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1. Teil:
Anrechnungs- und Ausgleichungsprobleme im Erb- und
Familienrecht bei Lebensversicherungen
1. Kapitel: Anrechnung und Ausgleichung im Pflichtteilsrecht
A. Die Pflichtteilsergänzung nach §§ 2325 ff. BGB
I. Die Problemstellung
Hat der Erblasser eine Lebensversicherung auf sein Leben abgeschlossen und
wird in dem Lebensversicherungsvertrag ein Dritter unentgeltlich begünstigt, ist
für den Pflichtteilsberechtigten aufgrund des in einer Lebensversicherung stekkenden Vermögenswerts von großer Bedeutung, inwieweit er an der Versicherungsleistung im Fall des Todes des Versicherungsnehmers/Erblassers partizipiert.
1. Der Anspruch auf die Versicherungsleistung als Bestandteil des
Nachlasses (§ 2311 BGB)
Hat der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht, so räumt § 2325 BGB
dem Pflichtteilsberechtigten einen Anspruch auf Ergänzung seines Pflichtteils
gegen den Erben ein11. Der Pflichtteilsberechtigte kann als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird (§ 2325 I BGB). Der
Nachlass wird »fiktiv« um den »verschenkten Gegenstand« vergrößert.
Soweit der Pflichtteilsergänzungsberechtigte vom Erben die Ergänzung des
Pflichtteils nicht zu erlangen vermag, kann der Pflichtteilsberechtigte von dem
Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes zum Zwecke der Befriedigung
wegen des fehlenden Betrags nach den Vorschriften über die Herausgabe einer
ungerechtfertigten Bereicherung fordern (§ 2329 I 1 BGB), wobei damit nicht die
unmittelbare Rückgabe des Geschenks erreicht werden kann. § 2329 BGB
gewährt lediglich einen Anspruch auf Wertergänzung des Pflichtteils12.
Die Pflichtteilsergänzungsansprüche bewahren den Pflichtteilsberechtigten
davor, dass der Erblasser die Mindestbeteiligung des Pflichtteilsberechtigten am
Nachlass durch ungerechtfertigte Schenkungen an Dritte aushöhlt.
11 Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, S. 312.
12 Spellenberg, FamRZ 1974, 350 ff. (357).
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Die Durchführung der Pflichtteilsergänzung ist daher nur dann erforderlich,
wenn der Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht von vornherein Bestandteil des Nachlasses wird, mit der Folge, dass dieser der Berechnung des Pflichtteils ohnehin zugrunde gelegt würde (§ 2311 BGB).
Einige Stimmen in der Literatur nehmen an, der Rechtsgrund für die im Verhältnis Versicherungsnehmer – Bezugsberechtigter erfolgende Zuwendung sei
erbrechtlicher Natur13. Es handle sich hierbei um ein Rechtsgeschäft unter Lebenden auf den Todesfall (»donatio mortis causa«), das entweder wie ein Vermächtnis14, oder wie eine Erbeinsetzung15 zu behandeln sei, wobei sich der Erwerb nicht
im Wege der Gesamtrechtsnachfolge, sondern im Wege der Singularsukzession16
vollziehe. Der Anspruch auf die Versicherungssumme werde trotz der Drittbegünstigung Bestandteil des Nachlasses, mit der Folge, dass dieser bereits im Rahmen der Berechnung des ordentlichen Pflichtteils Berücksichtigung fände
(§§ 2303 ff. BGB).
Andere sind der Auffassung, der Versicherungsanspruch werde nur dann nicht
Bestandteil des Nachlasses, wenn der Bezugsberechtigte aus dem Kreis der nahen
Angehörigen des Erblassers/Versicherungsnehmers stamme17. Nur in diesem Fall
könne man das Zurücktreten der Interessen der Nachlassgläubiger rechtfertigen18,
weil diese Personengruppe im Hinblick auf den mit der Lebensversicherung verfolgten Versorgungszweck vor der Haftung für die Nachlassschulden geschützt
werden müsse19 Winter20 und Reinicke/Reinicke21 sprechen insoweit sogar von
einem aufgrund einer hundertjährigen, ständigen Rechtsprechung entwickelten
Gewohnheitsrecht.
Die überwiegende Auffassung in Rechtsprechung22 und Literatur23 ist der Meinung, dass die Bezugsrechtseinräumung ein Rechtsgeschäft unter Lebenden dar-
13 Hoffmann, AcP 158 (1959/1960), 178, 194 ff.; Hager, in: FS Caemmerer, 1978, S. 143;
m.w.N.; Lorenz, in: FS Farny 1994, 335, 348; Hippel, NJW 1966, 867; Finger, Vertrag
zugunsten Dritter auf den Todesfall, 1968, S. 94ff.
14 v. Lübtow, Erbrecht, 1971, S. 1235; Hellwig, Die Verträge auf Leistung an Dritte, 1899,
S. 354; Harder, Zuwendungen unter Lebenden auf den Todesfall, 1968, S. 154 Fn.172
m.w.N.; Zehner, AcP 153, 424 ff. (450) m.w.N.; Hager, in: FS Caemmerer, 1978, S. 129
(Fn.11) mit Bezug auf das gemeine Recht; vgl. auch Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter,
1995, S. 292; für ein Vermächtnis: Sieg, ZVersWiss 1995, 697 ff. (700); für ein Vindikationslegat: Peters, MDR 1995, 660 ff. (665).
15 Finger, JuS 1969, 309ff. (313 0.; ders. Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall, 1968,
S. l22 f., 131; Hoffmann, AcP 158, 178, 198 ff.; Zehner, AcP 153 (1954), 424 ff. (451 ff.).
16 Finger JuS 1969, 309 ff.
17 Sieg, in: FS Klingmüller, S. 455 f.
18 Sieg, in: FS Klingmüller, S. 457.
19 Hager, in: FS Caemmerer, 1978, S. 127 ff. (129).
20 Winter, ZVersWiss 1991, 203 ff. (210).
21 Reinicke/Reinicke, NJW 1959, S. 1053 ff. (1054).
22 BGHZ 13, 232; 32, 47; 46, 198; 130, 377 (380 f.).
23 Medicus, BürgR, Rn. 401; Natter, ZBlFG 8, S. 303, 305, 309; Josef, ArchBürgR 42 (1916),
319 ff. (320, 329); Damrau/Riedel/Lenz, ErbR, § 2325 Rn. 59.
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stelle24 und der Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht in den Nachlass
falle25.
Ein Rechtserwerb des Dritten aufgrund eines Vermächtnisses scheidet bereits
deshalb aus, weil ein Vermächtnis stets mit einem Anspruch gegen den Erben verbunden ist26. Bei der Zuwendung einer Lebensversicherung richtet sich der
Anspruch auf die Versicherungsleistung indes stets gegen den Versicherer.
Gegen die Qualifizierung als dingliches Vermächtnis oder als Erwerb im Wege
einer Singularsukzession spricht, dass dem BGB das Rechtsinstitut eines Vindikationslegats sowie der Rechtserwerb in Form einer Sondererbfolge fremd sind27.
Auch der Auffassung, die den vom Nachlass getrennten Erwerb vom unterhaltsrechtlichen Verhältnis des Bezugsberechtigten vom Versicherungsnehmer
abhängig macht, kann nicht gefolgt werden, da hierfür im Gesetz keinerlei
Anhaltspunkte zu finden sind.
Die Begünstigung eines Dritten im Rahmen einer Lebensversicherung stellt
vielmehr einen Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall dar (§§ 328, 331
BGB). Dies wird bei Vorliegen eines unwiderruflichen Bezugsrechts besonders
daran deutlich, dass der Begünstigte in diesem Fall noch zu Lebzeiten des Versicherungsnehmers sofort mit Wirksamwerden der Bezugsrechtseinräumung (§ 13
II ALB 86) Inhaber des Versicherungsanspruchs wird28. Dasselbe gilt auch im Fall
des Vorliegens eines widerruflichen Bezugsrechts. Zwar realisieren sich die Wirkungen dieses Rechtsgeschäfts erst mit dem Tod des Zuwendenden. Die Bezugsrechtseinräumung bewirkt jedoch, dass der Inhalt des Anspruchs noch zu Lebzeiten des Erblassers/Versicherungsnehmers in Richtung auf den Bezugsberechtigten geändert wird, was wiederum dazu führt, dass die Versicherungsforderung
von dem sonstigen Vermögen des Versicherungsnehmers, das Bestandteil des
Nachlasses wird, getrennt wird29. Der vom Nachlass getrennte Erwerb hat zwar
den Nachteil, dass auf diese Weise Vermögensbestandteile im Todesfall unter
Ausschaltung des Erbrechts an Dritte am Nachlass vorbei übertragen werden können. Aus § 331 BGB und § 160 II 2 VVG ergibt sich aber, dass ein Vertrag zugunsten Dritter ohne Bindung an erbrechtliche Vorschriften zulässig ist30. Insbesondere § 160 II 2 VVG macht deutlich, dass der Erwerb aufgrund einer Verfügung
von Todes wegen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 1922 BGB und
24 RGZ 32, 44, 47; 80, 175, 177; BGHZ 7, 134, 142; 13, 226, 232; 32, 44, 47; 130, 377, 380
f.; 156, 350 ff. = NJW 2004, 214 ff. = ZIP 2003, 2307 ff. = VersR 2004, 93 ff.; Elfring,
ZEV 2004, S. 305 ff. (306); ders. NJW 2004, 483; Staudinger/Jagmann (2004) § 330 Rn. 7;
Staudinger/Kanzleiter, (1998), § 2301 Rn. 49; Peters, MDR 1995, S. 660.
25 Fuchs JuS 1989, 180; Damrau/Riedel/Lenz, Erbrecht, § 2325 Rn.59; Heilmann, VersR
1972, 997 ff. (1000); Natter, ZBlFG 8, S.303; Josef, ArchBürgR 42 (1916), 319 ff. (320,
329); Römer, VVG, § 166 Rn.22; siehe bereits RGZ 1, 188 (unter Geltung des Allgemeinen
Preußischen Landrechts).
26 Damrau, JurA 1970, 729.
27 Olzen, Jura 1987, 16 ff. (24); so auch Hasse, Interessenkonflikte, 1981, S. 161.
28 Prölss/Martin-Kollhosser, VVG, § 166 Rn. 7; Römer, VVG, § 166 Rn. 11.
29 Elfring, ZEV 2004, S. 306; siehe auch Josef, ArchBürgR 42 (1916), 319 ff. (321 Fn. 2).
30 Fuchs, JuS 1989, 179 ff. (180).
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der Erwerb des Anspruchs auf die Versicherungssumme auf schuldrechtlicher
Grundlage und damit auf verschiedenen Erwerbswegen von statten geht31. Die
Ausschlagung der Erbschaft kann auf das Bezugsrecht nur dann keine Auswirkung haben (§ 160 II VVG), wenn der Anspruch auf die Versicherungsleistung
nicht in den Nachlass des Versicherungsnehmers fällt. Das bedeutet, der Erbe, der
zugleich Bezugsberechtigter ist, erwirbt die Versicherungsleistung nicht kraft
Erbrechts, sondern aufgrund des Lebensversicherungsvertrags32. Entscheidet sich
der bezugsberechtigte Erbe wegen überschuldetem Nachlass für die Ausschlagung soll ihm aus Gründen der Hinterbliebenenversorgung zumindest die Versicherungssumme erhalten bleiben. Dies wäre indes nicht gewährleistet, wenn der
Versicherungsanspruch zunächst in den Nachlass des Versicherungsnehmers fiele
und dem Zugriff dessen Nachlassgläubigern offen stünde33.
Der Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall (§§ 330, 331 BGB) stellt eine
neben der Verfügung von Todes wegen zulässige Gestaltungsmöglichkeit des
Erblassers dar, Vermögenswerte durch Rechtsgeschäft unter Lebenden außerhalb
des Erbrechts weiterzugeben34. Der durch den Vertrag zugunsten Dritter Begünstigte kann den Anspruch auf die Versicherungssumme auch ohne Beachtung der
Formvorschriften des § 2301 BGB erwerben, selbst wenn sich der Rechtserwerb
erst nach dem Tod des Versprechensempfängers vollzieht35. Bei den Vorschriften
über den Vertrag zugunsten Dritter (auf den Todesfall) sowie über die Lebensversicherung (§§ 150 ff. VVG) handelt es sich um Spezialvorschriften, die § 2301
BGB insoweit verdrängen36.
Diese Ansicht steht in Übereinstimmung mit dem gesetzgeberischen Willen.
So kam im Rahmen der Beratungen der 2. Kommission zu der Frage, ob eine
Bestimmung wie der jetzige § 332 BGB aufgenommen werden solle, die Besorgnis auf, es »könne das Missverständnis entstehen, [...], dass die Nachlassgläubiger berechtigt seien, sich an die Versicherungssumme als einen Bestandteil der
Nachlassmasse zu halten«37. Auch bei der Entstehung des § 160 VVG wurde
davon ausgegangen, dass der Wille des Versicherungsnehmers, der einem Dritten
ein Bezugsrecht eingeräumt hat, im Zweifel darin bestehe, dass die Versicherungsforderung nicht Bestandteil seines Nachlasses werde38.
Dies gilt indes für jede Lebensversicherung zugunsten Dritter und nicht nur
zugunsten der Bezugsberechtigten, die zum Kreis der nahen Angehörigen des
31 Staudinger-Olshausen (1998), § 2325 Rn. 37.
32 Natter, ZBIFG 8, S. 3 03.
33 Petersen, AcP 204 (2004), 837.
34 Damrau, JurA 1970, 727; Palandt-Edenhofer, § 2301 Rn. 17.
35 RGZ 80, 175; 88, 137; siehe auch die Bedenken in RGZ 98, 279; wieder aufgegeben RGZ
166, 1. Bestätigt von BGH NJW 1965, 1913; BGHZ 41, 95; 46, 198; 66, 8; BGH NJW
1970, 1181; BGH NJW 1975, 1360; so auch Hager, in: FS Caemmerer, 1978. S.135.
36 Petersen, AcP 204 (2004), 835; Medicus, BürgR, Rn. 400.
37 Mugdan, Materialien zum BGB, Band 2, S. 709.
38 Dem Versicherungsnehmer wird aufgrund des ihm unterstellten Fürsorgegedankens daran
gelegen sein, dem Bezugsberechtigten die Versicherungssumme ungeschmälert – auch bei
verschuldetem Nachlass – zukommen zu lassen (Natter, ZBIFG 8, S. 303).
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Versicherungsnehmers Erblassers gehören. Andernfalls bedürfte es stets einer
schwierigen Auslegung und Abgrenzung zwischen der wirtschaftlichen Funktion
der Lebensversicherung als Kreditmittel oder Sparanlage und der fürsorgerischen
Funktion der Lebensversicherung als Mittel zur Hinterbliebenenversorgung nach
dem Tod des Versicherungsnehmers39. Da besonders im Hinblick auf gemischte
Lebensversicherungen mit geteiltem Bezugsrecht40 bzw. bei sonstigen Kombinationslebensversicherungen mit mehreren Funktionen eine eindeutige Zweckbestimmung nicht möglich ist, wäre ein Streit zwischen Bezugsberechtigtem und
Gläubigern des Versicherungsnehmers vorprogrammiert. Bei der Zuordnung
könnte auch nicht die Wahl der Auszahlungsart – Auszahlung einer Kapitalsumme oder regelmäßige Rentenzahlungen – helfen, weil dem Versicherungsnehmer / Erblasser ansonsten Tür und Tor für Missbrauch und Manipulation geöffnet
wäre. Andernfalls könnte der Versicherungsnehmer seinen Gläubigern allein
durch die »richtige« Vertragsgestaltung den Zugriff auf die Versicherungssumme
entziehen41, Im Hinblick auf die Rechtssicherheit ist eine Abgrenzung nach den
Funktionen der Lebensversicherung daher abzulehnen.
Auch die Interessen der Gläubiger des Versicherungsnehmers führen zu keiner
anderen Bewertung. Diese werden durch die Anfechtungsmöglichkeiten gemäß
§§ 134 InsO, 4 AnfG in Bezug auf nachlassschmälernde Schenkungen an Dritte
hinreichend geschützt42.
Die obigen Ausführungen gelten indes nur dann, wenn der Versicherungsnehmer einen Dritten als Bezugsberechtigten der Lebensversicherung eingesetzt hat.
Hat der Versicherungsnehmer einen Lebensversicherungsvertrag zum Zweck der
eigenen Altersversorgung oder zum Zweck der Kapitalanlage zu eigenen Gunsten
abgeschlossen43, so fällt der Anspruch auf die Versicherungssumme, wenn der
Versicherungsnehmer vor dem Fälligkeitstermin stirbt, in dessen Nachlass44.
Anspruchsberechtigt sind dann die Erben des Versicherungsnehmers. Das gilt
auch für den Fall einer gemischten Lebensversicherung mit geteiltem Bezugsrecht, bei dem mit Eintritt eines bestimmten Ablauftermins der Versicherungsnehmer selbst in den Genuss der Versicherungssumme kommt. Stirbt der Versi-
39 Petersen, AcP 204 (2004), 841 f.; dagegen: Klingelhöffer, ZEV 1995, 180ff. (181); vgl.
auch Differenzierung bei Klingelhöffer, ZEV 1995, 180 ff. (181).
40 Gemeint sind die gemischten Lebensversicherungen, bei denen der Versicherungsnehmer
im Erlebensfall, der Bezugsberechtigte im Todesfall begünstigt sein soll.
41 Vgl. Petersen, AcP 204 (2004), 843, der insoweit von einem indirekten Vertrag zu Lasten
Dritter spricht.
42 Petersen, AcP 204 (2004), 840.
43 Winter, ZVersWiss 1991, 203 ff. (205): um einen Geldbetrag steuergünstig anzulegen und
anzusparen. Klingelhöffer, ZEV 1995, 180 ff. (181): z.B. Ratensparvertrag gekoppelt mit
einer Risikolebensversicherung, bei der die Versicherungsleistung darin besteht, dass die
Versicherungsgesellschaft bei Eintritt des Versicherungsfalls die noch fehlenden Sparraten
auffüllt.
44 BGHZ 32, 44; Prölss/Martin-Kollhosser, VVG, § 167 Rn. 9; Damrau/Riedel/Lenz, ErbR,
§ 2325 Rn. 60.
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cherungsnehmer kurz nach Eintritt des Erlebensfalls, fällt das Erworbene in seinen Nachlass45.
Dasselbe gilt, wenn der Versicherungsnehmer einem Dritten das Bezugsrecht
an der Lebensversicherung widerruflich46 eingeräumt hat, die Versicherungsforderung aber vor Eintritt des Versicherungsfalls zur Sicherung einer Forderung an
einen Kreditgeber abtritt (kreditsichernde Lebensversicherung)47. Nimmt der
Versicherungsnehmer eine solche Sicherungsabtretung vor, so liegt darin ein eingeschränkter Widerruf des Bezugsrechts in dem Sinn, dass der Dritte, soweit der
Sicherungszweck dies erfordert, im Rang hinter den Kreditgeber zurücktritt48.
Soweit es der Sicherungszweck nicht erfordert49, bleibt der Dritte bezugsberechtigt und erwirbt außerhalb des Nachlasses50. Tritt der Sicherungsfall ein und wird
die Versicherungsleistung zur Schuldentilgung herangezogen, fällt die Versicherungsforderung in den Nachlass51.
Im Rahmen der Berechnung des Pflichtteils gemäß § 2311 BGB findet dann
nicht nur der Wert der Versicherungsforderung als Aktivposten, sondern auch die
Verpflichtung gegenüber dem Kreditgeber als Passivposten Berücksichtigung52.
Der von KIingelhöffer53 geltend gemachte Einwand, die Trennung des Erwerbs
der Versicherungssumme aufgrund Vertrags zugunsten Dritter und des Übergangs
von (mit dem Versicherungsanspruch gesicherten) Schulden des Erblassers im
45 Klingelhöffer, ZEV 1995, 180.
46 Bei einem unwiderruflichen Bezugsrecht verliert der Versicherungsnehmer mit Abgabe
der Begünstigungserklärung seine Verfügungsmacht über die Forderung. Er kann sie daher
nicht mehr verpfänden, anderweitig wirtschaftlich nutzen, insbesondere nicht mehr an
einen Kreditgeber sicherheitshalber abtreten (Prölss/Martin-Kollhosser, VVG, § 13 ALB
86 Rn. 50; BGHZ 45, 168).
47 Winter, ZVersWiss 1991, 203 ff. (205); Klingelhöffer, ZEV 1995, 180.
48 BGHZ 109, 67; BGH NVersZ 2002, 306 = VersR 2002, 218; BGH NVersZ 2001, 352
= VersR 2001,883; OLG Düsseldorf FamRZ 1998, 121; Mayer, DNotZ 2000, 924; Damrau/Riedel/Lenz, ErbR, § 2325 Rn. 61; Prölss/Martin-Kollhosser, VVG, § 13 ALB 86
Rn. 52: der Wille des Versicherungsnehmers geht i.d.R. dahin, das Bezugsrecht des Dritten
nur insoweit zu beseitigen, als es der Sicherungszweck erfordert.
49 Der ursprünglich Bezugsberechtigte rückt nach Erledigung des Sicherungszwecks wieder
auf den ersten Rang (Prölss/Martin-Kollhosser, VVG, § 13 ALB 86 Rn. 52). Mit Eintritt
des Sicherungsfalls fällt die Versicherungssumme dem Kreditgeber zu, der damit die
Schulden des Versicherungsnehmers tilgt. Der nicht benötigte Mehrbetrag wird an den
Bezugsberechtigten ausbezahlt (Klingelhöffer, ZEV 1995, 180 ff. (181).
50 Mayer, DNotZ 2000, 924; Damrau/Riedel/Lenz, ErbR, § 2325 Rn. 61.
51 Damrau/Riedel/Lenz, § 2325 Rn. 61; Römer, VVG, § 166 Rn. 23; BGH VersR 1996, 877;
Kummer, ZEV 1996, 263; Mayer, DNotZ 2000, S. 924.
52 BGH NJW 1996, 2230 = ZEV 1996, 263; OLG Düsseldorf FamRZ 1998, 121; Prölss/Martin-Kollhosser, VVG,§ 13 ALB 86 Rn. 58.
53 Klingelhöffer, ZEV 1995, 180 ff. Klingelhöffer geht davon aus, dass die sicherheitshalber
abgetretene Versicherungsforderung vom Sicherungsnehmer außerhalb des Nachlasses
erworben werde. Es sei unbillig, wenn sich der Pflichtteilsberechtigte im Rahmen des
§ 2311 BGB die Schulden des Erblassers/Versicherungsnehmers entgegenhalten lassen
müsse, obwohl diese mit Eintritt des Versicherungsfalls bereits mit der Versicherungssumme getilgt worden seien.
31
Wege der Gesamtrechtsnachfolge führe zu unbefriedigenden Ergebnissen, weil
am Stichtag zwar die Schulden als Passivposten, nicht aber auch die Versicherungssumme als Aktivposten im Rahmen des § 2311 BGB zugrunde gelegt würden, greift daher nicht.
Die Tatsache, dass die Versicherungsleistung unter den genannten Voraussetzungen nicht Bestandteil des Nachlasses wird, birgt jedoch die Gefahr in sich,
dass der Erblasser/Versicherungsnehmer seinen Nachlass zu Lasten der Pflichtteilsberechtigten schmälert, indem er sein Vermögen in Lebensversicherungen
anlegt, die zu Gunsten Dritter abgeschlossen worden sind. Die Pflichtteilsberechtigten könne an der Versicherungsleistung dann nur noch im Rahmen der Pflichtteilsergänzung gemäß §§ 2325, 2329 BGB partizipieren.
2. Erforderlichkeit der Pflichtteilsergänzung nach §§ 2325 ff. BGB
Die Durchführung der Pflichtteilsergänzung nach §§ 2325 ff. BGB wäre trotz des
nachlassfreien Erwerbs der Versicherungsforderung dann entbehrlich, wenn der
in der Lebensversicherung steckende Vermögenswert auf andere Weise zum
Nachlass »gezogen« werden könnte. Dies wäre der Fall, wenn die Erben gegen
den Bezugsberechtigten einen Kondiktionsanspruch auf »Rück-«abtretung des
Versicherungsanspruchs bzw. auf Rückzahlung der Versicherungssumme geltend
machen könnten. Voraussetzung hierfür ist, dass der Bezugsberechtigte den Anspruch bzw. die Versicherungssumme ohne Rechtsgrund erworben hat.
Die Pflichtteilsergänzung erfordert zunächst, dass im Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und bezugsberechtigtem Dritten (Valutaverhältnis) eine wirksame Schenkung vorliegt54. Davon hängt ab, ob der Bezugsberechtigte die Versicherungsleistung kondiktionsfest erwirbt.
Eine wirksame Schenkung in diesem Sinne bedarf einer Einigung über die
Unentgeltlichkeit des Erwerbs (subjektives Element der Schenkung). Nur im Fall
der unbenannten Zuwendung zwischen Eheleuten, die der ehelichen Lebensgemeinschaft dient und im Vertrauen auf den Fortbestand der Ehe erbracht wird, ist
die objektive Unentgeltlichkeit ausreichend, da auf diese Weise die Umgehung
erbrechtlicher Schutzvorschriften verhindert wird55.
Liegt vor Eintritt des Versicherungsfalls eine bereits zu Lebzeiten des Erblassers vereinbarte – wenn auch formnichtige – Schenkungsabrede vor, so wird dieser Formmangel mit Eintritt des Versicherungsfalls aufgrund des unmittelbaren
Erwerbs aufgrund Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall (§§ 328 I, 331
BGB) gemäß § 518 II BGB geheilt56.
Nicht selten kommt es aber vor, dass der Versicherungsnehmer/Erblasser den
Dritten von der Einsetzung als Bezugsberechtigten bis zum Eintritt des Versiche-
54 Mayer, DNotZ 2000, 926.
55 BGHZ 116, 167 (174); Kollhosser, NJW 1994, 2313 (2316); Palandt-Edenhofer, § 2325
Rn. 15.
56 Olzen, Jura 1987, 16 ff(23); Römer, VVG, § 166 Rn. 12.
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rungsfalls noch nicht in Kenntnis gesetzt hat. Dann fehlt es bei Eintritt des Versicherungsfalls an der für die Schenkung erforderlichen Einigung zwischen Versicherungsnehmer und Dritten. Eine solche Einigung kann dann nur noch nach
Eintritt des Versicherungsfalls, und zwar durch Einschaltung eines Mittlers,
zustande kommen (»postmortale Einigung«)57. Mit Abschluss des Lebensversicherungsvertrags zugunsten Dritter gibt der Versicherungsnehmer ein Schenkungsangebot ab58. Zugleich wird der Versicherer beauftragt, das Schenkungsangebot nach Eintritt des Versicherungsfalls an den Bezugsberechtigten zu übermitteln. Die Versicherungsgesellschaft wird Erklärungsbotin des Versicherungsnehmers59. Bei einer widerruflichen Bezugsberechtigung ist dieses Schenkungsangebot insoweit beschränkt, dass es durch Unterlassen des Widerrufs der Bezugsberechtigung bedingt und durch das Erleben des Versicherungsfalls befristet ist60.
Dieses zugangs- und annahmefähige Angebot (§§ 130 II, 153 BGB) geht dem
Dritten mit dessen Kenntnisnahme zu. Der Bezugsberechtigte nimmt dieses
Angebot konkludent mit seinem Auszahlungsverlangen an61. Der Zugang dieser
Annahmeerklärung wird nach allgemeiner Lebenserfahrung nach § 151 BGB für
entbehrlich gehalten62. Im Moment des Auszahlungsverlangens wird der Formmangel gemäß § 518 II BGB geheilt.
Zu beachten ist jedoch, dass durch einen Widerruf des Schenkungsangebots
(§ 130 I 1 BGB) bzw. durch Widerruf der Vollmacht (§§ 168 S.2, S.3, 167 I BGB)
oder des Auftrags der beauftragten Versicherungsgesellschaft (§§ 168 S.1, 667 I
BGB) erreicht werden kann, dass der Dritte ohne Rechtsgrund erwirbt63. Fehlt es
dann an einer wirksamen Schenkungsabrede und damit am Rechtsgrund, so haben
die Erben des Versicherungsnehmers bzw., im Fall eines unwiderruflichen
Bezugsrechts, (zu dessen Lebzeiten) auch der Versicherungsnehmer selbst einen
Kondiktionsanspruch gegen den Bezugsberechtigten, der auf »Rück-«abtretung
des Anspruchs auf die Versicherungsleistung bzw. auf »Rück-«zahlung der Versicherungssumme gerichtet ist. Da dieser Kondiktionsanspruch dann in das Ver-
57 Teilweise wird auch vertreten, der Versicherungsnehmer schließe eine Schenkungsvereinbarung als Vertreter ohne Vertretungsmacht im Namen des Begünstigten mit sich selbst
ab. Genehmige der Begünstigte dann nach dem Tod des Versicherungsnehmers mit Wirkung ex tunc, werde die Schenkungsvereinbarung rückwirkend wirksam. Dies habe zur
Folge, dass die Erben keine Möglichkeit des Widerrufs mehr haben (Hager, in: FS Caemmerer, 1978, S. 137).
58 RGZ 128, 187; BGHZ 13, 232; 32, 47; 46, 198; 130, 377 (380 f.).
59 Olzen, Jura 1987, 16 ff. (23).
60 RGZ 128, 187ff (190).
61 BGHZ 46, 198 ff.; BGH NJW 1984, 481.
62 RGZ 128, 187 ff. (189); BGHZ 13, 232; 32, 47; 46, 198; 130, 377 ff. (380 f.).
63 Die Erben können das Schenkungsangebot des Erblassers und den Übermittlungsauftrag
an die Versicherungsgesellschaft widerrufen, solange das Schenkungsangebot dem Dritten
noch nicht zugegangen ist. Das hat zur Folge, dass der Dritte den Anspruch auf die Versicherungssumme ohne Rechtsgrund erwirbt und die Erben des Versicherungsnehmers
gemäß § 812 I 1 BGB die Abtretung des Anspruchs bzw. die Rückzahlung der bereits ausgeschütteten Versicherungssumme an sich verlangen können. So schon BGH NJW 1975,
382.
33
mögen des Versicherungsnehmers bzw. in dessen Nachlass fällt, muss der Pflichtteilsberechtigte nicht auf die Pflichtteilsergänzung zurückgreifen, sondern partizipiert über seinen ordentlichen Pflichtteil am Wert der Versicherungsleistung.
3. Der ergänzungspflichtige Vermögensgegenstand
Da der Pflichtteilsberechtigte ein Interesse an einem möglichst hohen Pflichtteil
hat, wird ihm daran gelegen sein, dass die volle Versicherungssumme bzw. der
Anspruch auf die volle Versicherungssumme im Rahmen der Pflichtteilsergänzung angesetzt wird. Die Frage des ergänzungspflichtigen Vermögensgegenstands bei der Zuwendung eines Bezugsrechts aus einer Lebensversicherung ist
indes heftig umstritten. Vertreten wird auch, dass bei der Pflichtteilsergänzung
der Rückkaufswert64 oder die Prämienleistungen zugrunde zu legen seien65. Hierbei ist zu beachten, dass der Rückkaufswert nur einen Teil der Versicherungssumme ausmacht66 und nach längerer Vertragsdauer betragsmäßig im Wert hinter
die gezahlten Prämien zurücktritt67.
Vergessen werden darf in diesem Zusammenhang nicht, dass vor Inkrafttreten
der Regelungen des VVG 2008 der Rückkaufswert aufgrund des sog. Zillme-
64 OLG Colmar LZ 1913, 876, 878; Frey, Lebensversicherung und Nachlassinteressen, 1996,
128 ff.
65 BGHZ 7, 134, 143; 130, 377, 380; BGH FamRZ 1976, 616 f.; BGH VersR 1987, 659 ff.
(661); Palandt-Edenhofer, § 2325, Rn. 12; MünchKomm/BGB-Musielak, § 2301 Rn. 43;
Reimann in: Dittmann/Reimann/Bengel, § 2301 Rn. 6; Staudinger-Kanzleiter (1998)
§ 2301 Rn. 49; MünchKomm/BGB-Lange, § 2325 Rn. 17; MünchKomm/BGB-Gottwald,
§ 330 Rn. 21; Staudinger-Jagmann (2004), § 330 Rn. 29; Hager, in: FS Caemmerer, 1978,
5.135 Fn. 29; Damrau, JurA 1970, 716 ff. (731 f.).
66 Wird das Versicherungsverhältnis vorzeitig durch Kündigung (§§ 38 III, 168 VVG), durch
Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung (§ 165 VVG) oder Rücktritt beendet, ist
der Versicherer verpflichtet, das mit dem Sparanteil der jeweiligen Prämien angesparte
Deckungskapital (Prämienreserve) abzüglich eines Abzugs (§ 168 V VVG) an den Versicherungsnehmer bzw. den unwiderruflich Bezugsberechtigten zurückzuführen. Die Umwandlung bewirkt, dass an die Stelle des bisher vereinbarten Versicherungssumme eine
gekürzte Versicherungssumme tritt, die sich ergeben würde, wenn man das Deckungskapital – unter Berücksichtigung eines Abzugs wegen der mit der Umwandlung verbundenen Aufwendungen und Verluste – als einmalige Prämie für eine mit der Umwandlung
beginnende Versicherung auf das Leben der Gefahrsperson bezahlt hätte. Anders als der
Anspruch auf den Rückkaufswert, der bei vorzeitiger Beendigung des Versicherungsvertrags durch Kündigung gemäß § 168 VVG sofort fällig wird, wird der Anspruch auf die
(geringere) Versicherungssumme bei Umwandlung erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalls fällig; vgl. Kohler-Gehrig, 1983, S. 97.
67 Frey, Lebensversicherung und Nachlassinteressen, 1996, S. 130.
34
rungsverfahrens68 erst nach Ablauf einiger Vertragsjahre entstand69. Dies hatte zur
Folge, dass eine auf 35 Jahre abgeschlossene Lebensversicherung erst nach einem
Ablauf von 20 Jahren den Betrag erreichte, der sich aus der Addition der bis dahin
geleisteten und unverzinsten Prämienzahlungen ergab70. Infolge der Entscheidungen des Bundesgerichtshofes71 und des Bundesverfassungsgerichts72 im Rahmen
der am 01.01.2008 in Kraft getretenen VVG 2008 hat sich die Position des Versicherungsnehmers erheblich verbessert. Gemäß § 169 III 1 VVG bemisst sich
der Rückkaufswert nun nicht mehr nach dem Zeitwert sondern nach dem – im
Vergleich zum Zeitwert in der Regel höheren – Deckungskapital der Versicherung, mit der Folge, dass der Versicherungsnehmer zumindest einen Bruchteil der
von ihm eingezahlten Prämien zurück bekommt73.
Je nachdem, welcher Wert nun im Rahmen der Pflichtteilsergänzung Berücksichtigung findet, desto höher bzw. niedriger fällt der Pflichtteil des Pflichtteilsberechtigten aus. Aber auch für die Erben des Erblassers/Versicherungsnehmers,
gegen die sich der Anspruch aus § 2325 BGB richtet, ist von Bedeutung, was als
Zuwendungsgegenstand anzusehen ist. Ihnen selbst kommt – sofern sie nicht
selbst bezugsberechtigt sind – die Versicherungssumme nicht zugute. Sie müssen
aber dem Pflichtteilsberechtigten aus ihrem Vermögen74 den Betrag ausbezahlen,
um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der Zuwendungsgegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird. Folglich haben auch sie, ebenso wie der Beschenkte
selbst, der sich unter den Voraussetzungen des § 2329 BGB einer Pflichtteilsergänzung ausgesetzt sieht, ein Interesse daran, dass die Pflichtteilsergänzung möglichst gering ausfällt.
Nicht zuletzt können auch die Interessen des Pflichtteilsberechtigten selbst
berührt sein. Ist der Pflichtteilsergänzungsberechtigte vom Erblasser nämlich
selbst als Bezugsberechtigter einer Lebensversicherung eingesetzt worden, so
bestimmt § 2327 BGB, dass das Geschenk an den Pflichtteilsergänzungsberech-
68 Das Zillmerungsverfahren dient der Tilgung des Anspruchs des Versicherers auf die bereits
mit Abschluss des Versicherungsvertrags entstehenden Abschlusskosten. Dabei wurden
die ersten in den Prämienzahlungen enthaltenen Sparanteile zur Tilgung der Abschlusskosten verwandt. Erst wenn diese Kosten vollständig getilgt waren – d.h. erst nach 2-3 Jahren – wurde mit den in den Prämien enthaltenen Sparanteilen ein Deckungskapital aufgebaut, mit der Folge, dass erst dann auch Überschüsse anfielen. Da sich die Höhe des Rückkaufswerts an dem Deckungskapital orientierte, führte die sog. Zillmerung dazu, dass erst
nach einigen Jahren ein Rückkaufswert entsteht. Die Versicherungsnehmer waren daher
in den ersten Jahren faktisch daran gehindert, sich vorzeitig von dem Vertrag zu lösen, weil
sie ansonsten erhebliche finanzielle Verluste hinzunehmen hatten, vgl. BK-Schwintowski,
VVG, Vorbem. §§ 159-178, Rn. 68.
69 Elfring, NJW 2005, 3677.
70 Soergel/Lange, § 1376 Rn. 11.
71 BGH VersR 2005, 1670 NJW 2005, 3559 ff.
72 BVerfG NJW 2005, 2376 ff.; BVerfG NJW 2005, 2363 ff.
73 Einiko, Der Versicherungsvertrag im neuen Gewand, VersR 2008, 298 ff.
74 Der Pflichtteilsergänzungsanspruch des § 2325 BGB stellt eine Nachlassverbindlichkeit
(§ 1967 II BGB) dar. Erfolgt eine erbrechtliche Haftungsbeschränkung, haftet nur noch
der Nachlass. Andernfalls haftet auch das Privatvermögen der Erben.
35
tigen in gleicher Weise wie das einem Dritten gemachte Geschenk dem Nachlass
hinzuzurechnen und zugleich dem Pflichtteilsberechtigten auf die Ergänzung
anzurechnen ist. In diesem Fall wird der Pflichtteilsberechtigte ein Interesse
daran haben, dass sein Eigengeschenk auf seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch
nur mit einem geringen Wert angerechnet wird, da sich ansonsten sein Pflichtteil
verringert.
In Anbetracht dieser unterschiedlichen Interessen ist die Frage des ergänzungspflichtigen Zuwendungsgegenstands bei einer Bezugsrechtseinräumung zugunsten Dritter von großer Bedeutung.
II. Streitstand75
1. Versicherungssumme / Anspruch auf die Versicherungssumme
Einige legen im Rahmen der Pflichtteilsergänzung den Wert der Versicherungsleistung zugrunde, wobei Uneinigkeit darüber herrscht, ob auf die Versicherungssumme76 oder auf den Anspruch auf die Versicherungssumme abzustellen ist.
Einigkeit besteht jedoch darin, dass mit Zugrundelegung der Versicherungsleistung dem Schutzzweck der Pflichtteilsergänzung am besten Rechnung getragen
werde. Der Schutzzweck bestehe nämlich darin, die Aushöhlung des Pflichtteilsrechts durch lebzeitige Rechtsgeschäfte des Erblassers zu verhindern77. Der
Pflichtteilsberechtigte könne verlangen, so gestellt zu werden, wie er stünde,
wenn der Erblasser die Drittbegünstigung unterlassen hätte78. Dann wäre der
Nachlass des Versicherungsnehmers/Erblassers zwar um die Prämien vermindert,
gleichzeitig aber auch um den Anspruch auf die Versicherungssumme erhöht worden79. Maßgebend sei daher, dass der Anspruch auf die Versicherungssumme bei
unterlassener Drittbegünstigung in den Nachlass des Erblassers / Versicherungs-
75 Harder, FamRZ 1976, 617 ff.; Thiele, Lebensversicherung und Nachlassgläubiger, 1963,
S. 104 ff., 115 ff.; Finger, Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall, 1968, S. 65 ff.;
Bruck/Möller/Winter Anm. H 223; Josef, ArchBürgR42 (1916), 319, 323 f.; Hasse,
Lebensversicherung und erbrechtlicher Ausgleichsanspruch, 2005, S. 37; ders. Interessenkonflikte, 1981, S. 249 ff.; Koenig, Die Drittbegünstigung in der Kapitallebensversicherung, 1998, S. 144.
76 Prölss/Martin-Kollhosser, VVG, § 13 ALB 86, Rn. 48; Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, 1995, S. 3 12, 314 ff.; Fuchs, JuS 1989, 179, 182; Harder, Zuwendungen unter Lebenden auf den Todesfall, 1968, S. 128 Fn.36; ders. FamRZ 1976, 617 f.; Heilmann, VersR
1972, 997 ff. (999, 1001 Fn.43); Gernhuber, JZ 1996, 206; Lorenz, in: FS Famy, 1994, S.
335, 356 ff.; Thiele, Lebensversicherung und Nachlassgläubiger, 1963, S. 103 ff., 115 ff.;
Peters, MDR 1995, 661; Zehner, AcP 153 (1954), S. 424, 430, 432; Bruck/ Möller/ Winter,
Anm. H 24; Hasse, Interessenkonflikte, 1981, S. 236 ff; Natter, ZB1FG 8, S. 303 ff. (308);
Reinicke/Reinicke, NJW 1956, 1053; Josef, ArchBürgR 42 (1916), 319 ff. (322).
77 Elfring, ZEV 2004, 305 ff. (309).
78 Mot.V, 457.
79 BGHZ 32,44 ff. (46 f.); Zehner, AcP 153 (1954), 436 f.
36
nehmers gefallen wäre80 und der Pflichtteilsberechtigte dadurch über § 2311 BGB
an der Versicherungssumme partizipiert hätte81.
Auch deshalb, weil der Versicherungsnehmer den Anspruch auf die Versicherungssumme bei Einräumung eines widerruflichen Bezugsrechts weiterhin als
Kreditmittel verwenden könne, müsse die Versicherungssumme den Pflichtteilsberechtigten zur Verfügung stehen82. Die Voraussetzung einer Schenkung – Entreicherung des Schenkers und Bereicherung beim Beschenkten – lägen auch im
Hinblick auf die Versicherungsforderung vor.
Denn bei mittelbaren Schenkungen, bei denen, wie beim Vertrag zugunsten
Dritter, keine Identität zwischen Entreicherungs- und Bereicherungsgegenstand
bestehe, müsse man wegen der Verkehrsanschauung und der Systematik des
Gesetzes auf dasjenige abstellen, was der Beschenkte empfangen habe, und nicht
auf dasjenige, was der Zuwendende aufopfern musste. Das Gesetz stelle, wenn es
das Tatbestandsmerkmal »Herausgabe des Geschenks« benutze, stets auf die
Bereicherung des Beschenkten ab83.
Uneinig ist man sich nur darin, ob der Anspruch auf die Versicherungssumme
oder die Versicherungssumme selbst zu berücksichtigen ist84. Wurde ein unwiderrufliches Bezugsrecht innerhalb der 10-Jahresfrist eingeräumt, ist umstritten, ob
der volle Wert des Anspruchs auf die Versicherungsleistung zu berücksichtigen
sei85 oder nur der Wert, den der Anspruch gehabt hätte, wenn der Versicherungsfall unmittelbar nach Abgabe der unwiderruflichen Begünstigungserklärung eingetreten wäre86. Letztere Ansicht beruft sich auf das in § 2325 I 2 BGB verankerte
Niederstwertprinzip.
Im Übrigen wird im Hinblick auf § 2325 III BGB differenziert:
Bei der unwiderruflichen Bezugsberechtigung sei zwar grundsätzlich auch der
Anspruch auf die Versicherungssumme Gegenstand der Zuwendung87, da ohne
die Bezugsberechtigung des Dritten der Anspruch auf die Versicherungssumme
in den Nachlass gefallen wäre.
Sei das unwiderrufliche Bezugsrecht außerhalb der 10-Jahresfrist eingeräumt
worden, könne der Wert der vollen Versicherungsleistung keine Berücksichtigung
finden. An deren Stelle sei dann auf die innerhalb der Frist des § 2325 III BGB
geleisteten Prämien abzustellen88.
Leiste der Versicherungsnehmer Prämien auf die Lebensversicherung mit einer
unwiderruflichen Bezugsberechtigung sei dies nicht anders zu bewerten, als leiste
der Versicherungsnehmer direkt an den Bezugsberechtigten89. Jede Prämienlei-
80 Bayer Der Vertrag zugunsten Dritter, 1995, S. 3 15; Elfring, NJW 2004, 483 ff (485).
81 Elfring ZEV 2004, 305 ff. (309); Harder, FamRZ 1976, 617 f.
82 Frey Lebensversicherung und Nachlassinteressen, 1996, S. 124.
83 Gernhuber, JZ 1996, 206 im Hinblick auf § 1374 II BGB.
84 Harder, FamRZ 1976, 617 ff. (618); ders. Zuwendungen auf den Todesfall, 1960, S.130 f.
85 Harder, FamRZ 1976, 617 ff. (619); Bruck/Möller/Winter, VVG, Anm. H 276.
86 Lorenz, in: FS Farny, S. 36; Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, 1995, S. 316.
87 Bayer, a.a.O.
88 Bruck/MölIer/Winter, VVG, Anm. H 276.
89 Bayer, a.a.O.
37
stung des Versicherungsnehmers führe zu einer Steigerung des Wertes der
Lebensversicherung im Vermögen des Bezugsberechtigten und nicht im Vermögen des Versicherungsnehmers.
Eine andere Ansicht will, wenn ein unwiderrufliches Bezugsrecht (für eine
Todesfalllebensversicherung) vor der 10-Jahresfrist eingeräumt worden ist, nur
einen anteiligen Wert des Versicherungsanspruchs von der Pflichtteilsergänzung
ausnehmen. Nur der Wert der Versicherungsforderung, der im Zeitpunkt des fiktiven Eintritts des Versicherungsfalls am Tag vor Beginn der 10-Jahresfrist
besteht, soll nicht ergänzungspflichtig sein90.
Bei einer gemischten Lebensversicherung mit unwiderruflichem Bezugsrecht
des Begünstigten sei stets die volle Versicherungssumme ergänzungspflichtig, da
der Versicherungsnehmer mit einem eigenen Erwerb der Versicherungsleistung
rechne91.
2. Gesamtsumme der vom Versicherungsnehmer gezahlten Prämien92
Nach Ansicht der Rechtsprechung93 und Teilen der Literatur94 besteht der Zuwendungsgegenstand hingegen in den vom Versicherungsnehmer geleisteten Prämien.
Während das Reichsgericht – noch unter Geltung des preußischen Rechts –
vertreten hatte, dem Dritten werde das Kapital bzw. die Rente ausbedungen, für
welche Prämien oder eine Einstandssumme gezahlt werde95, änderte es im Jahre
1930 seine Auffassung und stellte von nun an auf die vom Versicherungsnehmer
an die Versicherungsgesellschaft gezahlten Prämien ab96, wobei Höchstwert die
Versicherungssumme sein sollte97. Unabdingbare Voraussetzung für eine Schenkung im Sinne der §§ 2325 ff. BGB sei nämlich die Bereicherung des Begünstig-
90 Lorenz, in: FS Farny, S. 335 ff., 361.
91 Lorenz, in: FS Farny, S. 361.
92 RGZ 61, 217; 128, 187 ff. (188, 190); Lange/Kuchinke, § 37 X 2e; Soergel/Dieckmann,
§ 2325 Rn. 22; MünchKomm/BGB-Gottwald, § 330 Rn.21; MünchKomm/BGB-Lange;
§ 2325 Rn. 22.
93 BGHZ 7, 134, 143; 130, 377, 380; BGH FamRZ 1976, 616 f.; BGH VersR 1987, 659, 661.
94 Palandt/Edenhofer, § 2325, Rn. 12; MünchKomm/BGB-Musielak, § 2301 Rn. 43; Reimann, in: Dittmann/Reimann/Bengel, Rn. 6 zu § 2301; Staudinger-Jagmann (2004,) § 330
Rn. 29; Staudinger-Kanzleiter (1998), § 2301 Rn. 49; MünchKomm/BGB-Lange (2004),
§ 2325 Rn. 22; MünchKomm/BGB-Gottwald, § 330 Rn. 21; Hager, in: FS Caemmerer,
1978, S. 135 Fn. 29; Damrau, JurA 1970, 716 ff. (731 f.).
95 RGZ 1,188 ff. (190 f).
96 RGZ 128,187 ff. (190): mit der beachtlichen Gradwanderung, zunächst auf die Versicherungssumme als Schenkungsgegenstand abzustellen und dann im Rahmen der Pflichtteilsergänzungsansprüche auf die gezahlten Prämien umzuschwenken; Reimann, in: Dittmann/
Reimann/Bengel, zu § 2301 Rn. 73; BGH FamRZ 1976, 616; kritisch: Staudinger-Jagmann (2004), § 330 Rn. 20 ff.
97 vgl. Staudinger-Olshausen (1998), § 2325 Rn.37 f.
38
ten aus dem Vermögen des Versicherungsnehmers98. Der Anspruch auf die Vesicherungssumme könne nicht Zuwendungsgegenstand sein, da dieser Vermögenswert niemals zum Vermögen des Versicherungsnehmers gehört habe, sondern
unmittelbar mit Eintritt des Versicherungsfalls – aus dem Vermögen des Versicherers stammend99 – das Vermögen des Bezugsberechtigten bereichere (§§ 330,
331 BGB). Gegenstand der Schenkung sei zwar der Anspruch auf die Versicherungssumme, die der Versicherungsnehmer dem Dritten durch seine Aufwendungen in Form der Prämienzahlungen verschaffen wolle. Um diese sei das Vermögen des Versicherungsnehmers aber wegen des unmittelbaren Rechtserwerbs des
im Rahmen eines Vertrags zugunsten Dritter Begünstigten niemals entreichert
worden.
Die vom Versicherungsnehmer geleisteten Prämienzahlungen stammten hingegen aus dem Vermögen des Versicherungsnehmers und bereicherten das Vermögen des Bezugsberechtigten »mittelbar«100. Ohne Bedeutung sei, dass die Prämienleistungen keine unmittelbare Zuwendung des Versicherungsnehmers an den
Begünstigten darstellen, sondern aufgrund eines entgeltlichen gegenseitigen Vertrags zwischen Versicherungsnehmer und Versicherungsgesellschaft in deren
Vermögen fließen101, da zum einen die Zuwendung im Valutaverhältnis auch dann
unentgeltlich bleibe, wenn den Prämienzahlungen im Deckungsverhältnis eine
Gegenleistung gegenüberstehe, und zum anderen Schenkungsgegenstand auch
ein Vermögenswert sein könne, den sich der Schenker mit eigenen Mitteln – nämlich den Prämienzahlungen – bei einem Dritten erkauft habe102. Als Schenkungsgegenstand seien dann diese Aufwendungen anzusehen. Dies wird auch damit
begründet, dass bei einem Zugriff der Gläubiger des Versicherungsnehmers auf
die Versicherungssumme diesen andernfalls ein größerer Betrag zur Verfügung
stünde als der Betrag, der sich durch Addition des Erblasservermögens und der
Prämienleistungen ergäbe103. Mit Zugrundelegung der Prämienleistungen werde
auch den Interessen der Pflichtteilsberechtigten hinreichend genüge getan, da
diese so zu stellen seien, als gehörten die Werte, die das Vermögen des Erblassers
zu Lasten des Nachlasses verlassen haben, immer noch zum Vermögen des Erblassers104. Verhindert werde damit nämlich die Aushöhlung der Pflichtteilsansprüche durch den Abschluss von Lebensversicherungen mit hohen Versicherungssummen und entsprechend hohen Prämien zugunsten Dritter von Seiten des
Erblassers/Versicherungsnehmers auf kosten der Pflichtteilsberechtigten.
Der BGH und andere Gerichte führten die vom Reichsgericht begründete Auffassung fort105.
98 Fuchs, JuS 1989, 182.
99 RGZ 51, 403; 61, 217 ff.; 128, 187 ff. (190).
100 RGZ 128, 187 ff. (190).
101 RGZ 61, 217 ff. (219).
102 Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, 1995, S. 314 u. Fn. 565.
103 Brox, ErbR, Rn. 769.
104 RGZ 128, 187 ff. (191); Staudinger/Olshausen (1998), § 2325 BGB Rn. 38.
105 BGHZ 7, 134, 143; 130, 377, 380; BGH FamRZ 1976, 616 f.
39
In seiner Entscheidung vom 04.02.1976 vertrat der BGH diese Ansicht auch in
einem Fall, bei dem die gesamte Lebensversicherung auf einen Dritten übertragen
worden war. Wenn schon bei der Einräumung eines Bezugsrechts die Prämienleistungen maßgebend seien, gelte dies »a minore ad maius«106 auch für den Fall der
Übertragung der gesamten Lebensversicherung auf einen Dritten. Auch hier hat
der BGH, mit der Begründung, ohne die Schenkung habe der Beschenkte die Prämienleistungen selbst aufbringen müssen, lediglich die Prämienzahlungen des
Versicherungsnehmers im Rahmen der Pflichtteilsergänzung zugrunde gelegt.
Uneinigkeit besteht auch darüber, ob der gesamte Betrag107 der vom Versicherungsnehmer bezahlten Prämien oder ob nur die im Rahmen der 10-Jahresfrist
(§ 2325 III BGB) geleisteten Prämienbeiträge108 zugrunde zu legen sind.
3. Rückkaufswert
Teilweise wird auf den im Zeitpunkt des Erbfalls bestehenden Rückkaufswert abgestellt109.
Der Anspruch auf die Versicherungssumme habe nie in voller Höhe zum Vermögen des Schenkers gehört110, da erst mit Eintritt des Versicherungsfalls der
Anspruch in voller Höhe fällig geworden, dann aber unmittelbar in das Vermögen
des Beschenkten gefallen sei111. Selbst wenn die Drittbegünstigung unterlassen
worden wäre, wäre die Versicherungssumme – zumindest im Fall einer Todesfallversicherung – niemals dem Versicherungsnehmer, sondern allein seinen Erben,
zugute gekommen112. Abzustellen sei daher auf den Gegenwert, den der Versicherungsnehmer für seine Prämienzahlungen erhalten habe. Dies sei aber nur der
Rückkaufswert, da der Versicherungsnehmer zu Lebzeiten nur diesen Wert durch
Kündigung des Versicherungsvertrags (§ 168 VVG) oder Umwandlung in eine
prämienfreie Versicherung (§ 165 VVG) habe realisieren können113.
Entscheidend sei zudem, dass die Gläubiger des Versicherungsnehmers vor
Eintritt des Erbfalls ausschließlich auf den Rückkaufswert zugreifen könnten114.
106 Harder, FamRZ 1976, 617.
107 Jauernig/Stadler, BGB, § 330 Rn. 6; Jauernig/Stümer, BGB, § 2301 Rn. 7; MünchKomm
/ BGB-Musielak, § 2301 Rn. 43; Staudinger/Jagmann (2004) § 330 Rn. 53; Staudinger /
Kanzleiter (1998), § 2301 Rn. 49; Soergel/Dieckmann, § 2325 Rn. 22; Soergel/Wolf,
§ 2301 Rn. 27
108 Brox, ErbR Rn. 769; Reimann in: Dittmann/Reimann/Bengel, § 230 1 Rn. 73; Staudinger
/ Olshausen (1998), § 2325 Rn. 38; MünchKomm/BGB-Gottwald, § 330 Rn. 21; Hager,
in: FS Caemmerer, 1978, S. 135 Fn. 29; Damrau, JurA 1970, 716 ff. (732).
109 OLG Colmar LZ 1913, 876, 878; Frey, Lebensversicherung und Nachlassinteressen, 1996,
128 ff. 112 Colmar, a.a.O.
110 OLG Colmar, a.a.O.
111 OLG Colmar, a.a.O.
112 Frey, S. 130.
113 Frey, S. 130 f.
114 Frey, S. 131 f.
40
4. Differenzierung nach anfänglicher und nachträglicher Einräumung des
Bezugsrechts
Teilweise wird danach unterschieden, ob das Bezugsrecht bereits bei Abschluss
des Versicherungsvertrags oder erst im Anschluss daran eingeräumt wurde115.
Bei anfänglicher Bezugsrechtseinräumung könne in keinem Fall auf den Versicherungsanspruch abgestellt werden, da dieser wegen des originären Erwerbs
im Rahmen eines Vertrags zugunsten Dritter (auf den Todesfall) zu keinem Zeitpunkt Bestandteil des Vermögens des Erblassers gewesen sei. Werde die Bezugsberechtigung aber erst nach Vertragsschluss begründet, gelte die Versicherungssumme als zugewandt, da der Anspruch ursprünglich zum Vermögen des Versicherungsnehmers gehört habe116.
Teilweise wird diese Differenzierung nur in Bezug auf das Vorliegen eines
unwiderruflichen Bezugsrechts befürwortet117.
III. Stellungnahme
1. Das Wortlautargument
Der Wortlaut der §§ 328 ff BGB und der §§ 159 ff. VVG spricht dafür, das »Recht
auf die Leistung« als den Gegenstand der Schenkung anzusehen118, denn Gegenstand des Vertrags zugunsten Dritter (auf den Todesfall), ist stets ein Anspruch.
Der Dritte erwirbt – zumindest beim echten Vertrag zugunsten Dritter – das
Recht, die Leistung zu fordern (§ 328 I BGB), indirekt erwirbt er die Leistung
selbst119.
2. Schutzzweck der Pflichtteilsergänzung
Um die Frage des ergänzungspflichtigen Zuwendungsgegenstands beantworten
zu können, bedarf es einer Untersuchung, wie der Pflichtteilsberechtigte nach
Sinn und Zweck der Pflichtteilsergänzungsvorschriften zu stellen ist.
115 Reimann, in: Dittmann/Reimann/Bengel, § 2301 Rn. 73.
116 Reimann, a.a.O.
117 Hasse, Lebensversicherung und erbrechtlicher Ausgleichsanspruch, 2005, S. 56.
118 vgl. Lorenz, in: FS Farny, S. 355.
119 Hellwig, Die Verträge auf Leistung an Dritte, 1899, S. 337.
41
a) Wie ist der Pflichtteilsergänzungsberechtigte im Rahmen der §§ 2325 ff.
BGB zu stellen?
Die Pflichtteilsergänzungsansprüche sollen verhindern, dass der Erblasser durch
Schenkungen an Dritte den Pflichtteilsanspruch aushöhlt120 und diesen dadurch
vereitelt, indem er seinem Vermögen Gegenstände entzieht, die ohne eine entsprechende Verfügung zu Lebzeiten in den Nachlass gefallen wären und deren
Wert im Rahmen der Pflichtteilsberechnung gemäß § 2311 BGB Berücksichtigung gefunden hätten121. Die grundsätzliche Freiheit des Erblassers, durch
Rechtsgeschäfte unter Lebenden über sein Vermögen zu verfügen, soll beschränkt
werden122, um den Missbrauch dieser Verfügungsfreiheit zu verhindern123. Das
Vermögen des Erblassers soll zumindest in gewissem Umfang der Familie erhalten bleiben124.
Die einen leiten daraus ab, der Pflichtteilsberechtigte sei im Rahmen der
Pflichtteilsergänzung so zu stellen, als sei die Schenkung in Form der Drittbegünstigung unterlassen worden125. Andere wiederum vertreten die Ansicht, der
Pflichtteilsberechtigte sei so zu stellen, als gehörten die Vermögenswerte, die das
Vermögen des Erblassers zu Lasten des Nachlasses verlassen haben – wobei dies
die geleisteten Prämien sein sollen –‚ immer noch zum Nachlass126.
Die Zuwendung über einen Vertrag zugunsten Dritter kann nicht so behandelt
werden, als habe der Erblasser einem Dritten im Rahmen eines Zwei-Personen-
Verhältnisses einen Gegenstand zugewendet und als habe dies zu einem Vermögensabfluss beim Schenker und als Kehrseite dazu zu einem Vermögenszuwachs
beim Beschenkten geführt. Bei einer Schenkung im Zwei-Personen-Verhältnis ist
der Pflichtteilsberechtigte tatsächlich so zu stellen, als habe der Gegenstand das
Vermögen des Erblassers nie verlassen und als befinde er sich immer noch im
Nachlass.
Die Besonderheit der hier vorliegenden Konstellation ist jedoch darin zu sehen,
dass es sich beim Lebensversicherungsvertrag mit Bezugsrecht eines Dritten um
einen Vertrag zugunsten Dritter handelt, bei dem der Gegenstand, um den sich das
Vermögen des Versicherungsnehmers/Versprechensempfänger vermindert, und
der Gegenstand, um den sich das Vermögen des Bezugsberechtigten/Dritten vermehrt, nicht identisch sind.
Es ist daher zu untersuchen, ob bei der Bestimmung des Zuwendungsgegenstands im Rahmen einer Drei-Personen-Konstellation auf den Entreicherungsoder auf den Bereicherungsgegenstand abzustellen ist.
120 Kollhosser AcP 194 (1994), 231 ff. (260); MünchKomm/BGB-Lange, § 2325 Rn. 1.
121 Natter, ZBIFG 8, S. 303 ff. (309).
122 Mot.V, S. 45 1 f.
123 Mot.V S. 458.
124 Olzen, Jura 1987, 16 ff. (17).
125 Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, 1995, S. 3 15; Elfring, NJW 2004, 483 ff. (485).
126 RGZ 128, 187 ff. (191); Staudinger/Olshausen, (1998), § 2325 Rn. 38.
42
Aus den Protokollen und Motiven zum BGB ist nur zu entnehmen, dass »der
Erblasser den Pflichtteil so zu hinterlassen habe, wie wenn die Schenkung nicht
erfolgt sei«127. Daraus kann man nicht ableiten, ob der Nachlass so zu hinterlassen
ist, als seien die Prämienzahlungen nie erbracht worden, oder vielmehr so, als sei
ein Dritter im Rahmen der Lebensversicherung nie begünstigt worden.
Die Frage muss daher sein: die Zugrundelegung welchen Zuwendungsgegenstands wird dem Schutzzweck der Pflichtteilsergänzung am ehesten gerecht?
Für die Zugrundelegung der Prämienzahlungen könnte sprechen, dass der Erblasser dadurch daran gehindert wird, Lebensversicherungen mit hohen Prämien
auf Kosten der Pflichtteilsergänzungsberechtigten abzuschließen. Dagegen
spricht jedoch, dass der Erblasser/Versicherungsnehmer im Regelfall derart hohe
Prämien vereinbart, um dem bezugsberechtigten Dritten nach seinem Tod einen
Anspruch auf eine entsprechend hohe Versicherungssumme zukommen zu lassen.
Die Alternative wäre, eine Lebensversicherung zugunsten eines Dritten mit niedrigeren Prämien und entsprechend geringerer Versicherungssumme abzuschlie-
ßen. Will der Erblasser dem Dritten aber dennoch eine größere Summe zuwenden,
so bleibt ihm nur noch der Weg über die Verfügung von Todes wegen, was wiederum den Nachteil hätte, dass dieser Erwerb mit der Gefahr des Zugriffs von
Nachlassgläubigern behaftet wäre. Der Erblasser/Versicherungsnehmer wird sich
daher für die Alternative entscheiden, bei der er dem Dritten die gewünschte
Summe außerhalb des Nachlasses und damit geschützt vor dem Zugriff der Nachlassgläubiger zukommen lassen kann. Die Zugrundelegung der geleisteten Prämien ist für den Erblassen Versicherungsnehmer im Verhältnis zur Zugrundelegung der Versicherungssumme das geringere Übel. Die Zugrundelegung der Prämien stellt daher kein adäquates Mittel dar, um den Erblasser / Versicherungsnehmer davon abzuhalten, Lebensversicherungen mit hohen Beitragsverpflichtungen
abzuschließen.
In Anbetracht der Tatsache, dass die geleisteten Prämien bzw. der Rückkaufswert im Verhältnis zum Anspruch auf die Versicherungssumme in der Regel
betragsmäßig geringer ausfallen, könnte die Aushöhlung des Pflichtteils am
effektivsten verhindert werden, wenn man der Pflichtteilsergänzung den Bereicherungsgegenstand – also den Anspruch auf die Versicherungssumme –
zugrunde legen würde. Auf die Versicherungssumme kann bereits deshalb nicht
abgestellt werden, da der Bezugsberechtigte mit Eintritt des Versicherungsfalls
primär den Anspruch auf die Versicherungsleistung erwirbt und erst in zweiter
Linie die Versicherungssumme zum Zweck der Erfüllung dieses Anspruchs ausbezahlt bekommt.
Es stellt sich dennoch weiter die Frage, ob man ohne weitere Differenzierung
darauf abstellen kann, wie der Pflichtteilsergänzungsberechtigte bei unterlassener Drittbegünstigung gestanden hätte. Als beinahe selbstverständlich wird nämlich angenommen, der Anspruch auf die Versicherungsleistung sei bei unterlassener Bezugserklärung zugunsten eines Dritten in den Nachlass gefallen.
127 Prot. II, S. 583; Mot.V, S. 452, 456, 457.
43
Diese Annahme ist jedoch insbesondere im Hinblick auf ein anfängliches und
unwiderrufliches Bezugsrecht nicht zwingend.
Ebenso nahe liegt die Annahme, der Erblasser/Versicherungsnehmer hätte
nicht nur die Drittbegünstigung unterlassen, sondern hätte vielmehr ganz vom
Abschluss des Lebensversicherungsvertrag5 Abstand genommen, weil für ihn die
Vorsorgefunktion der Lebensversicherung zugunsten des Dritten im Vordergrund
stand und der Versicherungsvertrag für ihn andernfalls keinen Sinn gemacht
hätte. Bei unterlassenem Vertragsabschluss wäre aber lediglich ein Vermögensabfluss in Form der Prämienzahlungen, nicht aber in Form der Versicherungsforderung verhindert worden. Von einem Versorgungszweck der Lebensversicherung zugunsten der Hinterbliebenen kann besonders dann ausgegangen werden,
wenn es sich um eine Rentenlebensversicherung mit unwiderruflichem Bezugsrecht zugunsten eines Dritten handelt, da mit dieser Art der Lebensversicherung
– anders als bei einer Kapitallebensversicherung – eine Versorgung der Hinterbliebenen aufgrund der periodischen Auszahlung mehrerer Einzelbeträge auf
Dauer gewährleistet werden kann128. Bei der einmaligen Auszahlung einer Geldsumme besteht indes die Gefahr, dass der Betrag vom Begünstigten auf einmal
aufgebracht wird und dann nicht mehr zum Zweck der Versorgung zur Verfügung
steht.
Die Erwägung, der Versicherungsnehmer habe bei Untertassen der Drittbegünstigung vom Abschluss des Versicherungsvertrags vollkommen Abstand genommen, kann jedoch nur in Bezug auf die anfängliche Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts angestellt werden. Denn nur bei dieser Ausgestaltung
macht der Versicherungsnehmer aufgrund des damit verbundenen sofortigen
Rechtserwerbs des Dritten deutlich, dass Hauptmotiv für den Abschluss des
Lebensversicherungsvertrags die Versorgung des Dritten war, weil der Versicherungsnehmer in diesem Fall wegen der Unwiderruflichkeit keine Möglichkeit hat,
die Lebensversicherung zu seinen eigenen Gunsten noch wirtschaftlich zum
(eigenen) Zweck der Kreditsicherheit oder als Kapitalanlage zu nutzen.
Bei der anfänglichen Einräumung eines nur widerruflichen Bezugsrechts (im
Rahmen einer reinen Todesfalllebensversicherung oder einer gemischten Lebensversicherung mit geteiltem Bezugsrecht) steht die Begünstigung indes stets unter
einem Änderungsvorbehalt. Nicht auszuschließen ist, dass der Erblasser/Versicherungsnehmer das Bezugsrecht des Dritten wieder aufgehoben und auf seine
Person bezogen hätte oder aber die Gläubiger des Erblassers/Versicherungsnehmers Zugriff auf die Rechte aus der Lebensversicherung genommen hätten. In
diesem Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Erblasser/Versicherungsnehmer ohne die Drittbegünstigung vom Abschluss des Versicherungsvertrags gänzlich abgesehen hätte. Dies gilt insbesondere deswegen, weil der Versicherungsnehmer in diesem Fall die Lebensversicherung noch im eigenen Interesse wirtschaftlich nutzen kann.
Daran würde auch nichts ändern, wenn das (anfängliche) widerrufliche
Bezugsrecht innerhalb einer Rentenlebensversicherung bestünde. Zwar könnte
128 Soergel/Winter, § 1587 a Rn. 234.
44
aus bereits genannten Gründen auf den Versorgungszweck der Lebensversicherung nach dem Tod des Versicherungsnehmers geschlossen werden. Es darf
jedoch nicht vergessen werden, dass es auch im Nachhinein noch möglich ist,
durch Vertragsänderung eine Rentenlebensversicherung in eine Kapitallebensversicherung umzuwandeln129. Der Versicherer wird sich im Regelfall gegen eine
solche Umwandlung nicht sperren, da diese für ihn auch mit Vorteilen verbunden
ist. Handelt es sich nämlich nicht um eine Lebensversicherung, bei der die Geldleistungspflicht des Versicherers mit dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters beim Begünstigten erlischt, kann bei Erreichen eines entsprechend hohen
Alters des Begünstigten der Fall eintreten, dass der Versicherer im Verhältnis zu
den erbrachten Prämien einen weitaus höheren als den zuvor kalkulierten Betrag
erbringen muss130. Die Ausgestaltung als Rentenlebensversicherung ändert
zudem nichts daran, dass ein widerrufliches Bezugsrecht bis zum Eintritt des Versicherungsfalls jederzeit widerrufen werden kann. Der Umstand allein, dass es
sich um eine Rentenlebensversicherung handelt, reicht daher nicht aus, um bei
Vorliegen eines widerruflichen Bezugsrechts auf den Versorgungszweck zu Gunsten eines Dritten als das alleinige Motiv zum Vertragsabschluss schließen zu
können.
Bei Vorliegen eines anfänglichen und widerruflichen Bezugsrechts ist der
Pflichtteilsberechtigte daher so zu stellen, wie er bei unterlassener Drittbegünstigung gestanden hätte: das Vermögen des Versicherungsnehmers/Erblassers wäre
zwar weiterhin um die Prämien gemindert, gleichzeitig aber auch um die Versicherungsleistung vermehrt gewesen.
Ist der Pflichtteilsberechtigte bei Vorliegen eines anfänglichen und unwiderruflichen Bezugsrechts aber wirklich so zu stellen, als sei der Versicherungsvertrag erst gar nicht abgeschlossen worden?
Dafür spricht zwar der Versorgungsgedanke, der mit dem sofortigen Rechtserwerb durch den Bezugsberechtigten unweigerlich zusammenhängt. Zu beachten
ist aber, dass der Versuch, durch die Ausgestaltung des Lebensversicherungsvertrags Aufschluss über die Motive des Versicherungsnehmers zu bekommen, mit
sehr vielen Spekulationen verbunden ist. Es kann nie ausgeschlossen werden,
dass im Verhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Bezugsberechtigtem vereinbart worden ist, dass der Anspruch auf die Versicherungsleistung unter
bestimmten Umständen an den Versicherungsnehmer »zurück-«zugewähren ist.
Das ändert dann zwar nichts an der Unwiderruflichkeit des Bezugsrechts im Verhältnis Versicherungsnehmer – Versicherer, verpflichtet aber den Begünstigten
zur einverständlichen Aufhebung der Unwiderruflichkeit, wenn der Versicherungsnehmer doch ein Eigeninteresse an der Lebensversicherung geltend macht.
129 Petersen, AcP 204 (2004), 832 ff. (843).
130 Vgl. auch Petersen, AcP 204 (2004), 832 ff. (843), der darauf hinweist, dass der Versicherer
eher ein Interesse an der Verrentung einer Kapitallebensversicherung haben wird, weil er
dann die Mittel, die für eine einmalige Auszahlung erforderlich wären, nicht auf einmal
aufbringen muss.
45
Aus diesem Grund ist auch bei einem anfänglichen und unwiderruflichen
Bezugsrecht die Situation maßgeblich, die bei unterlassener Zuwendung
bestünde, und nicht der Zustand, der bei Hinwegdenken des Versicherungsvertrags vorherrschen würde.
Dies muss auch dann gelten, wenn der Versicherungsnehmer zunächst einen
Lebensversicherungsvertrag zu eigenen Gunsten abgeschlossen hat und dann
nachträglich ein widerrufliches oder unwiderrufliches Bezugsrecht zugunsten
eines Dritten einräumt. Hier hat der Versicherungsnehmer bereits durch sein Verhalten deutlich gemacht, dass die Versorgung des Dritten bei Abschluss des Versicherungsvertrags nicht das ausschlaggebende Motiv gewesen ist. Hätte der Erblasser/Versicherungsnehmer den Dritten gar nicht »ins Spiel« gebracht, wäre der
Versicherungsnehmer weiterhin Begünstigter der Versicherungsleistung gewesen, der Anspruch auf die Versicherungssumme wäre bei Eintritt des Versicherungsfalls in den Nachlass des Erblassers/Versicherungsnehmers gefallen und der
Pflichtteilsberechtigte hätte über seinen ordentlichen Pflichtteil an der Versicherungsleistung partizipiert.
Eine solche Differenzierung ist bei einer gemischten Lebensversicherung mit
geteiltem Bezugsrecht nicht erforderlich, wobei im Folgenden nur die Kombination aus bedingter Todesfall- und Erlebensfallversicherung einer näheren
Betrachtung unterzogen werden soll131, bei der die Bezugsberechtigung des Dritten nur im Zweifel für den Fall des Todes des Versicherungsnehmers gelten soll132
und bei der der Versicherungsnehmer im Erlebensfall die Versicherungsleistung
selbst erhalten will133. Diese Art der Lebensversicherung erfüllt zwei Funktionen:
im Todesfall die Hinterbliebenenversorgung und im Erlebensfall die eigene finanzielle Altersvorsorge134. Da der Versicherungsnehmer den Versicherungsvertrag
daher auch im eigenen Interesse abschließt, ist auch hier – unabhängig von
anfänglicher oder nachträglicher, widerruflicher oder unwiderruflicher Bezugsberechtigung – auf die Rechtslage bei unterlassener Drittbegünstigung abzustellen und daher der Pflichtteilsergänzung die Versicherungsforderung zugrunde zu
legen.
Der Pflichtteilsberechtigte ist folglich unabhängig von der Ausgestaltung der
Lebensversicherung stets so zu steilen, als habe die Drittbegünstigung nie stattgefunden. Aus diesem Grund scheidet die Zugrundelegung des Rückkaufswerts
von vornherein aus. Dieser Betrag wäre bei unterlassener Drittbegünstigung nie
in den Nachlass gefallen.
Dies gilt nur dann nicht, wenn es vor Eintritt des Versicherungs- und Erbfalls
tatsächlich zur Kündigung oder Umwandlung des Versicherungsvertrags gekommen ist. Bei einem widerruflichen Bezugsrecht wäre dieser Betrag ohnehin allein
131 Vgl. zu den anderen Formen einer gemischten Lebensversicherung mit gespaltenem bzw.
geteiltem Bezugsrecht, Hasse, VersR 2005, 1176 ff.
132 BK-Schwintowski, VVG, Vorb. zu §§ 159 ff. Rn. 6; Prölls/Martin-Kollhosser, VVG, Vorb.
zu §§ 159 ff. Rn. 9.
133 Staudinger/Jagmann (2004), § 330 Rn. 5.
134 Weyers/Wandt, Versicherungsvertragsgesetz Rn. 783.
46
dem Versicherungsnehmer zugute gekommen, weil der widerruflich Bezugsberechtigte nur einen Anspruch auf die Versicherungssumme hat, wenn der Versicherungsfall eintritt, nicht aber auf den vor Eintritt des Versicherungsfalls fällig
werdenden Anspruch auf die Versicherungsleistung.
Bei einem unwiderruflichen Bezugsrecht steht der durch Kündigung bzw.
Umwandlung fällig werdende Anspruch auf den Rückkaufswert indes dem
Begünstigten zu135.
Bei Hinwegdenken der Drittbegünstigung wäre dieser Vermögenswert daher
Bestandteil des Nachlasses des Versicherungsnehmers geworden. Aus diesem
Grund ist unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der §§ 2325 ff. BGB nur in
diesen Fällen der Rückkaufswert der Pflichtteilsergänzung zugrunde zu legen.
Zusammenfassend ist als Zwischenergebnis somit festzuhalten:
• Sowohl bei anfänglicher, als auch bei nachträglicher Einräumung eines widerruflichen und unwiderruflichen Bezugsrechts, unabhängig davon, ob dies
im Rahmen einer reinen Todesfalllebensversicherung oder einer gemischten
Lebensversicherung mit geteiltem Bezugsrecht eingeräumt worden ist, ist auf
die Situation abzustellen, die bestünde, wenn der Versicherungsnehmer die
Drittbegünstigung unterlassen hätte.
• Aus diesem Grund ist stets auf den Anspruch auf die Versicherungssumme abzustellen, weil dieser bei Hinwegdenken der Drittbegünstigung in den Nachlass gefallen wäre. Dies gilt sowohl für eine auf Rentenbasis, als auch für eine
auf Kapitalbasis abgeschlossene Lebensversicherung.
• Der Rückkaufswert ist nur dann maßgebend, wenn es vor Eintritt des Versicherungsfalls zur Kündigung oder Umwandlung des Versicherungsvertrags
gekommen ist.
b) Privilegierung des Bezugsberechtigten einer Lebensversicherung?
Es ist weiter zu untersuchen, ob dieses Zwischenergebnis modifiziert werden
muss,
1. weil der Bezugsberechtigte einer Lebensversicherung im Verhältnis zum
Pflichtteilsberechtigten privilegiert ist und
2. wenn dies zu bejahen ist: weil bei der Bestimmung des Zuwendungsgegenstands deshalb die Interessen des Bezugsberechtigten in besonderer Weise
zu berücksichtigen sind.
Während das Bezugsrecht einer Lebensversicherung nicht zwingend zugunsten
Familienangehöriger des Versicherungsnehmers eingeräumt werden muss, stehen
135 Prölss/Martin-Kollhosser, VVG, § 166 Rn. 7.
47
Pflichtteilsansprüche nur einem eng begrenzten Kreis von Familienangehörigen
des Erblassers zu.
Es könnte dennoch bei gleicher Zielsetzung eine Interessenkollision zwischen
Pflichtteilsrecht und der Bezugsrechtseinräumung für eine Lebensversicherung
bestehen.
Das Pflichtteilsrecht bezweckt die Sicherung der Existenz naher Familienangehöriger des Erblassers136 durch deren »zwangsweise«137 Mindestteilhabe138 am
Nachlass. Dies wird insbesondere durch die §§ 2333 ff. BGB deutlich, nach
denen die Entziehung des Pflichtteils nur unter verschärften Voraussetzungen
möglich ist.
Fraglich ist, ob die Sicherstellung der Versorgung der Hinterbliebenen auch bei
der Einräumung eines Bezugsrechts für eine Lebensversicherung im Vordergrund
steht. Räumt der Versicherungsnehmer einem Dritten ein Bezugsrecht ein, so
wird er damit in der Regel139 die Versorgung des Dritten auch nach dem Tod des
Versicherungsnehmers absichern wollen140.
Es ist jedoch zu prüfen, ob dies für alle Gestaltungsarten Geltung beanspruchen
kann. Bei Lebensversicherungen zugunsten Dritter, bei denen das Bezugsrecht
lediglich widerruflich ausgestaltet worden ist, kann der Versicherungsnehmer die
Lebensversicherung trotz der Drittbegünstigung weiterhin wirtschaftlich zu seinen Gunsten nutzen, weil sie aufgrund der Widerruflichkeit weiterhin seinem
Vermögen zugeordnet ist. Die Versorgung des Bezugsberechtigten mag hierbei
auch eine Rolle spielen, sie steht aber stets neben oder gar nachrangig hinter den
egoistischen Motiven des Versicherungsnehmers – Kapitalanlage oder Kreditsicherung -‚ die insoweit keinen Schutz verdienen141. Dies gilt auch dann, wenn die
Lebensversicherung auf Rentenbasis abgeschlossen worden ist und die Versicherungssumme nach Eintritt des Versicherungsfalls nicht in Form der Zahlung eines
einmaligen Betrags, sondern in Form periodisch wiederkehrender Einzelzahlungen ausgeschüttet wird. Selbst wenn dieser Umstand eher für die Sicherstellung
der Versorgung des Bezugsberechtigten sprechen mag142 als die einmalige Auszahlung der Versicherungssumme, ändert dies nichts daran, dass diese Ausgestaltung jederzeit durch Vertragsänderung in eine auf Kapitalbasis beruhende
136 Peters, MDR 1995, 659.
137 Olzen, Jura 1987, 16 ff. (20 f.).
138 Soergel/Dieckmann, vor § 2303 Rn. 1.
139 »Nicht unbeachtet soll bleiben, dass die Fälle, in denen Lebensversicherungsverträge mit
dem Zweck der finanziellen Absicherung des eigenen Lebensabends abgeschlossen werden, zugenommen haben bzw. den gleichen Stellenwert wie die Lebensversicherung zum
Zweck der Hinterbliebenenversorgung eingenommen haben« (vgl. Olzen, Jura 1987, 16
ff. (18)).
140 Peters, MDR 1995, 659; Medicus, BürgR, Rn. 401; Fuchs, JuS 1989, 179; Bayer, in: Einbeziehung Dritter, 1999, S. 75.
141 Berliner, LZ 1909, 283 ff. (285).
142 Soergel/Winter, § 1587 a Rn. 234. Wird die Versicherungssumme in vollem Umfang ausbezahlt, ist die Gefahr groß, dass der Betrag schnell verbraucht sein wird. Anders hingegen,
wenn der Begünstigte mehrere kleinere Beträge erhält.
48
Lebensversicherung umgewandelt und der Erwerb des Versicherungsanspruchs
durch den widerruflich Bezugsberechtigten bis zum Eintritt des Versicherungsfalls jederzeit verhindert werden kann. Das gilt auch, wenn es sich um ein widerrufliches Bezugsrecht im Rahmen einer gemischten Lebensversicherung mit
geteiltem Bezugsrecht handelt, da hier neben der Versorgung immer auch die
eigene Altersvorsorge des Versicherungsnehmers bezweckt wird.
Anders ist die Situation erst dann zu beurteilen, wenn der widerruflich Bezugsberechtigte das Recht auf die Versicherungsleistung mit Eintritt des Todes- und
Versicherungsfalls endgültig erworben hat. Erst mit dem Tod des Versicherungsnehmers realisiert sich der mit der Lebensversicherung verfolgte Versorgungsgedanke, sofern bis dahin kein Widerruf der Bezugsrechtseinräumung erfolgt ist. Da
Pflichtteilsergänzungsansprüche auch erst mit dem Tod des Versicherungsnehmers entstehen, kann es nach Eintritt des Versicherungsfalls auch hinsichtlich
eines widerruflichen Bezugsrechts zu entsprechenden Kollisionen kommen.
Bei unwiderruflich ausgestalteten Bezugsrechten hat der Versicherungsnehmer
aufgrund der Unwiderruflichkeit und dem damit verbundenen sofortigen143
Rechtserwerb des Dritten jedoch bereits zu Lebzeiten auf die eigene wirtschaftliche Nutzbarkeit der Lebensversicherung verzichtet. Das gilt auch bei einer
gemischten Lebensversicherung mit geteiltem Bezugsrecht, wenn dem Dritten
ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt worden ist, weil dem Versicherungsnehmer trotz der Erwerbschance im Fall des Eintritts des Erlebensfalls keine
Möglichkeit der wirtschaftlichen Nutzung mehr verbleibt. In jedem Fall, selbst
bei vorzeitiger Beendigung des Versicherungsvertrags durch Kündigung,
Umwandlung oder Rücktritt, steht allein dem Bezugsberechtigten der dann fällig
werdende Anspruch auf den Rückkaufswert zu144. Daraus folgt, dass bei den
Lebensversicherungen mit unwiderruflichem Bezugsrecht zugunsten eines Dritten der Zweck der Hinterbliebenenversorgung im Vordergrund steht.
Insoweit besteht aufgrund der identischen Zielrichtung ein Konkurrenzverhältnis zwischen der Einräumung eines Bezugsrechts für eine Lebensversicherung
und dem Pflichtteilsrecht.
Es ist zu untersuchen, ob im Verhältnis Pflichtteilsberechtigter – Bezugsberechtigter einer Lebensversicherung ein Vorrang besteht, der Auswirkungen auf
die Bestimmung des ergänzungspflichtigen Zuwendungsgegenstands hat. Bei
einem Vorrang der Interessen des Pflichtteilsberechtigten müsste der Anspruch
auf die Versicherungssumme, bei einem Vorrang der Interessen des Bezugsberechtigten ein wertmäßig geringerer Vermögenswert zugrunde gelegt werden.
Es stellt sich daher die Frage:
»Will das Gesetz den im Rahmen einer Lebensversicherung begünstigten
Familienangehörigen undifferenziert und zu Lasten der Pflichtteilsberechtigten
privilegieren?«145
143 BGHZ 45, 162 ff. (165); BGH VersR 1996, 1089 ff.; BGH VersR 2003, 1021 ff.; Prölss/
Martin-Kollhosser, VVG, § 166 Rn. 7.
144 Prölss/Martin-Kollhosser, a.a.O.
145 vgl. Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, 1995, S. 103 ff.
49
Zunächst ist zu prüfen, ob dem Bezugsberechtigten an sich, anschließend, ob
dem in einer Lebensversicherung begünstigten Familienangehörigen im Besonderen rechtlich eine privilegierte Stellung zukommt.
Winter146 selbst geht von einer gewohnheitsrechtlich anerkannten Privilegierung des Bezugsberechtigten aus. Aus sozialen Gründen sei der vom Versicherungsnehmer bezweckten Hinterbliebenenvorsorgung der Vorrang vor den Belangen aller sonstigen Nachlassbeteiligten einzuräumen147.
Auch Bayer148 redet von einer Privilegierung der durch eine Lebensversicherung Begünstigten.
Zehner149 und Kohler-Gehrig150 hingegen lehnen eine Besserstellung bzw.
Bevorzugung im Verhältnis zu anderen Nachlassbeteiligten ab.
Um einen wirklichen Vorrang feststellen zu können, ist die rechtliche Stellung
des Bezugsberechtigten und des Pflichtteilsergänzungsberechtigten zu vergleichen.
Gegen eine Besserstellung des Bezugsberechtigten spricht zunächst, dass der
unentgeltliche Erwerb grundsätzlich als weniger schutzwürdig angesehen wird151.
Dies müsste auch für den Bezugsberechtigten einer Lebensversicherung gelten,
der für seine Begünstigung keine Gegenleistung zu erbringen hat. Dann aber
würde man verkennen, dass der durch eine Lebensversicherung begünstigte Dritte
im Verhältnis zum Pflichtteilsergänzungsberechtigten eine rechtlich stärkere
Position einnimmt.
Dieser erwirbt mit dem Tod des Versicherungsnehmers den Anspruch auf die
Versicherungssumme gegen einen in der Regel solventen Schuldner. Der Erwerb
bzw. das Behaltendürfen der Versicherungssumme kann nur noch durch ein
Dazwischentreten der Erben des Versicherungsnehmers in Form des Widerrufs
des Schenkungsangebots gefährdet werden152.
Der Zuwendungsempfänger wird auch hinsichtlich der Verjährung des gegen
ihn gerichteten Anspruchs aus § 2329 BGB privilegiert. Der Verjährungsbeginn
knüpft bei § 2329 BGB im Gegensatz zur Verjährung bei § 2325 BGB nämlich
objektiv an den Eintritt des Erbfalls (§ 2332 II BGB) und nicht subjektiv an die
Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten (§ 2332 I BGB) an. Diese Erleichterung im
Hinblick auf die Verjährung des Anspruchs aus § 2329 BGB erfolgte im Interesse
und zu Gunsten des Zuwendungsempfängers153.
146 Bruck/Möller/Winter, Anm. H 133; Winter, Interessenkonflikte bei der Lebensversicherung zugunsten Angehöriger, 1988, S. 5.
147 Bruck/Möller/Winter, Anm. H 133.
148 Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, 1995, S. 3 19.
149 Zehner, AcP 153 (1954), 447.
150 Kohler-Gehrig, Der Versicherungsvertrag im Konkurs des Versicherungsnehmers, 1983,
S. 130 ff.
151 Vgl. §§ 816 I, 822, 988, 2287 BGB.
152 Siehe S. 31 f.
153 Palandt-Edenhofer, § 2332 Rn. 5.
50
Der Pflichtteilsberechtigte hat im Verhältnis dazu eine relativ schwache Stellung154. Da der Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht in den Nachlass
fällt, wird er auf die Pflichtteilsergänzungsansprüche verwiesen. Damit ist die
Gefahr verbunden, dass sich der Erbe unter Berufung auf § 2328 BGB mit dem
Argument, ihm bleibe nach Erfüllung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs weniger als sein Pflichtteil, seiner Pflichtteilsergänzungspflicht entzieht.
Zu beachten ist auch, dass der Erbe die Angehörigen des Erblassers durch eine
Haftungsbeschränkung auf den Nachlass um ihren Pflichtteil bringen kann155. Da
der Pflichtteilsergänzungsanspruch eine Nachlassverbindlichkeit ist, geht der
Pflichtteilsberechtigte nämlich dann leer aus, wenn der Erbe zugleich der
Beschenkte ist, seine Haftung auf den Nachlass beschränkt hat und der Nachlass
nicht ausreicht, um alle Nachlassverbindlichkeiten – insbesondere den Pflichtteilsergänzungsanspruch – zu bedienen156, so in der Regel wenn der Wert der lebzeitigen Zuwendung erheblich höher ist als der des Nachlasses157.
Selbst wenn der Pflichtteilsberechtigte dann über § 2329 BGB den Bezugsberechtigten in Anspruch nimmt, ist er der Gefahr ausgesetzt, dass sich der Zuwendungsempfänger auf den Wegfall der Bereicherung (§ 818 III BGB) beruft. Die
Herausgabepflicht nach § 2329 BGB bietet dem Pflichtteilsergänzungsberechtigten auch deshalb keinen hinreichenden Schutz, weil sie in zweifacher Hinsicht
begrenzt ist: zum einen weil die Haftung auf das von dem Schenkungsgegenstand
noch Vorhandene beschränkt ist. Zum anderen muss der Zuwendungsempfänger
das Empfangene nur zum Zweck der Befriedigung wegen des fehlenden Betrags,
der vom Erben über § 2325 BGB nicht erlangt werden konnte, herausgeben158.
Der Pflichtteilsergänzungsberechtigte geht auch dann leer aus, wenn ein Fall
des § 2330 BGB vorliegt, d.h. wenn das Bezugsrecht aufgrund einer sittlichen
Pflicht eingeräumt wurde oder wenn die Begünstigung auf einer auf den Anstand
zu nehmenden Rücksicht beruht. Auch dann ist die Teilhabe an der Versicherungsleistung über die Pflichtteilsergänzung ausgeschlossen.
Ferner ist der Bezugsberechtigte bei der prozessualen Durchsetzung seiner
Rechte im Verhältnis zum Pflichtteilsergänzungsberechtigten besser gestellt.
Dem Bezugsberechtigten einer Lebensversicherung steht nach Eintritt des Versicherungsfalls gemäß § 952 BGB das Eigentum an dem Versicherungsschein
zu159, der die wesentlichen Punkte des Versicherungsvertrags, u.a. die Höhe der
Versicherungssumme, ihre Fälligkeit und das eingeräumte Bezugsrecht160, enthält. Alle zur prozessualen Durchsetzung erforderlichen Fakten kann der Bezugs-
154 Frey, Lebensversicherung und Nachlassinteressen, 1996, S. 83.
155 Olzen, Jura 1987, 16 ff. (21). Da der Pflichtteilsergänzungsanspruch eine Nachlassverbindlichkeit ist, geht der Pflichtteilsberechtigte leer aus, sofern der Erbe seine Haftung auf
den Nachlass beschränkt hat und der Nachlass nicht ausreicht, um alle Nachlassverbindlichkeiten – insbesondere den Pflichtteilsergänzungsanspruch – zu bedienen.
156 Olzen, a.a.O.
157 Olzen, a.a.O.
158 Hasse, Lebensversicherung und erbrechtlicher Ausgleichsanspruch, 2005, Fn. 18 am Ende.
159 Goll/Gilbert, Handbuch der Lebensversicherung, 8.Auflage (1977), S. 225.
160 Goll/Gilbert, a.a.O.
51
berechtigte mit Hilfe dieses Versicherungsscheins auf leichte Art und Weise in
Erfahrung bringen. Ihm kommt außerdem zugute, dass eine Vermutung dahingehend besteht, dass der Versicherungsschein den wesentlichen Vertragsinhalt vollständig und richtig wiedergibt161, und dass diese Vermutung nur durch den Beweis
widerlegt werden kann, dass der Inhalt des Versicherungsscheins vom Antrag des
Versicherungsnehmers abweicht162.
Der Pflichtteilsberechtigte hingegen kann sein Informationsbedürfnis in Bezug
auf die Höhe der lebzeitigen Zuwendung nur durch entsprechende Auskunftsansprüche stillen163, die er unter Umständen erst prozessual geltend machen muss164.
Er trägt zudem die Beweislast dafür, dass der Einräumung des Bezugsrechts eine
Schenkung zugrunde liegt und dies nicht etwa als Gegenleistung für jahrelange
Pflegedienste erfolgt ist. Dabei ist nicht zu verkennen, dass dem Pflichtteilsergänzungsberechtigten in der Regel nur noch das schwache Beweismittel der Parteivernehmung des verklagten Beschenkten (§§ 445 ff. ZPO) zur Verfügung steht,
da der Versicherungsnehmer/Erblasser bereits verstorben ist.
Auch ein Blick in das Recht der Zwangsvollstreckung – insbesondere auf
§§ 850 I, III b), 850 b I Nr. 4 ZPO, die einen besonderen Pfändungsschutz vorsehen – unterstreicht die besondere Stellung des Bezugsberechtigten. Der dadurch
gewährte Schutz tritt zwar im Vergleich zu den bereits genannten Aspekten in den
Hintergrund, da § 850 b I Nr. 4 ZPO nur die Erfüllung der Bestattungskosten
sicherstellen will165 und § 850 I, III b) ZPO ausschließlich166 private Rentenlebensversicherungen betrifft.
Es darf jedoch nicht verkannt werden, dass bereits der nachlassgetrennte
Erwerb eine Privilegierung der Bezugsberechtigten darstellt167. Nicht zuletzt ist
auch in dem originär stattfindenden Rechtserwerb aufgrund eines Vertrags zugunsten Dritter eine Privilegierung des Begünstigten zu sehen168.
Festzuhalten ist also, dass der Bezugsberechtigte vor dem Gesetz eine im Verhältnis zum Pflichtteilsberechtigten stärkere Stellung hat.
Es ist weiter zu untersuchen, ob dies in ganz besonderem Maße auch für die
Bezugsberechtigten gilt, die zugleich zu den nahen Familienangehörigen gehö-
161 Goll/Gilbert, a.a.O.
162 Goll/Gilbert, a.a.O.
163 Olzen, JurA 1987, S. 21.
164 Hier kommt die Anwendung des § 2314 BGB gegen den Erben in Betracht. Dies setzt aber
voraus, dass der Erbe Kenntnis von der Höhe der lebzeitigen Zuwendung hat. In Bezug
auf den Bezugsberechtigten kommt hingegen nur ein Auskunftsanspruch aus § 242 BGB
in Betracht. Sicherlich erleichtert in prozessualer Hinsicht die Möglichkeit der Stufenklage
gemäß § 254 ZPO dem Pflichtteilsberechtigten ein entsprechendes Vorgehen. 167 Sieg in:
FS Klingmüller, 1974, S. 450; Hasse, VersR 2004, 958 ff. (959).
165 Sieg in: FS Klingmüller, 1974, S.450; Hasse VersR 2004, 958 ff. (959).
166 § 850 I, II b) ZPO ist auf die Kapitallebensversicherungen nicht – auch nicht analog –
anwendbar; vgl. Zöller-Stöber, ZPO, 25.Auflage, § 850 b Rn. 10; a.A.: Sieg, in: FS Klingmüller, 1974, S. 449, der insoweit für eine analoge Anwendung des § 851 i ZPO plädiert
(S .451).
167 Sieg ZVersWiss 1995, 697 ff. (699).
168 Berliner, LZ 1909, 283 ff. (285).
52
ren. Dies ist insbesondere deshalb interessant, da diese Personengruppe zu den
Pflichtteilsberechtigten (§ 2303 BGB) gehören kann und in diesem Fall Interessenkollisionen auftreten können.
Gegen eine Privilegierung könnte § 2325 III 2. HS BGB sprechen, der
bestimmt, dass die 10 – Jahresfrist nicht vor Auflösung der Ehe bzw. Lebenspartnerschaft beginnt169. Damit verbunden ist zwangsläufig, dass die Ehe- und
Lebenspartner bei Fortbestehen der Verbindung bis zum Eintritt des Erbfalls stets
einer Ergänzungspflicht ausgesetzt werden. Die Schenkung an Ehegatten oder
Lebenspartner wird folglich im Vergleich zu unentgeltlichen Zuwendungen an
Dritte schlechter gestellt170. Die Regelung findet indes ihre Rechtfertigung darin,
dass sich das Geschenk bei einer Zuwendung an Ehegatten bis zur Auflösung der
ehelichen bzw. lebenspartnerschaftlichen Verbindung wirtschaftlich noch im Vermögen des Schenkers befunden hat und der Schenker bis dahin die Folgen seiner
Schenkung noch nicht zu spüren bekommen hat171. Eine Schlechterstellung des
Ehegatten wird damit nicht bezweckt.
Nicht übersehen werden darf jedoch § 170 VVG, der den Angehörigen des Versicherungsnehmers subsidiär – nach einem insoweit vorrangigen Bezugsberechtigten – das Recht einräumt, in den Versicherungsvertrag einzutreten, wenn vor
Eintritt des Versicherungsfalls in den Versicherungsanspruch vollstreckt oder das
Insolvenzverfahren über das Vermögen des Versicherungsnehmers eröffnet wird.
Zwar ist der Eintritt des Angehörigen stets von der Zustimmung des Versicherungsnehmers abhängig und es handelt sich hierbei lediglich um ein subsidiäres
Eintrittsrecht, da vorrangig der Bezugsberechtigte zum Eintritt berechtigt ist. Das
Zustimmungserfordernis ist indes nur aufgrund des dem § 150 II VVG zugrunde
liegenden Gedankens – keine Lebensversicherung auf fremdes Leben ohne
Zustimmung der Gefahrsperson – zur Bedingung für das Eintrittsrecht gemacht
worden. Dies schmälert indes nicht die herausgehobene Position der eintrittsberechtigten Angehörigen im Verhältnis zu anderen Personengruppen, die an der
Fortsetzung des Versicherungsvertrags ein Interesse haben, jedoch nicht zum Eintritt berechtigt sind.
Nicht zuletzt spricht für eine Privilegierung des Bezugsberechtigten die steuerrechtliche Behandlung der Lebensversicherungen, bei denen der eine Ehegatte,
der Versicherungsnehmer ist, seinem Ehegatten ein Bezugsrecht an dieser
Lebensversicherung eingeräumt hat. Der Erwerb aufgrund einer Lebensversicherung aufgrund Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall fällt als steuerbarer
Erwerb von Todes wegen unter die Erbschaftssteuer (§ 3 I Nr. 4 ErbStG), es sei
denn die Auszahlung der Versicherungssumme erfolgt noch zu Lebzeiten des Versicherungsnehmers (§ 7 I Nr. 1 ErbStG). Gemäß R 9 III ErbStR trifft den aufgrund
des Bezugsrechts erwerbenden Ehegatten wegen der engen persönlichen Bindung
169 Gemäß § 10 VI 2 LPartG sind Zuwendungen an den Lebenspartner des Erblassers den
Zuwendungen an Ehegatten des Erblassers gleichgestellt.
170 Die Vorschrift ist trotz der Ungleichbehandlung verfassungsgemäß, vgl. BVerfG NJW
1991, 217.
171 Palandt-Edenhofer, § 2325 Rn. 23.
53
zu dem Versicherungsnehmer/Ehegatten nur eine hälftige Zahlungsverpflichtung172. Insoweit besteht auch hier eine Besserstellung des bezugsberechtigten
Ehegatten.
Es ist folglich festzuhalten, dass die Bezugsberechtigten einer Lebensversicherung, die zugleich Familienangehörige des Versicherungsnehmers sind, im Verhältnis zu den »nur« Pflichtteilsberechtigten (§ 2303 BGB) rechtlich besser
gestellt sind.
Daraus könnte man nun ableiten, dass die Interessen des Bezugsberechtigten
auch im Rahmen der Pflichtteilsergänzung Vorrang genießen, mit der Folge, dass
als Zuwendungsgegenstand nur die im Rahmen der Frist des § 2325 III BGB
geleisteten Prämien bzw. der Rückkaufswert – wegen der damit verbundenen,
geringeren Belastung des Bezugsberechtigten – zugrunde zu legen sind.
Diese Schlussfolgerung ist aber dann nicht zwingend, wenn man zu dem
Ergebnis kommt, dass der Bezugsberechtigte durch Möglichkeiten, die das
Pflichtteilsrecht bereit hält, bereits hinreichend davor geschützt wird, dass ihm
die Versorgungsleistungen durch den Pflichtteilsergänzungsberechtigten wieder
entzogen werden.
Hierbei ist zu beachten, dass Zuwendungen auf den Todesfall, welche die Versorgung von Ehegatten oder Kindern bezwecken, als Unterhaltsleistungen zu qualifizieren sind. In diesem Fall liegt keine unentgeltliche Leistung im Sinne der
§§ 2325, 2329 BGB vor, da der Zuwendung eine rechtliche Pflicht gegenübersteht173. Zwar endet die höchstpersönliche Unterhaltspflicht des Erblassers / Versicherungsnehmers mit dessen Tod174. Die gesetzliche Unterhaltspflicht verpflichtet jedoch nicht nur zur vorübergehenden Sicherung des gegenwärtigen
Unterhalts des Berechtigten, sondern sie zwingt den Verpflichteten auch dazu,
mit Blick auf die Zukunft für den künftigen Unterhalt des Berechtigten zu sorgen175.
Soweit demnach die Unterhalts- und Versorgungspflicht des Versicherungsnehmers gegenüber seiner Ehefrau und seinen Kindern reicht, kann von einer
Schenkung des Versicherungsnehmers an diese unterhaltsberechtigten Personen
nicht gesprochen werden176.
172 Die sich aus R 9 III ErbStR ergebende hälftige Zahlungsverpflichtung findet jedoch nur
dann Anwendung, wenn beide Ehegatten die Versicherung gemeinsam jeweils auf den Tod
des anderen abgeschlossen haben. D.h. dass der Ehegatte, der – ohne selbst Versicherungsnehmer zu sein – die Versicherungssumme im Fall des Todes seines Ehegatten / Versicherungsnehmers erhält, den gesamten Betrag versteuern muss, da er selbst keine Prämienzahlungen erbracht hat (Gebel, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 Rn. 293).
173 Winter, Interessenkonflikte bei der Lebensversicherung zugunsten Angehöriger, 1989,
S. 14 ff.; Bayer, in: Einbeziehung Dritter, 1999, S. 75; a.A.: Hellwig, Die Verträge auf Leistung an Dritte, 1899, S. 154.
174 BGH WM 1982, 101 f.
175 Winter, Interessenkonflikte bei Lebensversicherungen zugunsten Dritter, 1989, S.15.
176 Sieg, ZVersWiss 1995, 697 f. (699); ders. in: FS Klingmüller, 1974, S. 462; Winter, ZVers-
Wiss 1991, S. 203 ff. (210); ablehnend: Lorenz in: FS Farny, 1994, S.335 f.; ders. in: FS
Schwebler, S. 349 ff.
54
Dasselbe gilt, wenn der Versicherungsnehmer seinem Kind die Versicherungsleistung als Ausstattung (§ 1624 I BGB)177 im Rahmen einer Aussteuerversicherung178 oder seiner Ehefrau zum Zweck der Vergütung früher erbrachter Dienste
zukommen lässt179.
Auch § 2330 BGB bietet dem Bezugsberechtigten Schutz, wenn die Zuwendung als Anstands- und Pflichtschenkung zu qualifizieren ist.
Teilweise wird vertreten, Schenkungen an Erben bzw. die Bezugsrechtseinräumung zugunsten von Personen, die zum Kreis der gesetzlichen Erben gehören,
würden nicht zu den Pflichtschenkungen des § 2330 BGB gehören. Bei einer
Lebensversicherung zu eigenen Gunsten wäre die Versicherungssumme in den
Nachlass gefallen und der Pflichtteilsberechtigte hätte daran partizipiert. Die
Wahl des Vertrags zugunsten Dritter dürfe nicht dazu führen, dass die im Rahmen
dieses Vertrags begünstigten Erben vor den anderen Familienangehörigen bevorzugt werden. Dies wäre aber der Fall, wenn man sie durch den vom Nachlass
getrennten Erwerb aufgrund des Vertrags zugunsten Dritter nicht nur von der Haftung für die Nachlassverbindlichkeiten mit der Versicherungssumme befreien
würde, sondern sie darüber hinaus noch durch die Möglichkeit der Berufung auf
§ 2330 BGB vor einer Inanspruchnahme im Rahmen der Pflichtteilsergänzung
schützen würde180.
Diese Ansicht findet jedoch keinen Rückhalt im Gesetz und ist aus diesem
Grund abzulehnen. Auch die bezugsberechtigten Erben können sich bei Vorliegen
der Voraussetzungen auf § 2330 BGB berufen.
Da eine Anstandsschenkung nur kleinere Zuwendungen aus besonderem
Anlass umfasst181, fällt eine Schenkung, die in Form einer Bezugsrechtseinräumung erfolgt, aufgrund des hohen Werts einer Lebensversicherung in der Regel
nicht darunter.
Schenkungen, die aufgrund einer sittlichen Pflicht erbracht werden, können
hingegen einen höheren Wert haben, evtl. auch zur Erschöpfung des Nachlasses
führen182. Um den Ausschluss des Ergänzungsanspruchs rechtfertigen zu können,
muss die Schenkung aber in einem Grade geboten sein, dass »deren Unterbleiben
dem Erblasser als Verletzung einer sittlichen Pflicht anzulasten wäre183, wobei die
Lebensstellung der Beteiligten, deren persönliches Verhältnis zueinander, der
Wert der Zuwendung und die Größe des Nachlasses zu berücksichtigen sind184.
Da aber zugleich die Mindestteilhabe des Pflichtteilsberechtigten am Nachlass
einer gesetzlichen und auch sittlichen Pflicht entspricht, ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, bei der u.a. die persönliche Beziehung der Beteiligten und die
177 Hasse, Interessenkonflikte, 1981, S. 238; ders. Lebensversicherung und erbrechtlicher
Ausgleichsanspruch, 2005, S. 45.
178 Winter, Interessenkonflikte bei Lebensversicherungen zugunsten Dritter, 1989, S. 4.
179 BGHZ 116, 156 ff. (167, 174 f.); Mayer, DNotZ 2000, 926.
180 Natter, ZBlFG 8, 303 ff. (309).
181 MünchKomm/BGB-Lange, § 2330 Rn. 2.
182 BGH NJW 1981, 2458 f.; BGH NJW 1984, 2939 f.
183 BGH NJW 1984, 2939 f.; BGH NJW 2000, 3488 ff.
184 Hasse, Lebensversicherung und erbrechtlicher Ausgleichsanspruch, 2005, S. 46.
55
Vermögensverhältnisse des Erblassers185 sowie der mit der Schenkung verfolgte
Zweck186. Nicht unbeachtet bleiben darf. So kann die Versorgung Dritter einer
sittlichen Pflicht entsprechen187, wobei der »entschiedene Schutz«188 der Pflichtteilsberechtigten nicht vergessen werden darf.
Während bei der Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts zugunsten
Familienangehöriger in der Regel davon ausgegangen werden kann, dass dies
zum Zweck der Hinterbliebenenversorgung geschehen ist und damit einer sittlichen Pflicht entspricht, bedarf das Vorliegen einer Pflichtschenkung bei einer
Begünstigungserklärung zugunsten Dritter, die nicht in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zum Versicherungsnehmer stehen, einer besonderen Rechtfertigung. Dabei ist jedoch zu beachten, dass auch die nicht mit dem Versicherungsnehmer verwandten Personen, die diesem in erheblichem Umfang bei der Führung des Haushalts oder bei dessen Pflege behilflich waren, ebenso schützenswert
sind wie die Personen, die mit dem Versicherungsnehmer in einem Verwandtschaftsverhältnis stehen189.
Mit der Einräumung eines (unwiderruflichen) Bezugsrechts zugunsten eines
nahen Familienangehörigen wird aber auch nicht immer, sondern nur dann einer
sittlichen Pflicht entsprochen, wenn die bezugsberechtigten Familienangehörigen
in besonderem Maße bedürftig sind190 oder sich zu Lebzeiten des Versicherungsnehmers um diesen verdient gemacht haben. Auch unzureichende Vermögensverhältnisse des Erblassers können eine sittliche Pflicht begründen191, die es rechtfertigt, dass der Erblasser zugunsten naher Angehöriger eine Lebensversicherung
auf sein Leben abschließt, um ihnen aus Fürsorgegesichtspunkten unter Ausschluss der Nachlassgläubiger zumindest die Versicherungssumme zukommen zu
lassen.
Geschützt wird der Bezugsberechtigte auch dadurch, dass der »Rückgriff‘ auf
ihn über § 2329 BGB erst dann erfolgt, wenn eine Pflichtteilsergänzung vom
Erben nicht zu erlangen ist. Auch durch die vorrangige Haftung des Erben wurde
somit eine zusätzliche Schranke zugunsten des Bezugsberechtigten normiert.
Es ist daher festzuhalten:
1. Zwischen den Interessen der Pflichtteilsberechtigten und der Interessen der
widerruflich oder unwiderruflich Bezugsberechtigten (für eine reine Todesfalllebensversicherung sowie für eine gemischte Lebensversicherung mit
185 MünchKomm/BGB-Lange, § 2330 Rn. 3.
186 BGH NJW 1984, 2939 f. (2940).
187 BGH WM 1977, 1410 ff. (1411).
188 BGH NJW 1984, 2939 (2940).
189 vgl. Winter, ZVersWiss 1991, 203 ff. (210).
190 vgl Boll, Fragen der Zwangsvollstreckung und Schenkungsanfechtung bei Lebensversicherungsverträgen, 1981, S. 71 f.: Boll will die Privilegierung der unterhaltsberechtigten
Begünstigten davon abhängig machen, ob dieser im Einzelfall tatsächlich versorgungsbedürftig ist.
191 Josef, ArchBürgR 42 (1916), 319 ff. (326).
56
geteiltem Bezugsrecht) besteht eine Interessenkollision, da das Pflichtteilsrecht sowie die Bezugsrechtseinräumung zugunsten Dritter die gleiche Zielrichtung hat.
2. Im Rahmen dieser Kollision kommt den Interessen des Bezugsberechtigten
im Verhältnis zu den Pflichtteilsberechtigten ein Vorrang zu. Trotz dieser
hervorgehobenen Position ist jedoch aufgrund der innerhalb des Pflichtteilsrechts bereits vorhandenen Schutzmöglichkeiten eine besondere Berücksichtigung der Interessen des Bezugsberechtigten bei der Bestimmung des
ergänzungspflichtigen Vermögensgegenstands im Rahmen der §§ 2325,
2327, 2329 BGB nicht geboten.
Das oben192 festgehaltene Zwischenergebnis bedarf daher keiner Modifikation.
c) Berücksichtigung der Interessen der Erben im Rahmen der
Pflichtteilsergänzung nach § 2325 BGB?
Es ist weiter zu untersuchen, ob es das Interesse des oder der Erben erforderlich
macht, der Pflichtteilsergänzung lediglich die Prämienleistungen oder den Rückkaufswert zugrunde zu legen, weil dadurch der Nachlass geringer belastet würde.
Voraussetzung hierfür wäre, dass das Gesetz dem Erben den Nachlass möglichst
ungeschmälert zukommen lassen will.
Fraglich ist aber, ob es überhaupt eines besonderen Schutzes der Erben bedarf.
Diese könnten nämlich, sofern bei Eintritt des Versicherungsfalls noch keine
wirksame Schenkungsabrede zwischen Versicherungsnehmer und Bezugsberechtigtem im Valutaverhältnis vorliegt, durch einen Widerruf des Schenkungsangebots (§ 130 I 1 BGB) bzw. durch Widerruf der Vollmacht (§§ 168 S. 2, S. 3, 167
I BGB) oder des Auftrags der beauftragten Versicherungsgesellschaft (§§ 168
S. 1, 667 I BGB) erreichen, dass der Bezugsberechtigte den Anspruch auf die Versicherungssumme ohne Rechtsgrund erwirbt193. Das hätte zur Folge, dass der
Kondiktionsanspruch in den Nachlass fallen würde. Es käme zu keiner Pflichtteilsergänzung und der Pflichtteilsberechtigte würde im Rahmen seines ordentlichen Pflichtteils an der Versicherungsleistung partizipieren.
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang aber, dass es dadurch zwangsläufig
zu einem »Wettlauf«194 zwischen der Versicherungsgesellschaft und den Erben
des Versicherungsnehmers bzw. zwischen Zugang und Widerruf des Angebots
und damit zu unerträglichen Zufallsergebnissen käme. Ist das Schenkungsangebot dem Dritten nämlich zugegangen, wird die Schenkungsvereinbarung wirksam
und der Widerruf der Erben des Versicherungsnehmers geht ins Leere195. Vom
192 Siehe S. 46 f.
193 Vgl. BGH NJW 1975, 382 ff.
194 Peters, MDR 1995, 659 ff. (663); Hager, in: FS Caemmerer, 1978, S. 136; auch eingeräumt
von BGH WM 1976, 1130ff.
195 Hager, a.a.O.
57
Ausgang dieses Wettlaufs hängt es ab, ob der Nachlass um die Versicherungsleistung vermehrt und zugleich dem Bezugsberechtigten seine Versorgung durch die
Lebensversicherung genommen wird oder ob der Begünstigte kondiktionsfest
erwirbt.
Dieses unberechenbare Zufallsergebnis bietet den Erben des Versicherungsnehmers daher keinen hinreichenden Schutz. Dies gilt selbst dann, wenn man
berücksichtigt, dass die Versicherungsgesellschaft gemäß §§ 666, 1922 BGB zur
Benachrichtigung der Erben des Versicherungsnehmers über den Übermittlungsauftrag hinsichtlich des Schenkungsangebots verpflichtet ist. Die Frage, ob und
wenn ja, wann der Versicherer dieser Pflicht gegenüber den Erben tatsächlich
nachkommt, ist mit zu vielen Unwegsamkeiten verbunden.
Es ist daher die Frage zu klären, ob das Interesse der Erben an einem möglichst
ungeschmälerten Nachlass vom Gesetz geschützt wird.
§ 2328 BGB schützt den Erben nur insoweit, als ihm – sofern er selbst pflichtteilsberechtigt ist – der Betrag, den sein Pflichtteil ausmacht, erhalten bleibt.
Zudem kann bei völlig überschuldetem Nachlass der Fall eintreten, dass sich
das Vermögen des Erben mit dem Erbfall überhaupt nicht vergrößert bzw. im Fall
der Eingehung von Nachlasserbenschulden196, sogar mit zusätzlichen Verbindlichkeiten belastet wird197.
Zuletzt darf nicht vergessen werden, dass selbst der Vertragserbe nur unter den
Voraussetzungen des § 2287 BGB die Möglichkeit hat, eine ihn beeinträchtigende
Schenkung des Erblassers an einen Dritten wieder rückgängig zu machen.
Einen Anspruch des Erben darauf, dass der Nachlass einen bestimmten
Bestand an Aktiva hat, gibt es daher nicht.
Dies gilt umso mehr, als auch im Rahmen des § 2329 BGB die Interessen des
Bezugsberechtigten/Beschenkten keine besondere Berücksichtigung finden.
Aus der vorrangigen Haftung des Erben gemäß § 2325 BGB vor der Haftung
des Bezugsberechtigten nach § 2329 BGB ergibt sich nämlich, dass der vom Erblasser durch eine Verfügung von Todes wegen Bedachte gegenüber dem von ihm
zu Lebzeiten Beschenkten nicht besser gestellt werden soll. Der Erbe soll primär
für die Pflichtteilsergänzung haften, da er zuletzt auf Kosten der Pflichtteilsberechtigten erworben hat198. Wenn nun bereits die Interessen des Bezugsberechtigten zu keiner Privilegierung im Verhältnis zum Pflichtteilsergänzungsberechtigten führen, so muss dies erst recht für die Interessen des Erben gelten. Ansonsten
würde dies zu einer vom Gesetz nicht gewollten Besserstellung des Erben im Verhältnis zum Beschenkten führen.
Die Interessen des Erben an einem möglichst ungeschmälerten Nachlass sind
daher im Rahmen der Pflichtteilsergänzung nicht zu berücksichtigen.
196 Insoweit ist keine Beschränkung der Haftung auf den Nachlass möglich.
197 Palandt-Edenhofer, § 1967 Rn. 8 f.
198 Mot. V S. 463.
58
d) Unterschiedliche Zuwendungsgegenstände im Rahmen von §§ 2325, 2329
BGB und § 2327 BGB?
Zuletzt ist zu prüfen, ob die gegenläufigen Interessen des Pflichtteilsberechtigten,
zum einen in Bezug auf §§ 2325, 2329 BGB, zum anderen in Bezug auf § 2327
BGB, besondere Berücksichtigung im Hinblick auf den zugrunde zu legenden Zuwendungsgegenstand finden müssen. Die Frage ist, ob im Rahmen dieser Vorschriften zwingend derselbe Zuwendungsgegenstand anzurechnen ist oder ob
eine unterschiedliche Behandlung und damit eine Besserstellung des Pflichtteilsberechtigten in Bezug auf § 2327 BGB geboten ist. Hierbei ist wiederum vom
Schutzzweck des § 2327 BGB auszugehen.
§ 2327 BGB will sicherstellen, dass der Pflichtteilsergänzungsberechtigte
nicht über den Gesamtpflichtteil hinaus an dem Vermögen des Erblassers beteiligt
wird199. Eine Besserstellung ist demnach gerade nicht gewollt. Dafür spricht auch,
dass dem Pflichtteilsergänzungsberechtigten im Rahmen des § 2327 BGB eine
Schranke, wie sie § 2325 III BGB vorsieht, nicht zugute kommt und nach dem
Willen des Gesetzgebers bewusst auch nicht zugute kommen sollte200.
Auch unter Berücksichtigung des Wortlauts der Vorschrift kommt man zu keinem anderen Ergebnis. § 2327 BGB bestimmt ausdrücklich, dass Eigengeschenke »in gleicher Weise« wie das Geschenk des Dritten anzurechnen sind. Es
sind also sowohl im Hinblick auf das Eigengeschenk, als auch im Hinblick auf ein
Geschenk an den Dritten die gleichen Bewertungsgrundsätze anzulegen201. Dies
gilt nicht nur bei der Anrechnung im Rahmen des § 2327 BGB, sondern auch für
die Pflichtteilsergänzung nach §§ 2325, 2329 BGB.
Andernfalls würde dies zu einer vom Gesetz nicht gewollten Privilegierung des
Pflichtteilsergänzungsberechtigten führen.
Für eine differenzierte Behandlung könnte indes die unterschiedliche Verjährung des § 2325 BGB und des § 2329 BGB sprechen. Die Verjährungsfrist beträgt
zwar in beiden Fällen drei Jahre (§ 2332 I, II BGB). Während der Beginn der Verjährung des § 2325 BGB auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung bzgl. des Erbfalls und der beeinträchtigenden Verfügung abstellt (§ 2332 I BGB), knüpft der
Beginn der Verjährung bei § 2329 BGB aber objektiv an den Eintritt des Erbfalls
an (§ 2332 II BGB). Diese Erleichterung im Rahmen der Verjährung soll dem
Interesse des Beschenkten dienen202. Aus diesem Grund beginnt die Verjährung
nicht wie bei § 2325 BGB erst mit der Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten, sondern knüpft allein an objektive Umstände an. Zudem unterscheiden sich die
Ansprüche aus § 2325 BGB und aus § 2329 BGB sowohl inhaltlich als auch im
Hinblick auf den Umfang der Ansprüche203, da letzterer – mit Ausnahme von
199 Staudinger-Olshausen (1998) § 2327 Rn. 1.
200 Staudinger-Olshausen (1998) § 2327 Rn. 8.
201 So auch: Staudinger-Olshausen (1998) § 2327 Rn. 25; in Bezug auf § 2329 BGB: Elfring,
Drittwirkungen der Lebensversicherung, 2003, S. 101.
202 MünchKomm/BGB-Lange, § 2329 Rn. 8.
203 Palandt-Edenhofer, § 2332 Rn. 5.
59
Geldgeschenken – nur auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den Schenkungsgegenstand gerichtet ist. Das ändert aber nichts daran, dass § 2329 BGB an die
Haftung aus § 2325 BGB anknüpft. Dies wird bereits daran deutlich, dass es sich
um eine subsidiäre Haftung des Zuwendungsempfängers handelt und nur insoweit greift, als der Erbe zur Pflichtteilsergänzung nicht verpflichtet ist. Daher
sind die Ansprüche »dem Grunde nach« gleich204 und »nicht wesensmäßig verschieden«205.
Teilweise wird vertreten, für die Zugrundelegung der Versicherungsforderung
im Rahmen des § 2329 BGB spreche bereits, dass diese Vorschrift auf Herausgabe des Geschenkes nach den Vorschriften einer Bereicherung gerichtet sei. Daraus wird abgeleitet, die Pflicht des Bezugsberechtigten richte sich auf die Herausgabe der erlangten Bereicherung, und da diese in der Versicherungsforderung
bestehe, müsse bei § 2329 BGB auf jene abgestellt werden206. Habe die Versicherungsgesellschaft die Versicherungssumme bereits ausbezahlt, so sei als Ersatz
für den ursprünglichen Bereicherungsgegenstand die Versicherungssumme herauszugeben (§ 818 I BGB)207.
Dieser Schluss kann indes nicht gezogen werden. Zwar verweist § 2329 BGB
bzgl. der Herausgabepflicht auf die Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung. Das bedeutet aber nicht, dass sich die Herausgabepflicht auf die Herausgabe
der erlangten Bereicherung bezieht, sondern nur, dass das Geschenk nach den
Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben ist. § 2329 BGB
stellt nämlich eindeutig auf das Geschenk und nicht auf die Bereicherung ab. Der
Verweis auf die Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung bezieht sich
daher nur auf die Rechtsfolgen der §§ 818 ff. BGB208. Im Hinblick auf die Voraussetzungen der Ergänzungspflicht des Zuwendungsempfängers nimmt § 2329
BGB direkten Bezug auf § 2325 BGB. Das bedeutet lediglich, dass bei Wegfall
des Geschenkes die Haftung des Bezugsberechtigten entfällt (§ 818 III BGB).
Die Vorschrift dient daher nur dazu, die – insoweit unbeschränkte – Haftung
des § 2325 BGB nicht in dieser Form auf den Zuwendungsempfänger zu übertragen und ihn, was sonst der Fall wäre, unter Außerachtlassen seiner tatsächlicher
Bereicherung und ggf. bestehenden Gutgläubigkeit haften zu lassen. Um zumindest den gutgläubigen Zuwendungsempfänger davor zu schützen, beschränkt
§ 2329 BGB dessen Haftung auf die noch vorhandene Bereicherung. Nur bei
Kenntnis des Beschenkten soll dieser unabhängig von der noch vorhandenen
Bereicherung zur Herausgabe verpflichtet sein.
Daraus ergibt sich, dass den Pflichtteilergänzungsvorschriften der §§ 2325,
2327 und 2329 BGB der gleiche Zuwendungsgegenstand – nämlich die Versicherungsforderung – zugrunde zu legen ist.
204 RGZ 58, 124 ff. (128); 81, 204 ff; BGH NJW 1974, 1327 f.
205 BGH NJW 1974, 1327 f.
206 Elfring, Drittwirkungen der Lebensversicherung, 2003, S. 100 f.
207 Elfring, Drittwirkungen der Lebensversicherung, 2003, S. 101.
208 Hasse, Lebensversicherung und erbrechtlicher Ausgleichsanspruch, 2005, Fn. 55.
60
e) Zusammenfassung
Unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Pflichtteilsergänzungsansprüche
ist bei einer Zuwendung, die der zuwendende Erblasser durch die Einräumung eines Bezugsrechts zugunsten eines Dritten vornimmt, stets auf den Anspruch auf
die Versicherungsleistung abzustellen. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um
ein anfängliches oder nachträgliches, widerrufliches oder unwiderrufliches, im
Rahmen einer reinen Todesfalllebensversicherung oder einer gemischten Lebensversicherung bestehenden Bezugsrecht handelt. Dabei macht es keinen Unterschied, ob das Bezugsrecht für eine Kapitallebens- oder private Rentenlebensversicherung eingeräumt worden ist.
3. Systematische Betrachtung – Vergleich mit der Abtretung des
Versicherungsanspruchs
Zum Zweck der Ermittlung des ergänzungspflichtigen Vermögensgegenstands ist
weiterhin ein Vergleich zwischen der Zuwendung im Wege der Einräumung eines
Bezugsrechts und einer schenkungshalber erfolgten Abtretung des Anspruchs auf
die Versicherungsleistung vorzunehmen. Zunächst ist zu untersuchen, welcher
Zuwendungsgegenstand zugrunde zu legen wäre, wenn der Versicherungsnehmer
nicht lediglich einen Dritten als Begünstigten eingesetzt hätte, sondern wenn er
dem Dritten die Versicherungsforderung schenkungshalber abgetreten hätte
(§ 398 BGB).
Tritt der Erblasser die Versicherungsforderung an einen Dritten ab, mit der
Folge, dass dieser in die Gläubigerstellung des Versicherungsnehmers eintritt209,
so hat dies im Rahmen der Pflichtteilsergänzungsansprüche ebenso Relevanz, wie
wenn der Versicherungsnehmer einen Dritten zum Bezugsberechtigten einer
Lebensversicherung macht, In diesem Fall ist jedoch nicht zweifelhaft, welcher
Gegenstand der Pflichtteilsergänzung zugrunde zu legen ist, denn mit der Abtretung hat der Versicherungsnehmer/Schenker sein Vermögen um den Anspruch auf
die Versicherungssumme erleichtert, das Vermögen des Dritten/Beschenkten
wurde um die Versicherungsforderung vermehrt. Daher ist der Wert des Versicherungsanspruchs maßgebend.
Es ist kein Grund ersichtlich, warum der Dritte, der im Wege der Schenkung
zum Bezugsberechtigten einer Lebensversicherung gemacht worden ist, anders
behandelt werden sollte als derjenige, dem die Versicherungsforderung schenkungshalber abgetreten wurde210. Es ist zwar zuzugeben, dass ein Unterschied
zwischen der Abtretung der Versicherungsforderung und der nur widerruflichen
Einräumung des Bezugsrechts besteht. Bei der Abtretung erwirbt der Dritte das
209 Die Abtretung führt nicht dazu, dass der Dritte auch die Gegenleistungspflicht des Versicherungsnehmers, d.h. die Pflicht zur Entrichtung der Prämien, übernimmt.
210 Heilmann, VersR 1972, 997 ff. (1001).
61
Recht auf die Versicherungsleistung sofort, bei der Einräumung des widerruflichen Bezugsrechts erst mit Eintritt des Versicherungsfalls. Aus ex post-Sicht
steht der Begünstigte jedoch nicht anders als der Zessionar. Er wird Gläubiger der
Versicherungsforderung und der mit dem Gläubigerrecht zusammenhängenden
Rechte und Rechtslagen211, in die anderen Rechte und auch Pflichten des Versicherungsnehmers tritt er ebenso wie der Zessionar hingegen nicht ein212.
Auch eine systematische Betrachtung ergibt folglich, dass bei einer schenkungshalber erfolgten Bezugsrechtseinräumung zugunsten eines Dritten der Versicherungsanspruch der Pflichtteilsergänzung unterliegt.
4. Der Schenkungsgegenstand im Rahmen der
Pflichtteilsergänzungsansprüche
Fraglich ist, ob an der Zugrundelegung des Anspruchs auf die Versicherungsleistung auch im Hinblick auf den Schenkungsbegriff der §§ 2325 ff. BGB festgehalten werden kann. Die Hauptkritik, die an der Zugrundelegung des Versicherungsanspruchs geübt wird, bezieht sich darauf, dass die Forderung niemals zum
Vermögen des Versicherungsnehmers gehört habe und daher keine Bereicherung
des Beschenkten aus dem Vermögen des Erblassers/Versicherungsnehmers vorliege213. Damit fehle es an einer für das Vorliegen einer Schenkung unabdingbaren
Voraussetzung. Nur im Hinblick auf die Prämienleistungen seien die Voraussetzungen einer Schenkung erfüllt, da das Vermögen des Erblassers / Versicherungsnehmers um diese entreichert und das Vermögen des Bezugsberechtigten »mittelbar«214 bereichert worden sei.
Im Folgenden ist daher zu untersuchen, inwieweit dieser Kritik gefolgt und
vom bisher gewonnen Ergebnis abgewichen werden muss.
a) Die unmittelbare Schenkung der Versicherungsforderung
Eine Schenkung im Sinne der Pflichtteilsergänzungsansprüche ist weitestgehend215 identisch mit dem Schenkungsbegriff des § 516 BGB216. Dieser setzt eine
Zuwendung aus dem Vermögen des Schenkers voraus, d.h. die Hingabe eines Ver-
211 So erwirbt der Dritte auch das Eigentum an dem Versicherungsschein (§ 952 BGB).
212 Zum Beispiel hat weder der Zessionar – sofern diese Rechte nicht mit abgetreten wurden
–, noch der Bezugsberechtigte ein Kündigungs- oder Umwandlungsrecht (Heilmann, ZHR
113 (1950), S. 87 ff. (89).
213 RGZ 128, 187 ff. (190); Fuchs, JuS 1989, 182.
214 RGZ 128, 187ff. (190).
215 Die sog. »unbenannte Zuwendung« in der Ehe stellt mangels Einigung über die Unentgeltlichkeit keine Schenkung i.S.d. § 516 BGB, wohl aber eine Schenkung i.S.d §§ 2325
ff. BGB dar (Palandt-Edenhofer, § 2325 Rn. 10).
216 Frey, Lebensversicherung und Nachlassinteressen, 1996, 5.120.
62
mögensbestandteils von Seiten des Schenkers zugunsten einer anderen Person217.
Diese Hingabe muss beim Schenker zu einer Entreicherung218 und beim Beschenkten zu einer Bereicherung führen219.
aa) Unmittelbare Schenkung des Versicherungsanspruchs durch
Bezugsrechtseinräumung zugunsten eines Dritten
Eine unmittelbare Schenkung des Anspruchs auf die Versicherungsleistung läge
dann vor, wenn in der Bezugsrechtseinräumung zugleich eine Verfügung über
diesen Anspruch zugunsten des begünstigten Dritten gesehen werden könnte.
Dagegen kann zunächst nicht eingewandt werden, dass eine Verfügung bereits
am fehlenden Bestehen eines solchen Anspruchs im Zeitpunkt der Abgabe der
Bezugsrechtseinräumung scheitere, da auch betagte und auch künftige Ansprüche, soweit sie bestimmt oder bestimmbar sind und deren Entstehung möglich ist,
übertragen werden können220. Der Anspruch auf die Versicherungsleistung entsteht nicht erst mit Eintritt des Versicherungsfalls. Allein die Fälligkeit ist bis zu
diesem Zeitpunkt hinausgeschoben221. Der Versicherungsnehmer kann den
Anspruch zu Lebzeiten zwar nicht selbst realisieren, er ist jedoch bereits mit
Abschluss der Lebensversicherung als Vermögenswert in seinem Vermögen entstanden.
Die Bejahung dieser Konstruktion würde aber zugleich die Bejahung eines
unzulässigen verfügungsrechtlichen Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall
bedeuten.
Die §§ 328, 331 BGB sind auf einen verfügungsrechtlichen Vertrag jedoch
nicht anwendbar. Zum einen regeln die §§ 328, 331 BGB nur den Erwerb schuldrechtlicher Leistungsansprüche durch Dritte. Zum anderen setzt ein Gläubigerwechsel nach § 398 BGB einen Vertrag zwischen dem Gläubiger der Forderung
und dem Erwerber voraus. Zudem ist die Möglichkeit der Zurückweisung gemäß
§ 333 BGB und die damit verbundene »Schwebelage«222 mit dem Grundsatz der
Rechtsklarheit nicht vereinbar.
Davon zu unterscheiden ist die Tatsache, dass die Bezugserklärung nicht nur
Gestaltungsrecht ist, sondern auch Verfügungscharakter besitzt223. Mit Abgabe
der Bezugserklärung lenkt der Versicherungsnehmer nämlich die Richtung des
Versicherungsanspruchs auf den Bezugsberechtigten um. Er nimmt somit eine
217 MünchKomm/BGB-Kollhosser, § 516 Rn. 2.
218 MünchKomm/BGB-Kollhosser, § 516 Rn. 3.
219 MünchKomm/BGB-Kollhosser § 516 Rn. 8.
220 Harder, FamRZ 1976, 618.
221 Winter, Interessenkonflikte bei Lebensversicherungen zugunsten Angehöriger, 1989,
S. 27.
222 Vgl. MünchKomm/BGB-Gottwald, § 328 Rn. 182.
223 RGZ 66, 158 ff. (162); BGH VersR 1988, 1236 ff. (1237); BGHZ 91, 288 ff. (291); BGH
VersR 2000, 709 ff. (711).
63
Inhaltsänderung vor224. Eine Übertragung des Anspruchs auf die Versicherungssumme liegt jedoch nicht vor.
Das gilt auch dann, wenn der Versicherungsnehmer zu Lebzeiten einem Dritten
ein unwiderrufliches Bezugsrecht einräumt. Damit begibt er sich zwar selbst des
Anspruchs auf die Versicherungsleistung, weil der Dritte sofort mit Wirksamwerden der Bezugsrechtseinräumung den Anspruch auf die Versicherungssumme
erwirbt225. Das ändert aber nichts daran, dass es sich bei der Bezugsrechtseinräumung nicht um einen unmittelbar rechtsübertragenden Rechtsakt handelt.
bb) Direkt- oder Durchgangserwerb des Bezugsberechtigten
Eine unmittelbare Schenkung des Anspruchs auf die Versicherungsleistung läge
auch dann vor, wenn der Bezugsberechtigte diesen Anspruch derivativ – durch
das Vermögen des Versicherungsnehmers hindurch – erwerben würde. Dann nämlich könnte man eine Entreicherung im Vermögen des Versicherungsnehmers um
den Anspruch auf die Versicherungssumme und eine entsprechende Bereicherung
auf Seiten des Bezugsberechtigten verzeichnen. Das wäre indes nicht der Fall,
wenn sich der Rechtserwerb durch den Dritten aufgrund des Vertrags zugunsten
Dritter originär vollziehen würde, da sich der originäre Rechtserwerb dadurch
auszeichnet, dass der zugewandte Anspruch im Vermögen des Dritten neu entsteht. Ob der Dritte beim Vertrag zugunsten Dritter den Zuwendungsgegenstand
originär (Direkterwerb)226 oder derivativ (Durchgangserwerb)227 oder aber, je
nach dem, ob es sich um einen anfänglichen oder nachträglichen Vertrag zugunsten Dritter handelt, im ersten Fall originär und im zweiten Fall derivativ228 erwirbt, ist umstritten.
Die Rechtsprechung des Reichsgerichts war insoweit uneinheitlich.229
224 Vgl. Römer, VVG, § 166 Rn. 13.
225 BGHZ 45, 162 ff. (167); Winter, Interessenkonflikte bei Lebensversicherungen zugunsten
Angehöriger, 1989, S. 43.
226 Peters, MDR 1995, 659 ff. (660); Palandt/Grüneberg, § 328 Rn. 5, § 330 Rn. 2; Bruck /
Möller / Winter, Anm. H 130; MünchKomm/Gottwald, § 328 Rn. 3; Harder, Zuwendungen
unter Lebenden auf den Todesfall, 1968, S.134 f.; Heilmann, NJW 1968, 1853 ff. (1857);
Frey, Lebensversicherungen und Nachlassinteressen, 1996, S.143; Fuchs, JuS 1989, 179;
Koenig, Die Drittbegünstigung in der Kapitallebensversicherung, 1998, S. 142 f.; Erman/
Westermann, BGB, vor § 328 Rn. 1; Gebel, ZEV 2000, 173 ff.; RGZ 128, 187 ff. (189);
BGHZ 41, 95 f.; BGH NJW 1967, 101 ff. (102).
227 Finger, JuS 1969, 309 ff.; Hoffmann, AcP 158 (1959/1960), 194; Zehner, AcP 153 (1954),
452 f.; Hassold, Zur Leistung im Dreipersonenverhältnis, 1981, S. 249 ff.; Hellwig, Verträge auf Leistungen an Dritte, 1899, S. 46 ff., 255 f.; Natter, ZBlFG 8, S. 303 ff. (305 ff.);
Josef, ArchBürgR 42 (1916), 319 ff. (322).
228 Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, 1995, S. 279 ff.; Soergel/Hadding, vor § 328 Rn. 8;
Lorenz, in: FS Schwebler, S. 349, 359 ff.; ders. in: FS Farny, S.335, 339 ff.
229 vgl. RGZ 24, 337 ff.; 54, 94 ff.; 66, 158 ff.: Annahme eines originären Rechtserwerbs.
64
Der BGH geht von einem Direkterwerb aufgrund Vertrags zugunsten Dritter
aus230.
Auch die h.M. nimmt an, dass sich der Erwerb aufgrund eines Vertrags zugunsten Dritter stets, d.h. unabhängig davon, ob das Bezugsrecht bereits mit
Abschluss des Versicherungsvertrags oder erst im Anschluss daran eingeräumt
worden ist231, originär vollziehe232.
Auch bei anfänglicher Einräumung einer Bezugsberechtigung zugunsten Dritter erwerbe der Dritte aus dem Vermögen des Versicherungsnehmers. Ein entsprechendes Recht des Versicherungsnehmers zur Abgabe einer Bezugserklärung entstehe erst mit Abschluss des Versicherungsvertrags. Für eine juristische Sekunde,
in der der Vertrag ohne das Bezugsrecht des Dritten bestehe, gehöre der Anspruch
auf die Versicherungsleistung zum Vermögen des Versicherungsnehmers233. Der
Anspruch des Versicherungsnehmers erlösche bzw. »verkümmere« zu dem »wertlosen« Rechts aus § 335 BGB, während der Versicherungsanspruch in der Person
des Dritten – ähnlich der Novation234 – neu begründet werde. Dieser erwerbe,
anders als bei der Abtretung, bei der die Identität des übertragenen Rechts
gewahrt bliebe, ein »selbständiges Recht«235, das mit dem ursprünglich beim Versprechensempfänger bestehenden Recht nicht, auch nicht »modifiziert«236 identisch sei.
Teilweise wird auch vertreten, der durch einen Vertrag zugunsten Dritter
Begünstigte erwerbe stets derivativ237. Die Drittbegünstigung stelle einen zessionsähnlichen Akt und damit ein Fall des Durchgangserwerbs dar, da sie stets aus
dem Vermögen des Versicherungsnehmers erfolge. Bei einem Lebensversicherungsvertrag zugunsten Dritter werde die Versicherungsforderung bzw. -summe
für eine logische Sekunde Bestandteil des Vermögens des Versicherungsnehmers.
Erst im Anschluss daran werde sie wegen der Drittbegünstigung weiter auf den
Bezugsberechtigten übertragen238.
Begründet wird dies damit, dass bei einer Lebensversicherung zugunsten Dritter nur der Anspruch auf die Versicherungssumme unmittelbar zugewandt werde,
230 BGHZ 7, 134, 142; 13, 232; 32, 47; BGH NJW 1995, 3113.
231 v. Gierke, Der Lebensversicherungsvertrag, 1936, S.26.
232 BGH NJW 2003, 2679 ff.; BGHZ 156, 350 ff. = NJW 2004, 214 ff. = ZIP 2003, 2307 ff.
= VersR 2004, 93 ff.; MünchKomm/BGB-Gottwald, § 330 Rn. 18; Palandt/Grüneberg,
§ 330 Rn. 2; Erman-Westermann, BGB, vor § 328 Rn.1, § 330 Rn. 3; Soergel/Hadding,
vor § 328 Rn. 5; Harder, Zuwendungen unter Lebenden auf den Todesfall, 1968, S. 134
f.; Heilmann, NJW 1968, 1853, 1857; Bruck/Möller/Winter, Anm. H 130, H 141; Frey,
Lebensversicherung und Nachlassinteressen, 1996, S. 143; Fuchs, JuS 1989, 179; Koenig,
S. 142 f.; Römer, VVG, § 166 Rn. 4.
233 EIfring, NJW 2004, 483
234 Heilmann, KTS 1972, 21.
235 RGZ 54, 94 ff. (96).
236 Heilmann, ZuR 113 (1950), S. 87 ff. (93).
237 Müller-Feldhammer, NZI 2001, 343 ff. (346); Hassold, Zur Leistung im Dreipersonenverhältnis 1981, S. 249 ff, 308; Hellwig, Verträge auf Leistungen an Dritte, 1899, S. 46 ff.,
S. 255 f
238 Müller-Feldhammer, NZI 2001, 343 ff. (343).
65
nicht aber das »Stammrecht«, worunter die Rechtszuständigkeit des Versicherungsnehmers verstanden wird239. Die Rechtszuständigkeit bleibe stets beim Versicherungsnehmer. Es müsse auch deshalb stets ein derivativer Erwerb vorliegen,
weil der Versicherungsnehmer bei fehlendem Rechtsgrund im Valutaverhältnis
mangels Vorliegens einer Leistung aus seinem Vermögen andernfalls keinen Kondiktionsanspruch auf Abtretung des Versicherungsanspruchs geltend machen
könnte240.
Dies gelte auch bei einem unwiderruflichen Bezugsrecht, da dieses lediglich
eine Abspaltung des Forderungsrechts aus der Rechtsinhaberschaft des Versicherungsnehmers darstelle. Bei Vorliegen eines unwiderruflichen Bezugsrechts
werde diese Rechtsstellung im Vergleich zu einem widerruflichen Bezugsrecht
lediglich verstärkt. Der Rechtserwerb des Dritten vollziehe sich daher stets abgeleitet aus dem Vermögen des Versicherungsnehmers als ursprünglichem Rechtsinhaber. Die Unwiderruflichkeit des Bezugsrechts führe nicht dazu, dass der
Dritte eine eigene und selbständig aus dem Versicherungsvertrag abgeleitete
Rechtsstellung erwerbe241. Bei Annahme eines Direkterwerbs könnten die Gläubiger niemals Zugriff auf die Versicherungsforderung nehmen, da dieser niemals
Bestandteil des Vermögens des Versicherungsnehmers und damit der Insolvenzmasse gewesen sei (§ 35 InsO).
Eine vermittelnde Ansicht differenziert zwischen einer nachträglichen und
einer anfänglichen Drittbegünstigung242. Bei anfänglicher Bezugberechtigung
erwerbe der Dritte das Recht direkt aus dem Vermögen der Versicherungsgesellschaft243, da aus dem ursprünglichen Erwerb der unmittelbare Erwerb folge244. Es
handle sich insoweit um ein rechtsbegründendes Verpflichtungs- und nicht um ein
rechtsübertragendes Verfügungsgeschäft245. Bei nachträglicher Einräumung des
Bezugsrechts erwerbe der Bezugsberechtigte hingegen »zessionsähnlich« aus
dem Vermögen des Versicherungsnehmers, da die Rechte aus der Lebensversicherung mit Abschluss des Versicherungsvertrags zunächst in das Vermögen des Versicherungsnehmers fallen würden246. Es komme zu einer Auswechslung der Forderungsinhaber. In diesem Fall sei unerheblich, ob das Unmittelbarkeitsprinzip
einen originären oder derivativen Rechtserwerb des Dritten anordne.
Allein maßgeblich sei, dass der Anspruch auf die Versicherungsleistung
zunächst Bestandteil des Vermögens des Versicherungsnehmers gewesen sei und
dann aufgrund der Drittbegünstigung nachträglich dessen Vermögen – zum Nach-
239 Müller-Feldhammer, NZI 2001, 343 ff. (344).
240 Müller-Feldhammer NZI 2001, 343 ff. (346).
241 Müller-Feldhammer, NZI 2001, 343 ff. (348).
242 Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, 1995, S. 279 ff.; Soergel/Hadding, vor § 328 Rn. 8;
Lorenz, in: FS Schwebler, 5.349, 359 ff.; ders. in: FS Farny, 5.335, 339 ff.
243 RGZ 54, 94 ff. (95); 62, 46 ff.; 71, 324 ff.; 127, 270 ff.; Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, 1995, S. 279 f.
244 v. Gierke, Der Lebensversicherungsvertrag, 1936, S. 25.
245 Bayer Der Vertrag zugunsten Dritter, 1995, S. 277 ff.
246 RGZ 62, 46 ff.; 66, 158 ff.; Lorenz, in: FS Farny (1994), 225, 229 ff. ders. in: FS Schwebler
(1986), 349, 359 ff.
66
teil der Gläubiger des Versicherungsnehmers – entzogen worden sei247. Insoweit
handle es sich um eine zessionsähnliche Verfügung, weil dadurch der Forderungsinhaber ausgewechselt werde248.
Andere wiederum machen das Vorliegen eines Direkt- oder Durchgangserwerbs davon abhängig, ob der widerruflich Bezugsberechtigte Angehöriger des
Versicherungsnehmers ist249. Habe der Bezugsberechtigte den Angehörigenstatus, erwerbe er originär. Auf diesem Weg könne man dieser Personengruppe
wegen des mit dem originären Rechtserwerb verbundenen nachlassgetrennten
Erwerbs größtmöglichen Schutz zukommen lassen. Da diese Personen direkt aus
dem Vermögen des Versicherers erwerben würden und einen Zugriff der Nachlassgläubiger auch durch Beschränkung der Erbenhaftung verhindern könnten,
könnten sie nur durch die Annahme eines originären Rechtserwerbs hinreichend
geschützt werden.
Die damit verbundene Besserstellung der angehörigen Bezugsberechtigten sei
auch deshalb geboten, weil der Versicherungsnehmer durch das Unterlassen des
Widerrufs bis zu seinem Tod gezeigt habe, dass es ihm mit deren Begünstigung
ernst gewesen ist. Der originäre Rechtserwerb sei ein weiteres Zeichen dafür, dass
er aufgrund eines Vertrags zugunsten Dritter erwerbende Dritte gegenüber anderen privilegiert sei250.
Gehöre der Bezugsberechtigte hingegen nicht zum Kreis der Angehörigen des
Versicherungsnehmers, erwerbe er im Wege des Durchgangserwerbs direkt aus
dem Nachlass. In diesem Fall sei es nicht zu rechtfertigen, wenn die Interessen
der Nachlassgläubiger hinter denen des Bezugsberechtigten zurücktreten müssten.
Bei Vorliegen eines unwiderruflichen Bezugsrechts sei hingegen allein maßgeblich, dass die Versicherungsforderung bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls aus dem Vermögen des Versicherungsnehmers ausgeschieden sei. Daher
finde in diesem Fall stets ein nachlassgetrennter Rechtserwerb statt und zwar
unabhängig davon, ob es sich bei dem Bezugsberechtigten um einen Angehörigen
des Versicherungsnehmers handle251.
Bayer252 vertritt die Ansicht, dass nur der Erwerb aufgrund § 328 I BGB ein
originärer sei. Der Erwerb aufgrund eines Vertrags zugunsten Dritter auf den
Todesfall gemäß § 331 BGB hingegen vollziehe sich stets derivativ, da die Rechte
erst mit Eintritt des Versicherungsfalls zugewandt würden. Eine Ausnahme stelle
nur die Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts dar, da hier in Abweichung von § 331 BGB ein Rechtserwerb bereits mit der Bezugsrechtseinräumung
stattfinde.
247 Thiele, S. 27.
248 Bayer, a.a.O.
249 Sieg, in: FS Klingmüller, 1974, S. 455.
250 Berliner, LZ 1909, 283 ff. (285).
251 Sieg, in: FS Klingmüller, 1974, S. 461.
252 Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, 1995, S. 308.
67
Die Ansicht, die den originären bzw. derivativen Rechtserwerb davon abhängig
macht, ob ein Bezugsrecht widerruflich oder unwiderruflich eingeräumt worden
ist, ist abzulehnen. Die Gefahr, dass der Versicherungsnehmer diese Gestaltungsmöglichkeit ausnutzt, um den originären Rechtserwerb zu seinen Gunsten zu
missbrauchen, liegt zu nah. Die Art des Rechtserwerbs aufgrund Vertrags zugunsten Dritter darf nicht der Willkür des Versprechensempfängers überlassen werden253.
Gegen die Annahme einer abtretungsähnlichen Konstellation spricht, dass dies
zu einer Kollision mit dem Zurückweisungsrecht des durch einen Vertrag zugunsten Dritter Begünstigten (§ 333 BGB) führen würde. Unterstellt man nämlich,
dass dem Rechtserwerb eine der Abtretung ähnliche Rechtsbeziehung zwischen
Versprechensempfänger (Versicherungsnehmer) und Drittem (Bezugsberechtigtem) zugrunde liegt, so geht man davon aus, dass im Valutaverhältnis zwischen
Versicherungsnehmer und Bezugsberechtigtem ein Vertrag bzw. vertragsähnliches Konstrukt besteht. Dann aber besteht kein Grund, wie bzw. warum der Dritte
dann nachträglich wieder von dieser vertraglichen Erklärung – ohne lnnehabung
eines Rücktritts – oder entsprechenden Gestaltungsrechts, mit dem er sich von
dem Vertrag lösen könnte – allein durch die Zurückweisung gemäß § 333 BGB
wieder Abstand nehmen können soll254. Stehen einem durch Vertrag Gebundenen
keine Gestaltungsrechte zu, mittels deren Ausübung eine Lösung von einem Vertrag möglich wäre, so wäre dies ansonsten nur durch Verzicht auf die abgetretene
Forderung möglich (§ 397 BGB), der aber zudem – anders als die Zurückweisung255 (§ 333 BGB) – nicht rückwirkend, sondern ex nunc wirken würde256.
Der Wortlaut der §§ 328 I, 330 BGB, § 159 III VVG lässt beide Auslegungsmöglichkeiten zu. Unmittelbarkeit kann für einen originären, im Sinn eines
gesetzlich angeordneten Direkterwerbs des Dritten aufgrund des Versicherungsvertrags aus dem Vermögen der Versicherungsgesellschaft257, aber auch für einen
derivativen Rechtserwerb, bei dem lediglich auf die Mitwirkung des Dritten in
Form der Annahme eines Angebots oder eines Beitritts zum Versicherungsvertrag
verzichtet wird258, sprechen.
253 Kohler-Gehrig, Der Versicherungsvertrag im Konkurs des Versicherungsnehmers, 1983,
S. 132.
254 Gebel, ZEV 2005, 238.
255 Die Zurückweisung durch den Bezugsberechtigten führt zum rückwirkenden Entfallen des
unmittelbar und originär in seiner Person entstandenen Leistungsanspruchs (Gebel, ZEV
2005, 241).
256 Gebel, a.aO.
257 RGZ 51, 403 ff. (404 f.); 71, 324 ff.; 80, 175 ff. (177); 153, 220 ff. (227 ff.); BGHZ 7, 134
ff. (142).
258 Reinicke/Reinicke, NJW 1956, S. 1053; v. Gierke, Der Lebensversicherungsvertrag, 1936,
S. 18, 26 f.; Hoffmann, AcP 158 (1959/1960), 191; Peters, MDR 1995, 659 ff. (660); Finger, JuS 1969, 309 f; Gottschalk sieht in der Annahme eines originären Direkterwerbs die
»Negation des Vertrags als Form des Miteinanderhandelns« (Gottschalk, VersR 1976, 797
ff. (801)).
68
Bei der Beantwortung der Frage nach Direkt- oder Durchgangserwerb ist daher
die Entstehungsgeschichte des Vertrags zugunsten Dritter näher zu betrachten.
Im klassischen römischen Recht existierte weder das Rechtsinstitut der Abtretung. noch das des Vertrags zugunsten Dritter259. Grund hierfür war die damals
herrschende »gesteigerte lchbezogenheit«260 und die strenge Subjektgebundenheit der Obligation. Die Verbindlichkeit war mit der Person des Schuldners
ebenso zwingend verbunden wie das Forderungsrecht an den Gläubiger261. Die
Trennung des Forderungsrechts vom Gläubiger führte zur Aufhebung der Obligation (»alteri stipulari non potest«), mit der Folge, dass ein Gläubigerwechsel
nur durch Novation möglich war262.
Später vollzogen sich jedoch gewisse Aufweichungen. Der Rechtserwerb eines
Dritten wurde über eine vertragliche, dreiseitige Rechtsbeziehung konstruiert. Da
zwischen allen Beteiligten vertragliche Verbindungen bestanden, handelte es sich
aber nicht um einen Vertrag zugunsten Dritter im Sinne des §§ 328 ff. BGB.
Anfang des 19. Jahrhunderts wurden drittbegünstigende Vereinbarungen in
Hofübergabeverträgen in der Form von Altenteilen oder Gleichstellungsgeldern
anerkannt263. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts, noch vor Inkrafttreten des
BGB, wurde angenommen, der Dritte erwerbe das Recht als vom Versprechensempfänger abgeleitetes Recht264. Der Dritte erwarb das Recht gegen den Versprechenden aufgrund eines abtretungsähnlichen Aktes265, d.h. aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung zwischen Versprechensempfänger und Drittem, die der
Mitwirkung des Dritten bedurfte. Bald wurde das Mitwirkungserfordernis nur
noch fingiert266 bzw. vollkommen für entbehrlich gehalten267. Es blieb aber beim
Erwerb des Rechts »durch das Vermögen des Versprechensempfängers hindurch«.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich dann die Auffassung, dass Forderungs- und Stammrecht voneinander abgespalten werden könnten, ohne dass es dadurch zur Aufhebung der Obligation komme. Der Anspruch
wurde vergegenständlicht268. Dem Dritten wurde das Recht ohne dessen Mitwirkung unmittelbar und aufgrund eines allein zwischen Versprechensempfänger
259 Petersen, AcP 204 (2004), 835.
260 Gottschalk, VersR 1976, 797 ff. (799).
261 Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, § 55 Rn. 1.
262 Kaser/Knütel, a.a.O.
263 Vgl. Müller-Feldhammer, NZI 2001, 343 ff. (344).
264 Gottschalk, VersR 1976, 797 ff. (798).
265 Gottschalk, VersR 1976, 797. Nach dem Allgemeinen Preußischen Landrecht erwarb der
Dritter erst dann das Recht, wenn er mit dem Einverständnis des Versprechensempfänger
und des Versprechenden deren Vertrag beigetreten war (Hager, in: FS Caemmerer, 1978,
S. 129).
266 Vgl. Harder, Zuwendungen unter Lebenden auf den Todesfall, 1968, S. 129 m.w.N.
267 siehe Hager, in: FS Caemmerer, 1968, S. 129 f. mit Bezug zum Allgemeinen Preußischen
Landrecht.
268 Heilmann, ZHR 113 (1950), S. 87 ff. (93).
69
und Versprechendem bestehenden Vertrags zugewandt269. Der strenge römischrechtliche Grundsatz und die sog. Akzeptations- und Zessionstheorie, die den
Rechtserwerb von der Mitwirkung des Dritten abhängig machte270, wurden aufgegeben.
Von diesen Vorstellungen – strenge Subjektgebundenheit des Forderungsrechts
– hat sich auch das BGB gelöst. Zudem nahm man bei einem Vertrag zugunsten
Dritter vom Erfordernis einer Beitrittserklärung des Dritten bzw. einer Zession
zwischen Versprechensempfänger und Bezugsberechtigtem Abstand271 und entschied sich für den unmittelbaren Erwerb eines »selbständigen Forderungsrechts
auf die Leistung«272. Man entschied sich bewusst gegen die sog. Akzeptationstheorie273.
In den Motiven heißt es, »dass durch den Vertrag zwischen zwei Personen ein
an dem Vertrag nicht beteiligter Dritter das Forderungsrecht auf die Leistung
unmittelbar erwerben könne, ohne dass irgendeine Mitwirkung, Akzeptation oder
ein Beitritt desselben nötig sei«274. Das Tatbestandsmerkmal »unmittelbar« sollte
daher klarstellen, dass der Rechtserwerb des Dritten ohne dessen Mitwirkung
erfolgen sollte. Eine Aussage darüber, ob sich der Rechtserwerb des Dritten nun
derivativ oder originär vollzieht, wurde damit nicht getroffen. Da weder Durchgangserwerb und fehlendes Mitwirkungserfordernis, noch Direkterwerb und fehlendes Mitwirkungserfordernis unvereinbar sind275, lässt sich daraus indes nichts
ableiten. Aus der Entstehungsgeschichte des Vertrags zugunsten Dritter lässt sich
daher weniger eine Abkehr vom derivativen Erwerb, als vielmehr eine Abkehr
vom Mitwirkungserfordernis seitens des Dritten erkennen.
Für die Annahme eines ursprünglichen Rechtserwerbs des im Rahmen eines
Vertrags zugunsten Dritter Begünstigten könnte ein systematischer Vergleich zum
Rechtsinstitut der Abtretung sprechen.
Beide Rechtsinstitute dienen dazu, einem Dritten die Gläubigerstellung an
einer Forderung zu verschaffen276. Sie befinden sich innerhalb des BGB jedoch
an unterschiedlichen Stellen. Bei der Abtretung erwirbt der Zessionar die Forderung stets als ein vom Zedenten abgeleitetes Recht277. Der neue Gläubiger tritt an
die Stelle des alten Gläubigers. Zudem bedarf es zwingend eines Zusammenwirkens zwischen Zedent und Zessionar. Im Gegensatz dazu erwirbt der Begünstigte
269 Gottschalk, VersR 1976, S. 797 ff. (798).
270 Akzeptationstheorie (Theorie zur Konstruktion der Drittberechtigung): die Annahme der
Drittleistung durch den Begünstigten beinhaltet die Verpflichtung des Promissars (Versprechensempfänger), für die ordnungsgemäße Vertragserfüllung durch den Promittenten
(Versprechenden) zu sorgen (vgl. Müller-Feldhammer, NZI 2001, 343 ff. (345).
271 Harder Zuwendungen unter Lebenden auf den Todesfall, 1968, S. 130.
272 Mot. II, 265 ff., 268.
273 Petersen, AcP (2004) 204, 832ff. (835); Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, 1995,
S. 221.
274 Mugdan, Materialien zum BGB, Band 2, S. 149, 1238.
275 Thiele Lebensversicherung und Nachlassgläubiger, 1963, S. 28 f.
276 Heilmann, KTS 1972, 14 ff. (16).
277 Heilmann, ZHR 113 (1950), S. 87ff. (92).
70
beim Vertrag zugunsten Dritter das Recht ohne dass es seiner Mitwirkung, gar seines »Wissens und Wollens«278 bedarf279.
Zwar hat der Vertrag zugunsten Dritter mit der Abtretung gemein, dass die
Rechtslage des im Rahmen eines Vertrags zugunsten Dritter Begünstigten der
eines Zessionars angeglichen worden ist (vgl. § 334 BGB und § 404 BGB)280.
Diese Tatsache allein reicht indes nicht aus, vergessen zu machen, dass es sich bei
dem Vertrag zugunsten Dritter um ein selbständig neben der Abtretung stehendes
Rechtsinstitut handelt281. Eine Schlussfolgerung dahingehend, dass der Dritte
beim Vertrag zugunsten Dritte ebenso wie der Zessionar stets derivativ erwirbt,
ist aus diesem Grund nicht möglich.
Etwas anderes könnte sich aus Sinn und Zweck des unmittelbaren Rechtserwerbs ergeben. Dieser besteht darin, den durch eine Lebensversicherung Begünstigten vor den Gläubigern des Versicherungsnehmers zu schützen282.
Der Gesetzgeber hat es aufgrund dieses Schutzgedankens aus sozialpolitischen
Gründen – zumindest im Hinblick auf die Lebensversicherung – für zwingend
erachtet, dass der Dritte nicht aus dem Vermögen des Versicherungsnehmers
erwirbt283.
Bei Annahme eines derivativen Erwerbs wäre den Gläubigern des Versicherungsnehmers ansonsten der Zugriff auf die Versicherungsforderung ermöglicht
worden. Damit hätte die Lebensversicherung als Instrument zur »Sicherstellung
der Existenz der Angehörigen des Versicherungsnehmers«284 erheblich an Wert
verloren. Die Entscheidung für die Ursprünglichkeit des Rechtserwerbs des Dritten aufgrund des Vertrags zugunsten Dritter ist daher eine Entscheidung zum Vorteil der Hinterbliebenen des Versicherungsnehmers (Versorgungszweck) und zum
Nachteil der Nachlassgläubiger285.
Ferner war es u.a. die Lebensversicherung, die den Gesetzgeber des BGB dazu
veranlasst hat, den Erwerb des Dritten mit dem Tod des Versprechensempfängers
im Zweifel unwiderruflich werden zu lassen, mit dem Ziel, den Schutz des Dritten
vor den Nachlassgläubigern und den Erben zu verstärken (§ 331 I BGB)286. Dies
spricht für einen Direkterwerb, da nur auf diesem Weg ein effektiver Gläubigerschutz erreicht werden kann.
Zwar ergibt sich aus den Protokollen der II. Kommission, dass der Vorteil des
Vertrags zugunsten Dritter gerade in dem Verzicht auf die Mitwirkung des Dritten
278 Heilmann, ZHR 113 (1950), S. 87 ff. (91); ders. KTS 1972, 14.
279 Mot. II, 268.
280 Heilmann, ZHR 113 (1950), S. 87 ff. (93). Bei einem Lebensversicherungsvertrag sind
zudem die §§ 407, 409 BGB zugunsten des Bezugsberechtigten anwendbar (RGZ 154, 99
ff. (109); 168, 177 ff. (187)).
281 Heilmann, ZHR 113 (1950), S. 87 ff. (91).
282 v. Gierke, Der Lebensversicherungsvertrag, 1936, S. 27 f; Hager, in: FS Caemmerer, 1978,
S. 132, 145.
283 Müller-FeIdhammer, NZI 2001, 343 ff. (345); v. Gierke, S. 28.
284 Müller-Feldhammer, a.a.O.
285 Müller- FeIdhammer NZI 2001 343 ff. (346).
286 Hager, in: FS Caemmerer, 1978, S. 127 ff. (132, 145).
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und weniger in dessen Direkterwerb gesehen wurde287, was wiederum gegen
einen originären Rechtserwerb sprechen würde.
Nicht vergessen werden darf indes, dass bei den Beratungen zu § 332 BGB
innerhalb der Zweiten Kommission von der Minderheit die Befürchtung geäußert
worden war, dass »durch die Aufnahme des angeregten Zusatzes das Missverständnis entstehen könne, die in der letztwilligen Verfügung vorgenommene
Bezugsrechtseinräumung zugunsten eines Dritten für eine Lebensversicherung
habe zur Folge, dass die Nachlassgläubiger berechtigt seien, sich an die Versicherungssumme als einen Bestandteil der Nachlassmasse zu halten«288. Nach der
Vorstellung des Gesetzgebers sollte die Versicherungssumme daher nicht dem
Zugriff der Gläubiger unterliegen. Die besonderen Bedürfnisse der Lebensversicherung verlangen vielmehr, den Gläubigern des Versicherungsnehmers den
Zugriff auf die Versicherungsleistung zum Zweck der Existenzsicherung der
Angehörigen durch einen Direkterwerb des Begünstigten zu versperren.
Wie bereits von Otto Max v. Gierke289 vertreten wurde, ist aufgrund der dargelegten teleologischen Gesichtspunkte von einem originären Rechtserwerb des
Dritten auszugehen. Dies gilt sowohl für den Erwerb aufgrund Vertrags zugunsten
Dritter gemäß § 328 BGB, als auch für den Rechtserwerb aufgrund Vertrags
zugunsten Dritter auf den Todesfall gemäß § 331 BGB und nicht nur – wie von
Bayer290 vertreten wird – für den Erwerb nach § 328 BGB. § 331 BGB modifiziert
§ 328 BGB nur im Hinblick auf den Zeitpunkt des Rechtserwerbs, nicht aber in
Bezug darauf, ob das Recht vom Dritten originär oder derivativ erworben wird.
Damit ist jedoch noch nicht geklärt, ob bei der Bestimmung der Art des Rechtserwerbs aufgrund eines Vertrags zugunsten Dritter zusätzlich danach differenziert
werden muss, ob die Drittbegünstigung bereits bei Abschluss des Versicherungsvertrags oder erst im Anschluss daran vorgenommen wurde, wobei im ersten Fall
ein originärer und im zweiten Fall ein derivativer Rechtserwerb vorläge.
Gegen eine solche Unterscheidung spricht, dass das Gesetz die Unmittelbarkeit
des Rechtserwerbs, wie sich bereits aus dem Wortlaut der §§ 328 ff. BGB ergibt,
auch nicht davon abhängig macht, ob der Vertrag von Anfang an ein Vertrag
zugunsten Dritter war, oder ob der Vertrag erst nachträglich zu einem drittbegünstigenden Vertrag gemacht worden ist. § 332 BGB räumt dem Versprechensempfänger, ohne damit zugleich eine Änderung im Hinblick auf die Unmittelbarkeit
des Rechtserwerbs vorzunehmen, ausdrücklich das Recht ein, erst nachträglich
eine Drittbegünstigung vorzunehmen.
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Versicherungsforderung ihren
Ursprung in dem zwischen dem Versicherungsnehmer und der Versicherungsgesellschaft abgeschlossenen Versicherungsvertrag hat und in jedem Fall, bevor sie
Bestandteil des Vermögens des Dritten geworden ist, zuvor zum Vermögen des
287 Prot. II, 755.
288 Mugdan, Materialien zum BGB, Band 2, S. 709.
289 v. Gierke, Lebensversicherungsvertrag zugunsten Dritter, 1936, S. 2 1.
290 Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, 1995, S. 308.
72
Versicherungsnehmers gehört hat291. Dies ergibt sich aus dem Zurückweisungsrechts des Dritten nach § 333 BGB. Nach Zurückweisung durch den Dritten gilt
das Recht auf die Versicherungsleistung als nicht erworben, mit der Folge, dass
es dem Versicherungsnehmer zusteht (§ 160 III VVG). In jedem Lebensversicherungsvertrag zugunsten Dritter ist daher immer als ein »Minus« auch ein Lebensversicherungsvertrag zu eigenen Gunsten enthalten, mit der Folge, dass sich der
Versicherungsnehmer trotz der Bezugsrechtseinräumung, sei sie anfänglich oder
nachträglich erfolgt292, so behandeln lassen muss, als sei der Versicherungsanspruch Bestandteil seines Vermögens.
Dafür, dass der Versicherungsanspruch zumindest als Bestandteil des Vermögens des Versicherungsnehmers zu betrachten ist, spricht zudem, dass jede wirksame Bezugsrechtseinräumung aufgrund ihres Verfügungscharakters293 voraussetzt, dass derjenige, der sie vornimmt, Verfügungsmacht besitzt294. Da dies in der
Regel nur auf den Rechts- bzw. Anspruchsinhaber zutrifft295, muss derjenige, der
bereits bei Abschluss des Versicherungsvertrags eine Drittbegünstigung wirksam
vornehmen will, im Zeitpunkt der Bezugsrechtseinräumung Rechtsinhaber gewesen sein. Daraus folgt, dass die Versicherungsforderung auch bei anfänglicher
Bezugsrechtseinräumung denknotwendig Bestandteil des Vermögens des Versicherungsnehmers gewesen sein muss.
Eine Unterscheidung zwischen anfänglicher und nachträglicher Bezugsrechtseinräumung kann auch nicht mit der Begründung gerechtfertigt werden, bei
der anfänglichen Bezugsrechtseinräumung handle es sich um ein rechtsbegründendes Verpflichtungsgeschäft, während bei einer nachträglichen Bezugsrechtseinräumung ein rechtszuwendendes Verfügungsgeschäft vorliege.
Hierbei ist die Besonderheit zu berücksichtigen, dass bei einer Zuwendung
unter Zuhilfenahme des Vertrags zugunsten Dritter zwei Rechtsgeschäfte zu
einem Rechtsgeschäft verschmelzen296. Der rechtsgeschäftliche Erfolg, der
eigentlich die Vornahme zweier Rechtsgeschäfte erfordert, tritt hier bereits durch
die Vornahme eines Rechtsgeschäfts, nämlich den Abschluss des Vertrags zugunsten Dritter, ein297. Diese Wirkung ist indes Folge eines jeden Vertrags zugunsten
Dritter, und zwar unabhängig davon, ob es sich um ein anfängliches oder ein
nachträgliches Bezugsrecht handelt. Die Rechtszuwendung setzt denknotwendig
zunächst die Begründung des Rechts im Vermögen des Zuwendenden voraus.
Eine solche Unterscheidung würde zudem zu untragbaren Zufallsergebnissen
führen, je nach dem, ob der Versprechensempfänger bereits mit dem festen Ent-
291 Josef ArchBürgR 42 (1916), S. 322; Natter, ZBlFG 8, S. 303.
292 Dies gilt zumindest bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Dritte nicht mehr nach § 333 BGB
zurückweisen kann.
293 Heilmann, KTS 1972, 14: durch die Bezugsrechtseinräumung verfügt der Versicherungsnehmer über die Gläubigerstellung und nimmt dadurch zugleich eine Inhaltsänderung vor.
294 Heilmann, KTS 1972, 14 ff. (21).
295 Außer die Verfügungsmacht ist auf den Insolvenzverwalter übergegangen (§ 80 InsO) oder
ein Fall der Ermächtigung gemäß § 185 BGB liegt vor.
296 Nämlich das rechtsbegründende und das rechtszuwendende Rechtsgeschäft.
297 Hasse, VersR 2005, 15 ff. (16).
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schluss der Drittbegünstigung einen Vertrag zu Gunsten Dritter abgeschlossen,
oder ob er sich anlässlich der Vertragsunterzeichnung erst kurz danach dazu entschlossen hat298.
Eine Differenzierung zwischen der anfänglichen und der nachträglichen Drittbegünstigung ist daher abzulehnen. In Anbetracht des Ziels, den begünstigten
Dritten vor einem Zugriff der Nachlassgläubiger zu schützen, findet in jedem Fall
ein originärer Rechtserwerb des Dritten aus dem Vermögen der Versicherungsgesellschaft statt. Eine unmittelbare Schenkung des Anspruchs auf die Versicherungsleistung kommt daher nicht in Betracht.
b) Die mittelbare Schenkung
Die Besonderheit des Vertrags zugunsten Dritter (auf den Todesfall) liegt folglich
darin, dass keine Identität zwischen Entreicherungs- und Bereicherungsgegenstand vorliegt. Das Vermögen des Versicherungsnehmers wird um die Prämienzahlungen vermindert, das Vermögen des Bezugsberechtigten um die Versicherungsforderung vermehrt, ohne dass sich der identische Anspruch zuvor im Vermögen des Versicherungsnehmers befunden hat. Es herrscht jedoch Einigkeit dar-
über, dass eine solche Identität zwischen dem Gegenstand, um den das Vermögen
des Schenkers entreichert wurde, und dem Gegenstand, um den das Vermögen des
Beschenkten bereichert wurde, nicht bestehen muss299.
Der Gegenstand der Zuwendung muss sich vorher nicht »wesensgleich« im
Vermögen des Schenkers befunden haben300. Ausreichend ist das Vorliegen einer
sog. mittelbaren Schenkung, bei der der Versprechensempfänger/Versicherungsnehmer dem Dritten durch den Versprechenden/Versicherer etwas zuwenden lässt
und dieser Zuwendungsgegenstand dem Dritten auf Kosten des Vermögens des
Versprechensempfänger/Versicherungsnehmer verschafft worden ist301. Die Vermögensminderung auf Seiten des Schenkers muss lediglich die Vermögensmehrung auf Seiten des Beschenkten herbeiführen302.
Unbeantwortet bleibt damit jedoch die Frage, ob Zuwendungsgegenstand bei
der mittelbaren Schenkung der Entreicherungs-303 oder der Bereicherungsgegenstand ist304.
298 Hörstmann, Der echte Vertrag zugunsten Dritter als Rechtsgeschäft zur Übertragung einer
Forderung, 1983, S. 181.
299 MünchKomm/BGB-Kollhosser, § 516 Rn. 6; Staudinger/Wimmer-Leonhardt (2005),
§ 516 Rn. 22.
300 Bamberger/Roth-Gehrlein, BGB, § 516 Rn. 3; BGH NJW 1972, 247; Palandt-Putzo, § 516
Rn. 5.
301 MünchKomm/BGB-Kollhosser, § 516 Rn. 7.
302 Natter, ZBlFG 8, S. 303 ff. (307).
303 Hasse, Lebensversicherung und erbrechtlicher Ausgleichsanspruch, 2005, Fn.53; ders.
Interessenkonflikte, 1981, S. 237 f.
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aa) Der Gegenstand der sog. »mittelbaren Schenkung«
Teilweise wird – ohne jede weitere Differenzierung – auf den Bereicherungsgegenstand, d.h. auf den Anspruch auf die Versicherungsleistung, abgestellt305. Da
zum Vermögen des Versicherungsnehmers zumindest der Anspruch auf die Prämienreserve gehöre, liege eine Vermögensverringerung auf Seiten des Schenkers
vor, da mit Eintritt des Versicherungsfalls und mit dem Erwerb des Anspruchs auf
die Versicherungssumme von Seiten des Bezugsberechtigten der Anspruch auf
Rückzahlung der Prämienreserve »absorbiert«306 werde. Durch diese Verringerung des Vermögens des Versicherungsnehmers werde die Vermögensmehrung
auf Seiten des Bezugsberechtigten herbeigeführt307.
Bei Vorliegen eines unwiderruflichen – anfänglichen wie nachträglichen –
Bezugsrechts kann indes nicht auf den Entreicherungsgegenstand und damit nicht
auf die geleisteten Prämien abgestellt werden.
Dieser Fall kann nicht anders behandelt werden als die Situation, in der der
Versicherungsnehmer/Schenker die Prämienleistungen direkt an den Dritten mit
der Zweckbindung zuwendet, der Dritte selbst solle als Vertragspartner der Versicherungsgesellschaft einen Lebensversicherungsvertrag zu eigenen Gunsten
auf das Leben des Versicherungsnehmers abschließen. In diesem Fall hängt es
vom Parteiwillen ab, ob der Geldbetrag oder aber die Versicherungssumme zugewandt werden soll308. Ist der Einsatz zweckgebunden, d.h. bestimmt der Schenker,
dass damit die Prämien auf einen Versicherungsvertrag, der auf das Leben des
Schenkers abzuschließen ist, bezahlt werden sollen, so soll Zuwendungsgegenstand die Versicherungssumme sein309.
Nicht anders verhält es sich, wenn dem Dritten ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt wird. Denn dann kommt die mit jeder Prämienzahlung seitens
des Versicherungsnehmers verbundene Wertsteigerung der Versicherungsforderung nur noch dem Bezugsberechtigten zugute. Es kann also keinen Unterschied
machen, ob der Versicherungsnehmer die Prämienzahlungen direkt an die Versicherungsgesellschaft bezahlt und diese dem unwiderruflich Bezugsberechtigten
in Form der damit erkauften Werterhöhung zugute kommen oder ob dem Dritten
der Geldbetrag geschenkt wird, um damit eine Lebensversicherung zu eigenen
Gunsten zu bedienen.
In beiden Fällen ist die Versicherungsforderung zugrunde zu legen.
304 Natter stellt insoweit, ohne die Art der Vermögensverringerung auf Seiten des Schenkers
zu berücksichtigen, auf den Bereicherungsgegenstand – d.h. die Versicherungsforderung
– ab (Natter, ZB1FG 8, S. 303 ff. (307); siehe auch Josef, ArchBürgR 42 (1916), 319 ff.
(322), Elfring, Drittwirkungen der Lebensversicherung, 2003, S. 63 ff., 98 ff.
305 Natter, ZBlFG 8, S. 303 ff. (307 f.).
306 Natter, ZBlFG 8, S. 303 ff. (308).
307 Natter, a.a.O.
308 RGZ 167, 199 ff. (202); BGH NJW 1952, 1171 ff.; BGH FamRZ 1970, 19 ff. (21); BGH
NJW 1972, 247 ff. (248); MünchKomm/BGB-Kollhosser, § 516 Rn. 6.
309 MünchKomm/BGB-Kollhosser, a.a.O.
75
Dabei ist unerheblich, ob es sich um eine gemischte Lebensversicherung mit
geteiltem Bezugsrecht oder um eine reine Todesfallversicherung handelt. Die Tatsache, dass der Dritte bei einer gemischten Lebensversicherung die Versicherungsforderung endgültig erst mit dem Todesfall erwirbt, ändert nichts daran,
dass die Prämienzahlungen aus ex post – Sicht allein dem Zweck der Steigerung
des Werts des Versicherungsanspruchs gedient haben und diese das Vermögen des
Bezugsberechtigten vermehrt haben. Die Prämienzahlungen stellen allein die vertragsmäßige Gegenleistung des Versicherungsnehmers dar, mit denen er seine der
Versicherungsgesellschaft gegenüber bestehende Verpflichtung erfüllt.
Fraglich ist, wie die Situation im Hinblick auf ein widerrufliches Bezugsrecht
zu beurteilen ist. Oertmann310 wendet hier gegen die Konstruktion der Rechtsprechung – mittelbare Schenkung der Prämienzahlungen – sehr anschaulich ein, man
könne nicht ernsthaft annehmen, der Verkäufer eines Pferdes, der einem Dritten
den Kaufpreis für das Pferd durch den Käufer zukommen lasse, wolle dem Dritten
mittelbar das Pferd zuwenden.
Gegen die Ansicht der Rechtsprechung spricht aber darüber hinaus, dass sie
das Deckungsverhältnis und das Valutaverhältnis in unzulässiger Weise miteinander vermischt.
Die Rechtsbeziehungen im Deckungs- und im Valutaverhältnis sind streng
voneinander zu trennen311. Wenn aber angenommen wird, die Prämienleistung sei
auf der einen Seite Gegenleistung für die Versicherungssumme im Rahmen des
Deckungsverhältnisses, auf der anderen Seite wolle der Versicherungsnehmer
damit aber auch seine Verpflichtung aus der Schenkungsabrede im Valutaverhältnis erfüllen, so vermischt man die Beziehungen der beteiligten Personen.
Dagegen kann auch nicht eingewendet werden, dass auch der Versicherer mit
der Auszahlung der Versicherungssumme an den Dritten seine im Deckungsverhältnis dem Versicherungsnehmer geschuldete Gegenleistung, zugleich aber auch
die Leistung im Vollzugsverhältnis erbringe. Im Gegensatz zum Deckungs- und
Valutaverhältnis ist das Vollzugsverhältnis nämlich kein vertragliches Rechtsverhältnis, sondern begründet lediglich ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis312. Es liegt daher insoweit keine unzulässige Vermischung vor.
Dem steht auch nicht entgegen, dass es sich um eine sog. »dynamische Schenkung«313 handelt, bei der sich der Wert der Schenkung mit jeder Prämienzahlung
des Schenkers stetig erhöht. Auch bei solchen »dynamischen Schenkungen« ist
nicht auf die Aufwendungen abzustellen, die die Wertsteigerung herbeiführen,
sondern auf den bei Eintritt des Versicherungsfalls erreichten Wert314.
Gegen das Abstellen auf den Bereicherungsgegenstand spricht zudem nicht,
dass es dadurch zu einer Besserstellung der Gläubiger des Pflichtteilsergänzungsanspruchs käme, weil ihnen ein Vermögenswert zur Verfügung gestellt würde, der
310 Oertmann, AcP 138 (1934), 56, 68 ff.
311 Olzen, Jura 1987, 16 ff. (24).
312 Palandt-Grüneberg, Einf. v. § 328 Rn. 5.
313 Frey, Lebensversicherung und Nachlassinteressen, 1996, S. 129.
314 Frey a.a.O.
76
ihnen bei unterlassener Schenkung nicht zugute gekommen wäre315. Bei unterlassener Drittbegünstigung wäre der Versicherungsanspruch nämlich weiterhin
Bestandteil des Vermögens des Versicherungsnehmers und die Durchführung
einer Pflichtteilsergänzung wäre gar nicht erforderlich.
Anders als die Rechtsprechung annimmt, liegt daher stets eine mittelbare
Schenkung des Versicherungsanspruchs und nicht der Gesamtsumme der
erbrachten Prämienzahlungen vor. Hätte der Versicherungsnehmer die Prämien
verschenken wollen, hätte er den einfacheren Weg der direkten Schenkung des
Betrags an den Zuwendungsempfänger wählen können316.
bb) Die Gleichbehandlung von unmittelbarer und mittelbarer Zuwendung
Der Versicherungsanspruch wäre auch dann zugrunde zu legen, wenn man die
mittelbare Zuwendung wie eine unmittelbare Zuwendung des Anspruchs auf die
Versicherungssumme behandeln müsste.
Die Gleichbehandlung der unmittelbaren und der mittelbaren Zuwendung
könnte aufgrund von Interessensgesichtspunkten geboten sein.
Legt man der Pflichtteilsergänzung lediglich die erbrachten Prämienbeiträge
zugrunde, würde man dadurch die Pflichtteilsergänzungsberechtigten die das
Pech haben, dass der Erblasser Zuwendungen über das Rechtsinstitut des Vertrags
zugunsten Dritter erbringt, ansonsten im Verhältnis zu den Pflichtteilsberechtigten bei denen der Erblasser den Weg der unmittelbaren Zuwendung wählt,
schlechter stellen317. Ferner darf sich die dem Rechtsinstitut des Vertrags zugunsten Dritter immanente Besonderheit, dass das bei einer unmittelbaren Zuwendung vorliegende einheitliche Rechtsgeschäft in drei Rechtsgeschäfte auseinander fällt und in diesen Rechtsbeziehungen unterschiedliche Leistungen fließen318
nicht zu Lasten der Pflichtteilsberechtigten auswirken.
Für eine Gleichbehandlung von unmittelbarer und mittelbarer Zuwendung
könnte zudem eine »Quasildentität« zwischen Entreicherungs- und Bereicherungsgegenstand sprechen.
Eine tatsächliche Identität scheidet wegen des originären Rechtserwerbs aufgrund Vertrags zugunsten Dritter (auf den Todesfall) aus, da der originäre Rechtserwerb bewirkt, dass der Anspruch auf die Versicherungssumme im Vermögen
des Versicherungsnehmers erlischt und mit Eintritt des Versicherungsfalls ein
gleichartiges, aber nicht mit dem erloschenen Forderungsrecht identischer
Anspruch im Vermögen des Bezugsberechtigten entsteht. Dies ändert aber nichts
an der Tatsache, dass der Versicherungsnehmer den Erwerb des Forderungsrechts
315 Hasse, Lebensversicherung und erbrechtlicher Ausgleichsanspruch, 2005, S. 17 f.
316 Boll, Fragen der Zwangsvollstreckung und Schenkungsanfechtung bei Lebensversicherungsverträgen, 1981, S. 79.
317 RGZ 43, 83 ff.; 46, 101 ff.; 48, 148 ff.; 59, 195 ff.; 133, 290 ff.
318 Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, 1995, S. 308.
77
durch den Dritten mit dem Verlust seines eigenen Anspruchs »bezahlt«319. Zwar
handelt es sich bei diesen Ansprüchen wegen der Ursprünglichkeit des Rechtserwerbs des Zuwendungsempfängers nicht um identische Rechte.
Der Inhalt und Umfang der beiden Forderungsrechte ist jedoch derselbe. Bei
erfolgter Drittbegünstigung erwirbt der Bezugsberechtigte mit Eintritt des Versicherungsfalls den Anspruch auf die (volle) Versicherungssumme, bei fehlender
Drittbegünstigung fällt die Versicherungsforderung mit diesem Wert und nicht
nur in Höhe des im Todeszeitpunkt bestehenden Rückkaufswerts in den Nachlass
des Versicherungsnehmers. Der einzige Unterschied besteht darin, dass der Versicherungsnehmer die Fälligkeit des Anspruchs nicht erlebt, weil dieser Zeitpunkt
erst mit seinem Tod eintritt320.
Trotz mangelnder Identität der Ansprüche entspricht der Rechtsverlust auf Seiten des Versicherungsnehmers – entweder durch die Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts oder durch den Eintritt des Versicherungsfalls – dem
Rechtserwerb auf Seiten des Dritten. Der eine ist ohne den anderen nicht denkbar.
Für eine »Quasi-Identität« spricht auch ein Vergleich zur Abtretung. Bei der
Zession wird ein Recht unter Wahrung seiner Identität auf einen Dritten übertragen321. Bei dem Rechtserwerb aufgrund Vertrags zugunsten Dritter erlischt der
Anspruch beim Versprechensempfänger und ein vollkommen selbständiger
Anspruch entsteht neu in der Person des Begünstigten, wobei dieser denselben
Inhalt wie der beim Versprechensempfänger zuvor erloschene hat. In beiden Fällen erhält der Empfänger einen Anspruch gegen die Versicherungsgesellschaft,
kraft dessen er die Auszahlung der Versicherungssumme verlangen kann. Auch
aus diesem Grund ist der Erwerb aufgrund Vertrags zugunsten Dritter mit dem
Erwerb kraft Abtretung gleichzustellen.
Für eine Gleichbehandlung der unmittelbaren und mittelbaren Zuwendung
könnte zudem das Umgehungsargument sprechen322. So wird die Zuwendung, die
durch einen Vertrag zugunsten Dritter erfolgt, als »Zuwendung auf Schleichwegen«323 oder als »Zuwendung in mittelbarer Täterschaft«324 bezeichnet. Würde
man nämlich bei jeder auf Seiten des Zuwendungsempfängers kraft originären
Erwerbs aufgrund Vertrags zugunsten Dritter (auf den Todesfall) erfolgte Zuwendung der Pflichtteilsergänzung lediglich den wertmäßig geringeren Entreicherungsgegenstand zugrunde legen, weil sich der zugewendete Vermögensgegenstand zuvor nicht im Vermögen des Zuwendenden befunden hat, würde man dem
319 Thiele, Lebensversicherung und Nachlassgläubiger, 1963, S. 106.
320 Thiele, S. 107.
321 Kohler-Gehrig, Der Versicherungsvertrag im Konkurs des Versicherungsnehmers, 1983,
S. 137 f.
322 Bruck/Möller/Winter, Anm. H 225.
323 Boll, Fragen der Zwangsvollstreckung und Schenkungsanfechtung bei Lebensversicherungsverträgen, 1981, S. 79.
324 Berges, KTS 61, 65 f. (65).
78
Erblasser Tür und Tor für die Umgehung der Pflichtteilsergänzungsvorschriften
und die Benachteiligung der Pflichtteilsberechtigten eröffnen325.
Dem Zweck des Pflichtteilsrechts widerspräche es vollkommen, wenn man es
dem Erblasser allein durch die Wahl des »richtigen« Rechtsinstituts ermöglichen
würde, durch Zuwendungen an Dritte die Pflichtteilsberechtigten um ihre Beteiligung an bestimmten Vermögenswerten zu bringen326. Die Privatautonomie des
Schuldners erlaubt es dem Erblasser zwar, in den Grenzen des Rechts von seiner
Gestaltungsfreiheit freien Gebrauch zu machen. Dies darf aber nicht dazu führen,
dass dadurch der mit einem anderen Gesetz verfolgte Zweck umgangen wird.
Die Pflichtteilsberechtigten dürfen nicht dafür »bestraft« werden, dass der
Erblasser die ihm dargebotenen Gestaltungsmöglichkeiten dazu nutzt, einem
Dritten einen Vermögensgegenstand zuzuwenden, ohne dass dies zugleich zu
einer wesensgleichen Vermögensminderung im Nachlass führt327.
Abzustellen ist daher auf die Rechtsbeziehung, in der die Zuwendung erfolgt
und die bei einem echten Vertrag zugunsten Dritter durch die Aufspaltung in drei
rechtlich selbständige Rechtsgeschäfte verdeckt wird328, mithin das zwischen
Versicherungsnehmer und Bezugsberechtigtem bestehende Valutaverhältnis.
Hätte der Versicherungsnehmer nicht die Möglichkeit einer Zuwendung in Form
eines Vertrags zugunsten Dritter (auf den Todesfall) gehabt, hätte er zwangsläufig
den Weg der unmittelbaren Zuwendung nehmen müssen. Lebensfremd wäre indes
die Annahme, der Versicherungsnehmer hätte dem Begünstigten in diesem Fall
die Prämien gegeben. Der von ihm gewollte Rechtserfolg besteht vielmehr darin,
dem Begünstigten die lnhaberschaft an dem Anspruch auf die Versicherungsleistung zu verschaffen.
Dieses Ergebnis erlangt man auch bei wirtschaftlicher Betrachtung der rechtlichen Vorgänge bei einer Zuwendung über einen Vertrag zugunsten Dritter. Bei
formal-rechtlicher Betrachtung stammen zwar nur die Prämienbeiträge vom Versicherungsnehmer. Der Versicherungsanspruch, der nach Eintritt des Versicherungsfalls bzw. nach Wirksamwerden der unwiderruflichen Bezugsrechtserklärung Bestandteil des Vermögens des Begünstigten wird, gehörte indes zu keinem
Zeitpunkt zum Vermögen des Versicherungsnehmers, da der Anspruch wegen des
originären Rechtserwerbs im Vermögen des Zuwendungsempfängers neu entsteht. Legt man jedoch wirtschaftliche Gesichtspunkte zugrunde, so ergibt sich
daraus, dass die dem Vertrag zugunsten Dritter (auf den Todesfall) immanente
Besonderheit des originären Erwerbs des Dritten nur zum Zweck der Abkürzung
der Leistungswege genutzt wird329. Der Umweg, den die Leistung sonst über den
325 BGHZ 38, 44; 118, 151 ff.; BGH NJW 1995, 1093 ff.; BGH WM 1980, 598 f.; BGH NJW
1980, 1795 ff.; BGH NJW 1996, 2231 ff.; OLG Brandenburg ZIP 1999, 1013.
326 Vgl. Hassold, Zur Leistung im Dreipersonenverhältnis, 1981. S. 268, 311 f.
327 Thiele, Lebensversicherung und Nachlassgläubiger, 1963, S .33.
328 Deckungs-, Valuta- und Zuwendungsverhältnis.
329 Boll, Fragen der Zwangsvollstreckung und Schenkungsanfechtung bei Lebensversicherungsverträgen, 1981, S. 50; Hassold, Zur Leistung im Dreipersonenverhältnis, 1981,
S. 244.
79
Versicherungsnehmer zu nehmen hätte, wird dadurch eingespart330. Mit der
Bezugsrechtseinräumung verfolgt der Versicherungsnehmer nicht das Ziel, dem
Begünstigten die Gesamtsumme aller Prämien zuzuwenden331. Vielmehr
bezweckt er, dem Zuwendungsempfänger den Anspruch auf die Versicherungsleistung entweder sofort mit der Einräumung des Bezugsrechts oder spätestens
mit Eintritt des Versicherungsfalls zukommen zu lassen332. Der Zuwendende
muss sich daher so behandeln lassen, als habe er nicht den Weg des Vertrags
zugunsten Dritter, sondern vielmehr den direkten Weg über eine »Zuwendungskette«333 vom Versicherungsnehmer an den Dritten bewirkt. Zwar wird erst durch
die Prämienzahlung die mit der Bezugsrechtseinräumung beabsichtigte Zuwendung vollzogen334, da die Erbringung dieser Aufwendungen Grundvoraussetzung
dafür ist, dass der Anspruch auf die Versicherungssumme zu einem werthaltigen
Vermögensgegenstand wird. Das ändert aber nichts daran, dass bei Unterlassen
der Drittbegünstigung die Pflichtteilsberechtigten über ihren Pflichtteil in den
Genuss des Werts des Versicherungsanspruchs und nicht der Gesamtsumme der
geleisteten Prämien gekommen wären.
Problematisch stellt sich in diesem Zusammenhang jedoch die Tatsache dar,
dass durch diese zielorientierte Betrachtungsweise in erheblicher Weise vom formalrechtlichen Verständnis eines Rechtsbegriffs abgewichen wird335. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise stellt ein »wegen seiner Vieldeutigkeit gefährliches«336 und »biegsames Instrument«337 dar, das dem Rechtsanwender die Möglichkeit eröffnet, das Gesetz der jeweiligen Lage anzupassen338 und es ergebnisorientiert auszulegen.
Die Rechtsprechung hat sich die wirtschaftliche Betrachtung bereits häufig –
auch bei der Frage der anfechtungsrechtlichen Behandlung einer mittelbaren
Zuwendung339 – zunutze gemacht340. Sie ist im Steuerrecht in § 39 AO ausdrücklich normiert und hat auch im Wettbewerbsrecht Anklang gefunden341.
Es darf auch nicht verkannt werden, dass mit Hilfe der wirtschaftlichen
Betrachtung die Umgehung zwingender Normen durch die Wahl bestimmter
330 Hellwig, Die Verträge auf Leistung an Dritte, 1899, S. 45.
331 Thiele, Lebensversicherung und Nachlassgläubiger, 1963, S. 33: »es kann nicht auf die
rechtliche Konstruktion ankommen, wenn in Wirklichkeit die Übertragung von (anderen)
Vermögenswerten vom Versprechensempfänger an einen Dritten gewollt ist«.
332 Thiele, S. 34 f.
333 Hassold, a.a.O.
334 Lind/Stegmann, ZInsO 2004, 418.
335 Teichmann, in: FS Bartholomeyczik, 1973, S. 381.
336 Rittner, Die so genannte wirtschaftliche Betrachtungsweise in der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshof, 1975, S. 9.
337 Rittner, S. 50.
338 Rittner, a.a.O.
339 BGH ZIP 1982,76 ff.
340 RGZ 19, 145 ff. (158); 74, 186 ff. (189); BGHZ 86, 349 ff. (355); BGH KTS 1982, 222
ff. (224); BGHZ 156, 350 ff. = NJW 2004, 214 ff. = ZIP 2003, 2307 ff. = VersR 2004, 93 ff.
341 Häsemeyer, in: Richterliche Rechtsfortbildung, 1986, S. 168.
80
Rechtskonstruktionen verhindert werden kann342. So liefe das Anfechtungsrecht
wegen »unentgeltlicher Leistung« vollkommen leer, wenn der Schuldner dem
Zuwendungsempfänger etwas über einen Mittelsmann (mittelbar) zuwenden
würde. Der Treugeber hätte keine Möglichkeit, bei Insolvenz des (uneigennützigen) Treunehmers den zur treuen Hand weggegebenen Gegenstand wieder an sich
zu ziehen. Bei Pfändung des an den Treunehmer übertragenen Gegenstands durch
Gläubiger des Treunehmers hätte der Treugeber keine Möglichkeit einer Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO. Der Steuerpflicht könnte man sich durch
Berufung auf die formalrechtliche Gestaltung einer Rechtsbeziehung der Steuerpflicht und dem Zweck des Steuerrechts – Heranziehung aller Steuerpflichtigen
zu Geldleistungen je nach ihrer Leistungsfähigkeit343 – entziehen.
Der Erblasser könnte durch frühzeitige Übereignung eines Grundstücks an
einen Dritte, wobei er sich selbst einen Nießbrauch in Bezug auf das Grundstück
vorbehält, seinen Erben bzw. den Zuwendungsempfänger wegen Ablaufs der 10-
Jahresfrist vor Inanspruchnahme durch Pflichtteilsberechtigte wegen Ergänzung
ihres Pflichtteilsanspruchs um den Wert des Grundstücks bewahren. Dadurch
bekäme er die Möglichkeit, den Zweck des Pflichtteilsrechts zu umgehen, da er
mit der Übereignung des Grundstücks dieses wegen des vorbehaltenen Nießbrauchs tatsächlich noch gar nicht an den Dritten verloren und aus seinem Vermögen ausgegliedert hat344.
Dennoch ist das Abweichen von der formal-rechtlichen Anschauung zur Vermeidung der mit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise in gewisser Weise verbundenen Gefahr verdeckter Willkür und mangelnder Rationalität345 nur dann
zulässig, wenn es sachlich gerechtfertigt ist und von überzeugenden Gründen
getragen wird346. In keinem Fall darf die wirtschaftliche Betrachtung zu einem
Bedeutungswandel der Norm führen. Der Kern des Rechtsbegriffs muss erhalten
bleiben. Es bedarf daher stets einer im jeweiligen Normzweck wurzelnden Legitimation347.
Verbietet der Normzweck, dass eine bestimmte rechtliche Gestaltung, obwohl
sie einer anderen rechtlichen Gestaltung in ihrer Wirkung gleichkommt, nicht in
den Anwendungsbereich einer Norm fällt, so darf sich der Rechtsanwender nicht
hinter dem »Paravent«348 der wirtschaftlichen Betrachtungsweise vor diesem Auslegungsergebnis verstecken.
Es ist daher zu prüfen, ob die wirtschaftliche Betrachtung unter Berücksichtigung dieser Aspekte mit dem Sinn und Zweck des Pflichtteilsrechts vereinbar ist
342 abgelehnt von Rittner, S. 35.
343 Teichmann, in: FS Bartholomeyczik, 1973, S. 380.
344 BGHZ 98, 226.
345 Rittner, S.54.
346 BVerfGE 13, 331 ff. (340); 29, 104 ff. (117); 25, 28 ff. (35 f.); 26, 327 f.
347 Uhlenbruck-Hirte, InsO, § 129 Rn. 93; Teichmann, in: FS Bartholomeyczik, 1973, S. 394.
348 Rittner, S. 56.
81
bzw. ob deren Anwendung im Rahmen des Erbrechts sachlich gerechtfertigt werden kann349.
Die wirtschaftliche Betrachtung findet man innerhalb des Erbrechts an verschiedenen Stellen. So wird eine vermachte Sache, die sich beim Erbfall zwar
noch im Eigentum des Erblassers befunden hat, zu deren Veräußerung er zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits verpflichtet gewesen ist, gemäß § 2169 IV BGB
abweichend von der formalen Rechtslage350 als nicht mehr zum Nachlass gehörend angesehen.
Ein weiteres Beispiel findet sich in § 2325 III 2.HS. BGB. Bei einer Schenkung
vom Erblasser an seinen Ehegatten beginnt die Frist des § 2325 III BGB – selbst
wenn es vorher bereits zur Vollendung der Schenkung bzw. zum Rechtserwerb
gekommen ist – nicht vor der Auflösung der Ehe. Hinter dieser Vorschrift steht
der Gedanke, dass der verschenkte Vermögensgegenstand bis zur Auflösung der
Ehe wirtschaftlich noch im Vermögen des Erblassers verblieben ist und dieser den
Verlust des Gegenstands bzw. die Folgen seiner Schenkung noch gar nicht gespürt
hat351. Den Erblasser muss wirtschaftlich ein spürbares Opfer treffen352. Es kommt
nicht auf eine formal-rechtliche Rechtsübertragung an, sondern darauf, dass der
Erblasser wirtschaftlich alle wesentlichen Befugnisse verliert, die aus dem Eigentum erwachsen.
Auch im Rahmen der Pflichtteilergänzung steht der wirtschaftlichen Betrachtung – besonders im Hinblick auf die ansonsten auch hier bestehende Gefahr der
Umgehung des zwingenden Pflichtteilsrechts353 – nichts entgegen, da der Normzweck der §§ 2325 ff. BGB gerade darin besteht, die das Pflichtteilsrecht beeinträchtigenden Schenkungen an Dritte rückgängig zu machen.
Auch unter Zugrundelegung einer wirtschaftlichen Betrachtung ist Gegenstand
der mittelbaren Zuwendung folglich der Bereicherungsgegenstand, d.h. der
Versicherungsanspruch.
c) Zusammenfassung
Wurde einem Dritten das Bezugsrecht an einer Lebensversicherung schenkungshalber eingeräumt, handelt es sich insoweit um eine mittelbare Schenkung. Gegenstand der Schenkung ist hierbei der Gegenstand, um den das Vermögen des
Bezugsberechtigten vermehrt wurde, folglich also der Anspruch auf die Versicherungsleistung.
349 Zustimmend: Hasse, Lebensversicherung und erbrechtlicher Ausgleichsanspruch, 2005,
S. 13, 15, Fn. 57.
350 Die Sache ist bei formal-rechtlicher Betrachtung noch Bestandteil des Erblasservermögens, da sie zwar bereits verkauft, nur noch nicht übereignet worden ist.
351 Palandt-Edenhofer, § 2325 Rn. 23.
352 Kollhosser, AcP 194 (1994), 231 ff. (262 ff.).
353 Bamberger/Roth-Mayer, BGB, § 2316 Rn. 17.
82
5. Das Niederstwertprinzip des § 2325 II 2 BGB
Ein Gegenstand, der keine verbrauchbare Sache ist, kommt mit dem Wert in Ansatz, den er zur Zeit des Erbfalls hat. Hatte er zur Zeit der Schenkung einen geringeren Wert, so wird nur dieser in Ansatz gebracht (§ 2325 II 2 BGB). Der Zeitpunkt der Schenkung ist aber nur dann maßgebend, wenn der Zuwendungsvorgang im Zeitpunkt der Schenkung bereits vollkommen abgeschlossen und der Gegenstand vollkommen in das Vermögen des Beschenkten gelangt ist. Die Schenkung muss vollzogen sein354. Nach diesem Zeitpunkt eingetretene Wertsteigerungen bleiben unberücksichtigt355.
a) Das widerrufliche Bezugsrecht
Bei einem widerruflichen Bezugsrecht sowohl für eine (reine) Todesfalllebensversicherung, als auch für eine gemischte Lebensversicherung (mit geteiltem Bezugsrecht) fallen der Zeitpunkt des Erbfalls und der Zeitpunkt des Schenkungsvollzugs stets zusammen, da der Begünstigte erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalls, d.h. mit Eintritt des Todes des Versicherungsnehmers, die Versicherungsleistung endgültig erwirbt. Zuvor hat er wegen der Widerruflichkeit nur eine
ungesicherte Hoffnung auf einen Rechtserwerb356. Zudem kann der Begünstigte
die Versicherungsleistung bis zum Eintritt des Versicherungsfalls nicht wirtschaftlich nutzen, da er sie weder verpfänden, noch abtreten kann.
Das Niederstwertprinzip kommt in diesem Fall nicht zum Tragen. Maßgeblich
ist der Wert des Anspruchs im Zeitpunkt des Erbfalls, mithin die (volle) Versicherungssumme
Fraglich ist, ob davon auch die Überschussanteile erfasst werden.
Hat der Versicherungsnehmer einen Dritten mit dem Anspruch auf die Versicherungssumme begünstigt, bedeutet dies nicht zugleich, dass diesem auch der
insoweit selbständige357 Anspruch auf den Überschuss zustehen soll358. Etwas
anderes gilt nur dann, wenn im Zuge der Drittbegünstigung zugleich ausdrücklich
bestimmt wurde, dass dem Begünstigten auch der Überschuss zustehen soll, Ist
dies indes nicht der Fall, bedarf es einer Auslegung der Begünstigungserklärung.
Die Zuordnung des Anspruchs auf die Überschussbeteiligung ist besonders deshalb von großer Bedeutung, weil die Überschussbeteiligung dazu führen kann,
354 MünchKomm/BGB-Lange § 2325 Rn. 37.
355 Harder, FamRZ 1976, 619.
356 Bruck/Möller/Winter, Anm. H 32; Römer, VVG, § 166 Rn. 10.
357 Prahl, NVersZ 2002, 53 ff. (54); OLG Hamburg NVersZ 2001, 158; OLG Frankfurt a.M.
NVersZ 2001, 159; Haasen, Das Recht auf den Überschuss, 1955, S. 72; Winter, Interessenkonflikte bei Lebensversicherungen zugunsten Angehöriger, 1989, S. 18.
358 Prölss/Martin-Kollhosser VVG, § 13 ALB 86 Rn. 21; Prahl, NVersZ 2002, 53 ff. (54).
83
dass sich die garantierte Versicherungssumme erheblich erhöhen, im Einzelfall
sogar mehr als verdoppeln kann359.
Zum Teil wird vertreten, die Frage, wem die Überschüsse zustünden, hänge mit
der Pflicht zur Verlusthaftung zusammen360. Führe die Verlusthaftung zu einer
Kürzung des Versicherungsanspruchs kämen die Überschüsse dem Begünstigten
zugute. Bestehe der Nachteil in der Pflicht zur Erbringung von Nachschüssen, sei
der Versicherungsnehmer der Berechtigte. Dies stellt indes kein taugliches
Abgrenzungskriterium dar, da es durchaus dem Willen des Versicherungsnehmers
entsprechen kann, die Nachteile zugunsten des Dritten zu tragen und diesem
zusätzlich auch die Überschussbeteiligung zuzuwenden.
Insbesondere kann auch nicht allein unter Berufung auf die Funktion der Überschussbeteiligung als Prämienkorrektur davon ausgegangen werden, dass sie ausschließlich dem Versicherungsnehmer zusteht361. Diesem Einwand ist zwar zuzugeben, dass die Entstehung des Überschusses – neben den auf der Eigenleistung
der Versicherungsgesellschaften beruhenden Gewinnerwirtschaftung – in erster
Linie362 auf dem Umstand beruht, dass sich wegen der von den Erwartungen des
Versicherers abweichenden Entwicklung die vorgenommene Prämienkalkulation
nachträglich als falsch herausgestellt hat363. Der wesentliche Teil der Überschüsse
stammt daher aus den Prämieneinnahmen und beruht auf einer Eigenleistung des
Versicherungsnehmers364. Selbst wenn die Überschussbeteiligung die Funktion
eines Prämienregulativs erfüllt365 und damit auf den ersten Blick zunächst dem
Versicherungsnehmer zusteht, der die Prämien schließlich aufwenden musste,
ändert dies nichts daran, dass es sich bei dem Anspruch auf den Überschuss um
ein selbständiges Forderungsrecht gegen den Versicherer handelt, der einem Dritten ebenso zugewandt werden kann, wie der Anspruch auf die Hauptversicherungsleistung366.
359 Winter, Interessenkonflikte bei Lebensversicherungen zugunsten Angehöriger, 1989, S. 8.
360 Berliner, LZ 1909, 198 ff. (204).
361 Vgl Hinweis bei Koenig, Die Drittbegünstigung in der Kapitallebensversicherung, 1998,
52 ff.
362 Haasen, Das Recht auf den Überschuss, 1955, S. 7, 16.
363 Wegen der Risiken, die mit langfristigen Versicherungen wie der Lebensversicherung aufgrund der Unwegsamkeiten (Sterblichkeits-, Verwaltungskosten, Zinsentwicklung, unerwartete Stornogewinne, erwartungswidrige Geschäftsentwicklung) zusammenhängen,
sind die Versicherer dazu verpflichtet, die Beitragshöhe entsprechend diesen unsicheren
Entwicklungen zu kalkulieren, um damit die dauernde Erfüllbarkeit der Verpflichtungen
aus den Verträgen sicher stellen zu können (BT-Drucks. 9/1493, S. 27 f.; Prölss/Martin-
Kollhosser VVG, § 16 ALB 86 Rn. 3; Hansen, Das Recht auf den Überschuss, 1955, S. 2;
Koenig, S. 52 ff.).
364 Haasen, S. 7, 16.
365 Haasen, S. 23, 29: »Die Kalkulationsüberschüsse sind der Regulator der gegenseitigen
Leistungen, sie sind Ausfluss des Gegenseitigkeitsprinzips in der Versicherung.«
366 Im Ergebnis ebenso: Joseph, Lebensversicherung und Abtretung, 1990, S. 197.
84
Um eine Zuordnung des Anspruchs auf die Überschussanteile vornehmen zu
können, ist daher vielmehr auf den Willen des Versicherungsnehmers abzustellen367.
Hinsichtlich eines widerruflichen Bezugsrechts wird die Frage der Auslegung
der Willenserklärung des Versicherungsnehmers uneinheitlich beantwortet.
Während die einen davon ausgehen, dass die Begünstigung im Regelfall sämtliche aus dem Versicherungsvertrag fällig werdenden Ansprüche umfasse368, nehmen andere an, dass sich das widerrufliche Bezugsrecht nach Eintritt des Versicherungsfalls lediglich auf die Versicherungssumme, nicht aber auf die Überschussanteile erstrecke369.
Bei einem widerruflichen Bezugsrecht steht dem Begünstigten der Überschuss
– wenn überhaupt – erst nach Eintritt des Versicherungsfalls zu370. Während der
Versicherungsdauer entspricht es nicht dem Willen des Versicherungsnehmers,
dass der Dritte bereits Rechte erwirbt371. Nach Eintritt des Versicherungsfalls
erwirbt der Begünstigte sämtliche ab diesem Zeitpunkt fällig werdenden Ansprüche auf die Überschussbeteiligung372.
Hierbei muss jedoch zwischen der jährlichen Überschussbeteiligung und der
Verteilung der Schlussanteile unterschieden werden.
Bei letzterem handelt es sich um die Reste und Überschüsse der letzten Versicherungsjahre, die nach Auszahlung der jährlichen Anteile verblieben sind und
noch nicht ausgeschüttet wurden373. Diese werden im Regelfall mit dem Ende der
Versicherungsdauer, d.h. mit dem Eintritt des Versicherungsfalls bzw. bei vorzeitiger Beendigung des Vertrags durch Kündigung, im Wege der Barauszahlung
zusammen mit der Versicherungssumme ausgeschüttet374. Aus diesem Grund fallen sie mit Eintritt des Versicherungsfalls dem Bezugsberechtigten zu.
Die jährliche Überschussbeteiligung kann hingegen in Form verschiedener
Verteilungssysteme an den Berechtigten ausgeschüttet werden: durch Barauszahlung der einzelnen Jahresanteile, durch Verrechnung der Jahresanteile als Prämie
zum Zweck der Summenerhöhung, durch Verwendung des Überschusses als Prämie für eine Zusatzversicherung, durch Nutzung des Überschusses zum Zweck
367 Koenig, S. 52 ff.
368 OLG Frankfurt a.M. NVersZ 2001, 159; Prölss/Martin-Kollhosser, VVG, § 13 ALB 86
Rn. 21; Hasse, VersR 2005, 15 ff. (31); ders. VersR 2005, 1176 ff. (1181): für den Fall
eines widerruflichen Bezugsrechts des Dritten für eine gemischte Lebensversicherung mit
geteiltem Bezugsrecht.
369 OLG Nürnberg VersR 1969, 608 ff.
370 Bruck/Möller/Winter, Anm. G 372; Hasse, VersR 2005, 15 ff (28); Hansen, Das Recht auf
den Überschuss, 1955, S. 76.
371 Stelkens Rechtsgrundlagen der Überschussbeteiligung, 1965, S. 104; Bruck / Möller / Winter, VVG, Anm. G 372; Winter, Interessenkonflikte bei Lebensversicherungen zugunsten
Angehöriger, 1989, S. 13.
372 Winter, a.a.O.; OLG Nürnberg VersR 1969, 606 f
373 Bruck/Möller/Winter, Anm. G 338; Hansen, Das Recht auf den Überschuss, 1955, S. 19.
374 Bruck/Möller/Winter, a.a.O.; Hansen, a.a.O; Stelkens, Rechtsgrundlagen der Überschussbeteiligung, 1965, S. 102.
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der Abkürzung der vertraglich vereinbarten Versicherungsdauer oder durch verzinsliche Ansammlung der Jahresanteile375.
Bei der Barauszahlung sind die vor Eintritt des Versicherungsfalls entstandenen und fällig gewordenen Ansprüche im Regelfall bereits im Zeitpunkt des
Todes des Versicherungsnehmers aufgrund Erfüllung gemäß § 362 BGB erloschen. Die bis dahin noch nicht ausgeschütteten Überschussanteile finden Eingang in den Schlussgewinnanteil, der dem widerruflich Bezugsberechtigten
ohnehin zusteht. Dasselbe gilt, wenn die Verrechnung der Überschüsse – entweder zum Zweck der Prämienermäßigung oder zum Zweck des Summenzuwachses
– vereinbart worden ist. Diese Ansprüche auf den Überschussanteil sind mit dem
Eintritt des Versicherungsfalls bereits gemäß § 389 BGB erloschen376.
In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass dem widerruflich
Bezugsberechtigten der mit der erhöhten Prämie erkaufte Summenzuwachs, d.h.
die erhöhte Versicherungssumme, die mit Eintritt des Versicherungsfalls fällig
wird, zufällt, da diesem auch die Hauptversicherungsleistung gebührt377. Ebenso
verhält es sich, wenn der Überschuss als Prämie für eine Zusatzversicherung
genutzt wurde378. Wenn dem Begünstigten mit Eintritt des Versicherungsfalls
schon die Hauptleistung zugute kommen soll, so gilt dies erst recht für die Leistung aus einer Zusatzversicherung, die aus den Überschüssen aus der »Hauptversicherung« bedient wurde und mit Eintritt des Versicherungsfalls fällig wird.
Das gilt nur dann nicht, wenn die Zusatzversicherung vorzeitig beendet wird.
Mit der vorzeitigen Beendigung des Versicherungsvertrags durch Kündigung
endet zugleich die Versicherungsdauer und alle bis dahin fällig gewordenen
Ansprüche auf die Überschussanteile sind vom Versicherer zu erfüllen379. Der
dann fällig werdende Rückkaufswert der Zusatzversicherung steht dem Versicherungsnehmer zu.
Der mit dem Eintritt des Versicherungsfalls fällig werdende und dem widerruflich Bezugsberechtigten zustehende Anspruch auf die Überschussbeteiligung
wird daher von der Pflichtteilsergänzung erfasst.
b) Das unwiderrufliche Bezugsrecht für eine reine
Todesfalllebensversicherung
Fraglich ist, ob und wie sich das Niederstwertprinzip bei Vorliegen eines unwiderruflichen Bezugsrechts (im Rahmen einer reinen Todesfalllebensversicherung) auswirkt.
375 Koenig, Die Drittbegünstigung in der Kapitallebensversicherung, 1998, S. 52 ff.; Hasse,
VersR 2005, 15 ff. (17); Bruck/Möller/Winter, Anm. G 337.
376 Winter, Interessenkonflikte bei Lebensversicherungen zugunsten Angehöriger, 1989,
S. 18.
377 OLG Nürnberg VersR 1969, 608 ff.; Koenig, a.a.O.
378 Haasen, a.a.O.
379 Stelkens, Rechtsgrundlagen der Überschussbeteiligung, 1965, S. 100.
86
Zunächst ist der Zeitpunkt des Schenkungsvollzugs380 zu ermitteln.
Teilweise wird vertreten, der Begünstigte erwerbe aufgrund des beim Versicherungsnehmer verbleibenden Rechts zur Kündigung bzw. Umwandlung des Versicherungsvertrags den Anspruch auf die Versicherungsleistung lediglich aufschiebend bedingt381, mit der Folge, dass ein endgültiger Rechtserwerb des Begünstigten erst nach Eintritt des Versicherungsfalls, d.h. mit dem Tod des Versicherungsnehmers, eintrete382.
Zwar ist zuzugeben, dass trotz der Unwiderruflichkeit der Bezugsrechtseinräumung nicht feststeht, ob der Dritte tatsächlich das Recht auf die Versicherungssumme oder – wegen vorzeitiger Ausübung der Gestaltungsrechte – den
Anspruch auf den Rückkaufswert erwerben wird. Diese Tatsache ändert aber
nichts daran, dass dem Dritten in jedem Fall der Versicherungsanspruch zusteht,
unabhängig davon, in welcher Form, und unabhängig vom Zeitpunkt des Fälligwerdens des Anspruchs. Durch die Ausübung der Gestaltungsrechte kann der
Versicherungsnehmer folglich nur verhindern, dass der unwiderruflich Bezugsberechtigte die Versicherungsforderung in Höhe ihres vollen Wertes, d.h. in Höhe
der Versicherungssumme, erwirbt, nicht den Erwerb als solchen.
In diesem Zusammenhang darf indes nicht vergessen werden, dass diese Überlegungen nur für die (gemischte) Kapitallebensversicherung gemacht werden
können, da bei der reinen Risikoversicherung – davon geht auch § 169 Abs. 1
VVG aus – ein Rückkaufswert überhaupt nicht entsteht. Bei Beendigung einer
Risikoversicherung (durch Ablauf der Versicherungsdauer oder durch Kündigung) fällt ein ausgleichungs- oder anrechnungsfähiger Betrag nicht an. Denn der
Versicherer hat das Risiko bis zu diesem Zeitpunkt mit den eingenommenen Prämien gedeckt. Mehr als diese Risikoabdeckung ist von den Prämien auch zugunsten des Bezugsberechtigten oder der Erben des Versicherungsnehmers nicht
übrig geblieben.
Bei der (gemischten) Kapitallebensversicherung indes macht der Versicherungsnehmer mit seinem Verzicht auf die Widerruflichkeit deutlich, dass es ihm
um die uneigennützige Für- und Vorsorge zugunsten des Bezugsberechtigten
geht383. Dies lässt sich nur durch die Annahme eines sofortigen Rechtserwerbs des
Dritten erreichen, der auch den Anspruch auf den Rückkaufswert als eine andere
Form der Versicherungssumme erfasst.
Denn nur so kann erreicht werden, dem Versicherungsnehmer wie dessen Gläubigern den Zugriff auf den Versicherungsanspruch zu versperren384. Dieser Schutz
des unwiderruflich Bezugsberechtigten rechtfertigt den sofortigen Erwerb des
Versicherungsanspruchs In Abweichung von § 159 II VVG ist der Wille des Versicherungsnehmers daher dahingehend auszulegen, dass der Dritte mit der Ein-
380 MünchKomm/BGB-Lange § 2325 Rn. 37.
381 So Kohler-Gehrigg, Der Versicherungsvertrag im Konkurs des Versicherungsnehmers
1983, S. 107.
382 Zehner, AcP 153 (1954), 424 ff. (432 ff., 437, 439 f.).
383 BGHZ 45, 162ff. (165).
384 Bruck/Möller/Winter, Anm. H 34.
87
räumung des unwiderruflichen Bezugsrechts das Recht auf die Versicherungsleistung sofort erwerben soll385.
Mit dem Wirksamwerden der Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts, d.h. in dem Zeitpunkt, in dem der Versicherer die Bezugsrechtserklärung
angenommen und schriftlich bestätigt hat (§ 13 II ALB 86), verliert der Versicherungsnehmer folglich den Anspruch auf die Versicherungsleistung und erwirbt
der Begünstigte diesen Anspruch sofort und unmittelbar. In diesem Zeitpunkt ist
die Schenkung vollzogen.
Wie die Versicherungsleistung in diesem Zeitpunkt zu bewerten ist, ist umstritten. Manche stellen hierbei auf die Versicherungssumme386‚ andere auf den Wert
ab, den die Versicherungsforderung gehabt hätte, wenn unmittelbar nach Einräumung des unwiderruflichen Bezugsrechts der Versicherungsfall eingetreten
wäre387. Andere wiederum hatten den Rückkaufswert, den der Anspruch im Zeitpunkt der Einräumung des Bezugsrechts hatte388, für maßgebend.
Man könnte auf die Idee kommen, dass der Versicherungsnehmer mit der
Bezugsrechtseinräumung wegen der Kündigungs- und Umwandlungsmöglichkeit
ein Vermögensopfer nur in Höhe des im Zeitpunkt der Bezugsrechtseinräumung
bestehenden Rückkaufswertes erbracht hat. Denn mit dem Wirksamwerden der
Bezugsrechtseinräumung wurde dem Bezugsberechtigten lediglich der Anspruch
auf die Versicherungsleistung in Höhe des Rückkaufswerts unentziehbar zugewandt. Einen Wert in Höhe der vollen Versicherungssumme erreicht der
Anspruch erst mit Eintritt des Versicherungsfalls.
Auf diesen Rückkaufswert kann jedoch nicht abgestellt werden. Mit dem Tod
des Versicherungsnehmers verliert der Rückkaufswert – zumindest bei einer
gemischten Todesfall- / Erlebensfalllebensversicherung – seine Bedeutung, da
der Anspruch aus der Lebensversicherung dann bereits fällig geworden ist. Bei
der reinen Risikoversicherung entsteht ein Rückkaufswert erst gar nicht.
Zu beachten ist zudem, dass es sich auch hier um eine sog. »gestreckte Schenkung« eines Anspruchs handelt, dessen Wert sich mit jeder Prämienleistung
erhöht. Diese Schenkung findet ihren Abschluss erst mit Eintritt des Versicherungs- bzw. Erbfalls389.
Abzulehnen ist auch die Ansicht, die auf den Wert abstellt, den die Versicherungsforderung gehabt hätte, wenn der Versicherungsfall sogleich nach Einräumung des unwiderruflichen Bezugsrechts eingetreten wäre390. Als Begründung
385 Prölss/Martin-Kollhosser, VVG, § 13 Rn. 21 ALB 86; BGHZ 45, 162 ff. (165 f.); BGH
VersR 1996, 1089 ff.; BGH VersR 2003, 1021 ff.
386 Harder FamRZ 1976, 617, 619; Hasse, Interessenkonflikte, 1981, S. 238 Fn. 54.
387 Lorenz in: FS Famy, S. 335, 361; Bayer, Der Vertrag zugunsten Dritter, 1995, S. 317; Elfring, Drittwirkungen der Lebensversicherung, 2003, S. 111.
388 Josef, ArchBürgR 42 (1916), 319 ff. (325, 330): erwirbt der Begünstigte die Versicherungsforderung vor dem Erbfall, besteht deren Wert in Höhe des Rückkaufswerts.
389 Harder, FamRZ 1976, 619.
390 Lorenz, in: FS Farny, S. 361.
88
hierfür wird angeführt, der Dritte erwerbe im Abgabezeitpunkt sofort ein festes
Anwartschaftsrecht in Höhe dieses Wertes391.
Ein Anwartschaftsrecht entsteht indes erst dann, wenn von einem mehraktigen
Entstehungstatbestand eines Rechts schon so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass
von einer gesicherten Rechtsposition des Erwerbers gesprochen werden kann, die
der andere an der Entstehung des Rechts Beteiligte nicht mehr einseitig zu zerstören vermag392
Zwar kann man, da der Erwerb der Versicherungsforderung noch vom Eintritt
des Versicherungsfalls abhängt, insoweit von einem mehraktigen Entstehungstatbestand reden. Der Versicherungsnehmer kann jedoch durch die Ausübung seines
Kündigungs- oder Umwandlungsrechts bzw. durch das Einstellen der Prämienzahlungen den Inhalt bzw. Umfang des Anspruchs erheblich beeinflussen. Aus
diesem Grund kann in keinem Fall auf die Versicherungssumme abgestellt werden, die ausbezahlt worden wäre, wenn fiktiv unmittelbar nach der Bezugsrechtseinräumung der Versicherungsfall eingetreten wäre.
Dies gilt insbesondere deswegen, weil der Bezugsberechtigte den Wert in diesem Zeitpunkt mangels Eintritts des Versicherungsfalls niemals realisieren
konnte. Der (unwiderruflich) Bezugsberechtigte konnte zu keinem Zeitpunkt das
Fälligwerden des Anspruchs auf den Rückkaufswert beeinflussen, sondern ist
insoweit stets vom Verhalten des Versicherungsnehmers abhängig. Unberücksichtigt bliebe dann zudem, dass das Vermögen des Erblassers durch die danach
erfolgenden Prämienzahlungen weiterhin auf Kosten des Pflichtteilsberechtigten
vermindert wurde, weil die damit erkaufte Werterhöhung wegen der Unwiderruflichkeit des Bezugsrechts allein dem Bezugsberechtigten zugute kommt.
Bei einer gemischten Todesfall- / Erlebensfalllebensversicherung ist der Rückkaufswert nur dann entscheidend, wenn es tatsächlich zu einer Kündigung oder
Umwandlung des Versicherungsvertrags gekommen ist. Sofern der Versicherungsnehmer, dem trotz der Unwiderruflichkeit des Bezugsrechts weiterhin das
Kündigungs- und Umwandlungsrecht zusteht393 keinen Gebrauch von diesen
Gestaltungsrechten macht, realisiert sich dieser Wert – auch wenn er ihm bei Aus-
übung der Gestaltungsrechte zustehen würde394 – nicht in der Hand des Bezugsberechtigten. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Bezugsberechtigte
bereits mit Einräumung des Bezugsrechts in vollem Umfang über die Versicherungsforderung verfügen kann, sie insbesondere an Kreditgeber zur Sicherheit
abtreten oder verpfänden kann395.
Denn eine Befriedigung der Kreditgeber aus der Versicherungsleistung
kommt, selbst wenn der Sicherungsfall bereits vor dem Versicherungsfall eingetreten ist, erst nach Eintritt des Versicherungsfalls in Betracht396. Bei einer
391 Müller-Feldhammer NZI 2001, 343 ff. (348 f.).
392 Palandt-Heinrichs, Einf. v. § 158 Rn. 9.
393 Bruck/Möller/Winter, Anm. H 116.
394 BGHZ 45, 162 ff. (167); Winter, ZVersWiss 1970, 43; Bruck/Möller/Winter, Anm. H 117.
395 Bruck/Möller/Winter, Anm. H 119.
396 Bruck/Möller/Winter, Anm. H 34.
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gemischten Kapitallebensversicherung397 können diese erst dann auf den Rückkaufswert zugreifen, wenn der Versicherungsnehmer von seinem Gestaltungsrecht, das allein ihm zusteht, Gebrauch gemacht hat. Weder sie noch der Bezugsberechtigte haben das Recht, vom Versicherungsnehmer die Ausübung des
Gestaltungsrechts zu verlangen.
Bereits im Zeitpunkt der Einräumung des Bezugsrechts wendet der Versicherungsnehmer daher dem Begünstigten den vollen »Zukunftswert«398 zu. Hierbei
handelt es sich nicht um solche Wertsteigerungen, die gemäß § 2325 II 2 BGB
von der Pflichtteilsergänzung ausgenommen werden sollen399. Zwar soll der
Pflichtteilsberechtigte nicht an Werterhöhungen im Hinblick auf die verschenkte
Sache teilnehmen400. Dieses allgemeiner Billigkeit entsprechende401 und den
Pflichtteilsberechtigten benachteiligende Prinzip soll jedoch nur zufällig eintretende Wertveränderungen erfassen, so z.B. die Beschädigung oder die Zerstörung
des Gegenstands, nicht aber solche Wertveränderungen, deren Eintritt bereits im
Zeitpunkt der Schenkung sicher waren402. Die Wertsteigerung vom Rückkaufswert zu einem Wert in Höhe der Versicherungssumme ist hingegen bereits im
Zeitpunkt der Einräumung des Bezugsrechts in der Zuwendung angelegt.
Die Schenkung des Anspruchs auf die Versicherungsleistung ist zwar bereits
mit dem Wirksamwerden der Bezugsrechtseinräumung vollzogen, sein Wert
besteht aber bereits in diesem Zeitpunkt in Höhe der (vollen) Versicherungssumme.
Fraglich ist, ob dies auch für die Überschussanteile gilt.
Maßgeblich für die Beantwortung der Frage, ob dem unwiderruflich Bezugsberechtigten auch die Überschussanteile zustehen, ist wiederum der Wille des
Versicherungsnehmers403.
Teilweise wird vertreten, die Überschussanteile stünden dem unwiderruflich
Bezugsberechtigten schon deshalb zu, weil sie Bestandteil der dem Begünstigten
zustehenden Versicherungsleistung seien404. Im Zweifel wolle der Versicherungsnehmer dem unwiderruflich Bezugsberechtigten nicht nur die vor oder nach Versicherungsfall fällig werdenden Ansprüche auf die Haupt-Versicherungsleistung
zuwenden, sondern auch die Nebenansprüche, mithin den Anspruch auf die Überschussanteile405. Andere wiederum vertreten die Auffassung, dass im Zweifel der
397 Bei einer reinen Risikolebensversicherung entsteht ein Rückkaufswert erst gar nicht, § 169
Abs. 1 VVG.
398 Hasse, Interessenkonflikte, 1981, S. 238 Fn. 54.
399 anders Elfring, Drittwirkungen der Lebensversicherung, 2003, S. 110.
400 Prot.V, 584.
401 Prot.V, 583.
402 Reiff, NJW 1992, 2857 ff. (2860).
403 Koenig, Die Drittbegünstigung in der Kapitallebensversicherung, 1998, S. 52 ff.
404 Joseph, Lebensversicherung und Abtretung, 1990, S. 197; Haasen, Das Recht auf den
Überschuss, 1955, S. 77.
405 Winter, Interessenkonflikte bei der Lebensversicherung zugunsten Angehöriger, 1989,
S. 13; Hasse, VersR 2005, 15 ff. (21).
90
Versicherungsnehmer Berechtigter der Überschussanteile sei, außer dieser habe
sich ausdrücklich für eine Verfügung zu Gunsten eines Dritten entschieden406.
Gegen die letzte Auffassung spricht zunächst das Versorgungsinteresse des
Versicherungsnehmers hinsichtlich des begünstigten Dritten, das er durch die
unwiderrufliche Einräumung des Bezugsrechts zum Ausdruck bringt407. Während
dem widerruflich Bezugsberechtigten vor Eintritt des Versicherungsfalls grundsätzlich keine Rechte zustehen soll, erwirbt der unwiderruflich Begünstigte
bereits sofort mit dem Wirksamwerden der Bezugsrechtseinräumung den
Anspruch auf die Versicherungsleistung. Aufgrund des Versorgungsinteresses
des Versicherungsnehmers gilt daher das Regel-Ausnahme-Prinzip, dass grundsätzlich der Begünstigte hinsichtlich der Überschussanteile berechtigt sein sollen,
während dies für den Versicherungsnehmer nur im Ausnahmefall gilt408.
Somit stehen dem Begünstigten sämtliche nach Eintritt des Versicherungsfalls
fällig werdenden Ansprüche auf die Überschussanteile zu409, also auch der
Anspruch auf die Schlussanteile410, der erst mit Ende der Versicherungsdauer entsteht. Diese Überschussanteile werden in jedem Fall – wie auch bei Vorliegen
eines widerruflichen Bezugsrechts – von der Pflichtteilsergänzung erfasst.
Es ist zu untersuchen, ob dies auch für die bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls fällig werdenden Ansprüche auf die Überschussanteile gilt. Diese werden nämlich nur dann von der Pflichtteilsergänzung erfasst, wenn sie nicht ohnehin Bestandteil des Vermögens des Versicherungsnehmers geworden und mit dessen Tod in seinen Nachlass gefallen sind.
Fraglich ist daher, ob alle Überschussanteile, die vor Eintritt des Versicherungsfalls ausgeschüttet werden, dem unwiderruflich Bezugsberechtigten zufallen.
Hierbei ist zwischen den verschiedenen Verteilungssystemen zu differenzieren.
Der mit den Überschüssen »erkaufte« Summenzuwachs, der zur Erhöhung der
mit Eintritt des Versicherungsfalls fällig werdenden Versicherungssumme führt,
kommt dem unwiderruflich Bezugsberechtigten zugute. Dies gilt auch für den mit
der Erhöhung der Prämien verbundenen Zuwachs im Hinblick auf den Rückkaufswert, der auch dem Begünstigten zusteht411.
Dient der Überschuss der Verkürzung der Versicherungsdauer, kommt dies
dem unwiderruflich Begünstigten nur dann zugute, wenn er für den Erlebensfall
eingesetzt wurde und somit schneller in den Genuss der Versicherungsleistung
kommt412. Andernfalls gereicht dieser Umstand allein dem Versicherungsnehmer
zum Vorteil, dessen Prämienzahlungspflicht früher endet.
406 Vgl. Prahl, NVersZ 2002, 53 ff. (55).
407 BGHZ 45, 162 ff. (165 f.): »Zeichen für uneigennützige Fürsorge zugunsten des Dritten«.
408 Ebenso Koenig, a.a.O.; Prölss/Martin-Kollhosser, VVG, § 13 ALB 86 Rn. 21.
409 Bruck/Möller/Winter, VVG, Anm. G3 73.
410 Winter Interessenkonflikte bei der Lebensversicherung zugunsten Angehöriger, 1989,
S. 13; Hasse, Interessenkonflikte, 1981, S. 52 f.
411 BGHZ 45, 162 ff. (167); Winter, a.a.O.
412 Prahl, NVersZ 2002, 53 ff (55).
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Bei der mit den jährlichen Überschüssen bedienten Zusatzversicherung besteht
die Besonderheit, dass der unwiderruflich Bezugsberechtigte nicht nur bei Eintritt des Versicherungsfalls, sondern auch bei vorzeitigem Fälligwerden des
Anspruchs auf den Rückkaufswert durch Beendigung des Versicherungsvertrags
durch Kündigung (§§ 39, 165 VVG) Inhaber des mit der Zusatzversicherung verbundenen Vermögenswerts wird413.
Dasselbe gilt für das Guthaben, das gebildet wird, wenn der Überschuss im
Rahmen einer verzinslichen Ansammlung angespart wird414, bei der die Versicherungsgesellschaft als »Bank« fungiert, die Überschüsse gutschreibt, verwaltet
und das Guthaben verzinst415. Etwas anders gilt nur dann, wenn sich der Versicherungsnehmer trotz des dem Dritten eingeräumten unwiderruflichen Bezugsrechts die Verfügung über das Guthaben weiterhin vorbehalten hat.
Dasselbe Regel-Ausnahme-Prinzip416 gilt, wenn der Versicherungsnehmer die
Überschussbeteiligung durch Barauszahlung vorgesehen hat. Grundsätzlich steht
dem Bezugsberechtigten der Überschuss zu417. Etwas anderes gilt nur dann, wenn
der Versicherungsnehmer ausdrücklich erklärt hat, er wünsche Barauszahlung an
sich selbst418. Der Einwand, die Vereinbarung einer Barausschüttung gehe stets
zugunsten des Versicherungsnehmers, da dieser zu Lebzeiten kein Interesse an
der Versorgung des Dritten habe419, greift nicht. Gerade die Unwiderruflichkeit
des Bezugsrechts ist ein Zeichen dafür, dass die Versorgung des Dritten für den
Versicherungsnehmer im Vordergrund steht und die Barauszahlung daher an diesen gehen soll.
Hingegen kommt die Verrechnung der jährlichen Überschüsse ausschließlich
dem Versicherungsnehmer zugute420, da sich dadurch dessen jährlicher Prämienaufwand aufgrund der stetig steigenden Überschussanteile reduziert.
413 Stelkens, Rechtsgrundlagen der Überschussbeteiligung, 1965, S. 106; Bruck/Möller/Winter, VVG, Anm. G 373; a.A. Joseph, Lebensversicherung und Abtretung, 1990, S. 197 f.:
die Vereinbarung einer Zusatzversicherung, die mit den Überschüssen aus der »Hauptversicherung« bedient werden soll, stellt eine Verfügung zu Gunsten des Versicherungsnehmers dar, mit der Folge, dass sie einem Rechtserwerb des unwiderruflich Bezugsberechtigten entgegensteht. Ebenso Hassen, Das Recht auf den Überschuss, 1955, S. 67 f.
414 Hasse, Interessenkonflikte, 1981, S. 52 f.; Bruck/Möller/Winter, a.a.O.
415 Haasen, Das Recht auf den Überschuss, 1955, S. 18, 54.
416 Regel: unwiderruflich Bezugsberechtigter bekommt den Überschussanteil; Ausnahme:
Versicherungsnehmer ist Berechtigter.
417 OLG Nürnberg VersR 1969, 608; a.A: Stelkens, Rechtsgrundlagen der Überschussbeteiligung, 1965, S. 106.
418 Hasse, VersR 2005, 15 ff. (21); Bruck/Möller/Winter, a.a.O; Winter, Interessenkonflikte
bei der Lebensversicherung zugunsten Angehöriger, 1989, S. 13.
419 So Prahl NVersZ 2002, 53 ff. (55).
420 Prahl, NVersZ 2002, 53 ff. (55); Joseph, Lebensversicherung und Abtretung, 1990, S. 198;
Bruck/Möller/Winter, VVG, Anm.G 373, G 334; Winter, a.a.O.; Hasse, VersR 2005, 15
ff. (21); ders. Interessenkonflikte, 1981, S. 52 f.; Koenig, Die Drittbegünstigung in der
Kapitallebensversicherung, 1998, S. 52 ff.; Haasen, Das Recht auf den Überschuss, 1955,
S. 18, 54.
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Festzuhalten ist daher, dass im Grundsatz der Begünstigte hinsichtlich der
Überschussanteile berechtigt ist, während dies für den Versicherungsnehmer nur
im Ausnahmefall gilt. Nur durch die Vereinbarung der Verrechnung der Überschüsse mit den regelmäßig fällig werdenden Prämien bzw. bei sonstiger ausdrücklicher Aussage des Versicherungsnehmers, dass er den eigenen Erwerb der
Überschüsse wünsche, wird dieses Regel-Ausnahme-Prinzip durchbrochen.
Kommt es zur vorzeitigen Beendigung des Versicherungsvertrags durch Kündigung und endet damit zugleich die Versicherungsdauer, sind alle bis dahin fällig
gewordenen Ansprüche auf die Überschussanteile vom Versicherer zu erfüllen421.
Diese kommen aufgrund der engen Verbindung zwischen Haupt- und Zusatzversicherung demjenigen zugute, der hinsichtlich des Rückkaufswerts berechtigt ist.
Dies ist im Fall eines unwiderruflichen Bezugsrechts (im Rahmen einer reinen
Todesfalllebensversicherung) der Begünstigte422.
Soweit dem unwiderruflich Bezugsberechtigten auch die bereits vor Eintritt
des Versicherungsfalls ausgeschütteten Überschussanteile zugute kommen, sind
auch diese ergänzungspflichtig.
c) Das unwiderrufliche Bezugsrecht im Rahmen einer gemischten
Lebensversicherung mit geteiltem Bezugsrecht
Weiterhin stellt sich die Frage, wann die Schenkung bei einem unwiderruflichen
Bezugsrecht für eine gemischte Lebensversicherung (mit geteiltem Bezugsrecht)
vollendet ist.
Kann hier bereits mit dem Wirksamwerden der Bezugsrechtseinräumung von
einem Schenkungsvollzug im Sinne des § 2325 II 2 BGB gesprochen werden?
Maßgeblich für die Beantwortung dieser Frage ist, ob der unwiderruflich
Begünstigte bei einer gemischten Lebensversicherung mit geteiltem Bezugsrecht,
bei der der Begünstigte im Todesfall und der Versicherungsnehmer im Erlebensfall in den Genuss der Versicherungssumme kommt, den Versicherungsanspruch
aufschiebend bedingt durch den Eintritt des Versicherungsfalls oder auflösend
bedingt durch den Eintritt des Erlebensfalls erwirbt.
Teilweise wird vertreten, bei einer gemischten Lebensversicherung erwerbe
weder der unwiderruflich Begünstigte noch der Versicherungsnehmer einen
gegenwärtigen Anspruch auf die Versicherungssumme, weil es völlig ungewiss
sei, welcher der beiden Fälligkeitstermine zuerst eintrete und wer demnach den
Anspruch tatsächlich geltend machen könne423. Dieser Ansicht kann jedoch
bereits deshalb nicht gefolgt werden, weil damit ein vollkommen unsicherer
Rechtszustand geschaffen würde. Käme es zur Kündigung oder Umwandlung des
Versicherungsvertrags, wäre völlig unklar, wem der Rückkaufswert zusteht bzw.
wer die Versicherungsleistung wirtschaftlich für sich nutzen kann.
421 Stelkens, Rechtsgrundlagen der Überschussbeteiligung, 1965, S. 100.
422 BGHZ 46, 162 ff. (167); Winter, a.a.O.
423 Vgl. Bruck/Möller/Winter, Anm. H 36.
93
Daher wird fast einhellig angenommen, der unwiderruflich Bezugsberechtigte
erwerbe bei einer gemischten Lebensversicherung das Recht auf die Versicherungsleistung unter der auflösenden Bedingung, dass der Versicherungsnehmer
den Ablauftermin erlebe424.
Dies hat zur Folge, dass die Rechtsänderung sofort mit Einräumung des unwiderruflichen Bezugsrechts eintritt und der Versicherungsnehmer lediglich ein
Anwartschaftsrecht (auf Rückerwerb) bzw. einen Anspruch auf Wiederherstellung des früheren Zustands erwirbt425.
Fraglich ist jedoch, ob der Dritte nicht vielmehr aufschiebend bedingt426, der
Versicherungsnehmer dagegen auflösend bedingt427 erwirbt.
Ein auflösend bedingter Rechtserwerb des Versicherungsnehmers hätte für diesen den Vorteil, dass er den Anspruch auf die Versicherungsleistung bis zum Eintritt des Versicherungsfalls wirtschaftlich nutzen könnte428. Gegen diese Konstruktion spricht jedoch, dass die Rechtsposition des Begünstigten in Anbetracht
des Versorgungsinteresses nur durch einen aufschiebend bedingten Rechtserwerb
des Versicherungsnehmers hinreichend vor willkürlichen Veränderungen durch
den Versicherungsnehmer geschützt werden kann429. Hat der Versicherungsnehmer einer gemischten Lebensversicherung mit einem unwiderruflichen Bezugsrecht zugunsten eines Dritten aber überhaupt ein Interesse an wirtschaftlicher
Nutzung?
Gerade bei einer gemischten Lebensversicherung drängt sich die Vermutung
auf, dass es dem Versicherungsnehmer nicht allein auf die Versorgung des
Bezugsberechtigten ankommt. Denn im Erlebensfall behält sich der Versicherungsnehmer die Versicherungsleistung selbst vor. Die Fürsorgefunktion tritt
neben das Interesse an der eigenen Altersversorgung430.
Das könnte dafür sprechen, dass der Bezugsberechtigte zwar ein im Verhältnis
zum widerruflichen Bezugsrecht bestandssichereres Recht erwerben, der endgültige Rechtserwerb aber dennoch erst mit Eintritt des Todesfalls eintreten soll.
Nicht vergessen werden darf indes, dass der Versicherungsnehmer bewusst auf
die Widerruflichkeit des Bezugsrechts verzichtet hat. Während es dem Versiche-
424 Lorenz in: FS Farny, S. 343; Bruck/Möller/Winter, Anm. H 38; Winter, Interessenkonflikte
bei der Lebensversicherung zugunsten Angehöriger, 1989, S. 12.
425 Palandt-Heinrichs, § 158 Rn. 1.
426 Unter der aufschiebenden Bedingung des Eintritts des Todes des Versicherungsnehmers
vor Eintritt des Erlebensfalls.
427 Unter der auflösenden Bedingung des Eintritts des eigenen Todes vor Eintritt des Erlebensfalls.
428 Bruck/Möller/Winter, Anm. H 38; bei der gemischten Lebensversicherung geht man von
einem durch den Tod des Versicherungsnehmers auflösend bedingten Rechtserwerbs des
Bezugsberechtigten und von einem aufschiebend bedingten Rechtserwerb des Versicherungsnehmers aus. Der Versicherungsnehmer ist nur noch zur Abtretung der aufschiebend
bedingten Rechte aus der Erlebensfalllebensversicherung berechtigt (Prölss / Martin /
Kollhosser, VVG, § 13 ALB 86 Rn. 50).
429 Bruck/Möller/Winter, Anm. H 38.
430 Joseph, Lebensversicherung und Abtretung (1990), 202.
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rungsnehmer, sofern er sich im Rahmen des Versicherungsvertrags die Widerrufsmöglichkeit vorbehält, erst in zweiter Linie auf die Hinterbliebenenversorgung
ankommt431, steht bei einem Verzicht auf die Widerrufsmöglichkeit die Versorgung des Bezugsberechtigten im Vordergrund432. Die Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts hat nämlich zur Folge, dass der Versicherungsnehmer die
Versicherungsforderung nicht mehr abtreten, verpfänden oder anderweitig wirtschaftlich nutzen kann433. Hätte der Versicherungsnehmer die Versicherungsforderung noch wirtschaftlich nutzen wollen, hätte er das Bezugsrecht als ein widerrufliches ausgestaltet. Der Widerrufsverzicht ist zudem Ausdruck des besonderen
Versorgungsinteresses des Versicherungsnehmers434 da damit auch der Zugriff der
Gläubiger des Versicherungsnehmers auf die Versicherungsleistung verhindert
wird435. Zudem wird dadurch die Verfügungsmacht des Versicherungsnehmers
beschnitten436.
Würde man den Versicherungsnehmer einer gemischten Lebensversicherung
das Recht auf die Versicherungsleistung auflösend bedingt erwerben lassen,
könnten dessen Gläubiger während dessen Rechtsinhaberschaft auf die Versicherungsleistung zugreifen und dadurch die Versorgung des Bezugsberechtigten
zunichte machen437. Der Versicherungsnehmer könnte über die Versicherungsforderung verfügen und dadurch den späteren Rechtserwerb438 des Bezugsberechtigten vereiteln.
Gerade diese Konsequenzen will man jedoch durch die unwiderrufliche Ausgestaltung des Bezugsrechts verhindern.
Bei einem unwiderruflichen Bezugsrecht für eine gemischte Lebensversicherung erwirbt der Begünstigte daher sofort mit Einräumung des Bezugsrechts das
Recht auf die Versicherungsleistung auflösend bedingt, der Versicherungsnehmer
aufschiebend bedingt. Dadurch erwirbt der Bezugsberechtigte ein gläubigerfestes
Recht439 und der Versicherungsnehmer wird vor Zugriffen der Gläubiger des
Bezugsberechtigten geschützt, da diese die Versicherungsforderung zwar pfänden und sich überweisen lassen können, die Einziehung aber erst nach Eintritt des
Versicherungsfalls bzw. nach Kündigung des Vertrags und Fälligwerdens des
Anspruchs auf den Rückkaufswert erfolgen darf440.
431 Bruck/Möller/Winter, Anm. H 32.
432 Bruck/Möller/Winter, Anm. H 34.
433 Bruck/Möller/Winter, a.a.O.
434 Bruck/Möller/Winter, a.a.O.
435 Bruck/Möller/Winter, a.a.O.
436 Winter, ZVersWiss 1991, 203 ff. (205).
437 Bruck/Möller/Winter, a.a.O.
438 Mit Eintritt des Todes des Versicherungsnehmers.
439 Wegen der Unwiderruflichkeit der Bezugsberechtigung verliert der Versicherungsnehmer
– trotz des Vorbehalts der eigenen Begünstigung – das Verfügungsrecht im Hinblick auf
die Versicherungsforderung. Er kann sie nicht mehr abtreten, verpfänden. Den Gläubigern
des Versicherungsnehmers ist der Zugriff darauf verwehrt.
440 Hasse, Interessenkonflikte, 1981, S. 27 f.
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Erwirbt der Versicherungsnehmer mit dem Eintritt des Erlebensfalls selbst die
Versicherungsforderung, geht die Pfändung ins Leere. Zudem ist der wirtschaftliche Wert des Anspruchs aufgrund der Ungewissheit, wer nun den Anspruch auf
die Versicherungssumme geltend machen kann, gering441.
Kann aber aufgrund des auflösend bedingten Rechtserwerbs des (unwiderruflich) Bezugsberechtigten darauf geschlossen werden, dass mit dem Wirksamwerden der Bezugsrechtseinräumung – wie bei einem unwiderruflichen Bezugsrecht
für eine reine Todesfalllebensversicherung – der Schenkungsvollzug eintritt?
Hier ist zu berücksichtigen, dass nicht nur der Umfang des Versicherungsanspruchs noch vollkommen unsicher ist, weil nicht feststeht, ob der Versicherungsnehmer von seinem Kündigungs- bzw. Umwandlungsrecht Gebrauch machen
oder seiner Prämienzahlungspflicht nachkommen wird. Darüber hinaus ist bei
einer gemischten Lebensversicherung mit geteiltem Bezugsrecht nicht vorhersehbar, ob der Begünstigte tatsächlich Inhaber des Forderungsrechts bleiben wird,
oder ob es zuvor wegen Eintritt des Erlebensfalls zum Eintritt der auflösenden
Bedingung kommt.
Wegen dieser Unsicherheit im Hinblick auf die Endgültigkeit des Forderungserwerbs und angesichts des »vorbehaltenen« Rechtserwerbs durch den Versicherungsnehmer442, liegt der Schenkungsvollzug, anders als bei einem unwiderruflichen Bezugsrecht für eine reine Todesfalllebensversicherung, erst mit Eintritt des
Todesfalls vor.
Deshalb fallen bei einem unwiderruflichen Bezugsrecht für eine gemischte
Lebensversicherung (mit geteilter Bezugsberechtigung), wie bei einem widerruflichen Bezugsrecht, Schenkungszeitpunkt und Erbfall zusammen. Das Niederstwertprinzip kommt nicht zum Tragen. Maßgebend ist daher der Wert des Versicherungsanspruchs im Zeitpunkt des Erbfalls, mithin die (volle) Versicherungssumme.
Auf den Rückkaufswert kann nur dann abgestellt werden, wenn es tatsächlich
zu einer Kündigung oder Umwandlung des Versicherungsvertrags gekommen ist.
Da der Begünstigte den Versicherungsnehmer nicht zur Ausübung der Gestaltungsrechte, die dem Versicherungsnehmer trotz der Unwiderruflichkeit des
Bezugsrechts weiterhin zustehen443, zwingen kann, kann der Bezugsberechtigte
den Rückkaufswert – auch wenn er ihm bei Ausübung der Gestaltungsrechte
zustehen würde444 – selbst nie realisieren.
Zuletzt ist zu prüfen, ob dem Begünstigten auch die Überschussanteile zufallen.
Auch hier spalten sich die Meinungen: die einen wollen die Überschussanteile
grundsätzlich dem Versicherungsnehmer445‚ die anderen grundsätzlich dem unwi-
441 Hasse, a.a.O.
442 so auch: Lorenz, in: FS Farny, S. 335 ff. (361).
443 Bruck/Möller/Winter, Anm. H 116.
444 Bruck/Möller/Winter, Anm. H 117.
445 Prahl, NVersZ 2002, 53 ff. (57).
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derruflich Bezugsberechtigten zuordnen446 oder die Überschussbeteiligung zur
Hälfte dem einen und zur Hälfte dem anderen zuweisen447.
Die im Fall der gemischten Lebensversicherung mit geteiltem Bezugsrecht
auftretende Besonderheit besteht darin, dass trotz der Unwiderruflichkeit des dem
Dritten eingeräumten Bezugsrechts dessen endgültiger Rechtserwerb vollkommen unsicher ist, weil es zuvor auch zum Eintritt des Erlebensfalls und damit zum
Rechtserwerb des Versicherungsnehmers kommen kann. Aus diesem Grund stellt
sich die Frage, ob auch in diesem Fall davon ausgegangen werden kann, dass der
Versicherungsnehmer dem Dritten aufgrund seines Versorgungsinteresses mit der
Hauptleistung im Zweifel auch die Überschussanteile zuwenden will.
Ein Regel-Ausnahme-Prinzip448 wie bei dem bei einer reinen Todesfalllebensversicherung bestehenden unwiderruflichen Bezugsrecht kann ohne weiteres nur
hinsichtlich der Überschussanteile angenommen werden, bei denen die Leistung
erst mit Eintritt des Todesfalls fällig wird449, d.h. bei der auf den Todesfall abgeschlossenen Zusatzversicherung, – bei der der Überschuss als Beitrag fungiert -‚
bei der verzinslichen Ansammlung, wenn der Versicherungsnehmer keine Verfügungsbefugnis über das Guthaben besitzt und der Anspruch auf Auszahlung des
Guthabens mit dem Tod des Versicherungsnehmers fällig wird, bei der Überschussbeteiligung durch Summenzuwachs und bei dem Anspruch auf die Schlussanteile.
Fraglich ist hingegen, ob ein solches Prinzip auch für die Zeit vor Eintritt des
Todesfalls aufgestellt werden kann. Der Versicherungsnehmer macht auch hier,
indem er das Bezugsrecht unwiderruflich ausgestaltet, deutlich, dass für ihn die
Versorgung des Dritten, wenn auch nicht ausschließlich, so doch zumindest auch
im Mittelpunkt seines Interesses steht. Räumt der Versicherungsnehmer einem
Dritten im Rahmen einer gemischten Lebensversicherung mit geteiltem Bezugsrecht ein unwiderrufliches Bezugsrecht ein, so erwirbt der Begünstigte sofort,
wenn auch auflösend bedingt, den Anspruch auf die Versicherungsleistung, weil
er nur dadurch vor dem Zugriff der Gläubiger des Versicherungsnehmers hinreichend geschützt ist. Um diesen Preis verzichtet der Versicherungsnehmer auch
auf die wirtschaftliche Nutzbarkeit der Lebensversicherung für eigene Zwecke.
Es ist kein Grund ersichtlich, warum dies hinsichtlich der Überschussanteile
anders sein sollte, selbst wenn sich der Versicherungsnehmer weiterhin den eigenen Rechtserwerb vorbehält.
Es kann zwar nicht davon ausgegangen werden, dass der Versicherungsnehmer
dem Dritten alle vor Eintritt des Versicherungs- bzw. Todesfalls fällig werdenden
Überschussanteile unbedingt und unwiederbringlich zuwenden will450. Sehr wohl
kann indes angenommen werden, dass der Versicherungsnehmer demjenigen,
446 Hasse, Interessenkonflikte, 1981, S. 53.
447 OLG Frankfurt a.M. NVersZ 2001, 159 f.
448 Die Regel ist, dass grundsätzlich der unwiderruflich Bezugsberechtigte den Überschussanteil erhält. Für den Versicherungsnehmer ist dies die Ausnahme.
449 Hasse, VersR 2005, 1176 ff. (1182).
450 Insoweit zustimmend: Hasse, VersR 2005, 1176 ff. (1182, 1185).
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dem er im Rahmen einer gemischten Lebensversicherung mit geteiltem Bezugsrecht ein unwiderrufliches Bezugsrecht einräumt, die Überschussanteile auflösend bedingt zuwenden will. Deshalb erwirbt der unwiderruflich Bezugsberechtigte sofort, wenn auch auflösend bedingt, das Recht auf die aus einer Zusatzversicherung erwachsenden Versicherungsleistung. Auch die Verwendung des Überschussanteils zum Zweck der Summenerhöhung kommt aufgrund des sofortigen,
auflösend bedingten Rechtserwerbs zunächst, zumindest bis zum Eintritt des
Erlebensfalls, dem Begünstigten zugute.
Bei der verzinslichen Ansammlung der jährlichen Überschussanteile kann dies
nur angenommen werden, wenn sich der Versicherungsnehmer keine Verfügungsbefugnis über das angesparte Guthaben vorbehält.
Dient der Überschuss der Verkürzung der Versicherungsdauer, kommt dies
dem auf den Todesfall eingesetzten Begünstigten nicht zugute451, da dies nur dazu
führt, dass der im Erlebensfall begünstigte Versicherungsnehmer schneller in den
Genuss der Versicherungssumme kommt und dessen Prämienzahlungspflicht vorzeitig endet.
Dasselbe gilt, wenn die Verrechnung der Überschüsse mit den regelmäßig fällig werdenden Prämien vereinbart bzw. bei verabredeter Barauszahlung eine ausdrückliche Aussage des Versicherungsnehmers gemacht worden ist, dass er den
eigenen Erwerb der Überschüsse wünsche452.
Soweit somit die Überschussanteile dem innerhalb einer gemischten Lebensversicherung unwiderruflich Bezugsberechtigten zugute kommen, werden diese
von der Pflichtteilsergänzung erfasst.
6. Die Zehn-Jahres-Frist (§ 2325 III BGB)
Der verschenkte Gegenstand bleibt bei der Pflichtteilsergänzung unberücksichtigt, wenn seit seiner Leistung zur Zeit des Erbfalls zehn Jahre verstrichen sind
(§ 2325 III 1. HS BGB). Die 10-Jahresfrist des § 2325 III BGB gilt auch zugunsten des Beschenkten, der einem Pflichtteilsergänzungsanspruch aus § 2329 BGB
ausgesetzt ist453.
»Leistung« meint nicht die bloße Vornahme aller erforderlichen Leistungshandlungen454, sondern den Eintritt des rechtlichen Leistungserfolgs455. Es muss
ein Schenkungsvollzug durch Rechtsübergang vorliegen456. Der Schenker muss
ein spürbares Vermögensopfer erbracht haben und dadurch einen Zustand
451 Prahl, NVersZ 2002, 53 ff. (55).
452 A.A.: Hasse, VersR 2002, 1176 ff. (1182); ders. Interessenkonflikte, 1981, S. 52 f.
453 BGHZ 59, 209 ff.; 98, 226 ff. (229).
454 so noch BGH NJW 1970, 1638.
455 MünchKomm/BGB-Lange, § 2325 Rn. 37; Hasse, Lebensversicherung und erbrechtlicher
Ausgleichsanspruch, 2005, S. 44 f.
456 BGHZ 102, 289 ff. (291 f.); BGH WM 1993, 1721 ff.; Kollhosser, AcP 194 (1994), 231
ff. (262).
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geschaffen haben, dessen Folgen er selbst noch zehn Jahre zu tragen hat und der
ihn aufgrund dieser Folgen von »böslichen« Schenkungen abhält457.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Schenkungsabrede zwischen Versicherungsnehmer und Bezugsberechtigtem bereits vor dem Versicherungsfall oder
erst danach getroffen wurde. Teilweise wird zwar vertreten, der Schenkungserfolg trete erst mit Eintritt des Versicherungsfalls oder aber mit Annahme der
Schenkungsofferte durch den Bezugsberechtigten nach Eintritt des Versicherungsfalls ein458. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Zu begründen ist dies
mit der zwingenden Trennung von Deckungs- und Valutaverhältnis im Rahmen
eines Vertrags zugunsten Dritter. Während es im Valutaverhältnis für das Behaltendürfen der Zuwendung sehr wohl auf das Bestehen einer Schenkungsabrede
ankommt, ist für den Rechtserwerb des Dritten allein die Wirksamkeit des Versicherungsvertrags im Deckungsverhältnis von Bedeutung. Für die Frage des Eintritts des Leistungserfolgs kann es somit nicht darauf ankommen ob der Anspruch
mit Rechtsgrund erworben wird, sondern wann der Bezugsberechtigte das Recht
erwirbt und der Versicherungsnehmer den Vermögensgegenstand tatsächlich an
den Begünstigten verliert459. Die Möglichkeit, dass der Rechtsgrund von den
Erben noch zunichte gemacht werden kann, ändert nichts daran, dass der rechtliche Erfolg, d.h. der Rechtserwerb des Dritten, bereits vor Zustandekommen der
Schenkungsabrede eintritt.
Maßgebend für den Zeitpunkt des Eintritts des Leistungserfolgs ist daher allein
der Zeitpunkt, in dem der Bezugsberechtigte das Recht auf die Versicherungsleistung erwirbt, nicht aber der Zeitpunkt des Zustandekommens der Schenkungsabrede.
Bei der Frage, wann die Frist des § 2325 III BGB zu laufen beginnt, ist zu differenzieren:
Bei einem widerruflichen Bezugsrecht – sowohl für eine gemischte Lebensversicherung, als auch für eine (reine) Todesfalllebensversicherung – erwirbt der
Bezugsberechtigte mit der Einräumung des Bezugsrechts weder ein Recht, noch
eine Anwartschaft auf die Versicherungsleistung. Die Zuwendung erschöpft sich
bis zum Eintritt des Versicherungsfalls in einer ungesicherten, rechtlich nicht
geschützten Hoffnung, einer bloßen Aussicht auf einen späteren Rechtserwerb460.
Es handelt sich um eine wesenlose Anwartschaft461. Seine Rechtsstellung ist mit
der eines Testamentserben vergleichbar462, denn auch dieser muss jederzeit damit
rechnen, dass der Erblasser vor Eintritt des Erbfalls die Testamentsverfügung
457 BGHZ 98, 226 ff.
458 Frey, Lebensversicherung und Nachlassinteressen, 1996, S. 134.
459 BGHZ 98, 226 ff.; Koenig, Die Drittbegünstigung in der Kapitallebensversicherung, 1998,
S. 143.
460 Harder, Zuwendungen unter Lebenden auf den Todesfall, 1968, S. 125; Weyers/Wandt,
Versicherungsvertragsgesetz, Rn. 831; »wesenslose Anwartschaft«: Heilmann, VersR
1980, S. 517 Fn.12; RGZ 128, 187 ff. (190); Peters, MDR 1995, S. 659 Fn.11; Zehner,
AcP 153 (1954), 424 ff. (438 ff.); Fuchs, JuS 1989, 179.
461 BGHZ 45, 162 ff.
462 Harder, Zuwendungen unter Lebenden auf den Todesfall, 1968, S. 125 f.
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ändert. Erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalls, d.h. mit dem Tod des Versicherungsnehmers, »erstarkt« die Erwerbsaussicht des Bezugsberechtigten zu
einem eigenen Forderungsrecht. Erst dann wächst der Anspruch auf die Versicherungsleistung dem Vermögen des Bezugsberechtigten endgültig zu. Der Leistungserfolg tritt somit zeitgleich mit dem Erbfall ein, mit der Folge, dass die Frist
des § 2325 III BGB im Fall eines widerruflichen Bezugsrechts nie zu laufen
beginnt.
Dies gilt auch für ein unwiderrufliches Bezugsrecht in Bezug auf eine
gemischte Lebensversicherung (mit geteiltem Bezugsrecht), da der Rechtserwerb
des Bezugsberechtigten erst nach Eintritt des Erb- bzw. Todesfalls sicher ist. Der
Versicherungsnehmer kann dem Dritten sein Bezugsrecht zwar durch die Aus-
übung der ihm weiterhin zur Verfügung stehenden Gestaltungsrechte nicht mehr
entziehen. Das ändert aber nichts daran, dass im Erlebensfall der Versicherungsnehmer selbst die Versicherungsforderung erwirbt und der Dritte leer ausgeht.
Die Endgültigkeit seines zunächst auflösend bedingten Rechtserwerbs ist vollkommen ungewiss. Da der Bezugsberechtigte nur hilfsweise Begünstigter der
Lebensversicherung sein soll, tritt der Leistungserfolg erst mit dem Tod des Versicherungsnehmers ein, mit der Folge, dass die 10-Jahresfrist nicht zu laufen
beginnt.
Das bedeutet, dass bei einem unwiderruflichen Bezugsrecht für eine gemischte
Lebensversicherung (mit geteiltem Bezugsrecht) stets der Anspruch in Höhe der
vollen Versicherungssumme zuzüglich der Überschussanteile ergänzungspflichtig ist.
Fraglich ist, wie die Situation bei einem unwiderruflichen Bezugsrecht für eine
reine Todesfalllebensversicherung zu beurteilen ist. Hier erwirbt der Bezugsberechtigte das Recht auf die Versicherungssumme sofort463 und nicht erst mit Eintritt des Versicherungsfalls. Zu beachten ist, dass der Versicherungsnehmer trotz
der Unwiderruflichkeit des Bezugsrechts zwar weiterhin zur Disposition464 über
den Versicherungsvertrag befugt ist, d.h. er behält sein Kündigungsrecht gemäß
§ 168 VVG und das Recht zur Umwandlung in eine prämienfreie Versicherung
gemäß § 165 VVG. Der Erwerb des Anspruchs auf die Versicherungssumme
durch den Dritten vollzieht sich daher unter der auflösenden Bedingung des
Nichteintritts der Kündigung465. Kündigt der Versicherungsnehmer tatsächlich
den Versicherungsvertrag oder entscheidet er sich für die Umwandlung in eine
prämienfreie Versicherung, so wird ein Anspruch auf den Rückkaufswert fällig
(§§ 169,165 I 2 VVG). Auch dieser Rückkaufswert steht dem unwiderruflich
Bezugsberechtigten zu466.
Wie bei einem im Rahmen einer gemischten Lebensversicherung bestehenden
unwiderruflichen Bezugsrecht ist die Höhe bzw. der Umfang des Anspruchs in
463 Prölss/Martin-Kollhosser, VVG, § 166 Rn. 7.
464 Prölss/Martin-Kollhosser, a.a.O.
465 Peters, MDR 1995, 660 u. Fn. 24, 25.
466 BGHZ 45, 162 ff. (167); Winter, Interessenkonflikte bei der Lebensversicherung zugunsten Angehöriger, 1989, S. 13; Prölss/Martin-Kollhosser, a.a.O.
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Anbetracht der nach wie vor bestehenden Kündigungs- und Umwandlungsmöglichkeit seitens des Versicherungsnehmers noch ungewiss467. Anders als bei einer
gemischten Lebensversicherung kann der Begünstigte seine Forderungsinhaberschaft aber nicht mehr verlieren. Der Versicherungsnehmer kann nur verhindern,
dass der Begünstigte die volle Versicherungssumme erwirbt, nicht aber, dass er
weiterhin Gläubiger des Anspruchs auf die Versicherungsleistung bleibt.
Aus diesem Grund ist anders als bei einer gemischten Lebensversicherung
bereits im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Bezugsrechtseinräumung der Leistungserfolg eingetreten468.
Liegen demnach zwischen der Einräumung des unwiderruflichen Bezugsrechts
und dem Erbfall mehr als 10 Jahre, bleibt die Schenkung des Anspruchs auf die
Versicherungsleistung unberücksichtigt (vgl. § 2325 III 1 .HS BGB).
Nur wenn der Ehegatte des Erblassers als unwiderruflich Bezugsberechtigter
im Rahmen der reinen Todesfalllebensversicherung eingesetzt worden ist,
beginnt die Frist nicht vor der Auflösung der Ehe (§ 2325 III 2.HS BGB). Das hat
zur Konsequenz, dass bei Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch
den Tod des einen Ehegatten die Frist des § 2325 III BGB nie zu laufen beginnt.
In diesem Fall unterliegt dann die volle Versicherungssumme der Pflichtteilsergänzung.
Es stellt sich jedoch die Frage, ob bei außerhalb der 10-Jahresfrist erfolgter
Einräumung des unwiderruflichen Bezugsrechts sekundär auf die innerhalb des
kritischen Zeitraums erbrachten Prämienbeiträge abgestellt werden kann.
Dagegen spricht zunächst der Wortlaut des § 2325 III 1.HS BGB. Dort heißt
es, dass die Schenkung »unberücksichtigt« bleibt.
Zudem ist Gegenstand der mittelbaren Schenkung nicht die Prämienleistung
des Versicherungsnehmers, sondern der Anspruch auf die Versicherungssumme469.
Zu beachten ist jedoch, dass es sich um eine nur sekundäre Berücksichtigung
der Prämien im Rahmen der Pflichtteilsergänzung handeln würde. Die Schenkung
des Versicherungsanspruchs bliebe – entsprechend dem Wortlaut des § 2325 III
1. HS BGB – weiterhin unberücksichtigt.
Für eine Berücksichtigung der innerhalb des Zeitraums erbrachten Prämien
spricht, dass nur auf diese Weise dem Umstand Rechnung getragen werden kann,
dass die Schenkung in Form der Einräumung des unwiderruflichen Bezugsrechts
(im Rahmen der reinen Todesfalllebensversicherung) mit dem Wirksamwerden
dieser Begünstigung nicht vollkommen ihren Abschluss gefunden hat, sondern
sich aufgrund der weiter erfolgenden Beitragszahlungen bis zum Eintritt des Versicherungsfalls erstreckt.
Auch wenn der Leistungserfolg bereits mit dem sofortigen Rechtserwerb des
Begünstigten eingetreten ist, wird das Vermögen des Versicherungsnehmers lau-
467 Vgl. Winter, ZVersWiss 1991, 203 ff. (208).
468 Ebenso Frömgen, Das Verhältnis zwischen Lebensversicherung und Pflichtteil, 2004,
S. 161.
469 Siehe S. 73 ff.
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fend um die dem (unwiderruflich) Begünstigten zugute kommenden Prämien vermindert.
Legt man diese Annahme zugrunde, so schließt sich jedoch die Frage an, ob
nicht vielmehr auf die Werterhöhung abzustellen ist, die mit den innerhalb des
kritischen Zeitraums erbrachten Prämien erkauft worden ist. Maßgeblich wäre
dann die Differenz zwischen der Versicherungssumme und dem Deckungskapital,
das vor Fristbeginn bestanden hat470.
Dagegen könnte man einwenden, dass der Versicherungsnehmer diese Werterhöhung niemals im Wege einer unmittelbaren Zuwendung in natura auf den
Zuwendungsempfänger hätte übertragen können471. Dieser Einwand greift jedoch
nicht, da es im Rahmen des Pflichtteilsrechts nur darauf ankommt, dass der auf
Kosten der Pflichtteilsberechtigten weggegebene Vermögensgegenstand wertmä-
ßig Eingang in die Berechnung der Höhe des Pflichtteils gefunden hätte.
Für die Zugrundelegung der Werterhöhung spricht vielmehr, dass der Gegenstand einer mittelbaren Schenkung der Bereicherungsgegenstand, mithin der
Anspruch auf die Versicherungsleistung ist472. Überträgt man dies auf die vorliegende Situation, müsste man konsequenterweise auf die mit den Prämien erkaufte
Werterhöhung abstellen, weil der Begünstigte nur um diesen Wert bereichert ist.
Auch wenn man argumentiert, dass man die Gesamtsumme der innerhalb der 10-
Jahresfrist erbrachten Beiträge lediglich sekundär zugrunde legen würde, ist richtigerweise auf die mit diesem Betrag erkaufte Werterhöhung abzustellen.
Dafür spricht ferner die privilegierte Stellung des Begünstigten einer der Hinterbliebenenversorgung dienenden Lebensversicherung. Die Werterhöhung gründet nämlich nur auf dem Sparanteil einer jeden Prämie, während der Risikoanteil
und der Verwaltungskostenanteil unberücksichtigt bleiben. Der Umfang der
Werterhöhung ist daher geringer als die Summe aller innerhalb des kritischen
Zeitraums erbrachten Prämien, die den Spar-, Risiko- und Verwaltungskostenanteil sowie einen Sicherheitszuschlag enthalten.
§ 2329 BGB lässt den gutgläubigen Zuwendungsempfänger ferner nur auf die
noch vorhandene Bereicherung haften. Bereichert ist der Begünstigte einer
Lebensversicherung jedoch nur um die mit den Prämienbeiträgen erkaufte Werterhöhung. Um die Prämienzahlungen war er indes zu keinem Zeitpunkt bereichert. Gemäß dem Grundsatz, dass innerhalb der §§ 2325, 2327 und 2329 BGB
auf denselben Zuwendungsgegenstand abzustellen ist473, ist allen Pflichtteilsergänzungsvorschriften sekundär die mit den innerhalb der 10-Jahresfrist erbrachten Prämien erkaufte Werterhöhung – unabhängig davon, ob diese wie § 2329
BGB Gutglaubensvorschriften enthalten – zugrunde zu legen.
470 vgl. Hasse, Lebensversicherung und erbrechtlicher Ausgleichsanspruch, 2005, S. 73;
andere stellen auf die Differenz zwischen der (vollen) Versicherungssumme und der Versicherungssumme ab, die nach Umwandlung ein eine prämienfreie Versicherung fällig
wird, vgl. Thiele, Lebensversicherung und Nachlassgläubiger, 1968, S. 50.
471 Thiele, S. 49.
472 Siehe S. 73 ff.
473 Siehe S. 58 ff.
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Es ist folglich festzuhalten:
Bei einem widerruflichen Bezugsrecht (für eine reine Todesfalllebensversicherung oder für eine gemischte Lebensversicherung mit geteiltem Bezugsrecht) beginnt die Frist des § 2325 III BGB nie zu laufen. Dasselbe gilt bei einem im Rahmen einer gemischten Lebensversicherung (mit geteilter Bezugsberechtigung)
eingeräumten unwiderruflichen Bezugsrecht zugunsten eines Dritten.
Bei einem unwiderruflichen Bezugsrecht für eine reine Todesfalllebensversicherung beginnt der Lauf der 10-Jahresfrist mit dem Wirksamwerden der Bezugsrechtseinräumung (§ 13 II ALB 86). Ist der Ehegatte des Erblassers der Bezugsberechtigte, beginnt sie nicht vor der Auflösung der Ehe (§ 2325 III 2. HS BGB).
Endet der Güterstand mit dem Tod des Ehegatten/Versicherungsnehmers beginnt
die 10-Jahresfrist folglich nie.
Bleibt die Schenkung des Versicherungsanspruchs wegen Fristablaufs unberücksichtigt, ist im Rahmen der §§ 2325, 2327, 2329 BGB sekundär auf die Werterhöhung abzustellen, die mit der Gesamtsumme der innerhalb des kritischen
Zeitraums erbrachten Prämienbeiträge erkauft worden ist.
IV. Besonderheiten bei Vorliegen einer Rentenlebensversicherung
Kommt man zu dem Ergebnis, dass stets der Anspruch auf die Versicherungssumme ergänzungspflichtig ist, so stellt sich des Weiteren die Frage, wie dessen
Wert bei einer Rentenlebensversicherung ermittelt werden kann. Hierbei ist problematisch, dass sich der Versicherungsanspruch nicht auf die einmalige Auszahlung eines Geldbetrags, sondern auf die im Regelfall bis zum Tod des Begünstigten regelmäßig wiederkehrende Auszahlung mehrerer Geldbeträge richtet. Die
Gesamtsumme, die der Versicherer bis zur endgültigen Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung an den Begünstigten, d.h. bis zu dessen Tod, zu erbringen hat,
ist im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls nicht vorhersehbar. Maßgeblich ist der Wert der (prognostizierten) Gesamtversicherungsleistung.
Dieser kann unterschiedlich ermittelt werden:
Zunächst könnte man in entsprechender Anwendung des § 2313 I 3 BGB den
Betrag der Pflichtteilsergänzung zugrunde zu legen, der von der Versicherungsgesellschaft aus ex-post-Sicht bis zum Tod des Begünstigten tatsächlich bezahlt
worden ist.
Zwar liegt direkt kein Fall des § 2313 BGB vor. Die Interessenlage ist jedoch
vergleichbar, da bei § 2313 BGB Zweifel bestehen, ob ungewisse bzw. unsichere
Rechte Bestandteil des Nachlasses werden, und bei der Rentenlebensversicherung der Umfang der Gesamtversicherungsleistung unsicher ist. § 2313 BGB soll
den Pflichtteilsberechtigten so stellen, wie wenn das ungewisse Recht schon im
Zeitpunkt des Erbfalls verlässlich bestanden hätte474. Der Weg über § 2313 BGB
474 BGHZ 123, 183 ff.
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hat jedoch den Nachteil, dass eine Berücksichtigung des Vermögenswerts erst
dann erfolgen könnte, wenn der Tod des Begünstigten eingetreten wäre, weil erst
dann aus ex-post-Sicht die Gesamtsumme feststeht, die die Versicherungsgesellschaft bis dahin an den Bezugsberechtigten ausgeschüttet hat. Dem Gläubiger des
Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist es aber im Regelfall unzumutbar, bis zu diesem Zeitpunkt auf die Pflichtteilsergänzung zu warten.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, auf die Versicherungssumme abzustellen, die sich bei einer fiktiven Kapitalisierung der Rentenlebensversicherung
ergäbe. Diese Kapitalisierung könnte problemlos anhand der hierfür bei den Versicherern erhältlichen Tabellen zur Verrentung von Kapitalleistungen durchgeführt werden475.
Zudem könnte man anhand der statistischen Sterbetafeln die Lebenserwartung
des Begünstigten ermitteln und durch Multiplikation der Lebenserwartung mit
den periodisch fällig werdenden Geldbeträgen die Gesamtsumme errechnen, die
der Versicherer bis zum Lebensende des Begünstigten erbracht haben wird.
Der so ermittelte Wert der (prognostizierten) Gesamtversicherungsleistung ist
der Pflichtteilsergänzung zugrunde zu legen.
V. Ergebnis
Räumt der Erblasser/Versicherungsnehmer einem Dritten schenkungshalber ein
Bezugsrecht an einer Lebensversicherung ein, die auf das Leben des Versicherungsnehmers abgeschlossen wurde, so ist im Rahmen der Pflichtteilsergänzungsansprüche in jedem Fall der Anspruch auf die Versicherungssumme zuzüglich der dem Begünstigten zustehenden Überschussanteile anzusetzen. Nur wenn
der Versicherungsvertrag vor Eintritt des Versicherungsfalls gekündigt bzw. umgewandelt wurde ist auf den Rückkaufswert abzustellen.
B. Anrechnung und Ausgleichung im Pflichtteilsrecht (§§ 2315, 2316 BGB)
I. Problemstellung
Der Pflichtteilsberechtigte hat sich auf seinen Pflichtteil anrechnen zu lassen, was
ihm von dem Erblasser durch Rechtsgeschäft unter Lebenden mit der Bestimmung zugewendet worden ist, dass es auf den Pflichtteil angerechnet werden soll
(§ 2315 I BGB).
Wurde einem Pflichtteilsberechtigten vom Erblasser/Versicherungsnehmer das
Bezugsrecht an einer Lebensversicherung schenkungshalber eingeräumt, und
macht dieser gegen den Erben des Versicherungsnehmers später einen Pflichtteilsanspruch geltend, weil er durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge
475 Friederici, NJW 1979, 2550 ff. (2553).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Mit welchem Wert sind Lebensversicherungen anzusetzen, wenn sie in erb- oder familienrechtlichen Ausgleichungs- oder Anrechnungsregelungen zu berücksichtigen sind: Mit der Versicherungssumme? Mit der Summe der erbrachten Prämienzahlungen? Mit dem Rückkaufswert? In Rechtsprechung und Literatur ist ein einheitliches Vorgehen bislang nicht erkennbar.
Die vorliegende Arbeit untersucht diese Frage auch unter Berücksichtigung der im Jahr 2003 auf dem Gebiet des Insolvenzrechts erfolgten Rechtsprechungsänderung des Bundesgerichtshofes differenziert anhand der Vielzahl an Funktionen, die eine Lebensversicherung erfüllen kann.