72
des „Nachbeitritts“ an, dessen genaue Wirkung auf die neuen Mitgliedsländer noch
an Form gewinnen muss.
Neben der EU wenden auch andere Organisationen (z.B. die NATO, der Europarat) Konditionalitäten an, auch wenn sie als nicht so umfassend und stringent bezeichnet werden können. „NATO and other relevant organizations in norm-setting,
stabilization and transition in Europe, e.g. the OSCE or the Council of Europe, have
more limited responsibilities and thus reduced conditionality and moderate entry
criteria compared with the EU“ (Kempe/Meurs 2003: 21). Der Europarat vertritt mit
seiner „weicheren“ Konditionalität eine mittlere Position zwischen der exklusiven
Strategie der EU, die die Erfüllung „harter“ Konditionalitäten vor dem Beitritt vorsieht, und der inklusiven Strategie der OSZE, die auf Vorbeitrittskonditionen verzichtet. Der Europarat „requires new members to fulfil some community norms (like
democratic elections) before accession, requires them to commit themselves to other
community norms at the time of admission, and monitors their compliance from
within“ (Schimmelfennig 2003: 8). Umfassende „ex ante“-Konditionen haben während seines Erweiterungsprozesses nach 1989 nur eine geringe Rolle gespielt. „During the early 1990s, several CE member states and officials in its Political Directorate endorsed a policy of rapid enlargement“ (Checkel 2000: 14). So wurden Länder
wie Russland und die Ukraine schnell in den Europarat aufgenommen mit der Vorgabe, dass zu einem festgesetzten späteren Datum spezifische Forderungen (z.B.
Abschaffung der Todesstrafe) umgesetzt werden würden. Dieser Strategie lag eine
normative und philosophische Überlegung zugrunde. Die Aufnahme in den Europarat wurde als die beste Möglichkeit gesehen, „Gruppenzwang“ auszuüben, um die
Mitglieder zu sozialisieren. „(O)ne could argue that many in Strasbourg see the
Council as a social and persuasive institution, whose members are crucially affected
and changed by their participation“ (Checkel 2000: 15). Im Sinne dieser Überzeugung hat der Europarat z.B. einen speziellen Gaststatus eingerichtet, durch den angehende Mitgliedsländer eingeladen werden, an Aktivitäten des Europarats teilzunehmen.
2.2.4. Die Grenzen der theoretischen Ansätze
Wie deutlich wurde, beschäftigt sich die „Sozialisierungsliteratur“ mit der Rolle der
internationalen Organisationen, die über die Verbreitung internationaler Normen auf
die Innenpolitik von Staaten einwirken. Sie bietet einen guten Ansatz, um die europäischen Organisationen, in erster Linie die OSZE und den Europarat, zu analysieren. Allerdings kann mit dem Ansatz der internationalen Sozialisierung in seiner
Allgemeinheit nicht erklärt werden, wie sich die konkreten Anpassungsprozesse, die
sich aufgrund der Integration in die europäischen Strukturen ergeben, vollziehen.
Dafür bietet der Ansatz der „Europäisierung“ bessere Anknüpfungspunkte. Er betrachtet vor allem den Einfluss des EU-Integrationsprozesses auf die Länder Osteuropas. Dieser noch junge Zweig der Integrationsforschung hat allerdings vor allem
die EU im Blick und vernachlässigt andere europäische Organisationen, wie z.B. die
73
OSZE und den Europarat. Die „internationale Dimension“ der Demokratisierung
zeigt vor allem mit dem Ansatz der „Konditionalität“, wie externe Anreize wirken
können – abhängig von bestimmten „externen“ und innenpolitischen Voraussetzungen. Auch sie konzentriert sich im Wesentlichen nur auf die EU als Quelle der Normen, die Anreize zu Veränderungen geben soll.
Eine kritische Auseinandersetzung mit den vorgestellten Ansätzen vor dem Hintergrund der Problem- und Fragestellung dieser Arbeit zeigt die folgenden Grenzen
der genannten Ansätze:
Erstens: Wie bereits deutlich wurde, steht die EU – vor allem bei den beiden letzten Ansätzen – im Mittelpunkt der Untersuchungen, die sich der Rolle externer Akteure im Demokratisierungsprozess, besonders in den Transformationsländern Mittel- und Osteuropas, widmen. Andere (europäische) Organisationen, die sich auch
für die Demokratisierung einsetzen, werden hingegen vernachlässigt.65 Obwohl hier
anerkannt wird, dass die EU eine prominente Stelle für die Demokratisierung und
die Integration Osteuropas einnimmt, verhindert es die ausschließliche Konzentration auf die EU, den Beitrag weiterer externer Akteure zur Demokratisierung systematisch zu untersuchen. Auch andere europäische Organisationen, vor allem die
OSZE und der Europarat, haben es zu ihrem Ziel erklärt, liberal-demokratische
Normen im Prozess der Transformation Osteuropas zu verbreiten und den Übergang
zu einem demokratischen System zu unterstützen. Die OSZE und der Europarat
wurden seit den Regimeumbrüchen zu Beginn der 1990er Jahre in Osteuropa gemeinsam mit der EU als wichtige Vertreter einer Systemalternative gesehen, auch
wenn anzunehmen ist, dass sie wegen ihrer geringeren materiellen Unterstützungsmöglichkeiten keine der EU vergleichbaren Anreize zur Systemtransformation zur
Verfügung stellten und dadurch eine geringere Wirkung auslösten. Wie vor allem im
Ansatz der internationalen Sozialisierung betont wird, können jedoch (neben den
materiellen) auch soziale Anreize, wie z.B. Respekt, Anerkennung, Legitimität, eine
Wirkung auf den innenpolitischen Wandel in den postsozialistischen Transformationsländern haben. Besonders die OSZE spielt (bereits mit dem KSZE-Prozess) in
diesem Sinne eine traditionelle Rolle. Daher müssen empirische Fälle auf einen
gemeinsamen europäischen Beitrag und die Arbeitsteilung zwischen den europäischen Organisationen hin untersuchen werden.
Zweitens: Vor allem im Fall von Osteuropa wird in den meisten Untersuchungen
implizit und teilweise auch explizit davon ausgegangen, dass die externen Akteure
(vor allem die EU) durch die zur Verfügung gestellten Anreize einen positiven Beitrag zur Transformation und Demokratisierung geleistet haben (vgl. Rupnik 2000).66
65 Ausnahmen davon bilden u.a. eine Untersuchung des Europarats in der Ukraine (vgl. Checkel
2000) bzw. eine vergleichende Analyse von externen Akteuren (vgl. Smith 2001).
66 Explizit geschieht das z.B. bei Börzel/Risse: „The prospect of membership helped transform
ten former communist countries (…) into consolidated liberal democracies with functioning
market economies in less than 15 years“ (Börzel/Risse 2004: 9).
74
Im Vordergrund stehen dabei die intendierten Wirkungen der externen Akteure.67 In
vielen Fällen wird der (positive) Einfluss der externen Akteure jedoch eher vermutet
als empirisch überprüft.68 Van Meurs spricht in diesem Zusammenhang auch vom
„optimism of transitology“ (Meurs 2002: 6). So zeigt z.B. Krause, dass die EU eine
„surprisingly small role“ im Demokratisierungsprozess der Slowakei inne hatte (vgl.
Krause 2003).
Kubicek macht darauf aufmerksam, dass in den meisten Fällen vor allem „erfolgreiche“ Transformationsprozesse untersucht wurden. Schwierigere Fälle von
„scheinheiligen Demokratisierern“ wurden hingegen weniger berücksichtigt.69 Eine
geringe Anzahl von Autoren stellen daher zunehmend den als positiv vermuteten
Zusammenhang zwischen der Integration der osteuropäischen Staaten in die europäischen Strukturen und der Bewältigung der Transformationsprozesse in Frage (vgl.
Bideleux 2001; Grabbe 2001; Kubicek 2003). Ihrer Meinung nach hat die Gleichzeitigkeit der Transformations- und Integrationsprozesse in Osteuropa auch zu unintendierten negativen Folgen für die Demokratisierung geführt. Sie zeigen sich z.B.
darin, dass durch die EU-Verhandlungen starke exekutive Strukturen geschaffen
wurden, die der Demokratisierung in den Staaten Osteuropas entgegenlaufen, da sie
zu einer weiteren Stärkung des Staates gegenüber einer noch schwachen Gesellschaft beitragen.
Besonders für Südosteuropa und die zentralasiatischen Republiken erscheint der
Erfolg der Außenunterstützung durch die westlichen Länder fragwürdig, denn
„despite extensive Western efforts at democracy promotion, the democratic tide has
somehow retreated, leaving a picture of successes in Central Europe (…) offset by
setbacks in the former Soviet Union and the Balkans (…)“ (Rupnik 2000: 115).
Grabbe stellt in diesem Zusammenhang die grundsätzliche Frage, ob die spezifischen Anforderungen für die in Aussicht gestellte „Mitgliedschaft im Club“ (der
EU) eine adäquate Antwort auf die Entwicklungsherausforderungen der (strukturschwachen) Staaten Südosteuropas gibt. Denn die Vorbereitungen, die im Rahmen
der Assoziierung bzw. dem Beitritt zur EU verlangt werden, tragen nicht in jedem
Fall auch zur Verwirklichung allgemeiner Entwicklungs- bzw. Transformationsziele
bei. So zeige sich ihrer Meinung nach, dass „(f)or the countries at the back of the
queue (of integration), making enormous efforts to meet EU product and process
standards may be inappropriate in the context of the pressing needs of transition and
their lack of spare administrative and financial capacity“ (Grabbe 2002: 266).
Gleichzeitig wird auch die positive Verbindung zwischen der „Europäisierung“ und
67 Auf die Möglichkeit unintendierter und kontraproduktiver Resultate der externen Unterstützung wird in den theoretischen Ansätzen zwar hingewiesen, sie werden aber nicht systematisch zum Gegenstand der Analyse gemacht (vgl. Linden 2002). Es wird gleichzeitig unterstellt, dass die externen Akteure zu einem linearen Transformationsverlauf beitragen, indem
sie die Fortschritte auf dem Weg zu einer liberalen Demokratie nach westeuropäischem Muster unterstützten und absicherten.
68 Ausnahmen bilden z.B. die empirischen Untersuchungen in den Sammelbände von Kubicek
(2003) und Linden (2003).
69 Ausnahmen bilden u.a. Kubicek 2003, Schimmelfennig 2004, Zielonka/Pravda 2001.
75
der Demokratisierung hinterfragt. Bideleux macht darauf aufmerksam, dass „‚Europeanisation‘ and ‚democratisation‘ are not as mutually reinforcing as is generally
supposed“ (Bideleux 2001: 25). Die Doppelrolle der EU als „Entwicklungshelfer“
und „Heranführer“ füge sich demnach nicht immer reibungslos ineinander. Im Fall
der weniger entwickelten Länder Südosteuropas muss zusätzlich beachtet werden,
dass die in Aussicht gestellten Ressourcen (z.B. finanzielle Unterstützung, Assoziierung statt EU-Mitgliedschaft) geringer als im Fall von Osteuropa sind und damit
einen geringeren Anreiz zum innenpolitischen Wandel darstellen. Daher ist in einzelnen Fällen empirisch zu überprüfen, in welchem Zusammenhang die Transformations- und Integrationsprozesse in Südosteuropa zueinander stehen.
Drittens: In zwei der vorgestellten Ansätze, der „internationalen Sozialisierung“
und der „Konditionalität“, wird von einem quasi „automatischen“ Anpassungsprozess an die internationalen Normen ausgegangen, der vor allem durch die strukturelle Abhängigkeit der Transformationsländer von den europäischen Organisationen
ausgelöst wird.70 Ihre asymmetrische Beziehung stellt eine wichtige Wirkungsbedingung der Konditionalität dar. Selbst wenn der Beitritt der acht osteuropäischen
Transformationsländer zur EU als Erfolg der EU-Konditionalität interpretiert werden kann, ist damit allerdings nicht die Übertragbarkeit auf andere Regionen garantiert.
So zeigen Kubicek und andere Autoren am Beispiel der EU, dass die Macht von
Sanktionen, die Teil der Konditionalität sind, eingeschränkt werden kann. Vor allem
dann, wenn andere Interessen (wie z.B. Sicherheitsfragen) im Vordergrund stehen,
können diese Fragen der Demokratisierung in den Schatten stellen (vgl. Schimmelfennig 2004). So weist Kubicek daraufhin, dass die EU – entgegen ihrer Rhetorik zu
Themen wie z.B. Menschenrechtsstandards – „has been reluctant to employ sanctions against violators“ (Kubicek 2003: 18). Auch Smith betont, dass die EU es
vorzieht, Beziehungen zu Staaten, die bereits aufgebaut wurden, weiter aufrecht zu
erhalten (vgl. Smith 1997). In einer solchen Situation kann es sein, dass Sanktionen
nicht angewendet werden, da „external actors might not want to make matters worse
and risk the limited democratic gains or wholly alienate the regime“ (Kubicek 2003:
19). Außerdem zeigt sich, wie Checkel deutlich macht, dass Staaten zunehmend
wissen, „they can get ‚something for nothing‘, thus undermining the entire incentive
logic behind conditionality“ (Checkel 2000: 5).
Im Fall von Südosteuropa ergibt sich aus der Instabilität der Region ein „Drohpotential“ i.S. von Krisentendenzen für die Sicherheit „Europas“.71 Angesichts der von
70 Siehe die Erläuterungen zur „logic of consequentiality“ (Kap. 2.2.1) bzw. „Konditionalität“
(Kap. 2.2.3). Die rationalistische Perspektive geht davon aus, dass die innenpolitischen Akteure die internationalen Normen annehmen, wenn die Anpassungskosten kleiner sind als der
Nutzen der Befolgung. Allerdings muss bezweifelt werden, dass den Akteuren (vor allem
während eines krisenhaften Transformationsprozesses) vollständige Informationen vorliegen
und Kosten und Nutzen transparent und berechenbar sind.
71 Hinzu kommen Probleme wie die organisierte Kriminalität, Menschenhandel und illegale
Migration, die als eine Bedrohung für Sicherheit und Wohlstand in der EU wahrgenommen
werden.
76
Rückfällen gekennzeichneten Entwicklungen in der Region muss von einer gegenseitigen Verflechtung von Problemlagen ausgegangen werden. Der Wunsch der
regionalen Organisationen, die Region zu stabilisieren, kann zu einer erheblichen
Abschwächung der Asymmetrie zwischen den Ländern Südosteuropas und den internationalen Organisationen führen, die die Wirkung der Konditionalität beeinträchtigen kann.
Es kann daher angenommen werden, dass die Konditionalität in nationalen Kontexten, die von einem fragmentierten oder schwachen politischen Umfeld gekennzeichnet sind, schwächer wirkt. „When political institutions have collapsed – or are
in the process of collapsing – it should come as no surprise that the incentive magic
of conditionality is weakened“ (ebd.). Unter welchen Bedingungen die EU-
Konditionalität im Kontext von schwachen Staaten und schwachen Gesellschaften
wie z.B. in Albanien wirkt, muss daher empirisch untersucht werden.
Viertens: Die drei vorgestellten Ansätze haben sich mit verschiedenen innenpolitischen Wirkungsbedingungen auseinandergesetzt, unter denen externe Einflüsse
einen innenpolitischen Wandel hervorrufen können.72 Vor allem Radaellis Überlegungen zur Implementierung von Politiken ist von besonderer Bedeutung für den zu
untersuchenden Fall. Er stellt die Hypothese auf, dass Anpassungen im Prozess der
Europäisierung schwieriger sind, je mehr mit ihnen Anforderungen an die Umsetzung einer Politik verbunden sind, da in diesem Fall vielfältige Akteure mit unterschiedlichen Interessen involviert sind. Allerdings geht er dabei in erster Linie von
den konsolidierten Demokratien Westeuropas aus und bezieht nicht die Herausforderungen mit ein, die sich in einem Transformationsland bei der Umsetzung von
Politiken zusätzlich stellen. Wendet man seine Überlegung auf die spezifischen
Bedingungen eines „schwachen“ Staates an, geraten verstärkt die Implementierungsdefizite aufgrund fehlender bzw. geringer Umsetzungskapazitäten in den Blick.
Wie sich dieses Problem in Südosteuropa darstellt, muss empirisch überprüft werden.
Fünftens: Innerhalb der vorgestellten Ansätze sind die externen Akteure selbst
nicht Gegenstand einer eingehenden Analyse. Sie erscheinen vielmehr als Black
Box in der Forschung über die externe Unterstützung der Demokratisierung. Zwar
wurden ihre Motivationen, Ziele und Strategien vor allem im Zusammenhang mit
der Unterstützung der Transformationsprozesse in Osteuropa thematisiert ihre Organisationsweise und ihre Leistungen wurden allerdings nicht genau untersucht (vgl.
Schimmelfennig/Sedelmeier 2002).73 Die externen Akteure blieben daher bisher in
ihren eigenen Kapazitäten und ihrer „Leistungsfähigkeit“, die ihre Rolle im Prozess
der Demokratisierung bestimmen, „unterbelichtet“. Leistungsfähigkeit wird hier als
Fähigkeit der externen Akteure betrachtet, die angebotene Hilfe zur Unterstützung
der Demokratisierung auch tatsächlich bereitzustellen. Sie bezieht sich dabei auf das
72 Diese Voraussetzungen beziehen sich u.a. auf die Resonanz westlicher Werte in der Gesellschaft, eine westlich-liberale Orientierung der Elite, das Verhältnis von Staat und Gesellschaft
und die Anpassungskosten der machthabenden Eliten an die internationalen Normen.
73 Ausnahmen bilden die von den internationalen Organisationen selbst in Auftrag gegebenen
Evaluierungsstudien, die ihre Leistungen und Wirkungen beurteilen.
77
Verhältnis des Mitteleinsatzes zu den Leistungen der europäischen Organisationen.74
Hier wird davon ausgegangen, dass die Kapazitäten (u.a. Organisationsweise und
-struktur, Ressourcen) der externen Akteure eine entscheidende Größe für die
Erbringung der Leistungen darstellt. Die Leistungsfähigkeit der externen Akteure
wiederum bestimmt ihre Rolle bei der Unterstützung des Demokratisierungsprozesses.
Probleme bei der Erbringung von Leistungen der externen Akteure können u.a.
auf ihre Organisationsweise zurückgeführt werden. So wird von Vertretern der internationalen Organisationen (und auch in einigen Studien) z.B. die mangelnde Koordination zwischen den internationalen Organisationen beklagt, die zu einer Verdopplung von Unterstützungsleistungen führt (vgl. Uvalic 2003). Von Seiten der
innenpolitischen Akteure wird außerdem die Bürokratie und Inflexibilität der internationalen Organisationen bei der Erbringung ihrer Leistungen kritisiert. Laut Weidenfeld folgt die externe Unterstützung im wesentlichen den Interessen und Zielen
der handelnden externen Akteure (vgl. Weidenfeld 2001). Auch der Umfang und die
Qualität der Unterstützungsmaßnahmen könne seiner Ansicht nach nur in sehr geringem Maße, wenn überhaupt, durch die innenpolitischen Transformationsakteure
beeinflusst werden. Eine wichtige Frage, die sich diese Arbeit stellt, betrifft daher
die „external actor capability“ als Voraussetzung der Förderung von Demokratie von
außen und die Möglichkeiten für ihre Verbesserung.
Sechstens: Die vorgestellten Ansätze untersuchen in erster Linie den Einfluss der
externen Akteure auf die Veränderung des gesamten politischen Systems bzw. auf
das Verhalten der politischen Elite. Damit wird vor allem das Instrument des politischen Dialogs und der (Beitritts- bzw. Assoziierungs-)Verhandlungen der externen
Akteure angesprochen. Die Bedeutung von Demokratisierungsprojekten der externen Akteure für die Institutionalisierung und die Konsolidierung demokratischer
Systeme auf operativer Ebene wurde bisher empirisch wenig untersucht.75 Dem
Instrument der Demokratisierungsprojekte externer Akteure (z.B. Beratung der Regierung, Förderung der Zivilgesellschaft) fällt eine besondere Rolle für die Institutionalisierung und die Konsolidierung demokratischer Systeme zu, da die externen
Akteure durch sie im Sinne von „Positivmaßnahmen“ versuchen, die Demokratisierung aktiv zu unterstützen und voranzutreiben (vgl. Hartmann 1999).
Siebtens: Der Analyse der Strategien, Instrumente und Wirkungen externer Akteure in den unterschiedlichen „Sektoren“ der Demokratisierung (bzw. den „Arenen
der Konsolidierung“) wurde bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Stärker müsste untersucht werden, wie z.B. die Konditionalität in den unterschiedlichen Sektoren
der Demokratisierung wirkt. So betont Peshkopia, dass „rather than considering
74 Die Leistungen der externen Akteure sind Teil des Effizienzkriteriums. Effizienz bezieht sich
auf das Verhältnis von Ressourcen zu Resultaten (vgl. BMZ 2006).
75 Eine Ausnahme bilden Evaluierungen der Demokratisierungsprojekte, die im Auftrag von
internationalen Organisationen, bilateralen Entwicklungsinstitutionen und Stiftungen etc.
durchgeführt wurden (vgl. Mair 1997). Sie nehmen jedoch häufig keinen Bezug auf die theoretischen Diskussionen zur Rolle externer Akteure und ihre Ergebnisse werden wiederum
wenig theoretisch reflektiert.
78
conditionality as a unified policy, we can devide it into separate conditions sent to
separate policy areas of the recipient country“ (Peshkopia 2005: 49).
Erst innerhalb der letzten fünf Jahre wurden im Rahmen der Literatur zur Europäisierung der osteuropäischen EU-Beitrittskandidaten mehr empirische Untersuchungen durchgeführt, die sich mit einzelnen Sektoren befassten. So wurden z.B. Studien
zur Europäisierung der Exekutive und der öffentlichen Verwaltung in Ost- und
Mitteleuropa erstellt (vgl. Dimitrova o.J., Goetz 2001, Schimmelfennig/Sedelmair
2005).76 Dabei stand allerdings vor allem die EU als externer Akteur im Vordergrund.77 Daher ist wenig bekannt über mögliche komparative Stärken oder Schwächen der Unterstützung der externen Akteure in unterschiedlichen „Sektoren“ der
Demokratiehilfe.
2.3. Der Ansatz der Arbeit und das methodische Vorgehen
Ausgehend von der kritischen Auseinandersetzung mit den bestehenden theoretischen Ansätzen wird im Folgenden der Ansatz dieser Arbeit im Detail erläutert und
die Hypothesen entwickelt, die bereits in der Einleitung kurz vorgestellt wurden.
Der Ansatz soll es ermöglichen, die Rolle der drei externen Akteure EU, OSZE und
Europarat in Albanien im Hinblick auf ihren Beitrag zur Demokratisierung im Kontext Südosteuropas zu analysieren:
Erstens wird im Rahmen dieser Arbeit nicht nur das Engagement der EU im Demokratisierungsprozess Albaniens untersucht, sondern die Analyse auf zwei wichtige externe Akteure in Südosteuropa – die OSZE und den Europarat – ausgeweitet.
Das zentrale Anliegen aller drei Organisationen ist die Unterstützung der Demokratisierung in Albanien.78 Alle drei europäischen Organisationen haben entsprechend
ihrer jeweiligen Zielsetzungen und spezifischen Aufgabenbereiche eine bestimmte
Herangehensweise entwickelt, die sich in ihren Strategien der Region und dem Land
gegenüber niederschlägt. Sie verfügen über unterschiedliche Strukturen vor Ort und
sind finanziell und personell verschieden stark ausgestattet.
Zweitens werden sowohl die regionalen als auch die albanienspezifischen Rahmenbedingungen des Handelns der drei europäischen Organisationen (sowie ihr
Handeln in Südosteuropa) analysiert, da davon ausgegangen wird, dass sich die Art
und Intensität des Engagements der externen Akteure nicht unabhängig von dem
regionalen und dem Landeskontext vollzieht. Im Vordergrund stehen die Untersuchung der spezifischen Transformationsprobleme in Südosteuropa, die sich u.a. in
76 So widmete sich u.a. das Sonderheft des Journal of European Public Policy dem Thema
„Executive Governance in Central and Eastern Europe“ (vgl. Goetz 2001).
77 Eine Ausnahme bildet z.B. die Untersuchung von Freise zur externen Demokratieförderung
im Bereich der Zivilgesellschaft in postsozialistischen Transformationsstaaten, die mehrere
externe Akteure mit einbezieht (vgl. Freise 2004).
78 Damit unterscheiden sie sich von anderen internationalen Organisationen, die vor allem den
wirtschaftlichen und sozialen Transformationsprozess unterstützen (IMF, Weltbank, UNDP).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Im Schnittfeld von Transformations- und Integrationsforschung bietet die Arbeit eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Einflussmöglichkeiten europäischer Institutionen auf die Demokratisierung in Südosteuropa. Analysiert wird die Demokratisierungshilfe von EU, OSZE und Europarat am wenig untersuchten Fall des „scheinheiligen Demokratisierers“ Albanien. Scheinheilige Demokratisierer stellen die Demokratisierungsbemühungen europäischer Organisationen in Südosteuropa vor große Herausforderungen. Wegen der prekären Sicherheitslage weisen sie einen erhöhten Stabilisierungsbedarf auf und begrenzten dadurch die Wirkung des Engagements der europäischen Akteure. In Auseinandersetzung mit den Forschungsansätzen der Internationalen Sozialisierung, der Europäisierung und der Konditionalität leistet die Arbeit einen Beitrag zur Debatte über die Rolle externer Akteure und untersucht die Wirkungszusammenhänge zwischen der internationalen und nationalen Dimension der Demokratisierung von Transformationsländern. Die Ergebnisse der Studie werfen einen kritischen Blick auf die EU-Konditionalität und zeigen die Notwendigkeit einer neuen Integrationsstrategie für die Länder Südosteuropas auf.