308
gericht seine institutionellen Kompetenzen ausübt. Keiner der Faktoren erklärt für
sich genommen das Agieren des Gerichts; nur in ihrem Zusammenspiel werden die
Mechanismen von activism und restraint des Bundesverfassungsgerichts deutlich.
Die Analyse der faktischen Normenkontrolltätigkeit des Gerichts lässt insgesamt
nicht den Schluss zu, dass die Karlsruher Richter aktivistisch in die Politik hineinregieren. Das Gericht scheint über die Zeit hinweg, ungeachtet seiner personellen Zusammensetzung und der politischen Mehrheiten, denen es sich gegenüber sah, eher
gleichmäßig zwischen Aktivismus und Zurückhaltung gewählt zu haben. Allerdings
kann auch nicht übersehen werden, dass in immerhin fast jedem dritten materiell
entschiedenen Fall eine Landes- oder Bundesnorm durch das höchste deutsche Gericht beanstandet wurde. Ist das Gericht damit also doch gewichtiger Gegenspieler zu
Parlament und Regierung in der bundesdeutschen Politik? Mischt es sich doch häufiger in die Politik ein als es sollte? Diese Frage lässt sich nicht alleine anhand der
bloßen Verfahrenszahlen beantworten. Vielmehr müssen die Zahlen auf die Funktionen und Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts in der bundesdeutschen Demokratie bezogen und interpretiert werden. Dies soll im nächsten Abschnitt geschehen.
6.2 Das Bundesverfassungsgericht als demokratischer Akteur? Funktionales und
dysfunktionales Agieren
Die bloße Anzahl bestätigter und annullierter Normen lässt deswegen keine differenzierten Aussagen über das Agieren des Bundesverfassungsgerichts zu, weil aus
ihnen nicht hervorgeht, aus welchen Gründen das Gericht die geprüfte Norm bestätigt oder annulliert hat: Eine Norm kann aus formalen oder aus materiellen Gründen
beanstandet werden, sie kann eindeutig gegen Verfassungsbestimmungen verstoßen
oder „nur“ der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und seiner
Auslegung bestimmter Normen widersprechen. Vor allem aber folgt aus der Bestätigung oder Annullierung einer Norm noch nicht, ob das Bundesverfassungsgericht
mit seiner Entscheidung seine demokratische Funktion adäquat erfüllt hat oder nicht.
In Kapitel 2.1.3 dieser Arbeit ist argumentiert worden, dass sowohl die Bestätigung als auch die Annullierung einer Norm demokratiefunktional oder demokratiedysfunktional sein kann. Funktional ist nach dieser Argumentation eine Entscheidung dann, wenn durch sie eine Norm annulliert wird, die gegen die Verfassung
oder grundlegende demokratische Institutionen verstößt (funktionale Intervention)
oder wenn das Gericht ein Gesetz bestätigt, das dies nicht tut (funktionale Nicht-
Intervention). Als dysfunktional sind solche Entscheidungen zu kategorisieren, mit
denen das Verfassungsgericht zu weit in den Aufgabenbereich des Gesetzgebers
„hineinregiert“ (dysfunktionale Intervention) oder den Gesetzgeber nicht weit genug
in seine Schranken verweist (dysfunktionale Nicht-Intervention).151
151 Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass die Frage von Funktionalität und Dysfunktionalität in
der hier definierten Bedeutung sinnvoll nur für Normenkontrollverfahren gestellt werden kann.
309
Mit dieser Unterscheidung wird deutlich, dass es zur Analyse der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts in keiner Weise ausreicht, lediglich die Annullierungen von Normen zu betrachten, da damit nur die Hälfte der relevanten Kategorien
erfasst wird. Vielmehr müssen ebenso die Bestätigungen von Normen in die Betrachtung mit einbezogen werden. Nur dann lässt sich adäquat erfassen, ob das Bundesverfassungsgericht zu häufig – oder vielleicht sogar zu selten – in den Aufgabenbereich des Gesetzgebers interveniert.152 Und nur so lässt sich abschließend beurteilen, welche Rolle das Bundesverfassungsgericht für die Qualität der bundesdeutschen Demokratie spielt.
6.2.1 Funktionale und Dysfunktionale Urteile des Bundesverfassungsgerichts
Die Frage, ob ein Urteil des höchsten deutschen Gerichts ein funktionales oder dysfunktionales im hier definierten Sinne ist, ist theoretisch leichter zu beantworten als
praktisch. Theoretisch funktional ist es dann, so ist argumentiert worden, wenn es
den Kernbereich der Demokratie (im Sinne der Embedded Democracy) schützt, ohne
den Gesetzgeber in seinen eigenen Rechten und Funktionen zu beschneiden. Diese
allgemeine Charakterisierung stößt bei der konkreten Urteilsanalyse des Bundesverfassungsgerichts jedoch an zwei Grenzen:
Erstens entspricht die Verfassungsordnung des Grundgesetzes nicht im Detail der
im Konzept der Embedded Democracy vorgenommenen Unterscheidungen und
Aufteilung in unterschiedliche demokratische Funktionsbereiche. Nach dem in dieser Arbeit gewählten Demokratiemodell gehören sozialstaatliche Rechte und Sicherungen beispielsweise zwar zur Voraussetzung einer funktionierenden Demokratie,
nicht aber zum definierenden Merkmal der Demokratie selbst. Folgerichtig gehören
Sozialrechte demokratietheoretisch betrachtet auch nicht zum Kernbestand der De-
Die übrigen durch das Bundesverfassungsgericht vorgenommenen Prüfungen (z. B. Urteilsverfassungsbeschwerden, Parteiverbotsprüfungen, Organstreitverfahren usw.) sind nach der oben
vorgenommenen Demokratie- und Rechtsstaatsdefinition grundsätzlich funktional für die Demokratie, da das Gericht in diesen Verfahren als oberste rechtsstaatliche Instanz eine (nur) ihm
zugewiesene Aufgabe wahrnimmt. In diesem Sinne kann die Ausübung dieser Tätigkeit in der
Regel nicht dysfunktional sein. Für die Qualität der bundesdeutschen Demokratie spielen diese
Verfahren allerdings eine große Rolle (siehe auch Kapitel 6.3 weiter unten).
Ebenso wichtig ist der nochmalige Hinweis, dass es in der Diskussion um Funktionalität und
Dysfunktionalität nicht um eine inhaltliche Bewertung einzelner Gerichtsentscheidungen als
materiell „richtig“ oder „falsch“ geht, sondern um eine demokratiefunktionale Bewertung, die
vor allem auf die Kompetenzabgrenzung zwischen Verfassungsgericht und Gesetzgeber zielt.
152 Um dies nochmals an einem fiktiven Beispiel zu verdeutlichen: Würde der Gesetzgeber (ohne
vorherige Verfassungsänderung) im Strafgesetzbuch die Todesstrafe für bestimmte Delikte
wieder einführen und das Bundesverfassungsgericht annullierte das entsprechende Gesetz nicht,
handelte es dysfunktional, weil es eine eindeutige Verletzung von Artikel 102 GG nicht ahnden
würde. Die entscheidende Frage lautet daher nicht „Wie häufig interveniert das Gericht in den
Aufgabenbereich des Gesetzgebers?“, sondern „Interveniert das Gericht zu Recht in den Aufgabenbereich des Gesetzgebers?“
310
mokratie, die ein Verfassungsgericht primär zu schützen und zu verteidigen hat. Das
bundesdeutsche Grundgesetz definiert die Bundesrepublik Deutschland aber in Artikel 20 GG als „demokratischen und sozialen Bundesstaat“, wodurch das Sozialstaatsprinzip einen prominenten Platz in der Verfassungsordnung erhalten hat, den
auch das Bundesverfassungsgericht zu beachten und zu schützen hat.153 Damit kann
bei der konkreten Untersuchung der Urteile des Gerichts nicht argumentiert werden,
das Bundesverfassungsgericht müsse Fragen des Sozialstaates vollständig dem Gesetzgeber und dessen Ermessen überlassen. Die konkrete Untersuchung des Urteilsoutputs des Bundesverfassungsgerichts muss vielmehr auch die Entscheidungsgrundlage beachten, auf der das Gericht seine Urteile fällt: das Grundgesetz selbst.
Zweitens muss damit die Abgrenzung von funktionalem und dysfunktionalem
Agieren des Bundesverfassungsgerichts nicht nur anhand des allgemeinen Modells
der Embedded Democracy, sondern auch anhand des bundesdeutschen Grundgesetzes erfolgen. Es wäre zweifellos unsinnig, ein Urteil des Gerichts dann als dysfunktional zu bewerten, wenn es zwar nach dem gewählten Demokratiemodell außerhalb
seiner Zuständigkeit ergangen ist, es aber eindeutig auf eine Verfassungsvorschrift
Bezug nimmt, gegen die der Gesetzgeber im konkreten Fall verstoßen hat. Anders
gesagt: Das Gericht greift dann nicht dysfunktional in den Aufgabenbereich des
Gesetzgebers ein, wenn es sich in seiner Entscheidung auf eine konkrete Verfassungsnorm berufen kann, gegen die der Gesetzgeber verstoßen hat.
Die Untersuchung funktionalen und dysfunktionalen Handelns muss daher in einer abgestuften Prüfung erfolgen: Zunächst muss überprüft werden, ob sich das
Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil auf eine klare und eindeutige Verfassungsnorm berufen kann. Eine solche ist beispielsweise die in Artikel 4 GG festgeschriebene Religionsfreiheit. Artikel 4 (2) GG postuliert: „Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“ Bei dieser Verfassungsnorm handelt es sich um eine
Norm, die in ihrer Klarheit und Eindeutigkeit vergleichsweise wenig interpretationsoffen ist. Anders verhält es sich etwa mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Artikel 3 (1) GG. Aus der Norm, dass „alle Menschen vor dem Gesetz gleich“ sind,
lassen sich viele unterschiedliche Schlussfolgerungen, Interpretationen und Ansprüche ableiten.
Nach der hier vertretenen Argumentation liegt der Unterschied beider Normen
nun nicht darin, dass das Bundesverfassungsgericht die Norm nur im Falle des Artikels 4 GG auszulegen oder auf seiner Basis zu entscheiden hat (dies muss es in beiden Fällen tun), sondern darin, dass bei den eher interpretationsoffenen Normen die
oben diskutierten allgemeinen Überlegungen zur demokratischen Funktion von
Gesetzgeber und Verfassungsgericht hinzutreten müssen. Je interpretationsoffener
die Norm ist, auf deren Grundlage entschieden wird, desto stärker muss zwischen
dem Kernbereich der Demokratie (in dem das Verfassungsgericht besonders wach-
153 Allerdings findet das Sozialstaatsprinzip ansonsten keine weitere prominente Erwähnung in der
deutschen Verfassungsordnung. Im Grundgesetz werden weder soziale Grundrechte postuliert
noch detaillierte Vorgaben zur Ausgestaltung der Sozialversicherungssysteme vorgenommen,
wie dies aus anderen Verfassungen zum Teil bekannt ist (vgl. Fabre 2005).
311
sam agieren muss) und den jenseits dieses Kernbereichs angesiedelten Bereichen
unterschieden werden (in denen der Gesetzgeber eine gewichtige Entscheidungsprärogative besitzen sollte). Muss also beispielsweise eine Entscheidung auf Basis der
eher interpretationsoffenen Norm des allgemeinen Gleichheitssatzes gefällt werden
und betrifft der zu entscheidende Fall nicht den Kernbereich der Demokratie, sollte
das Bundesverfassungsgericht seiner demokratischen Funktion dadurch nachkommen, dass es der Entscheidung des Gesetzgebers hohes Gewicht einräumt und von
seinen institutionellen Kompetenzen eher zurückhaltend Gebrauch macht.154
Nach dieser Argumentation lässt sich für die funktional adäquate Kontrolldichte155 des Bundesverfassungsgerichts folgende Abstufung formulieren (vgl. Abbildung 6.15): Die Dichte und Intensität verfassungsgerichtlicher Kontrollhandlungen
sollte dann am höchsten sein, wenn das Gericht auf Basis einer vergleichsweise
eindeutigen Verfassungsnorm zu entscheiden hat und wenn es ein Gesetz zu prüfen
hat, dessen Gegenstand den Kernbereich der Demokratie berührt. Eine mittlere Prüfintensität wäre in den Fällen als adäquat anzusehen, in denen entweder auf Basis
einer vergleichsweise interpretationsoffenen Norm über ein Gesetz zu entscheiden
ist, das den Kernbereich der Demokratie berührt, oder wenn auf Basis einer eindeutigen Verfassungsnorm über ein Gesetz zu befinden ist, das diesen Kernbereich nicht
betrifft. Die geringste Prüfintensität wäre an solche Gesetze anzulegen, die nicht den
demokratischen Kernbestand betreffen und deren Prüfung auf Basis einer interpretationsoffenen Verfassungsnorm geschieht.
Dass diese Überlegungen nicht sehr weit von der Urteilsrealität des Bundesverfassungsgerichts entfernt sind, zeigt ein Blick auf die Maßstäbe, die das Gericht
selbst für seine Rechtsprechung entwickelt hat: Die im Laufe der Jahre entwickelten
Maßstäbe zur Kontrolldichte von Normen reichen „vom bloßen Willkürverbot bis zu
einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse“ (BVerfGE 88, 87
(96)). Bei Tatsachenfeststellungen und Prognoseentscheidungen des Gesetzgebers
greift die so genannte „Dreistufenlehre“, die von einer bloßen Evidenzkontrolle über
eine Vertretbarkeitskontrolle bis zu einer intensivierten inhaltlichen Kontrolle reicht
(Schlaich/Korioth 2004: 369). Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, so
das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1976 (BVerfGE 50, 290 (332 f.)), hängt von
Faktoren „verschiedener Art ab, im besonderen von der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu
bilden, und der Bedeutung der auf dem Spiele stehenden Rechtsgüter.“ Mit anderen
154 Hinzu muss allerdings noch eine gewisse „Gütekontrolle“ der zu prüfenden Norm treten.
Rechtsstaatlichkeit verlangt unter anderem, dass Gesetzesnormen hinreichend deutlich formuliert, begründet und widerspruchsfrei sein müssen. Ist dies nicht der Fall, liegt ein legitimer Annullierungsgrund vor, obwohl die zu prüfende Norm vielleicht weder den Kernbereich der Demokratie betrifft noch auf Basis einer eindeutigen Verfassungsnorm beurteilt werden kann. Siehe hierzu auch Benda 1979.
155 Unter „Kontrolldichte“ wird hier allgemein die Art und Weise sowie die Intensität verstanden,
mit der das Bundesverfassungsgericht Normen des Gesetzgebers überprüft (siehe auch die sich
anschließende Darstellung).
312
Worten: Das Bundesverfassungsgericht selbst differenziert nach unterschiedlichen
Sachbereichen, unterschiedlichen Kontrollerfordernissen und unterschiedlich wichtigen Rechtsgütern, mit deren Hilfe eine Abgrenzung zwischen Verfassungsgericht
und Gesetzgeber geleistet werden kann.
Nichts anderes bezweckt die hier vorgestellte Unterscheidung demokratiefunktionaler und demokratiedysfunktionaler Eingriffe. Sie wendet die durch das Bundesverfassungsgericht selbst aufgestellten Maßstäbe aber demokratietheoretisch, indem sie
die „in Rede stehenden Sachbereiche“ und die „auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter“ nicht ausschließlich im engeren Sinne positivrechtlich interpretiert, sondern
demokratietheoretisch „übersetzt“.
Abbildung 6.15: Demokratiefunktionale Prüfintensität von Rechtsnormen
Prüfintensität Entscheidungserhebliche Verfassungsnorm
Demokratischer Kernbereich
betroffen?
Hoch Eindeutig Ja
Mittel Interpretationsoffen Eindeutig
Ja
Nein
Gering Interpretationsoffen Nein
Quelle: Eigene Darstellung
Interessanterweise zeigt sich, dass die in dieser Untersuchung entwickelten Abgrenzungskriterien mit denen des Bundesverfassungsgerichts nicht nur prinzipiell, sondern bis in einzelne Politikfelder hinein in Einklang gebracht werden können. So hat
das Gericht beispielsweise häufig in seinen Urteilen darauf hingewiesen, dass dem
Gesetzgeber im Bereich der Sozialgesetzgebung ein besonders großer Handlungsspielraum zukomme:
„Auf dem Gebiet des Sozialrechts ist […] dem Gesetzgeber eine besonders weite Gestaltungsfreiheit zuzugestehen. Diese unterliegt nur einer eingeschränkten verfassungsrechtlichen Kontrolle […] Das Bundesverfassungsgericht kann insbesondere nicht prüfen, ob der Gesetzgeber
im einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat […]“
(BVerfGE 81, 156 (205 f.)).
An anderer Stelle schreibt das Gericht (BVerfGE 77, 84 (106)): „Es ist vornehmlich
Sache des Gesetzgebers, auf der Grundlage seiner wirtschafts-, arbeitsmarkt- und
sozialpolitischen Vorstellungen und Ziele […] zu entscheiden, welche Maßnahmen
er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will.“ Und in Bezug auf den Gleichheitssatz hat das Gericht befunden:
„Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt […] Das Bundesverfassungsgericht kann
nur die Einhaltung dieser äußersten Grenzen der gesetzgeberischen Freiheit nachprüfen, nicht
aber, ob der Gesetzgeber im Einzelfall die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat“ (BVerfGE 71, 255 (271)).
313
Das Bundesverfassungsgericht geht also insbesondere für die Bereiche Sozial-,
Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik von einer weiten Einschätzungsprärogative des
Gesetzgebers aus. Fügt man den Bereich der Steuer- und Finanzpolitik hinzu, entspricht dies weitgehend den Politikbereichen, die auch aus demokratietheoretischer
Sicht als die Bereiche identifiziert worden sind (vgl. Kap. 2.1.3 dieser Arbeit), in
denen dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zukommen und das Verfassungsgericht nur bei offenkundigen Verfassungsverstößen eingreifen sollte.
Damit ist allerdings noch nicht erwiesen, dass sich das Bundesverfassungsgericht
in seinen Urteilssprüchen auch tatsächlich an diese (und andere) aufgestellte Grundsätze hält. Schlaich/Korioth (2004: 369) etwa sprechen von einer eher „formelhaften
Anrufung der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers“, die für das Ergebnis der jeweiligen Entscheidung nur untergeordnete Bedeutung habe. „Die verfassungsgerichtliche Proklamation ist das Eine, der konkrete Respekt vor dem Gestaltungsspielraum
in der zu beurteilenden Rechtsfrage das Andere“ (ebd.). Damit stellt sich die empirische Frage, wie weit sich das Bundesverfassungsgericht tatsächlich an die eigenen
Abgrenzungsmaßstäbe gehalten hat.
Empirische Ergebnisse
Die folgende Analyse funktionaler und dysfunktionaler Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beruht auf der Auswertung von insgesamt 1297 in der amtlichen Entscheidungssammlung enthaltenen Normprüfungen zwischen 1951 und 2005
(67 abstrakte Normenkontrollen, 588 konkrete Normenkontrollen, 642 Verfassungsbeschwerden mit vorgenommener Normenkontrolle). Die Kategorisierung nach
funktionalen und dysfunktionalen Entscheidungen ist vor allem anhand von vier
Fragen (die die oben beschriebenen Kriterien wieder aufnehmen) geschehen:
1. Kann sich das Gericht in seiner Entscheidung auf eine eindeutige Verfassungsnorm beziehen?
2. Betrifft die zu prüfende Norm den Kernbereich der Demokratie?
3. Ist die Norm durch den Gesetzgeber plausibel begründet worden und kann umgekehrt das Gericht für seine Entscheidung plausible Gründe anbringen?156
4. Entspricht die Kontrolldichte des Bundesverfassungsgerichts den demokratiefunktionalen Anforderungen im hier definierten Sinn?
156 Die Plausibilitätsprüfung orientiert sich in erster Linie an den vom Bundesverfassungsgericht
selbst aufgestellten Grundsätzen und Anforderungen an die Gesetzgebung, also etwa Anforderungen an plausible Begründungen und Widerspruchsfreiheit. Die Plausibilitätsprüfung variiert
jedoch – im Sinne der oben dargelegten Dreistufenlehre – je nach Gegenstand zwischen einem
reinen Rationalitätstest (sprechen offensichtliche Gründe gegen die Auffassung des Gesetzgebers?) und einer strikten inhaltlichen Prüfung. Damit wohnt der hier vorgenommenen Einschätzung der Plausibilität letztlich auch eine subjektive Einschätzung inne, die man teilen kann, aber
nicht in jedem Einzelfall teilen muss.
314
Wertet man die untersuchten 1297 Entscheidungen anhand dieser Fragen und Kriterien aus, erhält man ein sehr eindeutiges Ergebnis bezüglich des Verhältnisses von
funktionalen und dysfunktionalen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts.
Es zeigt sich nämlich, dass die überwiegende Mehrzahl der durch das Gericht getroffenen Entscheidungen als demokratiefunktional kategorisiert werden kann. Nur
82 der untersuchten Entscheidungen haben sich nach den hier angelegten Maßstäben
als demokratisch dysfunktional erwiesen: 37 konkrete Normenkontrollverfahren, 40
Verfassungsbeschwerdeverfahren und fünf abstrakte Normenkontrollverfahren.
Bezogen auf alle untersuchten Entscheidungen sind damit nur etwa sechs Prozent
der Entscheidungen als demokratietheoretisch dysfunktional einzustufen, umgekehrt
haben sich 94 Prozent der untersuchten Entscheidungen als funktional erwiesen.
Abbildung 6.16 schlüsselt die als funktional und dysfunktional kategorisierten
Entscheidungen zunächst nach Art der Intervention bzw. Nicht-Intervention auf. Bei
den 82 dysfunktionalen Entscheidungen handelt es sich in der überwiegenden Anzahl der Fälle um eine dysfunktionale Intervention (69 Fälle) und in nur 13 Fällen
um eine dysfunktionale Nicht-Intervention. Mit anderen Worten: Das Bundesverfassungsgericht handelt vor allem dann demokratietheoretisch dysfunktional, wenn es
zu Unrecht in den Aufgabenbereich des Gesetzgebers hineinregiert. Dies ist in 84
Prozent der untersuchten dysfunktionalen Entscheidungen der Fall. Sehr viel seltener kommt es vor, dass das Gericht seinen Aufgaben wegen Nicht-Intervention nicht
gerecht wird (16 Prozent der dysfunktionalen Urteile).
Abbildung 6.16: Funktionale und dysfunktionale Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts im Normenkontrollverfahren
(abstrakte und konkrete Normenkontrolle, Verfassungsbeschwerde
mit Normprüfung; 1951-2005)
Agieren des Bundesverfassungsgerichts
Funktional Dysfunktional
Intervention Funktionale Intervention 28 % (n = 362)
Dysfunktionale Intervention
5 % (n = 69)
Nicht-Intervention Funktionale Nicht-Intervention66 % (n = 853)
Dysfunktionale Nicht-Intervention
1 % (n = 13)
Quelle: Eigene Darstellung auf Basis der Auswertung von 1297 Entscheidungen der amtlichen Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts
Anders liegt der Fall bei demokratiefunktionalen Entscheidungen des Gerichts: In
den 1215 Fällen, in denen das Gericht funktional agierte, hat es 362 Mal zu Recht in
den Aufgabenbereich des Gesetzgebers interveniert, aber 853 Mal dadurch funktional agiert, dass es die zu prüfende Norm bestätigt hat, also gerade nicht in den Aufgabenbereich des Gesetzgebers intervenierte.
315
Die Aufschlüsselung in funktionales und dysfunktionales Agieren einerseits und
in Intervention und Nicht-Intervention andererseits führt zu einem interessanten
Ergebnis: Sie zeigt, dass das Bundesverfassungsgericht vor allem durch Nicht-
Intervention, also Bestätigung geprüfter Normen funktional agiert. In Zweidrittel
aller Fälle bestätigt das Gericht die geprüfte Norm, belässt dem Gesetzgeber (und
den die Norm tragenden politischen Mehrheiten) einen ausreichenden politischen
Handlungsspielraum und agiert so funktional im Spiel der demokratischen Gewalten. Die oben zitierte Sorge, dass das Bundesverfassungsgericht zwar rhetorisch den
Handlungsspielraum des Gesetzgebers postuliere, sich aber bei der Urteilsfindung
nicht notwendigerweise an diese Linie halte, kann also zumindest statistisch erst
einmal zurückgewiesen werden.
In immerhin fast jedem dritten Fall agiert das Gericht zudem gleichfalls funktional, indem es die geprüfte Norm annulliert, also in den Gestaltungsspielraum des
Gesetzgebers eingreift. Dieses Ergebnis ist alles andere als trivial: Es verdeutlicht,
dass das Gericht in nicht wenigen Fällen gerade durch die Intervention in den Aufgabenbereich des Gesetzgebers demokratiefunktional, also der Demokratie zuträglich agiert. Diese funktionale Intervention gerät häufig zu Unrecht aus dem Blickfeld, weil die Annullierung von Normen oft mit einem ungerechtfertigten Eingriff
durch das Bundesverfassungsgericht gleichgesetzt wird. Die adäquate Funktionsaus-
übung durch das Gericht ist aber nicht nur dadurch gewährleistet, dass es dem Gesetzgeber den ihm zukommenden Handlungsspielraum auch tatsächlich zubilligt,
sondern auch dadurch, dass es ihm diesen Handlungsspielraum dort verweigert, wo
er demokratietheoretisch und verfassungsrechtlich nicht mehr geboten erscheint.
Hinsichtlich des dysfunktionalen Agierens des Bundesverfassungsgerichts fällt
auf, dass sich dieses fast ausschließlich durch ungerechtfertigte Interventionen und
weniger durch unterlassene Interventionen ausdrückt. Das Gericht handelt also vor
allem dann dysfunktional, wenn es zu weit in den Aufgabenbereich des Gesetzgebers interveniert, und weniger dann, wenn es versäumt, den Gesetzgeber in seine
verfassungsrechtlichen Schranken zu weisen.
Das Bundesverfassungsgericht, so könnte man zusammenfassen, agiert also in der
weit überwiegenden Mehrzahl seiner Urteile und Entscheidungen demokratiefunktional. Dies gilt über alle untersuchten Politikfelder hinweg: Unter den als funktional
kategorisierten Entscheidungen finden sich beispielsweise mehr als 260 Fälle aus
dem Bereich der Sozialpolitik, mehr als 190 aus dem Bereich der Steuer- und Finanzpolitik und sogar mehr als 470 Fälle aus dem Politikfeld Rechtspolitik. In diesen drei am häufigsten von Normprüfung betroffenen Politikfeldern liegt die Quote
der demokratiefunktionalen Entscheidungen zwischen 90 und 95 Prozent (am niedrigsten in der Steuer-, Finanz- und Sozialpolitik mit 89 bzw. 90 Prozent, am höchsten in der Rechtspolitik mit 95 Prozent).
Funktionalität und Dysfunktionalität von Verfassungsgerichtsentscheidungen variieren also nicht sehr stark über die Politikfelder hinweg. Weder ist etwa das Politikfeld
Sozialpolitik besonders häufig von dysfunktionalen Entscheidungen betroffen noch
stimmt es, dass dysfunktionale Entscheidungen im Politikfeld Rechtspolitik gar nicht
316
vorkommen. Anders gesagt: Das Bundesverfassungsgericht regiert in der Sozial- oder
Steuerpolitik keineswegs deutlich stärker in den legitimen Aufgabenbereich des Gesetzgebers „hinein“ als in anderen Politikbereichen, und es geriert sich hier auch nicht
wesentlich häufiger als Gegenspieler der Politik als in anderen Bereichen.
Umso spannender erscheint aber die Frage, weshalb es in immerhin fast jedem
15. Fall doch zu demokratiedysfunktionalen Entscheidungen kommt. Um dies erklären zu können, müssen die dysfunktionalen Urteile einer weiteren Analyse unterzogen werden. Dazu sollen zunächst die als dysfunktional kategorisierten Urteile insgesamt und anschließend einzelne Schlüsselurteile näher betrachtet werden.
Dysfunktionale Urteile
Zunächst liegt es nahe, nochmals danach zu fragen, wie sich die dysfunktionalen
Urteile auf die hier unterschiedenen Policybereiche aufteilen. Die oben dargestellten
Anteile funktionaler Entscheidungen in den unterschiedlichen Politikfeldern legen
schon nahe, dass hier keine größeren Unterschiede zu erwarten sind, und genau dies
zeigt auch Abbildung 6.17.
Die Politikfelder Sozial-, Rechts- sowie Steuer- und Finanzpolitik sind auch in
absoluten Zahlen annähernd gleich häufig von dysfunktionalen Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts betroffen (der Bereich Sozialpolitik ist 27 Mal betroffen,
die beiden anderen je 22 Mal). Unter den übrigen Politikfeldern sticht nur das Feld
der Bildungspolitik mit insgesamt sieben dysfunktionalen Entscheidungen heraus.
Abbildung 6.17: Dysfunktionales Agieren des Bundesverfassungsgerichts nach
Politikfeld
0
5
10
15
20
25
30
Sozialpolitik Rechtspolitik Steuer- und
Finanzpolitik
Bildungspolitik Wirtschaftspolitik
Gesundheitspolitik
Umweltpolitik
Politikfeld
An
za
hl
Quelle: Eigene Darstellung auf Basis der Auswertung von 82 als dysfunktional kategorisierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
317
Deutlichere Unterschiede zeigen sich aber, wenn dieser Befund nochmals danach
unterschieden wird, ob die Dysfunktionalität durch Intervention (also durch Annullierung der geprüften Norm) oder Nicht-Intervention (also durch Nicht-Annullierung
der geprüften Norm) verursacht wurde (vgl. Abbildung 6.18).
In allen Bereichen mit Ausnahme der Rechtspolitik verbergen sich hinter den dysfunktionalen Entscheidungen fast ausschließlich dysfunktionale Interventionen des
Bundesverfassungsgerichts, mit denen das Gericht verabschiedete Gesetzesnormen
annullierte. Anders verhält es sich nur in der Rechtspolitik: Zwar handelt es sich
auch hier bei sieben der 22 dysfunktionalen Entscheidungen um Annullierungen von
Gesetzen, in 15 Fällen verhielt sich das Bundesverfassungsgericht aber dadurch
dysfunktional, dass es Gesetze bestehen ließ, obwohl es – aus demokratietheoretischer Sicht – diese hätte annullieren müssen.
Abbildung 6.18: Dysfunktionalität von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nach Intervention und Nicht-Intervention
0
5
10
15
20
25
30
Sozialpolitik Rechtspolitik Steuer- und
Finanzpolitik
Bildungspolitik Wirtschaftspolitik
Gesundheitspolitik
Umweltpolitik
Politikfeld
An
za
hl
Intervention Nicht-Intervention
Quelle: Eigene Darstellung auf Basis der Auswertung von 82 als dysfunktional kategorisierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
Bezüglich der Sozial- und Steuerpolitik ist dieser Befund nicht sehr überraschend.
Er bestätigt vielmehr die demokratietheoretisch gestützte Vermutung, dass das Bundesverfassungsgericht in diesem Politikfeld vor allem dadurch dysfunktional agiert,
dass es zu weit in den Entscheidungsbereich des Gesetzgebers interveniert. Interessanter ist jedoch der Befund für den Bereich der Rechtspolitik. Er zeigt erstens, dass
das Gericht auch in diesem eigentlichen Kernbereich seiner Tätigkeit (in welchem
dem Bundesverfassungsgericht aus demokratietheoretischer Sicht eine hohe Kontrolldichte zukommt) gelegentlich dysfunktional agiert, und zweitens, dass dies
sowohl durch Annullierungen von Normen wie auch durch das Unterlassen von
Annullierungen geschieht. Hinter den dysfunktionalen Nicht-Interventionen verber-
318
gen sich vor allem solche Fälle, in denen der Gesetzgeber liberale Grundrechte eingeschränkt hat und dies durch das Bundesverfassungsgericht unbeanstandet geblieben ist (15 Fälle). Bei den dysfunktionalen Interventionen wiederum handelt es sich
vor allem um solche Fälle, in denen der Gesetzgeber Liberalisierungen im Bereich
der Rechtspolitik vorgenommen hat, die durch das Bundesverfassungsgericht aber
wieder zurückgenommen wurden (7 Fälle). Auf beide Fallgruppen wird im Folgenden noch einmal zurückzukommen sein (siehe Kapitel 6.2.2 weiter unten).
Zuvor soll aber die Frage interessieren, ob sich bezüglich der dysfunktionalen
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts eine Entwicklung im Zeitverlauf
feststellen lässt. Auffällig ist (vgl. Abbildung 6.19), dass in den Anfangsjahren des
Bundesverfassungsgerichts keine dysfunktionalen Entscheidungen nach den hier
zugrunde gelegten Kriterien ergangen sind, und dass auch in den Folgejahren nur
sehr wenige dysfunktionale Urteile gefällt wurden. Ein erster Ausreißer nach oben
zeigt sich im Jahr 1970, weitere Häufungen dysfunktionaler Urteile lassen sich zu
Beginn der 1980er Jahre feststellen und – einmal mehr – Ende der 1990er, insbesondere in den Jahren 1996 und 1998, bevor dann wieder vergleichsweise wenige dysfunktionale Urteile ergehen.
Abbildung 6.19: Dysfunktionale Entscheidungen im Zeitverlauf
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
1951 1954 1957 1960 1963 1966 1969 1972 1975 1978 1981 1984 1987 1990 1993 1996 1999 2002 2005
An
za
hl
Quelle: Eigene Darstellung auf Basis der Auswertung von 82 als dysfunktional kategorisierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
Wie ist diese Entwicklung zu erklären? Weshalb kommt es zu den Häufungen in
einzelnen Jahren und welche Urteile sind konkret betroffen gewesen? Oben ist gezeigt worden, dass dysfunktionales Agieren besonders häufig dann auftritt, wenn das
Bundesverfassungsgericht in den Gesetzgebungsprozess interveniert und Normen
annulliert. Dies hat es in seinen Anfangsjahren aber kaum getan. Bis Ende der
1950er Jahre annullierte das Gericht insgesamt nur sehr wenige Normen und insbesondere in den Politikfeldern Sozial- und Steuerpolitik prüfte es kaum Normen,
319
geschweige denn, dass es sie annullierte (vgl. hierzu die Abbildungen weiter oben).
Eine deutliche Zunahme der Prüf- und Annullierungshäufigkeit setzte in den beiden
letztgenannten Politikfeldern erst in den 1960er Jahren ein. Dies erklärt, weshalb
dysfunktionale Urteile (die immerhin zu fast Zweidritteln diese beiden Politikfelder
betreffen) bis Ende der 1960er Jahre eher selten geblieben sind: Mit der sich in den
1970er, 80er und 90er Jahren häufenden Prüfung (und Annullierung) von Normen
stieg auch die Anzahl dysfunktionaler Urteile.
Wie kommt es aber dann zu den Ausreißern in den Jahren 1970, 1982, 1996 und
1998? Die Häufung dysfunktionaler Urteile im Jahr 1970, wie auch die im Jahr 1982,
ist mit einer eher zufälligen Häufung vor allem sozialpolitischer Entscheidungen zu
erklären, durch die das Bundesverfassungsgericht sehr tief in spezifische Detailregelungen eingriff, 1970 etwa in die Regelung der Versorgungsbezüge von Ruhestandsbeamten (BVerfGE 27, 364) oder die Berechnung von Kindergeldzuschlägen (z. B.
BVerfGE 29, 1; 29, 071). Auch die Ansammlung dysfunktionaler Urteile des Jahres
1982 in den Bereichen Sozial-, Bildungs-, Umwelt- und Steuerpolitik erklärt sich vor
allem über zeitlich zufällig zusammenfallende Urteile. Anders verhielt es sich aber in
den Jahren 1996 und 1998. Das Jahr 1996 ist insbesondere durch drei (hier als dysfunktional kategorisierte) Verfahren zur Asylrechtsänderung charakterisiert, und in
das Jahr 1998 fallen die oben bereits mehrfach angesprochenen Verfahren zur Steuerund Sozialpolitik, in deren Kontext das Gericht in einer ganzen Reihe von Entscheidungen neue Maßstäbe zum Kinderexistenzminimum aufstellte. Während das Bundesverfassungsgericht bei der Änderung des Asylrechts alle Verfassungs- und Gesetzesänderungen unbeanstandet ließ, zwang es den Gesetzgeber in den steuerpolitischen Verfahren in jenes „Prokrustesbett“, das der damalige Richter Ernst-Wolfgang
Böckenförde anlässlich einer vorangegangenen Entscheidung zur Vermögensbesteuerung aus dem Jahre 1995 in seinem abweichenden Votum ausgemacht hatte (BVerf-
GE 93, 121 (158)). Die Häufungen in diesen beiden Jahren sind also im Wesentlichen
auf zwei spezifische Ereignisse zurückzuführen: gesetzgeberische Änderungen im
Bereich des Asylrechts und veränderte Rechtsprechungsmaßstäbe des Bundesverfassungsgerichts bezüglich des Existenzminimums.157
Um die Ursache dysfunktionalen Handelns näher ergründen zu können, reicht es
jedoch nicht aus, lediglich Häufigkeit und Gegenstandsbereich dysfunktionaler Urteile zu betrachten. Vielmehr muss auch untersucht werden, auf welcher Grundlage das
Gericht seine (hier als dysfunktional kategorisierten Urteile) fällte. Oben ist argumentiert worden, dass Funktionalität und Dysfunktionalität unter anderem damit zusammen hängen können, auf welche verfassungsrechtlichen Normen sich das Bundesverfassungsgericht in seinen Urteilen stützen kann und ob diese Normen eher eindeutig
oder eher interpretationsoffen formuliert sind. Insbesondere bei interpretationsoffen
formulierten Normen steigt die Gefahr, dass das Gericht in die Kompetenzsphäre des
Gesetzgebers übergreift. Auf welche Normen hat sich das Gericht also in den hier als
157 Weshalb beide Fälle nach der hier vertretenen Argumentation als dysfunktional zu kategorisieren sind, wird weiter unten näher begründet.
320
dysfunktional kategorisierten Fällen bezogen? Abbildung 6.20 zeigt die jeweils durch
das Bundesverfassungsgericht zur Begründung herangezogenen Verfassungsnormen.
Abbildung 6.20: Entscheidungsrelevante Grundgesetznormen in dysfunktionalen
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Intervention und
Nichtintervention; 1951-2005)
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Normen des Grundgesetzes
Quelle: Eigene Darstellung auf Basis der Auswertung von 82 als dysfunktional kategorisierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
Es wird ersichtlich, dass in der weit überwiegenden Mehrzahl aller hier als dysfunktional kategorisierten Urteile der allgemeine Gleichheitssatz aus Artikel 3 Absatz 1
des Grundgesetzes Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
gewesen ist. Dieser war in 43 von 82 dysfunktionalen Entscheidungen zumindest
mit ausschlaggebend für das Urteil des Gerichts, also in gut jeder zweiten Entscheidung. Alle anderen Verfassungsnormen, auf die sich das Gericht in seinen Urteilen
bezog, nehmen demgegenüber eine nur untergeordnete Bedeutung ein.
Allerdings besteht ein wichtiger Unterschied zwischen jenen Urteilen, die sich auf
die zentralen Grundrechte aus Artikel 1 und 2 GG berufen, und jenen, in denen andere Verfassungsnormen entscheidungsrelevant gewesen sind: Bei den dysfunktionalen Urteilen, die sich auf die ersten beiden Verfassungsnormen beziehen, handelt
es sich fast ausschließlich um dysfunktionale Nicht-Interventionen, also solche Fälle, in denen das Bundesverfassungsgericht nicht interveniert und eine Entscheidung
des Gesetzgebers akzeptiert hat. Ein Beispiel hierfür stellt die Entscheidung zum
§ 175 StGB von 1957 dar, mit der das Gericht die Diskriminierung Homosexueller
durch den Gesetzgeber aufrecht erhielt (BVerfGE 6, 389; mehr dazu weiter unten).
321
Bei allen anderen Entscheidungen handelte es sich vor allem um dysfunktionale
Interventionen, solche Fälle also, in denen das Gericht intervenierte und Maßnahmen des Gesetzgebers annullierte. Ein besonderes Beispiel für diesen letzten Fall ist
die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundgesetzartikel 33
Absatz 5, der die Beachtung hergebrachter Grundsätze des Berufsbeamtentums
fordert. Aus der institutionellen Garantie des Berufsbeamtentums leitete das Gericht
nicht nur detaillierte Regelungen zur Beamten- und Treuepflicht, sondern auch weit
reichende Regelungen zur Alimentationspflicht des Dienstherrn ab, die den Gesetzgeber insbesondere in seinen Möglichkeiten einschränkte, Leistungen für Beamte zu
kürzen oder sie denen der Angestellten anzupassen (siehe bspw. BVerfGE 81, 363
zum Bundesbesoldungsgesetz, das in den Leitsätzen sogar ein „Minimum an Lebenskomfort“ für Beamte festschreibt; kritisch hierzu auch Bull 2006).
Herausragende Bedeutung für dysfunktionale Urteile des Bundesverfassungsgerichts besitzt aber zweifellos der allgemeine Gleichheitssatz aus Artikel 3 Absatz 1
des Grundgesetzes. Sein Einfluss auf die bundesdeutsche Rechtsordnung und auf die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes kann nicht überschätzt werden.
Diese die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz proklamierende Verfassungsnorm soll die Gleichbehandlung von Menschen in vergleichbaren Situationen sicherstellen und bildet damit einen in „allen Bereichen geltenden Verfassungsgrundsatz“
(Jarass/Pieroth 2004: 106). Schon 1957 hat das Bundesverfassungsgericht die Auslegung des allgemeinen Gleichheitssatzes vorgegeben, die sich bis heute durch seine
Rechtsprechung zieht: Danach fordert der Gleichheitssatz nicht, „daß der Gesetzgeber
die Einzelnen und ihre relevanten gesellschaftlichen Gruppen unbedingt gleichmäßig
behandelt; er lässt Differenzierungen zu, die durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt sind. Ob und in welchem Ausmaß der Gleichheitssatz bei der Ordnung bestimmter Materien dem Gesetzgeber Differenzierungen erlaubt, richtet sich nach der Natur
des jeweils in Frage stehenden Sachbereichs“ (BVerfGE 6, 84 (91)).
Der allgemeine Gleichheitssatz, ohnehin schon eine vergleichsweise interpretationsoffene Norm, gewinnt mit dieser Spezifizierung nicht wirklich an Klarheit. Dem
Gesetzgeber sind nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zwar prinzipiell
Differenzierungen erlaubt – ob die Erlaubnis im konkreten Fall aber besteht, muss
jeweils neu betrachtet und entschieden werden. Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes öffnet damit das Tor für ein ganzes Bündel verfassungsrechtlicher Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den Kompetenzen des Gesetzgebers und denen des Verfassungsgerichts, da bei jeder Differenzierung, die der Gesetzgeber vornimmt, die
Verfassungsmäßigkeit dieser Differenzierung zunächst einmal in Frage steht. Zudem
lädt der abstrakte Gleichheitsgrundsatz potentielle Kläger dazu ein, die Rechtmäßigkeit fast jeder vorgenommenen Differenzierung vor dem Bundesverfassungsgericht
in Frage zu stellen. Dies ist verfassungsrechtlich (und auch demokratietheoretisch)
nicht zu beanstanden, verschärft aber die Abgrenzungsproblematik zwischen Gericht
und Gesetzgeber, weil der Gleichheitsgrundsatz für nahezu alle Rechtsbereiche
Relevanz beanspruchen kann, wie seine Auslegung und Anwendung durch das Bundesverfassungsgericht zeigen.
322
Im Laufe seiner Rechtsprechungsgeschichte hat das höchste deutsche Gericht eine
Reihe von Grundsätzen aus dem Gleichheitssatz abgeleitet, die sich aus dem Wortlaut der ursprünglichen Verfassungsnorm nur bedingt ergeben (vgl. zum Folgenden
Jarass/Pieroth 2004: 106 ff.): So hat das Gericht aus dem Gleichheitssatz schon früh
ein allgemeines Willkürverbot abgeleitet; im Bereich des Steuer- und Abgabenrechts
folgt aus dem Gleichheitssatz unter anderem das Gebot der Steuergerechtigkeit, das
Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit, das Prinzip der Gleichbehandlung verschiedener Steuerarten und der Grundsatz, dass das Existenzminimum nicht besteuert werden darf. Über den allgemeinen Gleichheitssatz hat das Gericht darüber hinaus Regelungen des Gewerbe-, Umsatz- und Verkehrssteuerrechts ebenso überprüft
und annulliert wie Zweitwohnsteuern diverser deutscher Kommunen. Auch im Sozial- und Rentenversicherungsrecht sowie im Kranken-, Unfall- und Pflegeversicherungsrecht hat Karlsruhe gleichheitsinadäquate Regelungen des Gesetzgebers korrigiert; das Gleiche gilt für das Berufs- und Wirtschafts- oder das Strafprozessrecht.
Der allgemeine Gleichheitssatz wirkt also tatsächlich in weite Teile der Rechtsordnung hinein. Insofern ist es nicht weiter verwunderlich, dass gerade über diese
Verfassungsnorm auch die meisten dysfunktionalen Urteile zustande kommen: Die
mittlerweile sehr ausdifferenzierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
zum Gleichheitssatz veranlasst das Gericht häufiger als in anderen Fällen, Normen
des Gesetzgebers zu prüfen und zu annullieren. Mit der zunehmenden Häufigkeit der
Annullierungen steigt aber auch die Wahrscheinlichkeit, dass das Bundesverfassungsgericht zu weit in den Aufgabenbereich des Gesetzgebers eingreift. Damit ist
nicht gesagt, dass die Anwendung und Auslegung des Gleichheitssatzes notwendigerweise zu dysfunktionalen Entscheidungen führt (dies ist zweifellos nicht der Fall)
– umgekehrt ist aber richtig, dass die meisten dysfunktionalen Eingriffe über die
Anwendung des Gleichheitssatzes zustande kommen.
Verstärkt wird diese Wirkung dadurch, dass der Gleichheitssatz nicht selten in
Verbindung mit anderen Rechtsgrundsätzen und Verfassungsnormen Anwendung
findet, etwa dem Sozialstaatsprinzip oder dem Schutz von Ehe und Familie. Letzteres lässt sich an zwei der oben bereits erwähnten annullierten Gesetze im Bereich
der Steuerpolitik aus dem Jahr 1998 verdeutlichen. Im ersten Verfahren (BVerfGE
99, 246) folgerte das Gericht aus dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem Schutz
von Ehe und Familie eine Erhöhung des Kinderfreibetrags „von Verfassungs wegen“ um genau 569 DM und legte zudem fest, dass der Wohnbedarf einer Familie
nicht nach der „Pro-Kopf-Methode“, sondern nach dem Mehrbedarf festzulegen sei.
Im zweiten Fall entschied es, dass steuerliche Abzugsmöglichkeiten – die der Gesetzgeber ausschließlich Alleinerziehenden zuerkannt hatte – auch für Ehepaare zu
gelten hätten (BVerfGE 99, 216). Der Gesetzgeber hatte hingegen argumentiert,
dass die Besserstellung für Alleinerziehende aufgrund deren besonderer Situation
gerechtfertigt und deshalb mit dem Gleichheitssatz vereinbar sei.
Beide Fälle zeigen nochmals zweierlei: Erstens, dass der allgemeine Gleichheitssatz keine klaren Abgrenzungskriterien bereithält, an denen sich Gesetzgeber
und/oder Gericht a priori orientieren könnten, und zweitens, dass er die Gefahr für
323
das Bundesverfassungsgericht erhöht, Regelungen zu treffen, die – demokratiefunktional betrachtet – besser beim Gesetzgeber verblieben.
Dass das Gericht gerade in diesen Fällen mitunter dazu neigt, Dinge zu regeln, die
es nicht unbedingt regeln muss, soll abschließend die Entscheidung zum Vermögensteuergesetz aus dem Jahr 1995 belegen (BVerfGE 93, 121): Das Bundesverfassungsgericht hatte in diesem Fall über die Frage zu entscheiden, ob es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist, bei der Vermögensteuerberechnung Grundbesitz und sonstiges Vermögen unterschiedlich zu behandeln. Auf diese Frage
beschränkte es sich in seinem Urteil aber nicht, sondern schrieb unter Hinzuziehung
von Artikel 6 Absatz 1 GG (Schutz von Ehe und Familie) zudem fest, dass der Gesetzgeber bei der Vermögensbesteuerung von Eheleuten zu beachten habe, dass
diese sich auf eine grundgesetzlich geschützte „Erwartung einer höheren ökonomischen Grundlage individueller Lebensgestaltung“ einstellen durften, die der Gesetzgeber nicht angreifen dürfe. Überdies legte das Bundesverfassungsgericht gleich mit
fest, dass eine Vermögensbesteuerung nur über eine Besteuerung der Soll-Erträge
erfolgen dürfe. Insbesondere die letztgenannte Verfügung veranlasste den damaligen
Richter Böckenförde zu einem fulminanten Sondervotum, das bezüglich der Abgrenzung zwischen Gesetzgeber und Gericht in den Sätzen gipfelte:
„Vor allem greift der Senat mit seinen breit ausgeführten, durch die Vorlage nicht veranlaßten
Darlegungen in den Kompetenzbereich des Gesetzgebers über; er läßt den gebotenen judicial
self-restraint außer acht, der dem Verfassungsgericht gegenüber dem Gesetzgeber obliegt und
leistet der Veränderung des vom Grundgesetz festgelegten gewaltenteiligen Verhältnisses zwischen Gesetzgeber und Verfassungsgericht weiter Vorschub […] Das Gericht begrenzt und
bindet […] den Gesetzgeber im vorhinein in abstrakt ausgreifender Weise, ohne die Anschauung eines konkreten Falls und die Begrenzung auf diesen Fall. Es etabliert sich gegenüber dem
Gesetzgeber als autoritativer Praeceptor“ (BVerfGE 93, 121 (151 f.)).
Treffender könnte eine dysfunktionale Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
nicht beschrieben werden.
6.2.2 Funktionale und dysfunktionale Schlüsselurteile
Ein zentrales Argument, das sich durch diese Untersuchung zieht, lautet, dass eine
Differenzierung zwischen funktionalem und dysfunktionalem Agieren des Bundesverfassungsgerichts nur dann sinnvoll ist, wenn zwischen funktionaler (bzw. dysfunktionaler) Intervention und Nicht-Intervention unterschieden wird. Das Bundesverfassungsgericht kann sowohl durch sein Intervenieren als auch durch sein Nicht-
Intervenieren funktional, aber auch dysfunktional für die bundesdeutsche Demokratie agieren. Diese wichtige Erkenntnis soll im folgenden Abschnitt noch einmal
dadurch verdeutlicht werden, dass typische funktionale und dysfunktionale Schlüsselentscheidungen des Gerichts in unterschiedlichen Politikfeldern eingehender
untersucht werden. Dadurch soll zum einen nochmals das Konzept von Funktionalität und Dysfunktionalität an Beispielen aus der Rechtsprechung des Gerichts erläu-
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References
Zusammenfassung
Verfassungsgerichte sind machtvolle Akteure und zentrale Mitspieler in fast allen liberalen Demokratien. Gleichwohl wird ihre Demokratiekompatibilität mitunter in Frage gestellt, wenn sie – demokratisch vergleichsweise schwach legitimiert – in demokratische Prozesse intervenieren.
Der vorliegende Band analysiert die spezifischen Funktionen, die Verfassungsgerichte für demokratische Regierungssysteme erbringen und argumentiert, dass Verfassungsgerichte nicht nur keine Gegenspieler demokratischer Politik sind, sondern dass sie für demokratisches Regieren schlichtweg konstitutiv sind. Anhand einer umfassenden Analyse der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der letzten 55 Jahre wird empirisch belegt, dass das höchste deutsche Gericht in der Vergangenheit überaus demokratiefunktional agiert und damit wesentlich zur hohen Qualität der bundesdeutschen Demokratie beigetragen hat.
Sascha Kneip ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Demokratieforschung des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB).