49
kosten der kostengünstigsten Netzkonfiguration steigen dann nur unterproportional
von 19 auf 23 (vgl. Spulber/Yoo 2005: S. 1695-1699).
Die Erhöhung der Kosten von Fall A zu Fall B im obigen Beispiel wirft die
grundsätzliche Frage auf, ob es überhaupt technisch möglich und ökonomisch sinnvoll wäre, auf eine solche Kostenerhöhung mit einer entsprechenden Veränderung
der Netzkonfiguration zu reagieren. Wenn es sich z.B. um das stilisierte Liniennetz
einer Fluggesellschaft handelt, wäre eine Anpassung spätestens zum nächsten Flugplanwechsel zu erwarten. Wenn es sich dagegen um das stilisierte Netz einer Gaspipeline handelt, wäre von vornherein klar, dass entsprechende Änderungen – wenn
überhaupt – nur sehr langfristig in Erwägung zu ziehen sind. In so einem Fall gilt es
die Pfadabhängigkeit der Netzentwicklung zu berücksichtigen. Die Entscheidungen
über Investitionen in den weiteren Netzaufbau hängen vom bereits in der Vergangenheit aufgebauten Kapitalstock ab. In Netzen stellt sich das Problem der Pfadabhängigkeit in erster Linie auf der Ebene der Netzinfrastrukturen (vgl. Knieps 2007:
S. 32-34). Die besondere Relevanz des Problems der Pfadabhängigkeit auf dieser
Netzebene ist eine Folge des Zusammenwirkens aller charakteristischen Eigenschaften von Netzinfrastrukturen: großes Investitionsvolumen, Unteilbarkeit, Langlebigkeit, Irreversibilität und Komplementarität.
Angesichts der ausgeprägten Kapitalintensität und Pfadabhängigkeit der Netzinfrastrukturen besteht die besondere Herausforderung für das Costing in Netzen darin, die richtigen Schnittstellen zu setzen. Die in Netzen allgegenwärtigen Verbundvorteile dürfen nicht dazu verleiten, die traditionelle End zu End-Perspektive aus der
Zeit vor der Liberalisierung beizubehalten. Stattdessen gilt es, die vertikalen Schnittstellen zwischen den einzelnen Netzebenen und die horizontalen Schnittstellen zwischen den Netzelementen auf den einzelnen Ebenen so zu setzen, dass sich die durch
die Liberalisierung veränderten unternehmerischen Handlungsspielräume auch in
der Kostenermittlung widerspiegeln.
3.3.2 Die Informationsbedürfnisse von Regulierungsbehörden
Wie bereits in Abschnitt 2.3.1 erläutert gibt es auch in liberalisierten Netzen noch
einen Restbedarf an staatlicher Marktmachtregulierung. Zur Umsetzung bedarf es
unabhängiger Regulierungsbehörden, die mit einem entsprechenden Mandat des
Gesetzgebers ausgestattet sind (vgl. Knieps 2007: S. 190-192). Aus der normativen
Perspektive des disaggregierten Ansatzes beschränkt sich der Restregulierungsbedarf auf die auf der Ebene der Netzinfrastrukturen noch verbleibenden monopolistischen Bottlenecks. Der Paradigmenwechsel von der End zu End-Regulierung zur
disaggregierten Regulierung beinhaltet jedoch nicht nur eine neue Sichtweise der
Regulierungsbasis, sondern ging einher mit einer Modernisierung der Regulierungsinstrumente.
Vor der Liberalisierung waren kostenorientierte Regulierungsinstrumente vorherrschend; in Europa in Gestalt diverser Formen einer Kostenzuschlagsregulierung,
in den USA in Gestalt der Rate of return-Regulierung. Aufgrund ihrer in Theorie
50
und Praxis zunehmend als schädlich wahrgenommenen Nebenwirkungen (fehlende
Anreize zu Innovationen und Kosteneinsparungen, hoher Informations- und Kontrollaufwand), gab es bereits vor der Liberalisierung Überlegungen zu ihrer Reform
(vgl. Myers 1972: S. 82-84). Aber erst die Liberalisierung hat diesen Reformüberlegungen den nötigen Schwung zur nachhaltigen Erprobung in der Praxis gegeben.
Mittlerweile dominieren anreizorientierte Regulierungsinstrumente weltweit die
Regulierungspraxis. Der Prototyp eines anreizorientierten Regulierungsinstruments
ist die Price cap-Regulierung (vgl. Kunz 2003).63
Als Geburtshelfer der Price cap-Regulierung gilt der Littlechild-Report (vgl. Littlechild 1983). In diesem Report für die britische Regierung ging es um den konkreten Fall der Regulierung der British Telecom (BT) in der Zeit nach ihrer Privatisierung. Stephen Littlechild hat darin vorgeschlagen, der BT weitgehende Freiheit bei
der Gestaltung der Preisstruktur der regulierten Produkte zu geben und lediglich das
Preisniveau nach oben zu begrenzen. Die maximal zulässige Preisniveauveränderung solle für einen mittelfristigen Regulierungszeitraum (etwa 5 Jahre) im voraus
verbindlich festgelegt werden und der Veränderung des Konsumentenpreisindexes
für die Gesamtwirtschaft (Faktor RPI), korrigiert um die Produktivitätsveränderung
im regulierten Wirtschaftssektor (Faktor X) entsprechen. Daraus ergibt sich als Regulierungsbeschränkung (vgl. Kunz 2003: S. 55 f.):
XRPI
qp
qp
n
i
titi
n
i
titi ???
???= ??=
?
1
1,1,
1
1,,
Abgesehen von der mengenmäßigen Gewichtung der Preisänderungen, die im
Mehrproduktfall erforderlich ist64, scheint die Price cap-Regulierung auf den ersten
Blick ein sehr einfach umzusetzendes Regulierungsinstrument zu sein. Die Formel
selbst enthält keinen unmittelbaren Hinweis darauf, dass zu ihrer Umsetzung besondere Kosteninformationen von Seiten des regulierten Unternehmens notwendig
wären. Im Littlechild-Report selbst wurden denn auch die Kosteninformationsbedürfnisse der zuständigen Regulierungsbehörde noch als sehr gering eingeschätzt
und als ein wesentlicher Vorteil des Instruments hervorgehoben (vgl. Littlechild
1983: S. 36). Es sollte jedoch anders kommen.65
63 Auch im disaggregierten Regulierungsansatz wird eine konsequente Umsetzung der Price
cap-Regulierung in möglichst reiner Form favorisiert – nicht weil sie das vermeintlich "perfekte" Instrument ist, sondern komparativ gesehen die geringsten schädlichen Nebenwirkungen hat (vgl. Knieps 2008a: S. 109 f.).
64 Wenn z.B. die Inflationsrate 5% und die Produktivitätsfortschrittsrate 2% beträgt, dann müsste ein Konsument, der in der Periode t nach Art und Menge dasselbe Produktbündel kauft wie
in der vorhergehenden Periode t – 1, insgesamt maximal 3% mehr dafür ausgeben (vgl.
Knieps 2008a: S. 108).
65 Von einer Reduzierung der Kosteninformationsbedürfnisse durch anreizorientierte Regulierung ist heute keine Rede mehr. Die Informations- und Kontrollbedürfnisse der Regulierungsbehörden haben tendenziell eher noch zugenommen. Von einer "Fehleinschätzung"
51
Schon Stephen Littlechild selbst machte in einem vielzitierten Survey mit Michael Beesley auf die erheblichen Kosteninformationsbedürfnisse der Regulierungsbehörden mit der Price cap-Regulierung aufmerksam, die vor allem mit der Bestimmung des Ausgangspreisniveaus und des branchenspezifischen Faktors X zusammenhängen (vgl. Beesley/Littlechild 1989).66 In Kunz (2003: S. 54-70) und
Weyman-Jones (2003) wird sehr anschaulich dargestellt, wie die Price cap-
Regulierung in Großbritannien praktisch abläuft. Detaillierte mittelfristige Prognosen über die einzelnen Komponenten der Prozess- und Kapitalkosten spielen dabei
eine zentrale Rolle.67 Mittlerweise beginnt sich die Erkenntnis durchzusetzen, dass
man Regulierungsinstrumente nicht danach unterscheiden sollte, ob zu ihrer Umsetzung Kosteninformationen notwendig sind oder nicht, sondern vielmehr welche (vgl.
Guthrie 2006: S. 933-939).68
Zu diesem Meinungsumschwung kam es, weil in Theorie und Praxis der Price
cap-Regulierung lange Zeit vor allem die Frage fokussiert wurde, wie die Regulierungsbehörde die Parameter für die Preisniveauobergrenze setzt. Aber wer Anreize
setzen will, der muss nicht nur eine Vorstellung von der Obergrenze, sondern auch
eine Vorstellung von der Untergrenze haben.69 Um sich die Bedeutung der Kostendeckungsbeschränkung im Sinne einer Preisniveauuntergrenze vor Augen zu führen,
genügt es sich in einem Gedankenexperiment für einen Moment vorzustellen, es
gäbe keine. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens würde das Defisollte man dennoch nicht sprechen. Es ist zu berücksichtigen, dass Littlechild seinerzeit noch
davon ausging, dass das neue Regulierungsinstrument im Telekommunikationssektor nur in
einem relativ kurzen Übergangszeitraum bis zur völligen Deregulierung zum Einsatz kommen würde (und die erste Regulierungsperiode möglicherweise zugleich auch schon die letzte
sei). Die Vorstellung, dass Price cap-Regulierung vor allem als Übergangslösung geeignet
sei, hat sich lange gehalten (vgl. Braeutigam/Panzar 1993: S. 197). Es ist hier aber nicht beabsichtigt, die Price cap-Regulierung wieder in Frage zu stellen. Ob insgesamt die Einführung
anreizorientierter Regulierungsinstrumente rückblickend einen Fortschritt gegenüber den kostenorientierten Regulierungsinstrumenten darstellt, wird in der Literatur kontrovers diskutiert;
grosso modo ist aber die Meinung vorherrschend, dass die Vorteile überwiegen (vgl. Littlechild 2003 und Joskow 2006).
66 Bald darauf gab es bereits Stimmen in der Literatur, die – was die Kosteninformationsbedürfnisse anbelangt – schon keinen Unterschied zwischen der Price cap-Regulierung und der traditionellen Rate of return-Regulierung mehr erkennen konnten (vgl. Liston 1993).
67 Die Erfahrungen im Stromsektor kommentiert Joskow (2006) wie folgt: "The limited attention paid to capital-related costs in the academic literature provides a potentially misleading
picture of the challenges associated with implementing a price-cap mechanism effectively"
(S. 6). "Incentive regulation in practice requires a good accounting system for capital and operating costs, cost reporting protocols, data collection and reporting requirements for dimensions of performance other than costs" (S. 7).
68 Zur Klassifikation von Regulierungsinstrumenten verwendet Graeme Guthrie in seinem
Survey nur drei Abgrenzungskriterien: "the amount of freedom the regulated firm has in
changing prices and choosing its investment program between hearings; the timing of these
hearings; and the cost information used when the regulator sets regulatory parameters" (Guthrie 2006: S. 930).
69 Das gilt für eine Anreizregulierung im Prinzip genauso wie für jeden anderen Anreizmechanismus, z.B. ein Prämienlohnsystem.
52
zit jederzeit und in unbegrenzter Höhe aus öffentlichen Haushaltsmitteln ausgeglichen. In diesem (und nur in diesem) utopischen Fall bräuchte eine Regulierungsbehörde keinerlei Kosteninformationen. Wozu auch? Die fatalen Anreizwirkungen
sind offenkundig und brauchen nicht näher erläutert werden.
Das Gedankenexperiment soll nun modifiziert werden. Angenommen sei, es gäbe
zwar eine Kostendeckungsbeschränkung, aber die Regulierungsbehörde ist ahnungslos, wo und wie sie verläuft. Ohne jegliche Kosteninformationen hätte sie ex ante
keine Möglichkeit abzuschätzen, ob die Beschränkung regulierungsbedingt, d.h. bei
Umsetzung einer geplanten Regulierungsmaßnahme, verletzt wird oder nicht. Auch
in diesem Szenario gibt es negative Anreizwirkungen, aber sie sind weniger offenkundig. An die Stelle ausgewiesener Defizite tritt der schleichende Rückzug des
Unternehmens aus dem Markt. Die besondere Herausforderung für das Costing im
Kontext regulierter Netzbereiche besteht darin, dies durch die Bereitstellung entscheidungsrelevanter Kosteninformationen verhindern zu helfen:
"No regulatory system will ever provide good incentives for efficient investment unless it provides a reasonable prospect of total cost recovery.Fn However, it is important to set down rules
that define and measure the costs to be recovered. These rules must cover not only the allocation over time of investment costs (depreciation and return on capital), but also the allocation
of costs between different businesses. These costs define the revenue allowance of the company at the start of the regulatory period" (Shuttleworth 2000: S. 134).
Es stellt sich die Frage, wie die von G. Shuttleworth im Zitat geforderten "Rules"
aussehen sollten. Es geht dabei nicht um die Suche nach Detailregelungen für die
tägliche Regulierungspraxis. Der vorgelagerte – und aus wirtschaftspolitischer Sicht
entscheidende Schritt – ist die Formulierung einer konsistenten und ökonomisch
fundierten konzeptionellen Basis, die sich über das aktuelle Regulierungsgeschehen
hinaus als tragfähig erweist.
Ein hilfreicher Ausgangspunkt zur Formulierung einer konzeptionellen Basis ist
das Konzept der Kostendeckungsbeschränkung, das in der Regulierungsökonomie
eine lange Tradition hat. Eine Darstellungsmöglichkeit für den Zweiproduktfall ist
ein dreidimensionaler "Gewinnhügel", der sich aus den relevanten Kosten- und
Erlösfunktionen ableitet und dessen zwei-dimensionaler Grundriss in Abbildung 3.5
dargestellt ist (vgl. Train 1991: S. 125-135). Hier wird deutlich, dass Kostendeckung
im Mehrproduktfall zwar wichtig, aber kein Ziel an sich sein kann, weil es nicht nur
eine einzige kostendeckende (lineare) Preiskombination gibt, sondern im Prinzip
eine unendliche Vielzahl (alle gleichermaßen mit Null-Gewinn). So wäre die Preiskombination W zwar kostendeckend, aber unter allen kostendeckenden Preiskombinationen der "Worst Case" für die Konsumenten.
Eine Regulierungsbehörde muss eine Vorstellung davon haben, ob sie sich noch
im grau schraffierten Bereich nicht-negativer Gewinne bewegt. Es ist freilich utopisch, die der Abbildung 3.5 zugrundliegenden Kostendaten exakt ermitteln zu wollen. Wenn dies möglich wäre, bräuchte die Regulierungsbehörde kein anreizorientiertes Regulierungsinstrument, sondern würde unmittelbar die Ramsey-Preise R
setzen, die unter allen kostendeckenden Preiskombinationen das Bestmögliche für
53
die Konsumenten darstellen (vgl. Baumol/Bradford 1970).70 Die Dynamik der Märkte und die Bounded Rationality der handelnden Akteure sprechen aber klar dagegen.
Beides waren zentrale Argumente für die Einführung der Price cap-Regulierung
(vgl. Knieps 2008a: S. 107). So gesehen wird nun die Regulierungsbehörde bei der
Umsetzung der Price cap-Regulierung (über die "Hintertür" der Kostendeckungsbeschränkung) wieder mit Kostenermittlungsproblemen konfrontiert, die durch die
Einführung dieses Instruments gerade vermieden werden sollten. Dies darf jedoch
nicht zu dem Trugschluss verleiten, man müsse nun wieder zu den administrativ
vorgegebenen, detaillierten Kostenermittlungsprozeduren zurückkehren, die kennzeichnend für die Umsetzung der kostenorientierten Regulierungsinstrumente in der
Zeit vor der Liberalisierung waren. Solche Versuche stehen in krassem Widerspruch
zur Grundkonzeption der Price cap-Regulierung, die auf branchenspezifische Grö-
ßenordnungen rekurriert und nicht auf unternehmensspezifische Details (vgl. Knieps
2007: S. 172-176).
Abbildung 3.5: Kostendeckende Preiskombinationen im Zweiproduktfall
Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Train (1991: S. 131, Abb. 4.9)
70 Als theoretischer Wegbereiter der Price cap-Regulierung gilt der Vogelsang-Finsinger-
Mechanismus. Er zeigt die Bedingungen auf, unter denen die regulierten Preise schrittweise
von GMax auf R reduziert werden können, ohne dass der Regulierer die Nachfrage- und Kostenfunktionen kennt. Trotzdem kommt der Regulierer nicht ohne Kosteninformationen aus,
denn der Mechanismus setzt voraus, dass der Regulierer die tatsächlichen Kosten der abgelaufenen Regulierungsperiode kennt (vgl. Vogelsang/Finsinger 1979).
P2
P1
KR3 KR2
KR1
KR3
KR2
KR1
G < 0
G < 0
G > 0
GMax?
R ?
? W
G > 0
G = 0
Legende
P: Preis
G: Gewinn
GMax: unregulierter
Monopolgewinn
KR: Konsumentenrente
(KR3>KR2>KR1)
R = Ramsey-Preise
W = "Worst Case"
54
3.3.3 Die Informationsbedürfnisse von Bestellern defizitärer Leistungen
Die Verletzung der Kostendeckungsbeschränkung ist das konstituierende Merkmal
einer defizitären Leistung. Würden diese Leistungen zum politisch gewünschten
Preis bereitgestellt, dann wären die am Markt erzielten Erlöse nicht ausreichend, um
die Kosten zu decken. Ohne Zuschüsse von Dritten können im Wettbewerb stehende
Unternehmen solche Leistungen nicht anbieten. Gemäß dem Bestellerprinzip (vgl.
Abschnitt 2.3.2) kann der politische Souverän defizitäre Leistungen bestellen, wenn
er gleichzeitig für eine entsprechende Finanzierung sorgt. Wie im vorhergehenden
Abschnitt 3.3.2 gezeigt, markiert im Regulierungskontext die Kostendeckungsbeschränkung eine Untergrenze für die Regulierungsbehörde. Referenzpunkt ist dabei
der Status quo ohne Regulierung. Im Bestellkontext ist es gerade umgekehrt: Die
Kostendeckungsbeschränkung markiert eine Obergrenze für den Besteller. Referenzpunkt sind die am Markt erzielbaren Erlöse (ohne Zuschuss). Um die Relevanz
entsprechender Kosteninformationen im Bestellkontext aufzuzeigen, wird im Folgenden der idealtypische Ablauf einer Bestellung in drei Phasen unterteilt (vgl. Abbildung 3.6).
Abbildung 3.6: Die drei Phasen einer Bestellung defizitärer Leistungen
Quelle: Eigene Darstellung
In der Phase 1 wird das zu bestellende Leistungsbündel – einschließlich politisch
erwünschten Preisen und Minimalqualitäten – im politischen Prozess unter Beachtung der Budgetrestriktion festgelegt (vgl. Knieps 2007: S 142 f.).71 Es sind im Prinzip unendlich viele Kombinationen defizitärer Leistungen denkbar, denen mit einem
71 Bei Finanzierung aus den öffentlichen Haushalten gibt es die Mittelkonkurrenz mit anderen
öffentlichen Ausgaben. Bei sektorinterner Finanzierung über eine Universaldienstabgabe auf
lukrative Leistungen (vgl. Knieps 1987a: S. 281 f.) stellt die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten die ultimative Budgetrestriktion dar.
Leistungsfestlegung
Vergabeverfahren
Vertragslaufzeit
Phase 1 Phase 2 Phase 3
– nach politischen
Prioritäten
– im Rahmen verfügbarer Budgets
– transparent
– diskriminierungsfrei
– wettbewerblich
– ca. 3-5 Jahre bei
Netzdiensten
– ca. 20-30 Jahre bei
Netzinfrastrukturen
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Für die in liberalisierten Netzindustrien aktiven Unternehmen sind Kosteninformationen insbesondere bei Preis- und Investitionsentscheidungen von zentraler Bedeutung. Darüber hinaus interessieren sich in zunehmendem Maße die wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger für die Kosten der Netze, vor allem bei der Regulierung von Marktmacht und der Bestellung defizitärer Netzleistungen. Dies erfordert eine auf anerkannten ökonomischen Prinzipien basierende entscheidungsorientierte Kostenermittlung, die durchgängig und konsistent in allen Netzbereichen – seien sie nun wettbewerblich, reguliert oder subventioniert – anwendbar ist. Die vorliegende Habilitationsschrift will hierfür eine systematische methodische Grundlage legen.
Im Mittelpunkt steht die disaggregierte Ermittlung der Kapitalkosten. Es wird aufgezeigt, dass das Deprival value-Konzept bei der Kapitalkostenermittlung eine zentrale Rolle spielt. Darauf aufbauend wird ein analytischer Rahmen entwickelt, der das Zusammenspiel von Regulierung und Subventionierung (z.B. bei defizitären Eisenbahninfrastrukturen) normativ begründen kann.