78
conditionality as a unified policy, we can devide it into separate conditions sent to
separate policy areas of the recipient country“ (Peshkopia 2005: 49).
Erst innerhalb der letzten fünf Jahre wurden im Rahmen der Literatur zur Europäisierung der osteuropäischen EU-Beitrittskandidaten mehr empirische Untersuchungen durchgeführt, die sich mit einzelnen Sektoren befassten. So wurden z.B. Studien
zur Europäisierung der Exekutive und der öffentlichen Verwaltung in Ost- und
Mitteleuropa erstellt (vgl. Dimitrova o.J., Goetz 2001, Schimmelfennig/Sedelmair
2005).76 Dabei stand allerdings vor allem die EU als externer Akteur im Vordergrund.77 Daher ist wenig bekannt über mögliche komparative Stärken oder Schwächen der Unterstützung der externen Akteure in unterschiedlichen „Sektoren“ der
Demokratiehilfe.
2.3. Der Ansatz der Arbeit und das methodische Vorgehen
Ausgehend von der kritischen Auseinandersetzung mit den bestehenden theoretischen Ansätzen wird im Folgenden der Ansatz dieser Arbeit im Detail erläutert und
die Hypothesen entwickelt, die bereits in der Einleitung kurz vorgestellt wurden.
Der Ansatz soll es ermöglichen, die Rolle der drei externen Akteure EU, OSZE und
Europarat in Albanien im Hinblick auf ihren Beitrag zur Demokratisierung im Kontext Südosteuropas zu analysieren:
Erstens wird im Rahmen dieser Arbeit nicht nur das Engagement der EU im Demokratisierungsprozess Albaniens untersucht, sondern die Analyse auf zwei wichtige externe Akteure in Südosteuropa – die OSZE und den Europarat – ausgeweitet.
Das zentrale Anliegen aller drei Organisationen ist die Unterstützung der Demokratisierung in Albanien.78 Alle drei europäischen Organisationen haben entsprechend
ihrer jeweiligen Zielsetzungen und spezifischen Aufgabenbereiche eine bestimmte
Herangehensweise entwickelt, die sich in ihren Strategien der Region und dem Land
gegenüber niederschlägt. Sie verfügen über unterschiedliche Strukturen vor Ort und
sind finanziell und personell verschieden stark ausgestattet.
Zweitens werden sowohl die regionalen als auch die albanienspezifischen Rahmenbedingungen des Handelns der drei europäischen Organisationen (sowie ihr
Handeln in Südosteuropa) analysiert, da davon ausgegangen wird, dass sich die Art
und Intensität des Engagements der externen Akteure nicht unabhängig von dem
regionalen und dem Landeskontext vollzieht. Im Vordergrund stehen die Untersuchung der spezifischen Transformationsprobleme in Südosteuropa, die sich u.a. in
76 So widmete sich u.a. das Sonderheft des Journal of European Public Policy dem Thema
„Executive Governance in Central and Eastern Europe“ (vgl. Goetz 2001).
77 Eine Ausnahme bildet z.B. die Untersuchung von Freise zur externen Demokratieförderung
im Bereich der Zivilgesellschaft in postsozialistischen Transformationsstaaten, die mehrere
externe Akteure mit einbezieht (vgl. Freise 2004).
78 Damit unterscheiden sie sich von anderen internationalen Organisationen, die vor allem den
wirtschaftlichen und sozialen Transformationsprozess unterstützen (IMF, Weltbank, UNDP).
79
Instabilitäten und Krisentendenzen widerspiegeln. Darüber hinaus werden die innenpolitischen Bedingungen für die Demokratisierung in Albanien beleuchtet, die
als Kontextfaktoren für das Engagement der externen Akteure einbezogen werden
müssen.
Drittens liegt der Schwerpunkt der Untersuchung nicht auf der Rolle der externen
Akteure zu Beginn der Transformation, sondern ihr Engagement in der Phase der
Institutionalisierung und der Konsolidierung der Demokratie in Albanien steht im
Mittelpunkt. Damit wird der Fokus auf die externe Unterstützung beim Aufbau und
der Konsolidierung demokratischer politischer Institutionen gelegt.79
Um einen differenzierten Blick auf die externe Unterstützung und eine bessere
Beurteilung ihres Beitrags zur Demokratisierung zu entwickeln, wird viertens die
Rolle der drei Akteure in zentralen Arenen, die für eine Konsolidierung der Demokratie von Bedeutung sind, untersucht: die politische Gesellschaft (u.a. Wahlen,
Parlament), der Rechtsstaat (Aufbau und Stärkung der Justiz), die Staatsbürokratie
(die Reform der öffentlichen Verwaltung) und die Zivilgesellschaft.80 Dies wird
anhand von Fallbeispielen deutlich gemacht. Es wurden nur die Sektoren berücksichtigt, in denen sich alle drei europäischen Organisationen engagieren. Einen
Überblick dazu gibt die folgende Tabelle:
79 Zur Definition von politischen Institutionen, vgl. Kap. 2.1.
80 Die Bezeichnung „Sektor“ und „Arena“ werden hier gleichbedeutend verwendet. Zur Definition der Arenen bei Linz/Stepan, vgl. Kap. 2.1. Hier wird die Arena der „Wirtschaftsgesellschaft“ nicht betrachtet.
80
Tabelle 6: Übersicht über die wesentlichen Aktivitäten der europäischen
Organisationen81
Sektor Europäische Union OSZE Europarat
Politische
Gesellschaft
y Wahlunterstützung y Wahlunterstützung
(gemeinsam mit
ODIHR) y Unterstützung des
Parlaments y des Ministerpräsidenten, der lokalen
Regierung
y Wahlunterstützung y Unterstützung der
lokale Regierung
Rechtsstaat y Justizreform (Joint
Programme mit
Europarat)
y Justizreform y Justizreform (Joint
Programme mit
EU): Magistratenschule/
Ombudsman
Öffentliche
Verwaltung
y Verwaltungsreform y Polizei y Zoll y Statistikamt
y Anti-Korruptionsinitiative (im Rahmen von FoA)
y Anti-Korruptionsinitiative (PACO) y Ausbildung von
Gefängnispersonal y Staatliches Publikationszentrum
Zivilgesellschaft
y Projekte in thematischen Schwerpunkten
y Projekte in Themenbereichen des
Mandats der OSZE
y Projekte in verschiedenen Themenbereichen
Infrastruktur + – –
Kommunalentwicklung + – –
Landwirtschaft + – –
Bildung + + –
Wirtschaft + + –
Umwelt – + –
Quellen: Publikationen der jeweiligen Organisation, Informationen aus Interviews mit Vertretern
der Organisationen.
+ Projekte vorhanden, – keine Projekte vorhanden
81 Die Darstellung bezieht sich auf den Untersuchungszeitraum der Projekte (vor allem von
1997–2003).
81
Fünftens werden bei der empirischen Untersuchung des Engagements der drei europäischen Organisationen in Albanien in erster Linie zwei Arten von Instrumenten im
Vordergrund stehen: das Instrument des politischen Dialogs und der Verhandlungen
(die „Verhandlungsebene“) und das Instrument der Demokratisierungsprojekte (die
„operative Ebene“). Damit wird das externe Engagement nicht nur, wie in den vorgestellten Ansätzen, als „globaler“ Einfluss auf den Wandel des politischen Systems
und der politischen Elite betrachtet, sondern in seinen Instrumenten präzisiert. Verschiedene Instrumente der externen Akteure, die in der Literatur erwähnt werden,
werden hier als Teilelemente in zwei übergeordneten Kategorien eingeordnet:
Tabelle 7: Instrumente externer Akteure (unter besonderer Berücksichtigung
der EU)82
Instrumente In meiner Untersuchung: y Angebot oder Verweigerung diplomatischer Anerkennung y Verhandlungen (Aufnahme als Mitglied oder
Assoziierung, Verzögerung oder Aufhebung von
bilateralen Abkommen, Angebot von Handelspräferenzen) y Dialog und Gipfeltreffen mit individuellen Staaten und regionalen Gruppierungen y Monitoring y Démarches y Öffentliche Kritik y Wahlbeobachtung und Friedensmonitoring
„Verhandlungsebene“
Politischer Dialog und
Verhandlungen
y Finanzielle und technische Hilfe y Politikberatung y Twinning y „Templates“
„Operative Ebene“
Demokratisierungsprojekte
Quellen: Eigene Zusammenstellung auf Grundlage von Ginsberg 2001; Grabbe 2002.
In der Untersuchung wird dem Instrument der Demokratisierunsgprojekte (z.B.
Beratung der Regierung, der Förderung der Zivilgesellschaft) auf der „operativen
Ebene“ besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Vor allem in einem Land ohne demokratische Tradition und mit schwachen politischen Institutionen wie Albanien
stellen Förderprojekte externer Akteure ein wichtiges Instrument für die Unterstützung der Institutionalisierung und Konsolidierung demokratischer Systeme dar. Eine
Untersuchung der Projektebene zeigt außerdem viel deutlicher, in welchen Bereichen die einzelnen Akteure mit Unterstützungsprojekten aktiv sind und welche Arbeitsteilung zwischen den externen Akteuren vorherrscht.
82 Die Tabelle zeigt eine Auswahl von Instrumenten. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit
erhoben.
82
Ausgewählt wurden solche Unterstützungsprojekte, bei denen es zu einer Interaktion zwischen innenpolitischen und externen Akteuren kam und die ein deutliches
Einwirken der externen Akteure vermuten ließen. Reine Infrastrukturprojekte bzw.
Projekte, die der Unterstützung der wirtschaftlichen Entwicklung dienten, wurden
ausgeklammert.83 Wegen der teilweise beschränkten Materiallage war es nicht möglich, das Engagement jedes der drei Akteure in allen ausgewählten Bereichen zu
untersuchen.
Ein positiver Beitrag der Unterstützungsprojekte zur Demokratisierung wird dabei vermutet, wenn die Projekte folgende Eigenschaften aufweisen:
Tabelle 8: Bewertungskriterien für die Demokratisierungsprojekte der
externen Akteure
y Langfristige, strategische Orientierung („Nachhaltigkeit“) y Implementierungsorientiert (das Projekt trägt zur Implementierung einer Politik bei) y Vorherrschende Struktur der Interaktion: bottom-up, d.h. Einbeziehung gesellschaftlicher Gruppen y Schnelle Reaktion auf bzw. Berücksichtigung von landesspezifischen Problemen y Förderung von Eigeninitiative/Kapazitätsaufbau innenpolitischer Strukturen und
Akteure
Quelle: Eigene Darstellung unter Einbeziehung von Aspekten von Weidenfeld 2001.
2.3.1. Die Entwicklung und Operationalisierung der Hypothesen
Die kritische Auseinandersetzung mit den untersuchten theoretischen Ansätze hat
gezeigt, dass sie Grenzen in Bezug auf die Fragestellung dieser Arbeit und die Analyse von Fällen „scheinheiliger Demokratisierer“ haben.
Bei der empirischen Analyse wird daher die Aufmerksamkeit besonders auf drei
Problemkomplexe gelenkt, die einer weiteren wissenschaftlichen Auseinandersetzung und der empirischen Überprüfung bedürfen, um Anregungen für die Weiterentwicklung der Theorie in Bezug auf die externe Unterstützung „scheinheiliger
Demokratisierer“ zu geben:
1) die Grenzen der Konditionalität im Kontext Südosteuropas,
2) die staatlichen Kapazitäten zum Wandel als zusätzliche innenpolitische Bedingung für das Wirken externer Akteure,
3) die Organisationsstruktur und Leistungsfähigkeit der europäischen Organisationen als „externe“ Wirkungsbedingung der Demokratisierung.
Aus der Analyse der drei Problemkomplexe im Kontext von Südosteuropa sollen
Schlussfolgerungen über die Wirkung externer Akteure auf die Institutionalisierung
83 Damit wird auf die indirekte Wirkung einer positiven Wirtschaftsentwicklung auf die Demokratisierung (z.B. durch die Entwicklung eines Mittelstands), die vor allem bei modernisierungstheoretischen Ansätzen betont wird, nicht eingegangen.
83
der Demokratie im Kontext von „scheinheiligen Demokratisierern“ gezogen werden.
Dazu werden im Folgenden die drei zentralen Hypothesen der Arbeit entwickelt. Sie
beziehen sich auf die Fragen, die dieser Untersuchung zugrunde liegen. Im Anschluss an die Darstellung der jeweilige Hypothese wird gezeigt, wie ihre Überprüfung im empirischen Teil der Arbeit operationalisiert wird.
Erstens: Wie aus der Kritik in der Literatur an der Konditionalität externer Akteure deutlich wurde, kann ihre Wirkungskraft unter bestimmten Bedingungen, z.B. bei
der Dominanz sicherheitspolitischer Interessen der internationalen Organisationen,
schwachen Staaten etc., eingeschränkt sein. Es ist zu vermuten, dass in einem solchen Kontext die Konditionalität dysfunktional ist, weil die Bewältigung von Krisen
und das Interesse an der Wiederherstellung von Stabilität im Vordergrund des Interesses der externen Akteure steht.
Die Grenzen der Wirkung von Anreizen und Sanktionen, d.h. der Konditionalität
externer Akteure, in Südosteuropa braucht eine Erklärung. Ausgehend von der Überlegung, dass das von Südosteuropa ausgehende Krisenpotential zu einer Abschwächung der Machtasymmetrie zwischen den Ländern der Region und den internationalen Organisationen führt, muss die Wirkung der Konditionalität im empirischen
Fall untersucht werden.
Es wird angenommen, dass sich das Engagement der europäischen externen Akteure bei tatsächlichen oder wahrgenommenen Krisen im nationalen oder regionalen
Kontext eines Landes, von denen „Europa“ unmittelbar oder mittelbar betroffen ist,
verändert (Hypothese 1).84 Das Verhalten der externen Akteure folgt einem „Eskalations-Engagement-Syndrom“. Es orientiert sich an politischen oder wirtschaftlichen
Krisen bzw. Instabilitäten, die Auslöser des externen Engagements sind und zu dessen quantitativen und qualitativen Änderungen führen.
In der folgenden empirischen Untersuchung wird diese Hypothese anhand der
folgenden Indikatoren überprüft: Zur Beantwortung der Frage, ob eine Krise vorlag,
werden insbesondere die regionalen und albanienspezifischen Entwicklungen während des Untersuchungszeitraums im Hinblick auf Instabilitäten untersucht (Kapitel
3). Um die quantitativen und qualitativen Änderungen des Engagements der drei
europäischen Organisationen festzustellen, werden als Indikatoren die finanziellen
Hilfsleistungen der drei Organisationen (zunehmender Umfang des Finanzvolumen),
die Qualität der Unterstützung im Sinne ihrer größeren Zielgerichtetheit (Strategieentwicklung), ihrer Übereinstimmung mit den Problemen des Landes (Angemessenheit) sowie eine höhere politische Verpflichtung der externen Akteure gegenüber
dem Land analysiert (zunehmender Umfang des Kooperationsangebot in Form von
vertraglichen Bindungen).85
Zweitens: Radaelli stellt die Hypothese auf, dass Anpassungen der nationalen Politik im Prozess der Europäisierung schwieriger sind, je mehr Anforderungen an ihre
84 Der „Auslöser“ des Engagements der externen Akteure kann damit sowohl nationaler als
auch regionaler Natur sein.
85 Die Indikatoren lehnen sich in Teilen an das Kriterienraster für die Bewertung von Transformations-systemen, das die Bertelsmann Stiftung entwickelt hat, an (vgl. Weidenfeld 2001).
84
Umsetzung gestellt werden. Denn in diesen Fällen sind vielfältige Akteure mit unterschiedlichen Interessen involviert. Allerdings geht er dabei in erster Linie von
konsolidierten Demokratien in Westeuropa aus und bezieht nicht die Herausforderungen mit ein, die sich in einem Transformationsland bei der Umsetzung von Politiken stellen.
Wendet man die Überlegung Radaellis in Bezug auf die Anforderungen an die
Umsetzung einer Politik auf die spezifischen Bedingungen eines „schwachen“ Staates im Transformationsprozess an, geraten verstärkt die Implementierungsdefizite
aufgrund fehlender bzw. geringer Umsetzungskapazitäten in den Blick.86 Eine zentrale Herausforderung für die Länder Südosteuropas allgemein und Albanien im
spezifischen stellt die Implementierung von Politiken dar, die im Einklang mit internationalen Normen stehen.
In Ergänzung zu den in den theoretischen Ansätzen entwickelten Wirkungsbedingungen wird daher angenommen, dass das Engagement der externen Akteure an das
Vorhandensein von (internen) staatlichen Kapazitäten zum Wandel gebunden ist
(Hypothese 2). Obwohl die europäischen Organisationen eine machtvolle Position in
der Besetzung von Themenfeldern und der Definition von Agenden besitzen, hängt
es von der Kapazität der staatlichen Administration ab, politische Reformmaßnahmen zu entwickeln und vollständig umzusetzen. Die staatlichen Kapazitäten zum
Wandel sind damit eine zentrale innenpolitische Bedingung für das Wirken externer
Akteure, die eine eingehendere Betrachtung verlangt.87
Drittens: Die externen Akteure bleiben bei den analysierten Ansätzen in ihren eigenen Kapazitäten und ihrer Leistungsfähigkeit weitgehend unterbelichtet. In dieser
Arbeit werden die drei europäischen Organisationen – in Erweiterung der „externen“
Wirkungsbedingungen, die die vorgestellten Ansätze thematisieren – in der empirischen Analyse nicht als Black Box behandelt. Vielmehr werden ihre innere Struktur,
ihre Organisationsweise und ihre Ressourcen explizit betrachtet. Es wird dabei davon ausgegangen, dass die Kapazitäten der externen Akteure einen Einfluss auf die
Anpassungsfähigkeit ihrer externen Unterstützung an die Probleme, Ressourcen und
den Unterstützungsbedarf im untersuchten Transformationsland und damit insgesamt auf ihre Leistungsfähigkeit hat (Hypothese 3). Die Leistungsfähigkeit der externen Akteure ist von erheblicher Bedeutung für die Interaktion mit den innenpolitischen Akteuren und für den Beitrag der externen Akteure zur Demokratisierung.
Zur Überprüfung dieser Hypothese werden in den jeweiligen Kapiteln über das Engagement der drei europäischen Organisationen die zentralen Merkmale ihrer Kapazitäten untersucht. Es wird dabei angenommen, dass sich die folgenden Merkmale
positiv auf ihre „Leistungsfähigkeit“ auswirken:
86 Die Schwäche des Staates zeigt sich als Mangel an einer effizienten und autonomen Staatsverwaltung, einer unabhängigen Justiz und anderen modernen staatlichen Institutionen (vgl.
van Meurs 2002).
87 Radaelli spricht von institutionellen Kapazitäten zum Wandel, bezieht dort aber nur Vetomächte und den Typus der Exekutive ein (vgl. Radaelli 2000).
85
Tabelle 9: Zentrale Merkmale der Kapazitäten der europäischen Organisationen
y Umfang der personellen und finanziellen Ressourcen y Schnelle Reaktionsfähigkeit und Flexibilität (i.S. von einer relativen Unabhängigkeit der Organisation vor Ort von der Zentrale) y Dezentraler Organisationsaufbau und Bürgernähe y Fach- und länderspezifische Expertisen in der Organisation y Kontinuität des Engagements
Das Untersuchungsdesign ermöglicht es zu analysieren, in welcher Weise die Kapazitäten der externen Akteure Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Unterstützung haben, da sich die drei Akteure in demselben regionalen und länderspezifischen Kontext bewegen.
Insgesamt stellt sich die Frage nach den Wirkungen der externen Akteure und ihrem Beitrag zur Demokratisierung in den ausgewählten Sektoren. Daher wird bei
einer abschließenden Beurteilung der einzelnen Akteure nach den Wirkungen ihres
Handelns auf die Institutionalisierung und die Konsolidierung gefragt (impact). Da
der Prozess der Institutionalisierung und Konsolidierung in Albanien noch andauert
und Rückschläge nicht auszuschließen sind, können dabei nur vorläufige Schlussfolgerungen bezogen werden. Dabei wird der Auffassung von Kaldor und Vejvoda
in ihrer Untersuchung der Demokratisierung in Mittel- und Osteuropa gefolgt, die
zur Schlussfolgerung kommen, dass „(h)owever precarious it may appear, we consider that it is nevertheless worthwhile to make a preliminary assessment about
whether a genuine process of democratization is under way“ (Kaldor/Vejvoda
1999: 3).
Als Kriterium für die Beurteilung des externen Beitrags zur Demokratisierung
soll dabei die Erreichung der von den externen Akteuren selbst gesetzten Ziele ihrer
Unterstützung dienen („internes Messkriterium“). Bezogen auf den gesamten Demokratisierungsprozess können im Fall der EU u.a. die Kopenhagener Kriterien
bzw. die vom Europäischen Rat benannten spezifischen Konditionalitäten für Südosteuropa von 1997 herangezogen werden. Sie sind allerdings sehr allgemein und
zur Überprüfung der Zielerreichung in einzelnen Sektoren weniger geeignet. Daher
wird außerdem auf Projektziele (soweit vorhanden) zurückgegriffen. Zusätzlich
werden „externe Messkriterien“ zur Beurteilung der Fortschritte Albaniens auf dem
Weg der Demokratisierung herangezogen, wie u.a. der Nations-in-Transit-Index von
Freedom House, der Korruptions-Perception-Index von Transparency International.
In den Bereichen, in denen solche Kriterien nicht vorhanden sind, sollen darüber
hinaus anhand von Plausibilitätsüberlegungen Rückschlüsse auf den Beitrag der
externen Akteure zur Demokratisierung in Albanien gezogen werden. Ein Bezugspunkt bilden dabei die Ausgangsbedingungen des albanischen Transformationsprozesses (siehe Kapitel 3.2). Dabei werden neben den intendierten Wirkungen – soweit
feststellbar – auch die unintendierten Wirkungen der europäischen Organisationen
einbezogen. Beide Wirkungsarten können darüber hinaus entweder „positiv“ (d.h.
„Normen befördernd“) oder „negativ“ („Normen verhindernd“) sein (vgl. Ginsberg
86
2001). Zu den intendierten positiven Wirkungen zählen diejenigen, die die externen
Akteure durch ihr Handeln und ihre Konditionalität in den Ländern bewusst anstreben. Allerdings können auch unintendierte negative Effekte aus dem Engagement
der externen Akteure resultieren. Beispiel dafür ist die Etablierung von ineffizienten
Doppelstrukturen und Institutionen ohne innenpolitische Funktion, die aufgrund der
Forderung der europäischen Organisationen entstanden sind, und „that mainly serve
to satisfy the international organization and to demonstrate compliance“ (Schimmelfennig 2002: 20).88 Daneben können aus egoistischen Interessen der internationalen
Organisationen auch „intendierte“ negative Wirkungen auf die Transformationsländer entstehen, die von den externen Akteuren akzeptiert werden, obwohl sie den
Transformationsprozess unterminieren können (z.B. Handelsprotektionen der EU
gegenüber Produkten, bei denen die Transformationsländer Osteuropas einen komparativen Kostenvorteil haben).
2.3.2. Die Grenzen der empirischen Untersuchung
Bei der Untersuchung der Frage, welche Bedeutung externe Akteure für die Demokratisierungsprozesse in Mittel-, Ost- und Südosteuropa gespielt haben und spielen,
ergeben sich eine Reihe von methodischen Problemen, auf die in der Forschung
vielfach hingewiesen wird. Ein Grundproblem, das bei der Untersuchung des externen Einflusses auf innenpolitische Entwicklung besteht, liegt vor allem in der analytischen Schwierigkeit, in einem komplexen Netz von unterschiedlichen internen und
externen Akteuren die Veränderungen des innenpolitischen Reformprozesses auf das
Handeln eines bestimmten Akteurs zurückzuführen und den externen Einfluss von
anderen potentiellen Einflüssen zu unterscheiden.89 „While the salience of the international context of democratic transition may thus be easily recognised, analysing its
real impact or influence on this process is no easy task either theoretically or empirically“ (Pridham 1991: 2). Wie bei der Diskussion des Forschungsstands dargelegt
wurde, stellt sich dieses Problem theoretisch in einem Mangel an geeigneten analytischen Instrumenten zur Untersuchung der Kausalität von komplexen, dynamischen
Prozessen der Interaktion zwischen internationalen und nationalen Entwicklungen
dar. „Externe und interne Faktoren lassen sich jedoch weit weniger trennen, als es
die Literatur unterstellt. Die einfache Dichotomie extern/intern (…) muss aufgegeben werden zugunsten eines Analyserasters, dass das Zusammenwirken von internen
88 Obwohl in den meisten Fällen unintendierte negative Wirkungen zutage treten, gibt es auch
Beispiele für unbeabsichtigte positive Effekte. So wurden z.B. als Nebenprodukt der starken
Nachfrage der internationalen Organisationen nach Informationen über das jeweilige Land
Gesetze zur Informationsfreiheit beschlossen, ohne eine explizite Aufforderung durch die
westlichen Organisationen (vgl. Schimmelfennig 2002).
89 Hinweise auf die Schwierigkeit, die kausalen Zusammenhänge zwischen externen Einflüssen
bzw. Unterstützungsleistungen und innenpolitischen Prozessen zu erklären, gibt zum Teil
auch die Forschung zur Wirkung von Entwicklungshilfeprogrammen (vgl. Goldberg 2000).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Im Schnittfeld von Transformations- und Integrationsforschung bietet die Arbeit eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Einflussmöglichkeiten europäischer Institutionen auf die Demokratisierung in Südosteuropa. Analysiert wird die Demokratisierungshilfe von EU, OSZE und Europarat am wenig untersuchten Fall des „scheinheiligen Demokratisierers“ Albanien. Scheinheilige Demokratisierer stellen die Demokratisierungsbemühungen europäischer Organisationen in Südosteuropa vor große Herausforderungen. Wegen der prekären Sicherheitslage weisen sie einen erhöhten Stabilisierungsbedarf auf und begrenzten dadurch die Wirkung des Engagements der europäischen Akteure. In Auseinandersetzung mit den Forschungsansätzen der Internationalen Sozialisierung, der Europäisierung und der Konditionalität leistet die Arbeit einen Beitrag zur Debatte über die Rolle externer Akteure und untersucht die Wirkungszusammenhänge zwischen der internationalen und nationalen Dimension der Demokratisierung von Transformationsländern. Die Ergebnisse der Studie werfen einen kritischen Blick auf die EU-Konditionalität und zeigen die Notwendigkeit einer neuen Integrationsstrategie für die Länder Südosteuropas auf.