291
werden könnte. Dies wäre mit dem vorrangigen Befriedigungsinteresse der Gläubiger nicht vereinbar.
Nicht zuletzt spricht für die Möglichkeit einer sekundären Zugrundelegung der
Prämien Sinn und Zweck des Anfechtungsrechts. Da insoweit ohnehin die Entreicherung auf Seiten des Schuldners/Versicherungsnehmers im Vordergrund
steht, kann es nicht unzulässig sein, sekundär doch auf den Entreicherungsgegenstand abzustellen.
Besonders wenn der Versicherungsnehmer die Prämien fortweg entrichtet,
obwohl er diese jederzeit einstellen könnte, wird deutlich, dass er nicht zur zum
Zweck der Erfüllung seiner ihm gegenüber der Versicherungsgesellschaft obliegenden Pflicht leistet, sondern auch zum Zweck der Begünstigung des Bezugsberechtigten1387. Auch wenn grundsätzlich der Versicherungsanspruch den Gegenstand der mittelbaren Zuwendung bildet, kann sekundär dennoch auf die innerhalb des kritischen Zeitraums erbrachten Prämien abgestellt werden.
3. Schlussfolgerung
Die mittelbare und unmittelbare Zuwendung sind gleich zu behandeln. Deshalb
ist – auch unter Berücksichtigung anfechtungsrechtlicher Grundsätze – der Versicherungsanspruch Gegenstand der mittelbaren Zuwendung und des anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs. Bei Ausschluss der Anfechtung wegen
Ablaufs der Anfechtungsfrist können sekundär die innerhalb des kritischen Zeitraums erbrachten Prämien zugrunde gelegt werden.
2. Kapitel:
Vergleich des insolvenz- und außerinsolvenzrechtlichen
Anfechtungsverfahrens mit den erb- und familienrechtlichen Anrechnungsund Ausgleichungsverfahren – Gemeinsamkeiten und Unterschiede
A. Pflichtteilsergänzung und Anfechtungsverfahren
I. Gegenüberstellung
1. Anwendungsbereich / Rechtsfolge
Von der Ergänzungspflicht nach §§ 2325 ff. BGB werden Schenkungen im Sinne
des § 516 BGB erfasst. Das Vorliegen einer mittelbaren Schenkung reicht aus.
Eine Aufweichung dieses engen Schenkungsbegriffs hat der Anwendungsbereich
der §§ 2325 ff. BGB durch die Einbeziehung der sog. »unbenannten Zuwendun-
1387 Thiele, Lebensversicherungen und Nachlassgläubiger, 1963, S. 47.
292
gen« unter Ehegatten erfahren1388, um dadurch die Gefährdung des Pflichtteilsrechts zu verhindern1389. Anders als im Rahmen des Anfechtungsrechts nach lnsO
bzw. AnfG kommt es auf eine Bereicherung auf Seiten des Zuwendungsempfängers an. Die privilegierten Anstands- und Pflichtschenkungen im Sinne des
§ 2330 BGB sind von der Pflichtteilsergänzung ausgenommen.
Der Anwendungsbereich der Anfechtung wegen »unentgeltlicher Leistung« ist
weiter gefasst. Nicht nur die unter den Schenkungsbegriff des § 516 BGB fallenden unentgeltlichen Leistungen, sondern auch solche Zuwendungen, bei denen es
an der Einigung in Bezug auf die Unentgeltlichkeit fehlt, d.h. auch die sog.
»unbenannten Zuwendungen« unter Ehegatten, unterliegen dem Anfechtungstatbestand. Im Rahmen des Anfechtungsrechts steht die gläubigerschädigende Entreicherung auf Seiten des Zuwendenden und nicht die Bereicherung auf Seiten
des Zuwendungsempfängers im Mittelpunkt.
»Privilegierte Zuwendungsgegenstände« kennen die §§ 134 lnsO, 4 AnfG
insoweit, als gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke geringen Werts von der
Anfechtung nicht erfasst werden. Darunter können auch Anstandsschenkungen
fallen, sofern sie die Geringwertigkeitsschwelle nicht überschreiten.
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2325 BGB richtet sich primär
gegen die Erben. Im Gegensatz zu der subsidiären Haftung des Zuwendungsempfängers nach § 2329 BGB der auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den verschenkten Vermögensgegenstand geht, ist der Anspruch aus § 2325 BGB auf Zahlung von Geld gerichtet. Nur wenn es sich um eine Geldschenkung handelt, geht
auch der Anspruch nach § 2329 BGB unmittelbar auf Zahlung. Entsprechendes
gilt, wenn der Schenkungsgegenstand nicht mehr im Vermögen des Zuwendungsempfängers vorhanden ist und dieser gemäß § 818 II BGB nur noch Wertersatz
schuldet. Die Pflichtteilsergänzung führt somit – mit Ausnahme von Geldgeschenken – nicht zur Rückgabe des Geschenks in natura.
Der gutgläubige Zuwendungsempfänger hat die Möglichkeit, sich auf den Einwand der Entreicherung (§ 818 III BGB) zu berufen.
Die Gläubigeranfechtung nach dem AnfG geht grundsätzlich auf Duldung der
Zwangsvollstreckung in den weggegebenen Vermögensgegenstand. Die Insolvenzanfechtung ist hingegen auf tatsächliche Rückführung des anfechtbar Weggegebenen in das Schuldnervermögen durch Rückgabe des Zuwendungsgegenstands in natura gerichtet. Der gutgläubige Zuwendungsempfänger hat die Möglichkeit, sich auf den Wegfall der Bereicherung zu berufen (§§ 143 II 2 InsO, 11
I 2 AnfG, 818 III BGB).
1388 BGHZ 116, 167 ff. (174 f.); Palandt-Edenhofer, § 2325 Rn. 10.
1389 BGHZ 116, 167 ff. (174f.).
293
2. Die Interessenbewertung
Die grundsätzliche Privilegierung der Begünstigten einer der Hinterbliebenenversorgung dienenden Lebensversicherung ist im Rahmen der Pflichtteilsergänzung
nicht ausschlaggebend, weil diese Personengruppe bereits durch die vom Gesetz
bereit gestellten Schutzmechanismen hinreichend geschützt werden.
Im Gegensatz dazu, erfährt diese Personengruppe im Rahmen des Anfechtungsrechts im Vergleich zu den Insolvenz- oder Einzelgläubigern gar keine Besserstellung. Vielmehr besteht ein Vorrang der Befriedigungsinteressen der Gläubiger.
3. Die Fristenregelung
Sowohl die §§ 134 1 InsO, 4 I AnfG, als auch § 2325 III BGB enthalten eine Regelung, wonach nach Ablauf der dort genannten Fristen die Anfechtung bzw. die
Berücksichtigung der Zuwendung im Rahmen der Pflichtteilsergänzung ausgeschlossen ist. Innerhalb der beiden Verfahren wird im Hinblick auf den Zeitpunkt
des Fristbeginns auf denselben Zeitpunkt abgestellt: § 2325 III BGB knüpft an
den Eintritt des Leistungserfolgs1390, §§ 134 InsO, 4 AnfG an den Eintritt der
rechtlichen Wirkungen der anfechtbaren Rechtshandlung (§§ 140 I InsO, 8 I
AnfG) an. Ein Unterschied besteht indes in der Länge der Fristen: bei § 2325
BGB besteht eine 10-Jahresfrist, während §§ 134 InsO, 4 AnfG eine 4-Jahresfrist
normiert.
4. Der Pflichtteilsergänzungsverpflichtete und der Anfechtungsgegner
Schuldner des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist primär der Erbe des Schenkers/ Erblassers (§ 2325 BGB). Ist der Pflichtteilsberechtigte aber alleiniger Erbe
und besteht keine Pflichtteilsergänzungspflicht, weil dadurch der eigene Pflichtteil des Erben beeinträchtigt würde (§ 2328 BGB), oder scheidet die Haftung
nach § 2325 BGB wegen der beschränkten Erbenhaftung aus, ist der Zuwendungsempfänger subsidiär zur Herausgabe des Schenkungsgegenstands nach den
Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet (§ 2329 BGB).
Schuldner des anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs ist der Anfechtungsgegner, d.h. bei §§ 134 InsO, 4 AnfG der Empfänger der »unentgeltlichen
Leistung«. Dies gilt auch bei einer mittelbaren Zuwendung, die dem Empfänger
über einen Vertrag zugunsten Dritter (auf den Todesfall) durch Zwischenschaltung der Versicherungsgesellschaft als Mittelsmann erbracht wird. Im Regelfall
ist in diesem Fall der Bezugsberechtigte/Zuwendungsempfänger zur Rückgewähr
1390 MünchKomm/BGB-Lange, § 2325 Rn. 37.
294
verpflichtet, wenn es sich bei der Zuwendung der Versicherungsleistung für ihn
erkennbar um eine Leistung des Versicherungsnehmers/Schuldners handelt und
das vom Mittelsmann Empfangene endgültig bei ihm verbleiben soll1391.
Nur wenn die Versicherungsgesellschaft als Mittelsperson selbst einen Vorteil
erlangt, kann auch sie auf Rückgewähr in Anspruch genommen werden1392. Das
ist der Fall, wenn der zwischengeschaltete Versicherer nicht nur als »Durchgangsstation« gedient hat, sondern selbst auf Kosten der Insolvenzmasse bzw. auf
Kosten des den Einzelgläubigern haftenden Schuldnervermögens einen Vermögensvorteil erlangt hat1393. Der Versicherer erhält zwar selbst auf Kosten des haftenden Schuldnervermögens einen vermögenswerten Vorteil in Form der Prämien. Diese stellen aber im Deckungsverhältnis keine unentgeltliche Leistung
dar, sondern sind Teil des Synallagmas. Insoweit liegen die Voraussetzungen des
Anfechtungstatbestands nicht vor1394. Aus diesem Grund haftet in diesem Fall nur
der durch die Lebensversicherung Begünstigte, nicht auch die Versicherungsgesellschaft auf Rückgewähr.
5. Der Normzweck
Die Pflichtteilsergänzung soll verhindern, dass der Erblasser durch Schenkungen
an Dritte den Pflichtteilsanspruch aushöhlt bzw. vereitelt1395, indem er seinem
Vermögen Gegenstände entzieht, die ohne eine entsprechende Verfügung zu Lebzeiten in den Nachlass gefallen wären und deren Wert bei der Pflichtteilsberechnung gemäß § 2311 BGB Berücksichtigung gefunden hätte1396. Die beeinträchtigten Pflichtteilsberechtigten sollen so gestellt werden wie sie bei unterlassener
Drittbegünstigung stünden.
Die Anfechtung verfolgt das Ziel, eine vor Verfahrenseröffnung vorgenommene Vermögensschmälerung wieder rückgängig zu machen und die Haftungsmasse wieder um die entzogenen Vermögenswerte zu mehren1397. Der Vermögenswert, der dem haftenden Schuldnervermögen entzogen worden ist, soll wieder dem Zugriff der Gläubiger eröffnet werden1398.
1391 RGZ 35, 26 ff.; 72, 39 ff.; 133, 290 ff. (291 f.); 142, 287 f.; BGH ZIP 1982, 76 ff.; BGH
NJW 1985, 1560 f.; Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 46 Rn. 27.
1392 Gerhardt/Merz, Aktuelle Probleme der Gläubigeranfechtung im Konkurs, 1990, S. 154;
FK-Dauernheim, InsO, § 129 Rn. 32; RGZ 117, 86; Smid-Zeuner, InsO § 129 Rn. 26;
BGH ZIP 1996, 1178 ff. (1180); MünchKomm/InsO-Kirchhof, § 129 Rn. 70.
1393 Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 143 Rn. 43.
1394 Wussow, NJW 1964, 1260.
1395 Kollhosser, AcP 194 (1994), 231 ff. (260); MünchKomm/BGB-Lange, § 2325 Rn. 1.
1396 Natter, ZBlFG 8, S. 303 ff. (309).
1397 Obermüller/Hess, InsO, Rn. 298.
1398 Huber, AnfG, Einf. Rn. 9.
295
6. Der Bewertungsstichtag
Im Rahmen der Pflichtteilsergänzung gilt das Niederstwertprinzip. Bei der Bewertung von ergänzungspflichtigen Lebensversicherungen (verbrauchbare Sache, § 92 BGB) ist grundsätzlich der Wert im Zeitpunkt des Erbfalls, ansonsten
der – niederere – Wert im Zeitpunkt der Schenkung entscheidend (§ 2325 II
BGB). An Werterhöhungen im Hinblick auf die verschenkte Sache, die erst nach
Vollendung der Schenkung eingetreten sind1399, soll der Pflichtteilsberechtigte
nicht partizipieren.
Im Rahmen des Anfechtungsrechts kommt es auf den Wert des Gegenstands im
Zeitpunkt der tatsächlichen Rückgewähr bzw. – bei einem Anfechtungsprozess –
auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz
an1400. Zwischenzeitlich eingetretene Werterhöhungen oder -minderungen, die
aller Wahrscheinlichkeit auch beim Schuldner eingetreten wären, kommen daher
grundsätzlich den Gläubigern zugute.
II. Schlussfolgerung
Die grundlegendste Übereinstimmung zwischen dem Verfahren der Pflichtteilsergänzung und dem insolvenz- und außerinsolvenzrechtlichen Anfechtungsverfahren besteht in dem beinahe identischen Normzweck. In beiden Fällen ist darauf abzustellen, wie der Gläubiger des jeweiligen Anspruchs bei unterlassener
Drittbegünstigung stünde1401. Zudem hat der gutgläubige Zuwendungsempfänger
sowohl bei § 2329 BGB, als auch bei §§ 134 I InsO, 4 AnfG die Möglichkeit, sich
auf den Wegfall der Bereicherung (§ 818 III BGB) zu berufen. Eine weitere Gemeinsamkeit besteht darin, dass die sog. »unbenannten Zuwendungen« in den
Anwendungsbereich beider Verfahren fallen.
Dem stehen jedoch folgende Unterschiede gegenüber:
Das Anfechtungsverfahren hat einen sehr viel weiteren Anwendungsbereich
als die Pflichtteilsergänzung. Der Begriff der »unentgeltlichen Leistung« ist weiter gefasst als der enge Schenkungsbegriff der §§ 2325, 2327, 2329 BGB. Dies
steht im Einklang mit der Tatsache, dass der Tatbestand der Anstands- und
Pflichtschenkung (§ 2330 BGB) einen sehr viel größeren Anwendungsbereich als
das Tatbestandsmerkmal des »gebräuchlichen Gelegenheitsgeschenks geringen
Werts« (§§ 134 II InsO, § 4 II AnfG) hat. Von der Pflichtteilsergänzung werden
folglich eine größere Anzahl sog. »privilegierter Zuwendungsgegenstände« ausgenommen als dies bei der Anfechtung gemäß §§ 134 InsO, 4 AnfG der Fall ist.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Merkmal des »gebräuchlichen Gelegenheitsgeschenks« bewusst um das Merkmal der Geringwertigkeit ergänzt worden
1399 Prot.V, 584.
1400 Gottwald/Huber, Insolvenzrechts-Handbuch, § 52 Rn. 11.
1401 Kollhosser, AcP 194, (1994) 231, 260 f.; Hasse, Lebensversicherung und erbrechtlicher
Ausgleichsanspruch, 2005, S. 19.
296
war, nachdem die Rechtsprechung den Anwendungsbereich aufgrund der weiten
Auslegung des Begriffs sehr weit ausgedehnt hatte1402. Die Ausschlusstatbestände
der §§ 134 II InsO, 4 II AnfG sind daher restriktiv anzuwenden. Die damit verbundene Erweiterung des Anwendungsbereichs der Anfechtung wegen »unentgeltlicher Leistung« versteht sich auch insoweit, als man den vorrangigen Befriedigungsinteressen der Gläubiger nur dann gerecht wird, wenn man von vornherein eine möglichst geringe Zahl an »privilegierten Zuwendungen« der Anfechtung entzieht.
In der unterschiedlichen Interessenbewertung liegt zugleich eine weitere
wesentliche Diskrepanz. Bei der Pflichtteilsergänzung hat derjenige, der im Rahmen einer der Hinterbliebenenversorgung dienenden Lebensversicherung begünstigt wird, eine rechtlich hervorgehobene Position1403. Das genaue Gegenteil trifft
für das Anfechtungsrecht zu. Bei der insolvenz- bzw. außerinsolvenzrechtlichen
Anfechtung sind die Befriedigungsinteressen der Gläubiger im Vergleich zu den
Interessen des Begünstigten als vorrangig zu bewerten.
Auch im Hinblick auf die Fristenregelung bestehen erhebliche Unterschiede.
Zwar knüpfen beide Verfahren an denselben Zeitpunkt – Eintritt der rechtlichen
Wirkung (§§ 140 I InsO, 8 I AnfG) / Eintritt des Leistungserfolgs – an. Dennoch
weicht die Länge der Fristen erheblich voneinander ab, da diese auf der einen
Seite zehn Jahre, auf der anderen Seite 4 Jahre betragen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Insolvenzrechtsreform
die Anfechtungsfrist des § 134 InsO bewusst – auch nicht im Hinblick auf Zuwendungen an Ehegatten – nicht auf über vier Jahre verlängern wollte1404, und dies
obwohl er das Anfechtungsrecht insgesamt verschärfen und die Durchsetzbarkeit
des Anfechtungsanspruchs erleichtern wollte1405. Eine Angleichung an die im
Rahmen des § 2325 BGB geltende 10-Jahresfrist war folglich nicht gewollt.
Nicht vergessen werden darf zudem, dass sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch in erster Linie an den Erben (§ 2325 BGB) und erst in zweiter Linie – subsidiär – an den Zuwendungsempfänger (§ 2329 BGB) richtet, während bei der
insolvenz- und außerinsolvenzrechtlichen Anfechtung gemäß §§ 134 InsO, 4
AnfG stets der Zuwendungsempfänger in Anspruch genommen wird1406.
Auch in der Rechtsfolge unterscheiden sich die beiden Verfahren. Die Anfechtung geht entweder auf tatsächliche Rückgewähr des Vermögensgegenstands
(Insolvenzanfechtung) oder auf Duldung der Zwangsvollstreckung in diesen
Gegenstand (Gläubigeranfechtung)1407, während der ergänzungsberechtigte
1402 FK-Dauernheim, InsO, § 134 Rn. 31.
1403 Wenn dies auch nicht zu einer anderen Bewertung in Bezug auf den ergänzungspflichtigen
Vermögensgegenstand bzw. -wert führt.
1404 Kübler/Prütting/Paulus InsO, § 134 Rn. 1, 34.
1405 Obermüller/Hess, InsO, Rn. 15; Smid-Zeuner, InsO, § 134 Rn. 8.
1406 Mit Ausnahme der Rechtsnachfolger des Zuwendungsempfängers, vgl. §§ 15 AnfG, 145
InsO.
1407 Eine Ausnahme besteht dann, wenn die die Zuwendung in Geld besteht. Dann geht auch
der anfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch unmittelbar auf Zahlung.
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Pflichtteilsberechtigte nie – mit Ausnahme von Geldgeschenken – die tatsächliche Rückgabe des Geschenks erreichen kann.
Eine grundlegende Abweichung besteht in den verschiedenen Bewertungsstichtagen, weil dies unmittelbare Auswirkungen auf die Bewertung des konkreten Vermögensgegenstands hat. Eine Diskrepanz entsteht auch dadurch, dass der
Pflichtteilsberechtigte bei §§ 2325 ff. BGB an Werterhöhungen nicht partizipieren soll1408, während dem Anfechtungsberechtigten die Wertsteigerungen, die
aller Wahrscheinlichkeit nach auch beim Schuldner eingetreten wären, stets
zugute kommen sollen1409.
Aufgrund der Fülle von Gegensätzen ist es nicht möglich, die innerhalb des
Anfechtungsverfahrens getroffenen Wertungen auf das Pflichtteilsergänzungsverfahren zu übertragen. Der nahezu identische Normzweck reicht nicht aus, um
die bestehenden Unterschiede überwinden zu können.
B. Die erbrechtliche Anrechnung gemäß § 2315 BGB und das
Anfechtungsverfahren
I. Gegenüberstellung
1. Anwendungsbereich / Rechtsfolge
Wie auch der Anfechtungstatbestand der §§ 134 InsO, 4 AnfG verlangt die erbrechtliche Anrechnung nicht das Vorliegen einer unter den Schenkungsbegriff des
§ 516 BGB subsumierbaren Zuwendung. Privilegierte Zuwendungsgegenstände,
die von der Anrechnung von vornherein ausgenommen sind, nennt das Gesetz
nicht, weil der Erblasser selbst die Möglichkeit hat, durch entsprechende Anrechnungsbestimmung Einfluss auf die anrechnungsrelevanten Vermögensgegenstände zu nehmen, bzw. anzuordnen, dass eine Anrechnung ganz unterbleiben
soll. Eine dem Anfechtungsrecht entsprechende Geringwertigkeitsgrenze existiert aus diesem Grund nicht.
§ 2315 BGB bewirkt, dass bei der Bestimmung des Pflichtteils des Zuwendungsempfängers der Wert der Zuwendung dem Nachlass hinzugerechnet und
von dem so ermittelten Pflichtteilsanspruch der Wert der Zuwendung abgezogen
wird. Weder gewährt § 2315 BGB einen Anspruch auf Rückgabe des Zuwendungsgegenstands in natura, noch einen Wertersatzanspruch bei Wegfall des empfangenen Vermögensgegenstands.
Der Nachlass wird nicht tatsächlich um diesen Vermögensgegenstand vermehrt. Es handelt sich lediglich um eine fiktive Mehrung des Nachlasses. Die
1408 Dies gilt indes nur für zufällige Wertveränderungen. Wertsteigerungen, die bereits am
Bewertungsstichtag in dem Vermögensgegenstand angelegt sind, werden hiervon nicht
erfasst, vgl. S. 89 f.
1409 Kohler-Gehrig, Der Versicherungsvertrag im Konkurs des Versicherungsnehmers, 1983,
S. 145; FK-Dauernheim, InsO, § 143 Rn. 3.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Mit welchem Wert sind Lebensversicherungen anzusetzen, wenn sie in erb- oder familienrechtlichen Ausgleichungs- oder Anrechnungsregelungen zu berücksichtigen sind: Mit der Versicherungssumme? Mit der Summe der erbrachten Prämienzahlungen? Mit dem Rückkaufswert? In Rechtsprechung und Literatur ist ein einheitliches Vorgehen bislang nicht erkennbar.
Die vorliegende Arbeit untersucht diese Frage auch unter Berücksichtigung der im Jahr 2003 auf dem Gebiet des Insolvenzrechts erfolgten Rechtsprechungsänderung des Bundesgerichtshofes differenziert anhand der Vielzahl an Funktionen, die eine Lebensversicherung erfüllen kann.