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Anhang 1.3: Österreich
Jugendgerichtsgesetz (JGG)
Das Jugendgerichtsgesetz 1988, BGBl. Nr. 599, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl
I 44/2001.
ERSTER ABSCHNITT, Begriffsbestimmungen
§ 1
Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
1. Unmündiger: wer das vierzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat;
2. Jugendlicher: wer das vierzehnte, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat;
3. Jugendstraftat: eine mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung, die von einem Jugendlichen
begangen wird;
4. Jugendstrafsache: ein Strafverfahren wegen einer Jugendstraftat.
ZWEITER ABSCHNITT, Familien- und jugendwohlfahrtsrechtliche Verfügungen
§ 2 Allgemeines
(1) Wird einem Unmündigen oder Jugendlichen eine mit Strafe bedrohte Handlung angelastet
und ist aus diesem Anlaß eine Gefährdung seiner persönlichen Entwicklung zu besorgen, so ist
zu prüfen, ob familienrechtliche oder jugendwohlfahrtsrechtliche Verfügungen erforderlich
sind.
(2) Ob Verfügungen nach Abs. 1 zu treffen sind, entscheidet das Vormundschafts- oder P? egschaftsgericht, während eines gegen einen Jugendlichen anhängigen Strafverfahrens jedoch das
Strafgericht.
§ 3 Verfahren
Entscheidet das Strafgericht über Verfügungen nach § 2 Abs. 1, so sind die verfahrensrechtlichen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes und die Strafprozeßordnung 1975 mit folgenden
Abweichungen und Ergänzungen anzuwenden:
1. Dringend gebotene Verfügungen können sogleich getroffen werden. Jedenfalls anläßlich der
das Verfahren erledigenden Entscheidung hat das Gericht durch Beschluß auszusprechen, ob die
getroffene Maßnahme aufrecht bleibt, geändert oder durch andere Maßnahmen ersetzt wird.
2. Verfügungen sind mit Beschluß zu treffen. Im Vorverfahren hat der Untersuchungsrichter, in
der Hauptverhandlung das erkennende Gericht, sonst der Vorsitzende zu entscheiden.
3. Vor der Verfügung hat das Gericht den Jugendwohlfahrtsträger zu hören. Ferner sind der Jugendliche, die Erziehungsberechtigten, die P? egeeltern, ein allenfalls bestellter Bewährungshelfer und, wenn eine besondere Einrichtung für Jugendgerichtshilfe (§ 47) besteht, auch diese zu
hören, es sei denn, daß durch den damit verbundenen Aufschub der Verfügung das Wohl des
Jugendlichen gefährdet wäre.
4. Beschlüsse nach Z 2 sind auch dem Jugendwohlfahrtsträger sowie allen Personen zuzustellen,
deren Rechte und P? ichten von der Entscheidung unmittelbar betroffen sind.
5. Gegen Beschlüsse nach Z 2 steht das Rechtsmittel der Beschwerde an den übergeordneten
Gerichtshof zu, das binnen vierzehn Tagen nach Zustellung des Beschlusses einzubringen ist.
Die Beschwerde steht der Staatsanwaltschaft, dem Jugendwohlfahrtsträger, dem Jugendlichen
und allen anderen Personen zu, die zugunsten eines Minderjährigen Nichtigkeitsbeschwerde
gegen ein Urteil erheben können oder denen die Entscheidung gemäß Z 4 zuzustellen ist.
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6. Die Beschwerde kann mit einer rechtzeitig eingebrachten Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung gegen das Urteil verbunden werden, das zugleich mit dem angefochtenen Beschluß ergangen ist. In diesem Fall oder wenn sonst gegen das zugleich mit dem angefochtenen Beschluß
ergangene Urteil Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung erhoben wird, entscheidet der für deren
Erledigung zuständige Gerichtshof auch über die Beschwerde.
7. Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Bei Gefahr im Verzug kann das Gericht jedoch
in seiner Entscheidung aussprechen, daß einer Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zukomme und daß die Entscheidung sofort wirksam werde.
DRITTER ABSCHNITT, Jugendstrafrecht
§ 4 Stra? osigkeit von Unmündigen und Jugendlichen
(1) Unmündige, die eine mit Strafe bedrohte Handlung begehen, sind nicht strafbar.
(2) Ein Jugendlicher, der eine mit Strafe bedrohte Handlung begeht, ist nicht strafbar, wenn
1. er aus bestimmten Gründen noch nicht reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder
nach dieser Einsicht zu handeln,
2. er vor Vollendung des sechzehnten Lebensjahres ein Vergehen begeht, ihn kein schweres Verschulden trifft und nicht aus besonderen Gründen die Anwendung des Jugendstrafrechts geboten
ist, um den Jugendlichen von strafbaren Handlungen abzuhalten, oder
3. die Voraussetzungen des § 42 StGB vorliegen.
§ 5 Besonderheiten der Ahndung von Jugendstraftaten
Für die Ahndung von Jugendstraftaten gelten die allgemeinen Strafgesetze, soweit im folgenden
nichts anderes bestimmt ist:
1. Die Anwendung des Jugendstrafrechts hat vor allem den Zweck, den Täter von strafbaren
Handlungen abzuhalten.
2. An die Stelle der Androhung einer lebenslangen Freiheitsstrafe und der Androhung einer Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder lebenslanger Freiheitsstrafe tritt,
a) wenn ein Jugendlicher die Tat nach Vollendung des sechzehnten Lebensjahres begangen hat,
die Androhung einer Freiheitsstrafe von einem bis zu fünfzehn Jahren,
b) sonst die Androhung einer Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren.
3. An die Stelle der Androhung einer Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren tritt die
Androhung einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
4. Das Höchstmaß aller sonst angedrohten zeitlichen Freiheitsstrafen wird auf die Hälfte herabgesetzt; ein Mindestmaß entfällt.
5. Das nach Tagessätzen bestimmte Höchstmaß von Geldstrafen wird auf die Hälfte herabgesetzt.
6. Geldstrafen, deren Bemessung sich nach der Höhe eines Wertes, Nutzens oder Schadens richtet, einschließlich Verfallsersatz- und Wertersatzstrafen, sind nur zu verhängen, soweit sie das
Fortkommen des Beschuldigten nicht gefährden.
7. Für die Einteilung der strafbaren Handlungen nach § 17 StGB und die Anwendung des § 42
StGB ist nicht von den durch die Z 4 geänderten Strafdrohungen auszugehen.
8. Die §§ 37 Abs. 2 und 41 Abs. 2 StGB gelten nicht für Jugendstraftaten.
9. Die §§ 43 und 43a StGB können auch angewendet werden, wenn auf eine Freiheitsstrafe von
mehr als zwei bzw. drei Jahren erkannt wird oder zu erkennen wäre.
10. In gesetzlichen Bestimmungen vorgesehene Rechtsfolgen treten nicht ein.
§ 6 Verfolgungsverzicht der Staatsanwaltschaft
(1) Die Staatsanwaltschaft hat von der Verfolgung einer Jugendstraftat abzusehen, die nur mit
Geldstrafe, mit nicht mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist, wenn weitere Maßnahmen,
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insbesondere solche nach dem IXa. Hauptstück der Strafprozeßordnung 1975 in Verbindung mit
§ 7, nicht geboten erscheinen, um den Verdächtigen von strafbaren Handlungen abzuhalten. Ein
solches Vorgehen ist jedenfalls ausgeschlossen, wenn die Tat den Tod eines Menschen zur Folge gehabt hat.
(2) Erscheint es geboten, den Verdächtigen über das Unrecht von Taten wie der angezeigten und
deren mögliche Folgen förmlich zu belehren, so hat auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Vormundschafts- oder P? egschaftsgericht diese Belehrung vorzunehmen. Unterbleibt eine Belehrung, so ist der Verdächtige zu verständigen, daß von der Verfolgung abgesehen worden ist.
(3) Unter denselben Voraussetzungen hat das Gericht nach Einleitung der Voruntersuchung oder
Erhebung der Anklage bis zum Schluß der Hauptverhandlung ein Verfahren wegen einer von
Amts wegen zu verfolgenden strafbaren Handlung mit Beschluß einzustellen.
§ 7 Rücktritt von der Verfolgung nach dem IXa.Hauptstück der Strafprozeßordnung (Diversion)
(1) Nach dem IXa. Hauptstück der Strafprozeßordnung 1975 hat die Staatsanwaltschaft bei Jugendstraftaten vorzugehen, die nur mit Geldstrafe oder mit nicht mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind, wenn nicht aus besonderen Gründen die Durchführung eines Strafverfahrens oder der Ausspruch einer Strafe unerläßlich erscheint, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken, und die übrigen in der Strafprozeßordnung erwähnten
Voraussetzungen vorliegen. Eine Einstellung des Verfahrens durch das Gericht (§ 90b StPO) ist
auch bei anderen Jugendstraftaten zulässig.
(2) Die Zahlung eiunes Geldbetrags (§ 90c StPO) soll nur vorgeschlagen werden, wenn anzunehmen ist, daß der Geldbetrag aus Mitteln gezahlt wird, über die der Verdächtige selbständig
verfügen darf und ohne Beeinträchtigung seines Fortkommens verfügen kann.
(3) Gemeinnützige Leistungen (§ 90e Abs.1 StPO) dürfen täglich nicht mehr als sechs Stunden,
wöchentlich nicht mehr als 20 Stunden und insgesamt nicht mehr als 120 Stunden in Anspruch
nehmen.
(4) Das Zustandekommen eines außergerichtlichen Tatausgleichs setzt die Zustimmung des Verletzten nicht voraus.
(5) Bei der Schadensgutmachung und einem sonstigen Tatfolgenausgleich (§§ 90c Abs.3, 90d
Abs.3, 90f Abs.2,und 90g Abs.1 StPO) ist in angemessener Weise auf die Leistungsfähigkeit des
Jugendlichen und darauf zu achten, daß sein Fortkommen nicht unbillig erschwert wird.
§ 8 (entfällt)
§ 9 (entfällt)
§ 10 (entfällt)
§ 11 (entfällt)
§ 12 Schuldspruch ohne Strafe
(1) Wäre wegen einer Jugendstraftat nur eine geringe Strafe zu verhängen, so hat das Gericht
von einem Strafausspruch abzusehen, wenn anzunehmen ist, daß der Schuldspruch allein genügen werde, um den Rechtsbrecher von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.
(2) Das Absehen vom Ausspruch einer Strafe ist im Urteil zu begründen und vertritt den Ausspruch über die Strafe (§ 260 Abs. 1 Z 3 StPO).
§ 13 Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe
(1) Der Ausspruch der wegen einer Jugendstraftat zu verhängenden Strafe ist für eine Probezeit
von einem bis zu drei Jahren vorzubehalten, wenn anzunehmen ist, daß der Schuldspruch und
die Androhung des Strafausspruchs allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen genügen
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werden, um den Rechtsbrecher von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Die Probezeit
beginnt mit Eintritt der Rechtskraft des Urteils.
(2) Die Entscheidung, daß der Ausspruch der Strafe vorbehalten und eine Probezeit bestimmt
wird, ist in das Urteil aufzunehmen und zu begründen. Sie vertritt den Ausspruch über die Strafe (§ 260 Abs. 1 Z 3 StPO).
(3) Das Gericht hat den Verurteilten über den Sinn des Schuldspruchs unter Vorbehalt der Strafe zu belehren und ihm, sobald die Entscheidung darüber rechtskräftig geworden ist, eine Urkunde zuzustellen, die in einfachen Worten den wesentlichen Inhalt der Entscheidung, die ihm
auferlegten Verp? ichtungen und die Gründe angibt, derentwegen eine Strafe nachträglich ausgesprochen werden kann.
§ 14 Berücksichtigung besonderer Gründe
Bei der Anwendung der §§ 6, 12 und 13 ist auch zu berücksichtigen, ob aus besonderen Gründen
die Durchführung des Strafverfahrens oder der Ausspruch einer Strafe unerlässlich erscheint,
um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.
Nachträglicher Strafausspruch
§ 15
(1) Wird der Rechtsbrecher wegen einer vor Ablauf der Probezeit begangenen strafbaren Handlung neuerlich verurteilt, so ist die Strafe auszusprechen, wenn dies in Anbetracht der Verurteilung zusätzlich zu dieser geboten erscheint, um den Rechtsbrecher von weiteren strafbaren
Handlungen abzuhalten. Die Strafe kann auch ausgesprochen werden, wenn der Rechtsbrecher
während der Probezeit eine Weisung des Gerichtes trotz förmlicher Mahnung aus bösem Willen
nicht befolgt oder sich beharrlich dem Ein? uß des Bewährungshelfers entzieht.
(2) Wird im Falle des Abs. 1 keine Strafe ausgesprochen, so hat das Gericht zu prüfen, ob bereits
verfügte Maßnahmen beizubehalten oder andere Maßnahmen zu treffen sind.
(3) Ein nachträglicher Strafausspruch muß spätestens innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf
der Probezeit oder nach Beendigung eines bei deren Ablauf gegen den Rechtsbrecher anhängigen Strafverfahrens erfolgen. Daß von der Verhängung einer Strafe endgültig abgesehen wird,
hat das Gericht mit Beschluß auszusprechen.
§ 16
(1) Der nachträgliche Ausspruch der Strafe bedarf eines Antrages der Staatsanwaltschaft. Über
diesen Antrag entscheidet in den Fällen einer neuerlichen Verurteilung das in diesem Verfahren
erkennende Gericht (§ 494a StPO), sonst das Gericht, das in erster Instanz erkannt hat, nach
mündlicher Verhandlung durch Urteil. Die Verhandlung und das Urteil haben sich insoweit auf
die Frage der Strafe und die Gründe für ihren nachträglichen Ausspruch oder dessen Unterbleiben zu beschränken.
(2) Gegen die Abweisung des Antrages, die Strafe nachträglich auszusprechen, stehen der
Staatsanwaltschaft dieselben Rechtsmittel zu wie gegen den Ausspruch der Strafe.
§ 17 Bedingte Entlassung aus einer Freiheitsstrafe
Für die bedingte Entlassung aus einer wegen einer Jugendstraftat verhängten Freiheitsstrafe gilt
§ 46 Abs. 1 bis 4 StGB mit der Maßgabe, daß die mindestens zu verbüßende Strafzeit jeweils
einen Monat beträgt und daß außer Betracht bleibt, ob es der Vollstreckung der Strafe bedarf,
um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.
§ 18 Vorzeitige Beendigung der Probezeit
Das Gericht kann die Probezeit nach einem Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe, nach einer
bedingten Strafnachsicht oder einer bedingten Entlassung aus einer wegen einer Jugendstraftat
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verhängten Freiheitsstrafe nach Ablauf von mindestens einem Jahr vorzeitig beenden und das
Absehen vom Strafausspruch, die bedingte Strafnachsicht oder die bedingte Entlassung für endgültig erklären, wenn neue Tatsachen bekräftigen, daß der Verurteilte keine weiteren strafbaren
Handlungen begehen werde. Vor der Beschlußfassung ist der Bewährungshelfer zu hören.
VIERTER ABSCHNITT, Zuständigkeit und Geschäftsverteilung
§ 23 Jugendgerichtshof Wien
In Wien besteht ein selbständiger Jugendgerichtshof. Dieser Gerichtshof ist berufen:
1. für die Sprengel der in Wien gelegenen Bezirksgerichte
a) zur Ausübung der Vormundschafts- und P? egschaftsgerichtsbarkeit über Minderjährige, bei
denen aus einem bestimmten Anlaß eine Gefährdung der persönlichen Entwicklung zu besorgen
ist;
b) zur Ausübung der den Bezirksgerichten zustehenden Gerichtsbarkeit in Jugendstrafsachen;
2. für den Sprengel des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien
a) zur Ausübung der Gerichtsbarkeit zweiter Instanz in den unter Z 1 lit. a angeführten Verfahren;
b) zur Ausübung der den Gerichtshöfen erster Instanz zustehenden Gerichtsbarkeit in Jugendstrafsachen;
3. zur Ausübung der Aufgaben des Vollzugsgerichtes für das Gefangenenhaus des Jugendgerichtshofes Wien sowie für Freiheitsstrafen und vorbeugende Maßnahmen, auf die vom Jugendgerichtshof Wien erkannt worden ist und die in einer anderen im Sprengel des Landesgerichtes
für Zivilrechtssachen gelegenen Justizanstalt vollzugen werden.
§ 24 Jugendgerichtsbarkeit in Graz und Linz
(1) Für den Sprengel des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz besteht ein selbständiges
Jugendgericht. Dieses Gericht ist berufen:
1. zur Ausübung der Vormundschafts- und P? egschaftsgerichtsbarkeit über Minderjährige, bei
denen aus einem bestimmten Anlaß eine Gefährdung der persönlichen Entwicklung zu besorgen
ist;
2. zur Ausübung der den Bezirksgerichten zustehenden Gerichtsbarkeit in Jugendstrafsachen.
(2) Das Jugendgericht Graz ist dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz unterstellt. Zur
Ausübung der Gerichtsbarkeit zweiter Instanz in den ihm übertragenen Strafsachen ist aber das
Landesgericht für Strafsachen Graz berufen.
(3) Für die Sprengel der Bezirksgerichte Linz, Linz-Land und Urfahr-Umgebung ist das Bezirksgericht Linz-Land berufen:
1. zur Ausübung der Vormundschafts- und P? egschaftsgerichtsbarkeit über Minderjährige, bei
denen aus einem bestimmten Anlaß eine Gefährdung der persönlichen Entwicklung zu besorgen
ist;
2. zur Ausübung der den Bezirksgerichten zustehenden Gerichtsbarkeit in Jugendstrafsachen.
§ 25 Jugendschutzsachen
Den die Gerichtsbarkeit in Jugendstrafsachen ausübenden Gerichten obliegt auch die Gerichtsbarkeit über Erwachsene wegen der §§ 198 und 199 StGB, wenn durch die Tat ausschließlich
oder überwiegend Minderjährige verletzt oder gefährdet worden sind.
§ 27 Sachliche Zuständigkeit in Jugendstrafsachen
§ (1) In Jugendstrafsachen und in Strafsachen wegen Straftaten, die vor Vollendung des 21. Lebensjahres begangen worden sind, obliegt dem Geschworenengericht die Hauptverhandlung
und Urteilsfällung
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1. wegen der im § 14 Abs. 1 Z 1 bis 10 StPO angeführten strafbaren Handlungen und
2. in den Fällen, in denen gemäß § 5 Z 2 lit. a auf eine mehr als zehnjährige Freiheitsstrafe erkannt werden kann und das herabgesetzte Mindestmaß der Strafdrohung zumindest ein Jahr
beträgt.
(2) Für die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Einzelrichter und Schöffengericht sowie
zwischen Bezirksgericht und Gerichtshof erster Instanz bleibt die Herabsetzung der Strafdrohungen nach § 5 Z 4 außer Betracht.
§ 28 Besetzung der Geschworenenbank und des Schöffengerichtes in Jugendstrafsachen
(1) Jedem Geschworenengericht müssen vier im Lehrberuf, als Erzieher oder in der öffentlichen
oder privaten Jugendwohlfahrt oder Jugendbetreuung tätige oder tätig gewesene Personen als
Geschworne angehören. Jedem Schöffengericht muß eine solche Person angehören.
(2) Dem Geschworenengericht müssen mindestens zwei Geschworene, dem Schöffengericht
muß mindestens ein Schöffe des Geschlechtes des Angeklagten angehören.
§ 29 Örtliche Zuständigkeit
Für Jugendstrafsachen und für Strafsachen wegen Straftaten, die vor Vollendung des 21. Lebensjahres begangen worden sind, ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Sprengel der Beschuldigte zur Zeit der Einleitung des Verfahrens seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
§ 30 Besondere Eignung für Jugendstrafsachen
Die mit Jugendstrafsachen zu betrauenden Richter und Staatsanwälte müssen über das erforderliche pädagogische Verständnis verfügen und sollen besondere Kenntnisse auf den Gebieten der
Psychologie und Sozialarbeit aufweisen.
FÜNFTER ABSCHNITT, Verfahrensbestimmungen für Jugendstrafsachen
§ 31 Anwendung der allgemeinen Bestimmungen
Soweit sich aus den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nichts anderes ergibt, gelten für Jugendstrafsachen die allgemeinen Vorschriften für das Strafverfahren.
§ 32 Besondere Verfahrensbestimmungen
(1) Die §§ 427, 455 Abs. 2, 459 zweiter und dritter Satz und 478 StPO sind bei jugendlichen
Beschuldigten nicht anzuwenden; ein trotz Ausbleiben des jugendlichen Beschuldigten von der
Hauptverhandlung gefälltes Urteil ist nichtig.
(2) Ein Protokollsvermerk (§ 458 Abs. 2 StPO) ist im Falle eines Schuldspruchs unter Vorbehalt
der Strafe nicht zulässig.
(3) Gegen Entscheidungen der Gerichte in Jugendstrafsachen steht den Beteiligten, soweit nicht
der Rechtszug ausdrücklich ausgeschlossen oder anders geregelt ist, das binnen vierzehn Tagen
einzubringende Rechtsmittel der Beschwerde an den übergeordneten Gerichtshof zu.
§ 33 Verständigungen
(1) Von der Einleitung des Verfahrens gegen einen Jugendlichen hat das Gericht den Jugendwohlfahrtsträger zu verständigen. Weitere Verständigungen des Jugendwohlfahrtsträgers in derselben Sache sind nur vorzunehmen, wenn dieser darum ersucht. Das Vormundschaftsoder
P? egschaftsgericht ist von der Einleitung und von der Beendigung des Verfahrens gegen einen
Jugendlichen zu verständigen. Sind Verfügungen nach § 2 Abs. 1 getroffen worden, so sind dem
Vormundschafts- oder P? egschaftsgericht nach Beendigung des Verfahrens die erforderlichen
Abschriften oder Ablichtungen aus den Strafakten zu übermitteln.
(2) Legt die Staatsanwaltschaft eine Anzeige aus den in den §§ 4 oder 6 genannten Gründen
zurück oder sieht sie deshalb oder nach den §§ 90c, 90d, 90f, 90g StPO) von der weiteren Ver-
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folgung ab, so hat sie eine Abschrift oder Ablichtung der Anzeige dem Vormundschafts- oder
P? egschaftsgericht zu übermitteln.
(3) Erfahren der Jugendwohlfahrtsträger oder der Vormundschafts- oder P? egschaftsrichter,
dass gegen den Beschuldigten bei verschiedenen Gerichten Strafverfahren anhängig sind, so
haben sie die beteiligten Gerichte davon zu verständigen.
(4) Wird ein Schüler einer öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule zu
einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt oder wird seine Unterbringung in einer
mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme angeordnet, so ist davon die
zuständige Schulbehörde erster Instanz zu verständigen.
(5) Weitere in der Strafprozeßordnung 1975 oder in anderen Bundesgesetzen vorgesehene Verständigungen sind nur unter folgenden Voraussetzungen vorzunehmen:
1. soweit sie Zwecken der Strafrechtsp? ege dienen,
2. daß das Verfahren eingestellt oder der Beschuldigte freigesprochen worden ist, gegenüber
einer Stelle, die vom Strafverfahren Kenntnis erlangt hat, oder
3. daß der Beschuldigte verurteilt worden ist und entweder
a) die Verurteilung nicht der beschränkten Auskunft aus dem Strafregister unterliegt oder
b) der Verurteilte Angehöriger eines Wachkörpers des Bundes oder Vertragsbediensteter des
Bundes ist, der zur Aufnahme in einen solchen Wachkörper ausgebildet wird.
(6) Die §§ 407, 503 Abs. 1 und 4 StPO, die §§ 3 bis 5 des Strafregistergesetzes 1968, § 25 des
Suchtgiftgesetzes 1951 und Art. IV des Verkehrsrecht-Anpassungsgesetzes 1971 bleiben unberührt.
§ 34 Verbindung von Jugendstrafsachen mit Strafsachen gegen Erwachsene
JGG(1) Eine Jugendstrafsache und eine Strafsache gegen einen Erwachsenen, die sich auf die
Beteiligung an derselben strafbaren Handlung beziehen, sind von dem für die Jugendstrafsache
zuständigen Gericht gemeinsam zu führen.
JGG(2) Wenn aber
1. beide Strafsachen nicht ausschließlich oder überwiegend die Beteiligung an derselben strafbaren Handlung betreffen,
2. die Strafsache gegen den Erwachsenen vor ein Gericht höherer Ordnung gehört oder kann die
Strafsache gegen den Erwachsenen abgesondert geführt werden.
Verwahrungs- und Untersuchungshaft bei jugendlichen Beschuldigten
§ 35
(1) Über Jugendliche ist die Verwahrungs- und die Untersuchungshaft (§§ 175, 180 StPO) nicht
zu verhängen oder aufrechtzuerhalten, wenn ihr Zweck durch familienrechtliche oder jugendwohlfahrtsrechtliche Verfügungen, allenfalls in Verbindung mit einem gelinderen Mittel (§ 180
Abs. 5 StPO), erreicht werden kann oder bereits erreicht ist. Überdies darf die Untersuchungshaft nur dann verhängt werden, wenn die mit ihr verbundenen Nachteile für die Persönlichkeitsentwicklung und für das Fortkommen des Jugendlichen nicht außer Verhältnis zur Bedeutung
der Tat und zu der zu erwartenden Strafe stehen.
(2) Die Ermittlung der für die Entscheidung über die Untersuchungshaft maßgeblichen Umstände kann insbesondere auch durch Organe der Jugendgerichtshilfe erfolgen; diese sind den Haftverhandlungen nach Möglichkeit beizuziehen.
3) Ein jugendlicher Beschuldigter ist jedenfalls zu enthaften, wenn er sich schon drei Monate,
handelt es sich jedoch um ein Verbrechen, das in die Zuständigkeit des Schöffengerichtes oder
des Geschworenengerichtes fällt, schon ein Jahr in Untersuchungshaft be? ndet, ohne daß die
Hauptverhandlung begonnen hat. Im zuletzt genannten Fall darf die Untersuchungshaft über
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sechs Monate hinaus nur dann aufrechterhalten oder fortgesetzt werden, wenn dies wegen besonderer Schwierigkeiten oder besonderen Umfangs der Untersuchung im Hinblick auf das
Gewicht des Haftgrundes unvermeidbar ist.
(4) Von der Anhaltung eines Jugendlichen, der nicht sogleich wieder freigelassen werden kann,
sind ohne unnötigen Aufschub jedenfalls ein Erziehungsberechtigter oder ein mit dem Jugendlichen in Hausgemeinschaft lebender Angehöriger sowie ein für den Jugendlichen allenfalls
bereits bestellter Bewährungshelfer und der Jugendwohlfahrtsträger zu verständigen, es sei
denn, daß der Jugendliche dem aus einem triftigen Grund widerspricht.
§ 36
(1) Muß die Haft verhängt werden, so ist sie womöglich in einer besonderen Abteilung des Gefangenenhauses zu vollziehen. Für die Anhaltung gelten, soweit im folgenden nichts anderes
bestimmt ist, die allgemeinen Vorschriften.
(2) Nach Fällung des Urteils durch das in erster Instanz erkennende Gericht kann die Haft mit
Zustimmung des Jugendlichen auch in einer Sonderanstalt für Jugendliche vollzogen werden,
wenn eine dort zu vollziehende Freiheitsstrafe zu erwarten ist und Nachteile für das Strafverfahren und für den Jugendlichen nicht zu befürchten sind. Die Überstellung hat nach Einholung
einer Äußerung des Vorsitzenden auf Anordnung des Bundesministeriums für Justiz zu erfolgen,
nachdem dem gesetzlichen Vertreter Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben worden ist.
(3) Jugendliche Häftlinge sind, soweit nicht wegen ihres körperlichen, geistigen oder seelischen
Zustandes eine Ausnahme geboten ist, von erwachsenen Häftlingen abzusondern und jedenfalls
von solchen Gefangenen zu trennen, von denen ein schädlicher Ein? uß zu befürchten ist. Von
der Verwahrung in Einzelhaft ist abzusehen, wenn davon ein Nachteil für den Verhafteten zu
besorgen wäre und er ohne Gefahr für seine Mitgefangenen mit anderen gemeinsam verwahrt
werden kann.
(4) Jugendliche Häftlinge sind zu beschäftigen und, soweit es möglich und tunlich ist, zu unterrichten.
§ 37 Beiziehung einer Person des Vertrauens
(1) Der Befragung eines Jugendlichen zur Sache durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes und seiner förmlichen Vernehmung durch die Sicherheitsbehörde oder das Gericht ist
auf Verlangen des Jugendlichen eine Vertrauensperson beizuziehen.Über dieses Recht ist der
Jugendliche so rechtzeitig zu belehren, daß ihm dessen Ausübung ermöglicht wird, spätestens
jedoch vor Beginn der Befragung oder Vernehmung, im Fall der Festnahme bei dieser oder unmittelbar danach.Erforderlichenfalls ist die Befragung oder Vernehmung bis zum Eintreffen der
Vertrauensperson aufzuschieben, solange das mit dem Zweck der Befragung oder Vernehmung
vereinbar ist, es sei denn, daß damit eine unangemessene Verlängerung einer Anhaltung verbunden wäre.
(2) Als Vertrauensperson des Jugendlichen kommen sein gesetzlicher Vertreter, ein Erziehungsberechtigter, ein Angehöriger, ein Lehrer, ein Erzieher oder ein Vertreter des Jugendwohlfahrtsträgers, der Jugendgerichtshilfe oder der Bewährungshilfe in Betracht.
(3) Als Vertrauensperson kann ausgeschlossen werden, wer der Mitwirkung an der strafbaren
Handlung verdächtig oder am Verfahren beteiligt ist.
§ 38 Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters
(1) Soweit der Beschuldigte das Recht hat, gehört zu werden, Tatsachen vorzubringen und Fragen und Anträge zu stellen oder Untersuchungshandlungen zugezogen zu werden, steht dieses
Recht auch dem gesetzlichen Vertreter eines jugendlichen Beschuldigten zu. Soweit der Beschuldigte das Recht hat, Einsicht in die Strafakten zu nehmen und von ihnen Abschriften her-
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zustellen, steht dieses Recht auch dem gesetzlichen Vertreter zu, es sei denn, daß er der Beteiligung an der strafbaren Handlung verdächtig ist. Im Falle eines Rücktritts von der Verfolgung
oder einer Einstellung des Strafverfahrens nach dem IXa. Hauptstück der Strafprozeßordnung
1975 soll dem gesetzlichen Vertreter des Verdächtigen Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben werden, bevor der Verdächtige bestimmte Verp? ichtungen übernimmt.
(2) Mitteilungen nach den §§ 90c Abs.4, 90d Abs.4 und 90f Abs.3 StPO sowie der vorläu? ge
Rücktritt von der Verfolgung und die vorläu? ge Einstellung des Strafverfahrens nach den
§§ 90d Abs.1 und 90f Abs.1 StPO, die Anklageschrift, der Strafantrag und gerichtliche Entscheidungen, mit denen der Jugendliche einer strafbaren Handlung schuldig gesprochen, die Strafe
bestimmt, die Haft verhängt, fortgesetzt oder aufgehoben oder eine bedingte Strafnachsicht oder
bedingte Entlassung widerrufen wird, sind auch dem gesetzlichen Vertreter bekanntzumachen,
wenn dessen Aufenthalt bekannt und im Inland gelegen ist. Unter diesen Voraussetzungen ist
der gesetzliche Vertreter gegebenenfalls auch nach § 90j StPO zu belehren oder von der Anordnung einer mündlichen Verhandlung mit dem Beifügen zu benachrichtigen, daß seine Teilnahme
empfohlen werde.
(3) Der gesetzliche Vertreter ist berechtigt, für den Jugendlichen auch gegen dessen Willen Einspruch gegen die Anklageschrift zu erheben und alle Rechtsmittel zu ergreifen, die das Gesetz
dem Jugendlichen gewährt. Die Frist zur Erhebung von Rechtsmitteln läuft für den gesetzlichen
Vertreter von dem Tag, an dem die Frist für den Jugendlichen beginnt. Ist dem gesetzlichen Vertreter die Entscheidung bekanntzumachen, so läuft sie von dem Tag, an dem sie ihm eröffnet
wird, es sei denn, daß die Entscheidung in einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, an welcher der gesetzliche Vertreter trotz ordnungsgemäßer Benachrichtigung nicht teilgenommen
hat.
(4) Ist dem Gericht bekannt, daß P? ege und Erziehung des jugendlichen Beschuldigten jemand
anderem als dem gesetzlichen Vertreter zukommen, so stehen die in den Abs. 1 bis 3 angeführten Rechte auch diesem zu.
(5) Die Rechte des gesetzlichen Vertreters mit Ausnahme des Rechtes, auf die Ergreifung von
Rechtsmitteln gegen ein Urteil zu verzichten, stehen dem Verteidiger zu,
1. wenn ein gesetzlicher Vertreter der Beteiligung an der strafbaren Handlung des Jugendlichen
verdächtig oder überwiesen ist oder wenn kein gesetzlicher Vertreter dem Jugendlichen im
Strafverfahren beistehen kann;
2. in der Hauptverhandlung, wenn trotz ordnungsgemäßer Benachrichtigung kein gesetzlicher
Vertreter erschienen ist.
(6) Sind beide Elternteile gesetzliche Vertreter, ist aber trotz ordnungsgemäßer Benachrichtigung nur einer von ihnen zu einer vom Gericht angeordneten Untersuchungshandlung oder zur
Hauptverhandlung erschienen, so ist anzunehmen, daß der Nichterschienene in Zukunft auf Zustellungen und Verständigungen verzichtet, es sei denn, dass sich aus seinem Verhalten offenbar
etwas anderes ergibt. Anträge und Rechtsmittel kann der nach den vorstehenden Bestimmungen
nicht mehr zu verständigende Elternteil nur innerhalb der Frist einbringen, die dem verständigten Elternteil offensteht.
§ 39 Notwendige Verteidigung
(1) Einem jugendlichen Beschuldigten muß, wenn für seine Verteidigung nicht anderweitig gesorgt ist, von Amts wegen ein Verteidiger, wenn aber die Verp? ichtung zur Zahlung der Verteidigungskosten sein Fortkommen erschweren würde oder die Voraussetzungen des § 41 Abs. 2
StPO vorliegen, nach dieser Gesetzesstelle ein Verteidiger beigegeben werden:
1. im Verfahren vor den Gerichtshöfen und den Geschworenengerichten für das gesamte Verfahren;
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2. im bezirksgerichtlichen Verfahren, wenn und solange sich der Jugendliche in Untersuchungshaft be? ndet oder dies sonst im Interesse der Rechtsp? ege, vor allem zur Wahrung der Rechte
des Jugendlichen, notwendig oder zweckmäßig ist.
(2) Zur Verteidigung im bezirksgerichtlichen Verfahren können, wenn sich der Jugendliche
nicht in Untersuchungshaft be? ndet und die Beigebung eines in die Verteidigerliste eingetragenen Verteidigers nicht möglich oder tunlich ist, auch andere geeignete Personen berufen werden,
die zur Übernahme der Verteidigung bereit sind.
(3) Ein von einem Geschworenengericht oder einem Gerichtshof erster Instanz gefälltes Urteil,
mit dem ein Jugendlicher schuldig gesprochen wird, ist nichtig, wenn nicht während der ganzen
Hauptverhandlung ein Verteidiger des Jugendlichen anwesend war.
§ 40 Mitwirkung des Bewährungshelfers
Ist dem Beschuldigten bereits ein Bewährungshelfer bestellt, so hat dieser das Recht, an der
Hauptverhandlung teilzunehmen und dort gehört zu werden.
§ 41 Verhandlung in vorübergehender Abwesenheit des Jugendlichen
(1) Das Gericht kann anordnen, daß ein jugendlicher Beschuldigter während einzelner Erörterungen in der Hauptverhandlung, von denen ein nachteiliger Ein? uß auf ihn zu befürchten ist,
den Verhandlungssaal zu verlassen hat.
(2) Haben sich während der Abwesenheit des Beschuldigten neue Verdachtsgründe gegen ihn
ergeben, so ist er darüber nach seiner Rückkehr, jedenfalls aber vor Schluß des Beweisverfahrens, bei sonstiger Nichtigkeit zu vernehmen. Die übrigen in seiner Abwesenheit gep? ogenen
Erörterungen sind ihm nur mitzuteilen, soweit es zur Wahrung seiner Interessen im Strafverfahren erforderlich ist.
§ 42 Öffentlichkeit der Hauptverhandlung
(1) Die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung ist von Amts wegen oder auf Antrag auch auszuschließen, wenn das im Interesse des Jugendlichen geboten ist.
(2) Neben den in § 230 StPO genannten Personen können im Falle eines Ausschlusses der Öffentlichkeit auch der gesetzliche Vertreter des Jugendlichen, die Erziehungsberechtigten, ein
dem Jugendlichen bestellter Bewährungshelfer sowie Vertreter des Jugendwohlfahrtsträgers,
der Jugendgerichtshilfe und der Bewährungshilfe der Hauptverhandlung beiwohnen.
§ 43 Besondere Jugenderhebungen
(1) Die Lebens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten, seine Entwicklung und alle anderen Umstände, die zur Beurteilung seiner körperlichen, geistigen und seelischen Eigenart dienen
können, sind zu erforschen. Solche Erhebungen haben zu unterbleiben, soweit unter Berücksichtigung der Art der Tat ein näheres Eingehen auf die Person des Beschuldigten entbehrlich
erscheint. In Zweifelsfällen soll der Beschuldigte durch einen Arzt oder Psychologen untersucht
werden.
(2) Von der Verlesung der Schriftstücke über diese Erhebungen in der Hauptverhandlung ist im
Interesse des Beschuldigten ganz oder teilweise abzusehen, soweit dieser, sein gesetzlicher Vertreter, der Staatsanwalt und der Verteidiger auf die Verlesung verzichten. In diesem Umfang
dürfen die Schriftstücke bei der Urteilsfällung berücksichtigt werden. Im übrigen ist die Verlesung, soweit davon ein nachteiliger Ein? uß auf den jugendlichen Beschuldigten zu befürchten
ist, in seiner Abwesenheit vorzunehmen (§ 41).
§ 44 Unzulässigkeit einer Privat- oder Subsidiaranklage
(1) Privatanklagen wegen Jugendstraftaten sind unzulässig. Strafbare Handlungen, die sonst nur
auf Verlangen des Verletzten verfolgt werden können, hat auf dessen Antrag die Staatsanwalt-
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schaft zu verfolgen, jedoch nur, wenn dies aus pädagogischen Gründen oder um berechtigter, über
das Vergeltungsbedürfnis hinausgehender Interessen des Verletzten willen geboten ist. Der Antrag
kann nur binnen der Frist, die zur Erhebung der Privatanklage offenstünde, gestellt werden.
(2) Der Privatbeteiligte ist nicht berechtigt, statt der Staatsanwaltschaft die Anklage wegen einer
Jugendstraftat zu erheben.
Kosten des Strafverfahrens
§ 45
(1) Das Gericht hat die vom Verurteilten zu ersetzenden Kosten des Strafverfahrens ganz oder
teilweise auch dann für uneinbringlich zu erklären, wenn die Verp? ichtung zum Kostenersatz
das Fortkommen des Verurteilten erschweren würde.
(2) Im Falle eines außergerichtlichen Tatausgleichs ist von einem Pauschalkostenbeitrag nach §
388 StPO abzusehen, wenn die Zahlung dieses Betrags das Fortkommen des Jugendlichen erschweren würde.
§ 46
(1) Ist einem Rechtsbrecher die Weisung erteilt worden, sich einer Entwöhnungsbehandlung,
einer psychotherapeutischen oder einer medizinischen Behandlung zu unterziehen (§ 51 Abs. 3
StGB) und hat weder er selbst noch ein anderer für ihn Anspruch auf entsprechende Leistungen
aus einer gesetzlichen Krankenversicherung oder einer Krankenfürsorgeeinrichtung eines öffentlich-rechtlichen Dienstgebers, so hat die Kosten der Behandlung der Bund zu übernehmen,
jedoch nur bis zu dem Ausmaß, in dem die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter für die
Kosten aufkäme, wenn der Rechtsbrecher in der Krankenversicherung öffentlich Bediensteter
versichert wäre; einen Behandlungsbeitrag (§ 63 Abs. 4 des Beamten-, Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 200/1967) hat er nicht zu erbringen. Die Entscheidung über die
Übernahme der Kosten steht dem für die Erteilung der Weisung zuständigen Gericht zu.
(2) Der Bundesminister für Justiz kann mit gemeinnützigen therapeutischen Einrichtungen oder
Vereinigungen über die Höhe der nach Abs.1 vom Bund zu übernehmenden Kosten Verträge
nach bürgerlichem Recht abschließen. Die Vereinbarung von Pauschalbeträgen ist zulässig. Der
Bundesminister für Justiz kann die Grundsätze der Pauschalierung mit Verordnung festsetzen.
Dabei ist insbesondere das Betreuungsangebot der Einrichtung oder Vereinigung zu berücksichtigen.
§ 46 a Verfahrensbestimmungen für Strafsachen junger Erwachsener
(1) Das Strafverfahren wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres begangenen Tat obliegt dem die Gerichtsbarkeit in Jugendstrafsachen ausübenden Gericht. § 28 ist anzuwenden.
(2) Die §§ 31, 32, 35 Abs. 1 zweiter Satz, 36, 37, 40, 42, 43 Abs. 1, 45, 46 und 48 Z 1 und 4
sowie 49 gelten in allen Fällen, in denen die Tat vor vollendung des 21. Lebensjahres begangen
wurde beziehungsweise der Beschuldigte im Zeitpunkt der Verfahrenshandlung das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, entsprechend.
SECHSTER ABSCHNITT, Jugendgerichtshilfe
§ 47 Wesen der Jugendgerichtshilfe
(1) Die Jugendgerichtshilfe unterstützt nach Maßgabe dieses Abschnittes die Gerichte und
Staatsanwaltschaften bei Erfüllung der ihnen durch dieses Bundesgesetz übertragenen Aufgaben.
(2) Die in der Jugendgerichtshilfe tätigen Personen erstatten dem Gericht oder der Staatsanwaltschaft mündlich oder schriftlich Bericht. Im Strafverfahren sind sie, wenn sie mündlich berichten, über ihre Wahrnehmungen als Zeugen zu vernehmen.
259
§ 48 Aufgaben der Jugendgerichtshilfe
Die Gerichte und Staatsanwaltschaften können die Organe der Jugendgerichtshilfe insbesondere damit betrauen,
1. alle Umstände zu erheben, die für die Beurteilung der Person und der Lebensverhältnisse eines Unmündigen oder Jugendlichen maßgebend sind;
2. an einem außergerichtlichen Tatausgleich oder an der Vermittlung und Durchführung von
gemeinnützigen Leistungen, Schulungen und Kursen mitzuwirken;
3. über die Beseitigung bestehender Schäden oder Gefahren für die Erziehung oder Gesundheit
eines Unmündigen oder Jugendlichen Vorschläge zu erstatten und bei Gefahr im Verzug unmittelbar erforderliche Maßnahmen zu treffen;
4. die für die Entscheidung über die Verhängung und Aufrechterhaltung der Verwahrungs- und
Untersuchungshaft über den Beschuldigten maßgeblichen Umstände zu ermitteln;
5. in bezirksgerichtlichen Jugendstrafsachen dem Beschuldigten durch Übernahme der Verteidigung Beistand zu leisten.
§ 49 Organe der Jugendgerichtshilfe
(1) Für den Sprengel des Jugendgerichtshofes Wien besteht die Wiener Jugendgerichtshilfe. Bei
Bedarf können weitere besondere Dienststellen der Justiz für Jugendgerichtshilfe eingerichtet
werden. Alle Dienststellen der Justiz für Jugendgerichtshilfe können neben den Aufgaben nach
dem § 48 auch mit der Betreuung von Untersuchungshäftlingen und Strafgefangenen betraut
werden.
(2) Sonst haben die in Jugendstrafsachen tätigen Gerichtshöfe erster Instanz mit den Behörden,
Vereinen und sonstigen Stellen, die sich in ihrem Sprengel der Jugendwohlfahrt widmen, das
Einvernehmen zu p? egen und eine Liste der zur Jugendgerichtshilfe geeigneten und bereiten
Stellen anzulegen. Die in dieser Liste verzeichneten Stellen bilden die Jugendgerichtshilfe. Die
Liste ist auch den Ämtern der Landesregierungen und den Landesschulbehörden mitzuteilen.
§ 50 Stellung der Jugendgerichtshilfe
(1) Soweit es möglich und erforderlich ist, sind der Jugendgerichtshilfe im Gerichtsgebäude die
nötigen Räumlichkeiten unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.
(2) Den in der Jugendgerichtshilfe tätigen Personen hat das Gericht auf Verlangen einen Ausweis auszustellen. Die Gerichte haben diesen Personen die erforderlichen Auskünfte zu erteilen
und, wenn keine wichtigen Bedenken dagegen bestehen, Einsicht in die Akten zu gewähren.
(3) Bei Wahrnehmung ihrer Aufgaben stehen die in der Jugendgerichtshilfe tätigen Personen den
Beamten im Sinne des § 74 Z 4 StGB gleich. Sie sind, außer wenn sie eine amtliche Mitteilung
zu machen haben, jedermann gegenüber zur Verschwiegenheit über die in Ausübung ihrer Tätigkeit gemachten, im Interesse eines Beteiligten geheimzuhaltenden Wahrnehmungen verp? ichtet.
Die Verletzung dieser P? icht ist als verbotene Veröffentlichung nach § 301 StGB zu ahnden.
SIEBENTER ABSCHNITT, Bestimmungen über den Jugendstrafvollzug
§ 51 Anwendung der allgemeinen Bestimmungen
Soweit sich aus den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nichts anderes ergibt, gelten für den
Vollzug von Freiheitsstrafen an Jugendlichen die allgemeinen Vorschriften für den Strafvollzug.
§ 52 Aufschub des Strafvollzuges, um den Abschluß einer Berufsausbildung zu ermöglichen
Einem Jugendlichen oder einem Erwachsenen vor Vollendung des 21. Lebnsjahres ist unter den
Voraussetzungen des § 6 des Strafvollzugsgesetzes ist ein Aufschub des Vollzuges der Freiheits-
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strafe zur Förderung des späteren Fortkommens (§ 6 Abs. 1 Z 2 lit. a des Strafvollzugsgesetzes)
auch für die Dauer von mehr als einem Jahr zu gestatten, wenn dies notwendig ist, um dem Verurteilten den Abschluß seiner Berufsausbildung zu ermöglichen.
§ 53 Aufgaben des Jugendstrafvollzuges
Im Jugendstrafvollzug sollen die Gefangenen zu einem den Gesetzen und den Erfordernissen
des Gemeinschaftslebens entsprechenden Verhalten erzogen werden. Wenn es die Dauer der
Strafe zuläßt, sollen sie in einem ihren Kenntnissen, Fähigkeiten und tunlichst auch ihrer bisherigen Tätigkeit und ihren Neigungen entsprechenden Beruf ausgebildet werden.
§ 54 Besondere Eignung für den Jugendstrafvollzug
Die mit der Behandlung von jugendlichen Gefangenen betrauten Personen sollen über pädagogisches Verständnis verfügen und über die wichtigsten für ihre Tätigkeit in Betracht kommenden Erkenntnisse der Pädagogik, Psychologie und Psychiatrie unterrichtet sein.
§ 55 Anstalten für den Jugendstrafvollzug
(1) Freiheitsstrafen an Jugendlichen sind in den dafür bestimmten Sonderanstalten, in anderen
Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen womöglich in besonderen Abteilungen, zu vollziehen.
(2) Jugendliche Strafgefangene sind von erwachsenen Strafgefangenen, die nicht dem Jugendstrafvollzug unterstellt sind, zu trennen. Von der Trennung kann jedoch abgesehen werden, soweit den Umständen nach weder eine schädliche Beein? ussung noch eine sonstige Benachteiligung der jugendlichen Strafgefangenen zu besorgen ist.
(3) Dem Vollzug an jugendlichen Strafgefangenen in dafür bestimmten Sonderanstalten oder
besonderen Abteilungen anderer Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen dürfen, soweit davon weder eine schädliche Beein? ussung noch eine sonstige Benachteiligung der jugendlichen
Strafgefangenen zu besorgen ist,
1. erwachsene Strafgefangene unter zweiundzwanzig Jahren unterstellt werden und
2. Strafgefangene, die im Jugendstrafvollzug anzuhalten sind, bis zur Vollendung des vierundzwanzigsten Lebensjahres unterstellt bleiben. Ist im Zeitpunkt der Vollendung des vierundzwanzigsten Lebensjahres voraussichtlich nur noch ein Strafrest von nicht mehr als einem Jahr zu
vollstrecken oder wäre die Überstellung in eine für den Vollzug von Freiheitsstrafen an Erwachsenen bestimmte Anstalt den Umständen nach mit besonderen Nachteilen für den Strafgefangenen verbunden, so kann der Strafgefangene auch noch zur Vollstreckung des Strafrestes dem
Jugendstrafvollzug unterstellt bleiben. In keinem Fall darf ein Strafgefangener, der das siebenundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, dem Jugendstrafvollzug unterstellt bleiben.
(4) Die Entscheidung darüber, ob erwachsene Strafgefangene dem Jugendstrafvollzug unterstellt werden sollen, steht dem zur Anordnung des Strafvollzuges zuständigen Gericht zu, das
von Amts wegen oder auf Antrag des Verurteilten, eines seiner Angehörigen oder des Leiters der
Anstalt zum Vollzug von Freiheitsstrafen, in der der Verurteilte angehalten wird, zu entscheiden
hat. Der Leiter dieser Anstalt ist, wenn der Antrag nicht von ihm gestellt wurde, zu hören.
(5) Die Entscheidung darüber, ob ein erwachsener Strafgefangener dem Jugendstrafvollzug unterstellt bleiben soll, steht dem Anstaltsleiter zu, wenn der Strafgefangene die Freiheitsstrafe
voraussichtlich noch vor Vollendung des zweiundzwanzigsten Lebenjahres verbüßt haben wird,
sonst dem Bundesministerium für Justiz.
(6) Alle für jugendliche Strafgefangene geltenden Bestimmungen sind auf die dem Jugendstrafvollzug unterstellten älteren Strafgefangenen anzuwenden. Diese sind jedoch auf ihr Ansuchen
durch den Anstaltsleiter vom Schulunterricht zu befreien.
261
§ 56 Zuständigkeit
(1) Freiheitsstrafen, deren Strafzeit sechs Monate übersteigt, sind in Sonderanstalten zu vollziehen, es sei denn, daß die Aufgaben des Jugendstrafvollzuges in einer anderen Anstalt besser
wahrgenommen werden können. Hat jedoch der Verurteilte im Zeitpunkt des Strafantrittes das
achtzehnte Lebensjahr vollendet, so kann die Freiheitsstrafe auch in einer allgemeinen Strafvollzugsanstalt oder in einem gerichtlichen Gefangenenhaus vollzogen werden. Die Bestimmung der Anstalt, in der die Strafe zu vollziehen ist, obliegt dem Bundesministerium für Justiz
(§§ 10, 134 des Strafvollzugsgesetzes). Im übrigen richtet sich die Zuständigkeit für den Vollzug
von Freiheitsstrafen, die wegen einer Jugendstraftat ausgesprochen werden, nach den allgemeinen Vorschriften.
(2) Soweit Sonderanstalten oder besondere Abteilungen für jugendliche Strafgefangene weiblichen Geschlechtes nicht bestehen, sind Freiheitsstrafen an solchen Jugendlichen in den allgemeinen Strafvollzugsanstalten und gerichtlichen Gefangenenhäusern zu vollziehen.
(3) Der Entlassungsvollzug an Jugendlichen und an erwachsenen Strafgefangenen, die dem Jugendstrafvollzug unterstellt sind, kann auch in gerichtlichen Gefangenenhäusern erfolgen (§ 10
Abs. 1 Z 2 des Strafvollzugsgesetzes).
§ 57 Vollzug mit Freiheitsentziehung verbundener vorbeugender Maßnahmen
Der Vollzug mit Freiheitsentziehung verbundener vorbeugender Maßnahmen an Jugendlichen
hat in den nach den §§ 158 und 159 des Strafvollzugsgesetzes für den Vollzug dieser Maßnahmen an Erwachsenen bestimmten Anstalten oder in den für den Strafvollzug an Jugendlichen
bestimmten Anstalten oder Abteilungen zu erfolgen. Die Bestimmung der Anstalt obliegt dem
Bundesministerium für Justiz (§ 161 des Strafvollzugsgesetzes). § 55 Abs. 2 bis 6 gilt dem Sinne nach hinsichtlich der Trennung der im Vollzug einer vorbeugenden Maßnahme untergebrachten Jugendlichen von Erwachsenen und von jugendlichen Strafgefangenen.
§ 58 Behandlung jugendlicher Strafgefangener
(1) Bei Ausführungen und Überstellungen ist darauf Bedacht zu nehmen, daß der Strafgefangene möglichst nicht vor der Öffentlichkeit bloßgestellt wird. Wenn nicht im einzelnen Fall Bedenken bestehen, sind Ausführungen und Überstellungen von Beamten in Zivilkleidung durchzuführen. Weibliche Gefangene sind nach Möglichkeit von Beamtinnen zu begleiten.
(2) Jugendliche Strafgefangene sind ihrer körperlichen Entwicklung entsprechend reichlicher
zu verp? egen.
(3) Wenn es die Witterung gestattet, haben sich jugendliche Strafgefangene, die nicht im Freien
arbeiten, täglich, andere jugendliche Strafgefangene an arbeitsfreien Tagen mindestens zwei
Stunden im Freien zu bewegen, wobei diese Zeit womöglich zur körperlichen Entwicklung
durch Leibesübungen, Sport und Spiel zu verwenden ist. Bei schlechter Witterung ist zu diesem
Zweck von den dafür geeigneten Räumlichkeiten innerhalb der Anstalt Gebrauch zu machen.
(4) Jugendliche Strafgefangene sind nur mit Arbeiten zu beschäftigen, die auch erzieherisch
nützlich sind. Sie sind insbesondere auch zu Arbeiten im Freien heranzuziehen. Zu Arbeiten
außerhalb der Anstalt dürfen jugendliche Strafgefangene nur verwendet werden, wenn sie dabei
der Öffentlichkeit nicht in einer Weise ausgesetzt sind, die geeignet ist, ihr Ehrgefühl abzustumpfen. Die tägliche Arbeitszeit ist durch mindestens zwei längere Erholungspausen zu unterbrechen.
(5) In den Sonderanstalten haben die Strafgefangenen regelmäßigen Unterricht zu erhalten. In
anderen Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen ist im Jugendstrafvollzug Unterricht zu erteilen, soweit das möglich und tunlich ist. Der Unterricht hat die Beseitigung von Mängeln der
P? ichtschulbildung der Strafgefangenen anzustreben und darüber hinaus ihre Allgemeinbildung
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zu fördern. Die Erfolge des Unterrichtes sind in geeigneter Weise festzustellen. Die Zeit des
Unterrichtes ist in die Arbeitszeit einzurechnen.
(6) Die Bestimmungen über einen generellen Ausschluß Strafgefangener vom Paketempfang (§
91 Abs. 3 zweiter und dritter Satz des Strafvollzugsgesetzes) sind auf jugendliche Strafgefangene nicht anzuwenden.
(7) Jugendliche Strafgefangene dürfen wenigstens jede Woche einen Besuch in der Dauer von
einer Stunde empfangen.
(8) Jedem in Einzelhaft angehaltenen jugendlichen Strafgefangenen ist täglich mindestens zweimal Gelegenheit zu einem Gespräch zu geben.
(9) Die Ordnungsstrafe des Hausarrestes darf nur für die Dauer von höchstens zwei Wochen
verhängt werden.
(10) Für die Behandlung Jugendlicher, an denen eine mit Freiheitsentziehung verbundene vorbeugende Maßnahme vollzogen wird, gelten die Abs. 1 bis 9 dem Sinne nach.
§ 59 Abweichen vom regelmäßigen Jugendstrafvollzug
Erfordert die Eigenart eines jugendlichen Strafgefangenen ein Abweichen vom regelmäßigen
Strafvollzug, so hat der Anstaltsleiter die notwendigen Abweichungen von den Vorschriften des
Strafvollzugsgesetzes und dieses Abschnittes anzuordnen. Dabei dürfen jedoch die dem Strafgefangenen eingeräumten Rechte nicht beeinträchtigt werden.
§ 60 Kosten des Strafvollzuges
Die Arbeitsvergütung ist den wegen einer Jugendstraftat verurteilten Personen in gleicher Weise wie Erwachsenen gutzuschreiben. Im übrigen sind sie zur Leistung eines Beitrages zu den
Kosten des Strafvollzuges nicht verp? ichtet.
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Anhang 1.4: Spanien
Ley Orgánica 5/2000, de 12 de enero, reguladora de la responsabilidad penal de los menores.
Modi? cada por: Ley Orgánica 8/2006, de 4 de diciembre de 2006, por la que se modi? ca la Ley
Orgánica 5/2000, de 12 de enero, reguladora de la responsabilidad penal de los menores.
TITULO PRELIMINAR
1. Declaración general
1. Esta Ley se aplicará para exigirla responsabilidad de las personas mayores de catorce años y
menores de dieciocho por la comisión de hechos tipi? cados como delitos o faltas en el Código
Penal o las leyes penales especiales.
2. Las personas a las que se aplique la presente Ley gozarán de todos los derechos reconocidos
en la Constitución y en el ordenamiento jurídico, particularmente en la Ley Orgánica 1/1996,
de 15 de enero, de Protección Jurídica del Menor, así como en la Convención sobre los Derechos
del Niño de 20 de noviembre de 1989 y en todas aquellas normas sobre protección de menores
contenidas en los Tratados válidamente celebrados por España.
TITULO PRIMERO – Del ámbito de aplicación de la ley
2. Competencia de los Jueces de Menores
1. Los Jueces de Menores serán competentes para conocer de los hechos cometidos por las personas mencionadas en el artículo 1 de esta Ley, así como para hacer ejecutar las sentencias, sin
perjuicio de las facultades atribuidas por esta Ley a las Comunidades Autónomas respecto a la
protección y reforma de menores.
2. Los Jueces de Menores serán asimismo competentes para resolver sobre las responsabilidades
civiles derivadas de los hechos cometidos por las personas a las que resulta aplicable la presente Ley.
3. La competencia corresponde al Juez de Menores del lugar donde se haya cometido el hecho
delictivo, sin perjuicio de lo establecido en el art. 20.3 de esta Ley.
4. La competencia para conocer de los delitos previstos en los artículos 571 a 580 del Código
Penal corresponderá al Juzgado Central de Menores de la Audiencia Nacional.
La referencia del último inciso del apartado 4 del artículo 17 y cuantas otras se contienen en la
presente Ley al Juez de Menores se entenderán hechas al Juez Central de Menores en lo que
afecta a los menores imputados por cualquiera de los delitos a que se re? eren los artículos 571
a 580 del Código Penal.
3. Régimen de los menores de catorce años
Cuando el autor de los hechos mencionados en los artículos anteriores sea menor de catorce
años, no se le exigirá responsabilidad con arreglo a la presente Ley, sino que se le aplicará lo
dispuesto en las normas sobre protección de menores previstas en el Código Civil y demás disposiciones vigentes. El Ministerio Fiscal deberá remitir a la entidad pública de protección de
menores testimonio de los particulares que considere precisos respecto al menor, a ? n de valorar
su situación, y dicha entidad habrá de promover las medidas de protección adecuadas a las circunstancias de aquél conforme a lo dispuesto en la Ley Orgánica 1/1996, de 15 de enero.
4. Derechos de las víctimas y de los perjudicados.
El Ministerio Fiscal y el Juez de Menores velarán en todo momento por la protección de los
derechos de las víctimas y de los perjudicados por las infracciones cometidas por los menores.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Jugendstrafrechtssysteme in Europa sind sehr verschieden. Anhand des Rechtsvergleichs und der Rechtsentwicklung in der EU und mittels der Völkerrechtsinstrumente zur Jugendgerichtsbarkeit formuliert der Autor Elementarteile eines Europäischen Jugendstrafrechts. Behandelt werden:
• Konzeption und Zielsetzung
• Alter und Prüfung der Strafbarkeit
• der Umgang mit jungerwachsenen Tätern
• Diversion und Entkriminalisierung
• der Sanktionskatalog nebst Freiheitsentzug
Neben einer Analyse von Trends in der Jugendkriminalität und kriminologischer Erklärungsansätze werden die Wünschbarkeit und Zweckmäßigkeit einer gemeineuropäischen Rahmenstrategie im Jugendstrafrecht erörtert sowie Harmonisierungswege für die europäische Integration aufgezeigt.
Die Arbeit bündelt verstreute Reformansätze auf nationaler und internationaler Ebene zu einem neuen Anlauf. Sie hilft, eine zeitgemäße und angemessene Reaktion auf die verschiedenen Formen der Jugenddelinquenz zu erarbeiten. Sie richtet sich an Wissenschaftler, Politiker und Praktiker im Jugendrecht.
Der Autor war Doktorand und Mitarbeiter an der Forschungsstelle für Jugendstrafrecht und Kriminalprävention der Christian-Albrechts-Universität Kiel.