. Erneut wiesen OSZE/ODIHR darauf
hin, dass für einen effektiven und glaubhaften Wahlprozess ein stärkerer politischer
Wille zur vollständigen und regelgeleiteten Anwendung des Wahlgesetzes nötig sei
(vgl. OSCE/ODIHR 2004). Diese Kritik hatten die beiden Institutionen bereits nach
den Wahlen von 2001 geäußert.
Insgesamt war es nach Ansicht der OSZE angesichts der über ein Jahr dauernden
langwierigen und intensiven Arbeit an der Wahlreform im Zwei-Parteien-Ausschuss
enttäuschend, dass in zentralen Aspekten der Wahlen eine Übereinstimmung mit
internationalen Standards nicht erreicht werden konnte (vgl. OSCE Presence in Albania 2004 a). Die formalen Änderungen im Wahlgesetz hatten damit insgesamt nur
eingeschränkt zu Verhaltensänderungen geführt.
Die Parlamentswahlen von 2005: Größtenteils frei und fair, aber immer noch
zahlreiche Mängel
Infolge der internationalen Kritik an den Lokalwahlen im Jahr 2003 wurde die
Wahlreform wieder zum wesentlichen Fokus der Arbeit der OSZE-Präsenz. Durch
die Vermittlung der OSZE-Präsenz wurde nach schwierigen Verhandlungen am
1. Juli 2004 zwischen der regierenden SP und der DP als größter Oppositionspartei
eine Übereinkunft erreicht, die festlegte, wie den ODIHR-Empfehlungen zu den
Kommunalwahlen von 2003 gefolgt werden sollte.350 Wiederum wurde ein parlamentarischer Ad-hoc-Ausschuss zur Wahlreform gebildet, der sich den zentralen
Kritikpunkten an den Wahlen widmen sollte: der Umstrukturierung der Zentralen
Wahlkommission (ZWK) und ihrer Verfahren, der Kampagnenfinanzierung, der
Verbesserung der Wählerregistrierung und der Zusammensetzung der Wahlkommission auf der Distrikt- und lokalen Ebene. Die Aufgabe des Ausschusses war es, entsprechende Zusätze zum Wahlgesetz in Übereinstimmung mit den gemeinsamen
Empfehlungen von ODIHR und dem Europarat zu entwerfen.
349 Die Empfehlungen gingen so weit, dass ein Verbot für die Benutzung von Mobilfunktelefonen während der Wahl, dem Zählen der Stimmen und der Aufstellung der Ergebnisse angeraten wurde.
350 In diesem Abkommen wurde auch vereinbart, nach den Wahlen 2005 eine systematische
konstitutionelle und rechtliche Überprüfung des Wahlsystems durchzuführen.
279
Dem parlamentarischen Ad-hoc-Ausschuss wurde eine technische Expertengruppe unter dem Vorsitz der OSZE-Präsenz zur Seite gestellt, die intensiv an der Überarbeitung der entsprechenden Passagen des Wahlgesetzes arbeitete (vgl. OSCE Presence in Albania 2004 b). Ohne die OSZE beratend hinzuzuziehen, legten die beiden
großen Parteien die Entscheidungsverfahren innerhalb des Ausschusses fest, die
ihnen jeweils das Vetorecht einräumten.351 Die dadurch entstandene Blockade des
Ausschusses konnte erst nach dem vermittelnden Eingreifen der OSZE gelöst werden.
Das Parlament verabschiedete schließlich im Oktober 2004 zwei Gesetze, die die
beschlossenen Veränderungen des Wahlgesetzes festhielten (vgl. OSCE 2004 a). In
einer Stellungnahme zum Wahlrecht und der Wahladministration in Albanien, die
ODIHR gemeinsam mit der Venedigkommission des Europarats im November 2004
veröffentlichte, legten die Experten beider Institutionen nochmals ausführlich
Kommentare und Empfehlungen zur Verbesserung des Wahlgesetzes dar.352 Obwohl
das neue Wahlgesetz von 2003 und die im Oktober 2004 beschlossenen Veränderungen die meisten der OSZE-Empfehlungen nach den Wahlen von 2001 reflektierten, wies der Bericht darauf hin, dass noch eine Reihe von Fragen bei der Wahlreform geklärt werden mussten.
Im Februar 2005 wurde ein weiterer Schritt in der Wahlreform unternommen. So
beschlossen die politischen Parteien nach langen Verhandlungen, die 100 Wahlkreise des Landes neu zu bestimmen.353 Dabei erwies sich nach Aussagen des damaligen
Leiters der OSZE-Präsenz, Botschafter Pavel Vacek, der „politische Wille“ als größtes Hindernis für eine schnelle Einigung. Der Übereinkunft waren mehrere Wochen
der Beratung und der politischen Konsultationen vorausgegangen, die von der
OSZE-Präsenz und Experten des Europarat-Büros unterstützt wurden. Erst nach der
Vermittlung der OSZE konnte eine Konsenslösung erzielt werden. Damit war die bis
dahin fehlende rechtliche Voraussetzung für das Abhalten der Parlamentswahlen
2005 erfüllt.354
Schließlich unterstützte die OSZE das Ministerium für Lokale Regierung und Dezentralisierung und die Zentrale Wahlkommission in der Vorbereitung zu den Parlamentswahlen von 2005 beim Prozess der Wählerregistrierung. Das „Wahlreform-
351 Je fünf Sitze im Ausschuss wurden den beiden Parteien SP und DP zuerkannt, die drei verbleibenden Sitze mussten die kleinen Parteien untereinander aufteilen (vgl. OSCE Presence in
Albania 2004 b).
352 In 29 Kapiteln beschäftigte sich der Bericht mit Problemen des Wahlrechts (u.a. ZWK, Wählerregistrierung, Wahlkampagne) und gab detaillierte Empfehlungen. Die Empfehlungen waren auf der Grundlage der Resolution 1320 (2003) der parlamentarischen Versammlung des
Europarats ausgearbeitet worden, der die Venedigkommission aufforderte, eine Stellungnahme zur möglichen Verbesserung der albanischen Gesetzgebung und Praxis zu erstellen (vgl.
OSCE/ODIHR/Council of Europe 2004).
353 Dieser Diskussionspunkt war in der Übereinkunft der Parteien nach den Wahlen von 2003
beschlossen worden.
354 Durch die Verzögerung der Neueinteilung der Wahlzonen wurden allerdings die Vorbereitungen für die Wahlen erschwert (vgl. OSZE-Präsenz in Albanien, Pressemitteilung,
28. Februar 2005).
280
Projekt“, das die Erstellung der Wählerliste aus dem Zivilregister sowie eine Informationskampagne umfasst, wurde durch einen Zuschuss der Europäischen Kommission in Höhe von 800.000 EUR finanziert.355
Die Durchführung der Wahlen und die Empfehlungen von OSZE/ODIHR
Die Parlamentswahlen fanden am 3. Juli 2005 statt. Ihre Vorbereitungen wurden von
OSZE/ODIHR begleitet, die bereits am 18. Mai eine Wahlbeobachtungsmission
begann (vgl. OSCE/ODIHR 2005 a). Erstmalig wurden von ODIHR drei Interim-
Berichte vor dem ersten Wahlgang veröffentlicht, die die Wahlvorbereitungen analysierten und auf Probleme hinwiesen (vgl. OSCE/ODIHR 2005 a, 2005 b, 2005
c).356 Am Wahltag wurde die Wahlbeobachtungsmission von Vertretern der parlamentarischen Versammlungen der OSZE, des Europarats und des Europäischen
Parlaments begleitet. Insgesamt waren 408 internationale Wahlbeobachter eingesetzt.
Die internationalen Beobachter kamen in ihrem Bericht zu dem Ergebnis, dass die
Wahlen zwar größtenteils frei und fair waren, aber immer noch zahlreiche Mängel
aufwiesen, wie z.B. Irregularitäten bei der Stimmabgabe und den Wählerlisten. Positiv wurde betont, dass die Wahlen insgesamt wettbewerbsorientierter geworden
waren und die Medien den Wählern ausgeglichene Wahlinformationen zur Verfügung gestellt hatten. Erhebliche Fortschritte in Bezug auf den rechtlichen Rahmen
konnten erzielt werden. Das reformierte Wahlrecht bot damit eine verbesserte
Grundlage für die Durchführung der Wahlen an. Dadurch wurden bedeutende Verbesserungen gegenüber früheren Wahlen erreicht. „It was a competitive contest and
voters were offered a wide electoral choice from a range of political parties. Yet, the
process was again protracted and at times uncertain“ (OSCE/ODIHR 2005 e: 4).
Trotzdem bestehen noch einige Mängel, zum einen im rechtlichen Text des Wahlgesetzes selbst, zum anderen in der Umsetzung (vgl. OSCE/ODIHR/Council of Europe
2004).
355 Diese finanziellen Mittel stammten aus dem Titel „Demokratische Stabilisierung“ des
CARDS-Programms, der in den Jahren zuvor für die Finanzierung zivilgesellschaftlicher Projekte zur Verfügung gestellt worden war.
356 Der erste Interim-Bericht analysierte den Zeitraum vom 17.–30. Mai 2005, der zweite den
Zeitraum vom 31. Mai bis 16. Juni und der dritte Bericht den Zeitraum vom 4.–14. Juli 2005
(vgl. OSCE/ODIHR 2005 a, b, c).
281
Tabelle 53: OSZE/ODIHR-Empfehlungen nach den Wahlen von 2003 und
Einschätzung der Wahlen von 2005
Themenbereich Empfehlungen nach Wahlen
2003
Veränderung bei Wahlen 2005
(+ positiv/ – negativ)
Wahlgesetz
15 detaillierte Empfehlungen zur
Anpassung des Wahlgesetzes,
u.a.: y Ernennung von Mitgliedern der
ZWK und WK y Ausschalten des parteipolitischen Einflusses bei der Vorbereitung und Überprüfung des
Wählerregisters y Öffentliche Auskunft über die
Ausgaben für Wahlkampagnen
und die Mittelbeschaffung
y +/– Die vorangegangene Reform
des Wahlgesetzes bot eine verbesserte Grundlage für die Wahlen,
aber die Wahl bewies, dass das bestehende Wahlsystem anfällig für
Missbrauch ist y – Das Wahlsystem erlaubt die
Durchsetzung von Wahlstrategien,
die die Grenzen des Gesetzes herausfordern und die Unterscheidung
zwischen Parteien verwischt.
Durch eine Teilung der Stimme
(„vote splitting“) erhalten kleinere,
mit SP/DP alliierte Parteien mehr
Stimmen
Zentrale Wahlkommission
(ZWK) und
Wahladministration
17 detaillierte Empfehlungen zur
Reform der ZWK, u.a.: y ZWK sollte Verfahrensregeln
zu ihrem effizienteren Arbeitsablauf annehmen (bereits in
früheren Empfehlungen genannt) y Ausstattung der ZWK mit
dauerhaften, angemessen ausgestatteten Räumlichkeiten
(bereits in früheren Empfehlungen genannt)
y +/– Stimmenzählung größtenteils
reibungslos, in einigen Wahlkreisen
aber langwierig y – Erhebliche Verspätungen bei der
Bereitstellung der Wahlergebnisse
(hier wurde nicht den OSZE-
Empfehlungen gefolgt!) y + ZWK führte die Wahlen größtenteils transparent, professionell und
in Übereinstimmung mit dem
Wahlgesetz durch
Wählerregistrierung
y Modernisierung und Reform
des Meldewesens, damit genaue Wählerlisten erstellbar
sind; systematische und anhaltende Bemühungen zur Verbesserung ihrer Qualität und
Genauigkeit (bereits in früheren Empfehlungen genannt) y Klarere Rolle und Rechte aller
beteiligte Institutionen, die in
den o.g. Prozess involviert sind
y + Einführung eines neuen Rahmens
für die Wählerregistrierung (mit
CARDS Funds reagiert die EOM
genau auf diesen Missstand) y – Hoher Anteil (18 %) im Wählerregister von Wählern, deren Wohnsitz nicht nachgewiesen wurde (im
Juni 2005) y – Mehrfacheintragung im Wahlregister
282
Kampagne und
Medien
y Der rechtliche Rahmen für die
Zuteilung freier Sendezeit für
politische Parteien, besonders
kleinere Parteien, muss überprüft werden
y + Medienberichterstattung über den
Wahlkampf war insgesamt ausreichend und politisch ausgeglichen y – Der Ton des Wahlkampfes war
erbittert y – Fehlendes Vertrauen zwischen
den politischen Parteien beeinflusste negativ die Wahlvorbereitung
und -durchführung
Wahlanfechtung und
Berufung
y Alle Beteiligten sollen die
bestehenden Verfahren zur
Einreichung von Beschwerden
einhalten
y – Hohe Anzahl von Anschuldigungen der Einflussnahme auf das
freie Wahlrecht, u.a. Druckaus-
übung auf Beamte
Beteiligung von
Frauen
y Albanische Institutionen und
Parteien müssen Maßnahmen
treffen, um eine größere Repräsentation von Frauen zu erreichen y Maßnahmen, inkl. Sensibilisierung für Genderaspekte, müssen getroffen werden, um
Gruppen- bzw. Familienwahl
zu verhindern
y – Keine Verbesserung der Teilnahme und Repräsentation von
Frauen in öffentlichen Angelegenheiten
Einheimische
Wahlbeobachter
y Einheimische Wahlbeobachtung sollte ermutigt werden y Die internationale Gemeinschaft sollte weiterhin Unterstützung zur Ausweitung einheimischer Kapazitäten für die
Wahlbeobachtung geben
y Keine Angaben
Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage von OSCE/ODIHR 2005 e.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass nach Meinung der OSZE/ODIHR
das größte Problem im fehlenden politischen Willen der politischen Elite in Albanien lag, demokratische Wahlen durchzuführen – obwohl das Wahlrecht in Albanien
eine adäquate Basis für demokratische Wahlen darstellte. Als besonders schwerwiegend wurde hervorgehoben, dass die Ursachen für die ungenauen Wählerlisten, die
seit 1997 immer wieder bemängelt worden waren, noch nicht behoben wurden. „The
continued inaction of the Albanian authorities in introducing a uniform system of
addresses of buildings and new personal identification documents across the country
diminished the significance of efforts undertaken to improve the voter lists“ (OSCE/
ODIHR 2005 d: 1). Damit stimmten die Wahlen nur teilweise mit den Verpflichtungen Albaniens gegenüber der OSZE und internationalen Standards für demokratische Wahlen überein. So zeigt auch die Beurteilung des Demokratisierungsprozesses
in Albanien von Freedom House im Rahmen ihrer Berichte „Nations in Transit“,
dass im zentralen Bereich der demokratischen Wahlen seit 1998 zwar einige Fort-
283
schritte zu verzeichnen sind, seit 2002 die Bewertung der Wahlen aber zu keinem
verbesserten Ergebnis kommt.
Tabelle 54: Freedom-House-Bewertung „Nations in Transit“ für Albanien
(1997–2005)
1997 1998 1999 2001 2002 2003 2004 2005
Wahlprozess 4.25 4.50 4.25 4.00 3.75 3.75 3.75 3.75
Quelle: Freedom House 2006.
NIT Rating: Skala von 1–7, wobei 1 das höchste Niveau der demokratischen Entwicklung und 7
das niedrigste Niveau anzeigt.
Die Ergebnisse der OSZE und ihre kritische Haltung gegenüber den Wahlen von
2005 stellt damit auch die positive Bewertung der EU in Frage, die u.a. den friedlichen Machtwechsel in Albanien von der SP zur DP zum Anlass nahm, das SAA
abzuschließen.
5.3.2. Die Instrumente der Integration II: Die Projekte der OSZE zur Unterstützung
des Parlaments und der Zivilgesellschaft
Neben der Beratung, der Beobachtung und der Vermittlung in Krisensituationen
sind Demokratisierungsprojekte ein zweites Instrument der OSZE. Im Gegensatz zu
dem sich meist ad hoc entwickelnden Engagement der OSZE als Vermittlerin in
Krisensituationen gestaltete die OSZE durch ihre Projekte längerfristige Prozesse
des Institutionenaufbaus mit.
Das Ziel der Projekte der OSZE ist es, die albanischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteure im Demokratisierungsprozess zu stärken. Bei der Unterstützung der
politischen Institutionen steht die Stärkung der Exekutive, des Parlaments und des
Rechtsstaats im Vordergrund. Projekte in diesem Bereich beschäftigen sich u.a. mit
der Stärkung der Kapazitäten des Parlaments, der Verbesserung von Gerichtsprozessen, dem Schutz von gefährdeten Zeugen. Die Projekte zur Unterstützung der Zivilgesellschaft haben häufig mit „Randthemen“ zu tun, für die die OSZE – ähnlich wie
in ihrer politischen Beratungsarbeit – die albanische Gesellschaft sensibilisieren und
bei denen sie zwischen verschiedenen Interessen vermitteln will. Sie zielen in erster
Linie auf die Förderung von benachteiligten Gruppen in der albanischen Gesellschaft ab.357
357 Die OSZE führte z.B. ein Projekt zum Thema Menschenhandel durch und errichtete gemeinsam mit International Organisation for Migration (IOM) einen Zufluchtsort für Opfer des
Menschenhandels ein, in dem sie betreut und beraten werden. Die OSZE-Präsenz war außerdem eine der ersten internationalen Organisationen, die sich mit dem Thema „Gleichberechtigung“ und Stellung der Frau beschäftigte und dazu öffentliche Kampagnen veranstaltete.
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References
Zusammenfassung
Im Schnittfeld von Transformations- und Integrationsforschung bietet die Arbeit eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Einflussmöglichkeiten europäischer Institutionen auf die Demokratisierung in Südosteuropa. Analysiert wird die Demokratisierungshilfe von EU, OSZE und Europarat am wenig untersuchten Fall des „scheinheiligen Demokratisierers“ Albanien. Scheinheilige Demokratisierer stellen die Demokratisierungsbemühungen europäischer Organisationen in Südosteuropa vor große Herausforderungen. Wegen der prekären Sicherheitslage weisen sie einen erhöhten Stabilisierungsbedarf auf und begrenzten dadurch die Wirkung des Engagements der europäischen Akteure. In Auseinandersetzung mit den Forschungsansätzen der Internationalen Sozialisierung, der Europäisierung und der Konditionalität leistet die Arbeit einen Beitrag zur Debatte über die Rolle externer Akteure und untersucht die Wirkungszusammenhänge zwischen der internationalen und nationalen Dimension der Demokratisierung von Transformationsländern. Die Ergebnisse der Studie werfen einen kritischen Blick auf die EU-Konditionalität und zeigen die Notwendigkeit einer neuen Integrationsstrategie für die Länder Südosteuropas auf.