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Anhang 1: Jugendgerichtsgesetze der näher verglichenen
EU-Mitgliedsstaaten in der jeweiligen Landessprache836
Anhang 1.1: Deutschland
JUGENDGERICHTSGESETZ (JGG)
In der Fassung der Bekanntmachung vom 11.12.1974 (BGBL. I S. 3427), zuletzt geändert durch
Art. 1 des Gesetzes vom 13.12.2007 (BGBL. I S. 2894)
Erster Teil
Anwendungsbereich
§ 1 Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich
(1) Dieses Gesetz gilt, wenn ein Jugendlicher oder ein Heranwachsender eine Verfehlung begeht, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist.
(2) Jugendlicher ist, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsender,
wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist.
§ 2 Ziel des Jugendstrafrechts; Anwendung des allgemeinen Strafrechts
(1) Die Anwendung des Jugendstrafrechts soll vor allem erneuten Straftaten eines Jugendlichen
oder Heranwachsenden entgegenwirken. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die Rechtsfolgen
und unter Beachtung des elterlichen Erziehungsrechts auch das Verfahren vorrangig am Erziehungsgedanken auszurichten.
(2) Die allgemeinen Vorschriften gelten nur, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt
ist.
Zweiter Teil, Jugendliche
Erstes Hauptstück, Verfehlungen Jugendlicher und ihre Folgen
Erster Abschnitt, Allgemeine Vorschriften
§ 3 Verantwortlichkeit
Ein Jugendlicher ist strafrechtlich verantwortlich, wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen
und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Zur Erziehung eines Jugendlichen, der mangels Reife strafrechtlich nicht verantwortlich ist, kann der Richter dieselben Maßnahmen anordnen wie der Familien- oder Vormundschaftsrichter.
§ 4 Rechtliche Einordnung der Taten Jugendlicher
Ob die rechtswidrige Tat eines Jugendlichen als Verbrechen oder Vergehen anzusehen ist und
wann sie verjährt, richtet sich nach den Vorschriften des allgemeinen Strafrechts.
836 Für England s. www.opsi.gov.uk/ www.homeof? ce.gov.uk/ www.youth-justice-board.gov.uk.;
für die Niederlande s. nlStGB und nlStPO
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§ 5 Die Folgen der Jugendstraftat
(1) Aus Anlaß der Straftat eines Jugendlichen können Erziehungsmaßregeln angeordnet werden.
(2) Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet, wenn
Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen.
(3) Von Zuchtmitteln und Jugendstrafe wird abgesehen, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt die Ahndung durch den Richter entbehrlich macht.
§ 6 Nebenfolgen
(1) Auf Unfähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen oder in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, darf nicht erkannt werden. Die Bekanntgabe der Verurteilung darf nicht angeordnet werden.
(2) Der Verlust der Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen (§ 45 Abs. 1 des Strafgesetzbuches), tritt nicht ein.
§ 7 Maßregeln der Besserung und Sicherung
Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5
des Strafgesetzbuches).
§ 8 Verbindung von Maßnahmen und Jugendstrafe
(1) Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel, ebenso mehrere Erziehungsmaßregeln oder mehrere
Zuchtmittel können nebeneinander angeordnet werden. Mit der Anordnung von Hilfe zur Erziehung nach § 12 Nr. 2 darf Jugendarrest nicht verbunden werden.
(2) Der Richter kann neben Jugendstrafe nur Weisungen und Au? agen erteilen und die Erziehungsbeistandschaft anordnen. Steht der Jugendliche unter Bewährungsaufsicht, so ruht eine
gleichzeitig bestehende Erziehungsbeistandschaft bis zum Ablauf der Bewährungszeit.
(3) Der Richter kann neben Erziehungsmaßregeln, Zuchtmitteln und Jugendstrafe auf die nach
diesem Gesetz zulässigen Nebenstrafen und Nebenfolgen erkennen.
Zweiter Abschnitt, Erziehungsmaßregeln
§ 9 Arten
Erziehungsmaßregeln sind
1. die Erteilung von Weisungen,
2. die Anordnung, Hilfe zur Erziehung im Sinne des § 12 in Anspruch zu nehmen.
§ 10 Weisungen
(1) Weisungen sind Gebote und Verbote, welche die Lebensführung des Jugendlichen regeln
und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen. Dabei dürfen an die Lebensführung
des Jugendlichen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. Der Richter kann dem
Jugendlichen insbesondere auferlegen,
1. Weisungen zu befolgen, die sich auf den Aufenthaltsort beziehen,
2. bei einer Familie oder in einem Heim zu wohnen,
3. eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle anzunehmen,
4. Arbeitsleistungen zu erbringen,
5. sich der Betreuung und Aufsicht einer bestimmten Person (Betreuungshelfer) zu unterstellen,
6. an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen,
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7. sich zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich),
8. den Verkehr mit bestimmten Personen oder den Besuch von Gast- oder Vergnügungsstätten
zu unterlassen oder
9. an einem Verkehrsunterricht teilzunehmen.
(2) Der Richter kann dem Jugendlichen auch mit Zustimmung des Erziehungsberechtigten und
des gesetzlichen Vertreters auferlegen, sich einer heilerzieherischen Behandlung durch einen
Sachverständigen oder einer Entziehungskur zu unterziehen. Hat der Jugendliche das sechzehnte Lebensjahr vollendet, so soll dies nur mit seinem Einverständnis geschehen.
§ 11 Laufzeit und nachträgliche Änderung von Weisungen
Folgen der Zuwiderhandlung
(1) Der Richter bestimmt die Laufzeit der Weisungen. Die Laufzeit darf zwei Jahre nicht überschreiten; sie soll bei einer Weisung nach § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 nicht mehr als ein Jahr, bei
einer Weisung nach § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 nicht mehr als sechs Monate betragen.
(2) Der Richter kann Weisungen ändern, von ihnen befreien oder ihre Laufzeit vor Ablauf bis
auf drei Jahre verlängern, wenn dies aus Gründen der Erziehung geboten ist. (3) Kommt der
Jugendliche Weisungen schuldhaft nicht nach, so kann Jugendarrest verhängt werden, wenn
eine Belehrung über die Folgen schuldhafter Zuwiderhandlung erfolgt war. Hiernach verhängter
Jugendarrest darf bei einer Verurteilung insgesamt die Dauer von vier Wochen nicht überschreiten. Der Richter sieht von der Vollstreckung des Jugendarrestes ab, wenn der Jugendliche nach
Verhängung des Arrestes der Weisung nachkommt.
§ 12 Hilfe zur Erziehung
Der Richter kann dem Jugendlichen nach Anhörung des Jugendamts auch auferlegen, unter den
im Achten Buch Sozialgesetzbuch genannten Voraussetzungen Hilfe zur Erziehung 1. in Form
der Erziehungsbeistandschaft im Sinne des § 30 des Achten Buches Sozialgesetzbuch oder 2. in
einer Einrichtung über Tag und Nacht oder in einer sonstigen betreuten Wohnform im Sinne des
§ 34 des Achten Buches Sozialgesetzbuch in Anspruch zu nehmen.
Dritter Abschnitt, Zuchtmittel
§ 13 Arten und Anwendung
(1) Der Richter ahndet die Straftat mit Zuchtmitteln, wenn Jugendstrafe nicht geboten ist, dem
Jugendlichen aber eindringlich zum Bewußtsein gebracht werden muß, daß er für das von ihm
begangene Unrecht einzustehen hat.
(2) Zuchtmittel sind
1. die Verwarnung,
2. die Erteilung von Au? agen,
3. der Jugendarrest.
(3) Zuchtmittel haben nicht die Rechtswirkungen einer Strafe.
§ 14 Verwarnung
Durch die Verwarnung soll dem Jugendlichen das Unrecht der Tat eindringlich vorgehalten werden.
§ 15 Au? agen
(1) Der Richter kann dem Jugendlichen auferlegen,
1. nach Kräften den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen,
2. sich persönlich bei dem Verletzten zu entschuldigen,
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3. Arbeitsleistungen zu erbringen oder
4. einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen.
Dabei dürfen an den Jugendlichen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.
(2) Der Richter soll die Zahlung eines Geldbetrages nur anordnen, wenn
1. der Jugendliche eine leichte Verfehlung begangen hat und anzunehmen ist, daß er den Geldbetrag aus Mitteln zahlt, über die er selbständig verfügen darf, oder
2. dem Jugendlichen der Gewinn, den er aus der Tat erlangt, oder das Entgelt, das er für sie erhalten hat, entzogen werden soll.
(3) Der Richter kann nachträglich Au? agen ändern oder von ihrer Erfüllung ganz oder zum Teil
befreien, wenn dies aus Gründen der Erziehung geboten ist. Bei schuldhafter Nichterfüllung von
Au? agen gilt § 11 Abs. 3 entsprechend. Ist Jugendarrest vollstreckt worden, so kann der Richter
die Au? agen ganz oder zum Teil für erledigt erklären.
§ 16 Jugendarrest
(1) Der Jugendarrest ist Freizeitarrest, Kurzarrest oder Dauerarrest.
(2) Der Freizeitarrest wird für die wöchentliche Freizeit des Jugendlichen verhängt und
auf eine oder zwei Freizeiten bemessen.
(3) Der Kurzarrest wird statt des Freizeitarrestes verhängt, wenn der zusammenhängende Vollzug aus Gründen der Erziehung zweckmäßig erscheint und weder die Ausbildung noch die Arbeit des Jugendlichen beeinträchtigt werden. Dabei stehen zwei Tage Kurzarrest einer Freizeit
gleich.
(4) Der Dauerarrest beträgt mindestens eine Woche und höchstens vier Wochen. Er wird nach
vollen Tagen oder Wochen bemessen.
Vierter Abschnitt, Die Jugendstrafe
§ 17 Form und Voraussetzungen
(1) Die Jugendstrafe ist Freiheitsentzug in einer für ihren Vollzug vorgesehenen Einrichtung.
(2) Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung
nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist.
§ 18 Dauer der Jugendstrafe
(1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt
es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so ist das Höchstmaß zehn Jahre. Die
Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht.
(2) Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, daß die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist.
§ 19 -
Fünfter Abschnitt, Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung
§ 20 (weggefallen)
§ 21 Strafaussetzung
(1) Bei der Verurteilung zu einer Jugendstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt der Richter
die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Jugendliche sich
schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs unter der erzieherischen Einwirkung in der Bewährungszeit künftig einen rechtschaffenen
Lebenswandel führen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Jugendlichen, sein
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Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und
die Wirkungen zu berücksichtigen, die von
der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.
(2) Der Richter setzt unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer
höheren Jugendstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aus, wenn nicht die Vollstreckung im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen geboten ist.
(3) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Jugendstrafe beschränkt werden. Sie wird
durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht
ausgeschlossen.
§ 22 Bewährungszeit
(1) Der Richter bestimmt die Dauer der Bewährungszeit. Sie darf drei Jahre nicht überschreiten
und zwei Jahre nicht unterschreiten.
(2) Die Bewährungszeit beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Aussetzung der
Jugendstrafe. Sie kann nachträglich bis auf ein Jahr verkürzt oder vor ihrem Ablauf bis auf vier
Jahre verlängert werden. In den Fällen des § 21 Abs. 2 darf die Bewährungszeit jedoch nur bis
auf zwei Jahre verkürzt werden.
§ 23 Weisungen und Au? agen
(1) Der Richter soll für die Dauer der Bewährungszeit die Lebensführung des Jugendlichen
durch Weisungen erzieherisch beein? ussen. Er kann dem Jugendlichen auch Au? agen erteilen.
Diese Anordnungen kann er auch nachträglich treffen, ändern oder aufheben. Die §§ 10, 11 Abs.
3 und § 15 Abs. 1, 2, 3 Satz 2 gelten entsprechend.
(2) Macht der Jugendliche Zusagen für seine künftige Lebensführung oder erbietet er sich zu
angemessenen Leistungen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen, so sieht der
Richter in der Regel von entsprechenden Weisungen oder Au? agen vorläu? g ab, wenn die Erfüllung der Zusagen oder des Anerbietens zu erwarten ist.
§ 24 Bewährungshilfe
(1) Der Richter unterstellt den Jugendlichen in der Bewährungszeit für höchstens zwei Jahre der
Aufsicht und Leitung eines hauptamtlichen Bewährungshelfers. Er kann ihn auch einem ehrenamtlichen Bewährungshelfer unterstellen, wenn dies aus Gründen der Erziehung zweckmäßig
erscheint. § 22 Abs. 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(2) Der Richter kann eine nach Absatz 1 getroffene Entscheidung vor Ablauf der Unterstellungszeit ändern oder aufheben; er kann auch die Unterstellung des Jugendlichen in der Bewährungszeit erneut anordnen. Dabei kann das in Absatz 1 Satz 1 bestimmte Höchstmaß überschritten
werden.
(3) Der Bewährungshelfer steht dem Jugendlichen helfend und betreuend zur Seite. Er überwacht im Einvernehmen mit dem Richter die Erfüllung der Weisungen, Au? agen, Zusagen und
Anerbieten. Der Bewährungshelfer soll die Erziehung des Jugendlichen fördern und möglichst
mit dem Erziehungsberechtigten und dem gesetzlichen Vertreter vertrauensvoll zusammenwirken. Er hat bei der Ausübung seines Amtes das Recht auf Zutritt zu dem Jugendlichen. Er kann
von dem Erziehungsberechtigten, dem gesetzlichen Vertreter, der Schule, dem Ausbildenden
Auskunft über die Lebensführung des Jugendlichen verlangen.
§ 25 Bestellung und P? ichten des Bewährungshelfers
Der Bewährungshelfer wird vom Richter bestellt. Der Richter kann ihm für seine Tätigkeit nach
§ 24 Abs. 3 Anweisungen erteilen. Der Bewährungshelfer berichtet über die Lebensführung des
Jugendlichen in Zeitabständen, die der Richter bestimmt. Gröbliche oder beharrliche Verstöße
gegen Weisungen, Au? agen, Zusagen oder Anerbieten teilt er dem Richter mit.
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§ 26 Widerruf der Strafaussetzung
(1) Der Richter widerruft die Aussetzung der Jugendstrafe, wenn der Jugendliche
1. in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der
Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat,
2. gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung des
Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlaß zu der Besorgnis gibt, daß er erneut
Straftaten begehen wird, oder
3. gegen Au? agen gröblich oder beharrlich verstößt. Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend, wenn die
Tat in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung und deren Rechtskraft begangen worden ist.
(2) Der Richter sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht
1. weitere Weisungen oder Au? agen zu erteilen,
2. die Bewährungs- oder Unterstellungszeit bis zu einem Höchstmaß von vier Jahren zu verlängern oder
3. den Jugendlichen vor Ablauf der Bewährungszeit erneut einem Bewährungshelfer zu unterstellen.
(3) Leistungen, die der Jugendliche zur Erfüllung von Weisungen, Au? agen, Zusagen oder Anerbieten (§ 23) erbracht hat, werden nicht erstattet. Der Richter kann jedoch, wenn er die Strafaussetzung widerruft, Leistungen, die der Jugendliche zur Erfüllung von Au? agen oder entsprechenden Anerbieten erbracht hat, auf die Jugendstrafe anrechnen.
§ 26a Erlaß der Jugendstrafe
Widerruft der Richter die Strafaussetzung nicht, so erläßt er die Jugendstrafe nach Ablauf der
Bewährungszeit. § 26 Abs. 3 Satz 1 ist anzuwenden.
Sechster Abschnitt, Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe
§ 27 Voraussetzungen
Kann nach Erschöpfung der Ermittlungsmöglichkeiten nicht mit Sicherheit beurteilt werden, ob
in der Straftat eines Jugendlichen schädliche Neigungen von einem Umfang hervorgetreten
sind, daß eine Jugendstrafe erforderlich ist, so kann der Richter die Schuld des Jugendlichen
feststellen, die Entscheidung über die Verhängung der Jugendstrafe aber für eine von ihm zu
bestimmende Bewährungszeit aussetzen.
§ 28 Bewährungszeit
(1) Die Bewährungszeit darf zwei Jahre nicht überschreiten und ein Jahr nicht unterschreiten.
(2) Die Bewährungszeit beginnt mit der Rechtskraft des Urteils, in dem die Schuld des Jugendlichen festgestellt wird. Sie kann nachträglich bis auf ein Jahr verkürzt oder vor ihrem Ablauf
bis auf zwei Jahre verlängert werden.
§ 29 Bewährungshilfe
Der Jugendliche wird für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt. Die §§ 23, 24 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 und 3 und
die §§ 25, 28 Abs. 2 Satz 1 sind entsprechend anzuwenden.
§ 30 Verhängung der Jugendstrafe
Tilgung des Schuldspruchs
(1) Stellt sich vor allem durch schlechte Führung des Jugendlichen während der Bewährungszeit
heraus, daß die in dem Schuldspruch mißbilligte Tat auf schädliche Neigungen von einem Umfang zurückzuführen ist, daß eine Jugendstrafe erforderlich ist, so erkennt der Richter auf die
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Strafe, die er im Zeitpunkt des Schuldspruchs bei sicherer Beurteilung der schädlichen Neigungen des Jugendlichen ausgesprochen hätte.
(2) Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 1 nach Ablauf der Bewährungszeit nicht vor, so
wird der Schuldspruch getilgt.
Siebenter Abschnitt, Mehrere Straftaten
§ 31 Mehrere Straftaten eines Jugendlichen
(1) Auch wenn ein Jugendlicher mehrere Straftaten begangen hat, setzt der Richter nur einheitlich Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe fest. Soweit es dieses Gesetz
zuläßt (§ 8), können ungleichartige Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel nebeneinander angeordnet oder Maßnahmen mit der Strafe verbunden werden. Die gesetzlichen Höchstgrenzen des
Jugendarrestes und der Jugendstrafe dürfen nicht überschritten werden.
(2) Ist gegen den Jugendlichen wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig die Schuld
festgestellt oder eine Erziehungsmaßregel, ein Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe festgesetzt
worden, aber noch nicht vollständig ausgeführt, verbüßt oder sonst erledigt, so wird unter Einbeziehung des Urteils in gleicher Weise nur einheitlich auf Maßnahmen oder Jugendstrafe erkannt. Die Anrechnung bereits verbüßten Jugendarrestes steht im Ermessen des Richters, wenn
er auf Jugendstrafe erkennt.
(3) Ist es aus erzieherischen Gründen zweckmäßig, so kann der Richter davon absehen, schon
abgeurteilte Straftaten in die neue Entscheidung einzubeziehen. Dabei kann er Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel für erledigt erklären, wenn er auf Jugendstrafe erkennt.
§ 32 Mehrere Straftaten in verschiedenen Alters- und Reifestufen
Für mehrere Straftaten, die gleichzeitig abgeurteilt werden und auf die teils Jugendstrafrecht
und teils allgemeines Strafrecht anzuwenden wäre, gilt einheitlich das Jugendstrafrecht, wenn
das Schwergewicht bei den Straftaten liegt, die nach Jugendstrafrecht zu beurteilen wären. Ist
dies nicht der Fall, so ist einheitlich das allgemeine Strafrecht anzuwenden.
Zweites Hauptstück, Jugendgerichtsverfassung und Jugendstrafverfahren
Erster Abschnitt, Jugendgerichtsverfassung
§ 33 Jugendgerichte
(1) Über Verfehlungen Jugendlicher entscheiden die Jugendgerichte.
(2) Jugendgerichte sind der Strafrichter als Jugendrichter, das Schöffengericht (Jugendschöffengericht) und die Strafkammer (Jugendkammer).
(3) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu regeln, daß ein
Richter bei einem Amtsgericht zum Jugendrichter für den Bezirk mehrerer Amtsgerichte (Bezirksjugendrichter) bestellt und daß bei einem Amtsgericht ein gemeinsames Jugendschöffengericht für den Bezirk mehrerer Amtsgerichte eingerichtet wird. Die Landesregierungen können
die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.
§ 33a
(1) Das Jugendschöffengericht besteht aus dem Jugendrichter als Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen. Als Jugendschöffen sollen zu jeder Hauptverhandlung ein Mann und eine Frau
herangezogen werden.
(2) Bei Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung wirken die Jugendschöffen nicht
mit.
§ 33b
(1) Die Jugendkammer ist mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Jugend-
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schöffen (große Jugendkammer), in Verfahren über Berufungen gegen Urteile des Jugendrichters mit dem Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen (kleine Jugendkammer) besetzt.
(2) Bei Eröffnung des Hauptverfahrens beschließt die große Jugendkammer, daß sie in der
Hauptverhandlung mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen
besetzt ist, wenn nicht die Sache nach den allgemeinen Vorschriften einschließlich der Regelung
des § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes zur Zuständigkeit des Schwurgerichts gehört oder
nach dem Umfang oder der Schwierigkeit der Sache die Mitwirkung eines dritten Richters notwendig erscheint. Ist eine Sache vom Revisionsgericht zurückverwiesen worden, kann die nunmehr zuständige Jugendkammer erneut nach Satz 1 über ihre Besetzung beschließen.
(3) § 33a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 gilt entsprechend.
§ 34 Aufgaben des Jugendrichters
(1) Dem Jugendrichter obliegen alle Aufgaben, die ein Richter beim Amtsgericht im Strafverfahren hat.
(2) Dem Jugendrichter sollen für die Jugendlichen die familien- und vormundschaftsrichterlichen Erziehungsaufgaben übertragen werden. Aus besonderen Gründen, namentlich wenn der
Jugendrichter für den Bezirk mehrerer Amtsgerichte bestellt ist, kann hiervon abgewichen werden.
(3) Familien- und vormundschaftsrichterliche Erziehungsaufgaben sind
1. die Unterstützung der Eltern, des Vormundes und des P? egers durch geeignete Maßnahmen
(§ 1631 Abs. 3, §§ 1800, 1915 des Bürgerlichen Gesetzbuches),
2. die Maßnahmen zur Abwendung einer Gefährdung des Jugendlichen (§§ 1666, 1666a, 1837
Abs. 4, § 1915 des Bürgerlichen Gesetzbuches).
3. (weggefallen)
§ 35 Jugendschöffen
(1) Die Schöffen der Jugendgerichte (Jugendschöffen) werden auf Vorschlag des Jugendhilfeausschusses für die Dauer von fünf Geschäftsjahren von dem in § 40 des Gerichtsverfassungsgesetzes vorgesehenen Ausschuß gewählt. Dieser soll eine gleiche Anzahl von Männern und
Frauen wählen.
(2) Der Jugendhilfeausschuß soll ebensoviele Männer wie Frauen und muss mindestens die
doppelte Anzahl von Personen vorschlagen, die als Jugendschöffen und –hilfsschöffen benötigt
werden. Die Vorgeschlagenen sollen erzieherisch befähigt und in der Jugenderziehung erfahren
sein.
(3) Die Vorschlagsliste des Jugendhilfeausschusses gilt als Vorschlagsliste im Sinne des § 36
des Gerichtsverfassungsgesetzes. Für die Aufnahme in die Liste ist die Zustimmung von zwei
Dritteln der stimmberechtigten Mitglieder erforderlich. Die Vorschlagsliste ist im Jugendamt
eine Woche lang zu jedermanns Einsicht aufzulegen. Der Zeitpunkt der Au? egung ist vorher
öffentlich bekanntzumachen.
(4) Bei der Entscheidung über Einsprüche gegen die Vorschlagsliste des Jugendhilfeausschusses
und bei der Wahl der Jugendschöffen und -hilfsschöffen führt der Jugendrichter den Vorsitz in
dem Schöffenwahlausschuß.
(5) Die Jugendschöffen werden in besondere für Männer und Frauen getrennt zu führende
Schöffenlisten aufgenommen.
§ 36 Jugendstaatsanwalt
Für Verfahren, die zur Zuständigkeit der Jugendgerichte gehören, werden Jugendstaatsanwälte
bestellt.
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§ 37 Auswahl der Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte
Die Richter bei den Jugendgerichten und die Jugendstaatsanwälte sollen erzieherisch befähigt
und in der Jugenderziehung erfahren sein.
§ 38 Jugendgerichtshilfe
(1) Die Jugendgerichtshilfe wird von den Jugendämtern im Zusammenwirken mit den Vereinigungen für Jugendhilfe ausgeübt.
(2) Die Vertreter der Jugendgerichtshilfe bringen die erzieherischen, sozialen und fürsorgerischen Gesichtspunkte im Verfahren vor den Jugendgerichten zur Geltung. Sie unterstützen zu
diesem Zweck die beteiligten Behörden durch Erforschung der Persönlichkeit, der Entwicklung
und der Umwelt des Beschuldigten und äußern sich zu den Maßnahmen, die zu ergreifen sind.
In Haftsachen berichten sie beschleunigt über das Ergebnis ihrer Nachforschungen. In die
Hauptverhandlung soll der Vertreter der Jugendgerichtshilfe entsandt werden, der die Nachforschungen angestellt hat. Soweit nicht ein Bewährungshelfer dazu berufen ist, wachen sie darüber, daß der Jugendliche Weisungen und Au? agen nachkommt. Erhebliche Zuwiderhandlungen
teilen sie dem Richter mit. Im Fall der Unterstellung nach § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 üben sie die
Betreuung und Aufsicht aus, wenn der Richter nicht eine andere Person damit betraut. Während
der Bewährungszeit arbeiten sie eng mit dem Bewährungshelfer zusammen. Während des Vollzugs bleiben sie mit dem Jugendlichen in Verbindung und nehmen sich seiner Wiedereingliederung in die Gemeinschaft an.
(3) Im gesamten Verfahren gegen einen Jugendlichen ist die Jugendgerichtshilfe heranzuziehen.
Dies soll so früh wie möglich geschehen. Vor der Erteilung von Weisungen (§ 10) sind die Vertreter der Jugendgerichtshilfe stets zu hören; kommt eine Betreuungsweisung in Betracht, sollen
sie sich auch dazu äußern, wer als Betreuungshelfer bestellt werden soll.
Zweiter Abschnitt, Zuständigkeit
§ 39 Sachliche Zuständigkeit des Jugendrichters
(1) Der Jugendrichter ist zuständig für Verfehlungen Jugendlicher, wenn nur Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel, nach diesem Gesetz zulässige Nebenstrafen und Nebenfolgen oder die Entziehung der Fahrerlaubnis zu erwarten sind und der Staatsanwalt Anklage beim Strafrichter
erhebt. Der Jugendrichter ist nicht zuständig in Sachen, die nach § 103 gegen Jugendliche und
Erwachsene verbunden sind, wenn für die Erwachsenen nach allgemeinen Vorschriften der
Richter beim Amtsgericht nicht zuständig wäre. § 209 Abs. 2 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend.
(2) Der Jugendrichter darf auf Jugendstrafe von mehr als einem Jahr nicht erkennen; die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus darf er nicht anordnen.
§ 40 Sachliche Zuständigkeit des Jugendschöffengerichts
(1) Das Jugendschöffengericht ist zuständig für alle Verfehlungen, die nicht zur Zuständigkeit
eines anderen Jugendgerichts gehören. § 209 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend.
(2) Das Jugendschöffengericht kann bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens von Amts wegen
die Entscheidung der Jugendkammer darüber herbeiführen, ob sie eine Sache wegen ihres besonderen Umfangs übernehmen will.
(3) Vor Erlaß des Übernahmebeschlusses fordert der Vorsitzende der Jugendkammer den Angeschuldigten auf, sich innerhalb einer zu bestimmenden Frist zu erklären, ob er die Vornahme
einzelner Beweiserhebungen vor der Hauptverhandlung beantragen will.
(4) Der Beschluß, durch den die Jugendkammer die Sache übernimmt oder die Übernahme ablehnt, ist nicht anfechtbar. Der Übernahmebeschluß ist mit dem Eröffnungsbeschluß zu verbinden.
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§ 41 Sachliche Zuständigkeit der Jugendkammer
(1) Die Jugendkammer ist als erkennendes Gericht des ersten Rechtszuges zuständig in Sachen,
1. die nach den allgemeinen Vorschriften einschließlich der Regelung des § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes zur Zuständigkeit des Schwurgerichts gehören,
2. die sie nach Vorlage durch das Jugendschöffengericht wegen ihres besonderen Umfangs übernimmt (§ 40 Abs. 2),
3. die nach § 103 gegen Jugendliche und Erwachsene verbunden sind, wenn für die Erwachsenen nach allgemeinen Vorschriften eine große Strafkammer zuständig wäre und
4. bei denen die Staatsanwaltschaft wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit von Verletzten
der Straftat, die als Zeugen in Betracht kommen, Anklage bei der Jugendkammer erhebt.
(2) Die Jugendkammer ist außerdem zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über das
Rechtsmittel der Berufung gegen die Urteile des Jugendrichters und des Jugendschöffengerichts. Sie trifft auch die in § 73 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Entscheidungen.
§ 42 Örtliche Zuständigkeit
(1) Neben dem Richter, der nach dem allgemeinen Verfahrensrecht oder nach besonderen Vorschriften zuständig ist, sind zuständig1. der Richter, dem die familien- oder vormundschaftsrichterlichen Erziehungsaufgaben für den Beschuldigten obliegen,
2. der Richter, in dessen Bezirk sich der auf freiem Fuß be? ndliche Beschuldigte zur Zeit der
Erhebung der Anklage aufhält,
3. solange der Beschuldigte eine Jugendstrafe noch nicht vollständig verbüßt hat, der Richter,
dem die Aufgaben des Vollstreckungsleiters obliegen.
(2) Der Staatsanwalt soll die Anklage nach Möglichkeit vor dem Richter erheben, dem die familien- oder vormundschaftsrichterlichen Erziehungsaufgaben obliegen, solange aber der Beschuldigte eine Jugendstrafe noch nicht vollständig verbüßt hat, vor dem Richter, dem die Aufgaben des Vollstreckungsleiters obliegen.
(3) Wechselt der Angeklagte seinen Aufenthalt, so kann der Richter das Verfahren mit Zustimmung des Staatsanwalts an den Richter abgeben, in dessen Bezirk sich der Angeklagte aufhält.
Hat der Richter, an den das Verfahren abgegeben worden ist, gegen die Übernahme Bedenken,
so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht.
Dritter Abschnitt, Jugendstrafverfahren
Erster Unterabschnitt, Das Vorverfahren
§ 43 Umfang der Ermittlungen
(1) Nach Einleitung des Verfahrens sollen so bald wie möglich die Lebens- und Familienverhältnisse, der Werdegang, das bisherige Verhalten des Beschuldigten und alle übrigen Umstände ermittelt werden, die zur Beurteilung seiner seelischen, geistigen und charakterlichen Eigenart dienen können. Der Erziehungsberechtigte und der gesetzliche Vertreter, die Schule und der
Ausbildende sollen, soweit möglich, gehört werden. Die Anhörung der Schule oder des Ausbildenden unterbleibt, wenn der Jugendliche davon unerwünschte Nachteile, namentlich den Verlust seines Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes, zu besorgen hätte. § 38 Abs. 3 ist zu beachten.
(2) Soweit erforderlich, ist eine Untersuchung des Beschuldigten, namentlich zur Feststellung
seines Entwicklungsstandes oder anderer für das Verfahren wesentlicher Eigenschaften, herbeizuführen. Nach Möglichkeit soll ein zur Untersuchung von Jugendlichen befähigter Sachverständiger mit der Durchführung der Anordnung beauftragt werden.
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§ 44 Vernehmung des Beschuldigten
Ist Jugendstrafe zu erwarten, so soll der Staatsanwalt oder der Vorsitzende des Jugendgerichts
den Beschuldigten vernehmen, ehe die Anklage erhoben wird.
§ 45 Absehen von der Verfolgung
(1) Der Staatsanwalt kann ohne Zustimmung des Richters von der Verfolgung absehen, wenn
die Voraussetzungen des § 153 der Strafprozeßordnung vorliegen.
(2) Der Staatsanwalt sieht von der Verfolgung ab, wenn eine erzieherische Maßnahme bereits
durchgeführt oder eingeleitet ist und er weder eine Beteiligung des Richters nach Absatz 3 noch
die Erhebung der Anklage für erforderlich hält. Einer erzieherischen Maßnahme steht das Bemühen des Jugendlichen gleich, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Der Staatsanwalt regt die Erteilung einer Ermahnung, von Weisungen nach § 10 Abs. 1 Satz
3 Nr. 4, 7 und 9 oder von Au? agen durch den Jugendrichter an, wenn der Beschuldigte geständig ist und der Staatsanwalt die Anordnung einer solchen richterlichen Maßnahme für erforderlich, die Erhebung der Anklage aber nicht für geboten hält. Entspricht der Jugendrichter der
Anregung, so sieht der Staatsanwalt von der Verfolgung ab, bei Erteilung von Weisungen oder
Au? agen jedoch nur, nachdem der Jugendliche ihnen nachgekommen ist. § 11 Abs. 3 und § 15
Abs. 3 Satz 2 sind nicht anzuwenden. § 47 Abs. 3 ? ndet entsprechende Anwendung.
§ 46 Wesentliches Ergebnis der Ermittlungen
Der Staatsanwalt soll das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen in der Anklageschrift (§ 200
Abs. 2 der Strafprozeßordnung) so darstellen, daß die Kenntnisnahme durch den Beschuldigten
möglichst keine Nachteile für seine Erziehung verursacht.
Zweiter Unterabschnitt, Das Hauptverfahren
§ 47 Einstellung des Verfahrens durch den Richter
(1) Ist die Anklage eingereicht, so kann der Richter das Verfahren einstellen, wenn
1. die Voraussetzungen des § 153 der Strafprozeßordnung vorliegen,
2. eine erzieherische Maßnahme im Sinne des § 45 Abs. 2, die eine Entscheidung durch Urteil
entbehrlich macht, bereits durchgeführt oder eingeleitet ist,
3. der Richter eine Entscheidung durch Urteil für entbehrlich hält und gegen den geständigen
Jugendlichen eine in § 45 Abs. 3 Satz 1 bezeichnete Maßnahme anordnet oder
4. der Angeklagte mangels Reife strafrechtlich nicht verantwortlich ist. In den Fällen von Satz
1 Nr. 2 und 3 kann der Richter mit Zustimmung des Staatsanwalts das Verfahren vorläu? g einstellen und dem Jugendlichen eine Frist von höchstens sechs Monaten setzen, binnen der er den
Au? agen, Weisungen oder erzieherischen Maßnahmen nachzukommen hat. Die Entscheidung
ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Kommt der Jugendliche den Au? agen, Weisungen oder erzieherischen Maßnahmen nach, so stellt der Richter das Verfahren ein.
§ 11 Abs. 3 und § 15 Abs. 3 Satz 2 sind nicht anzuwenden.
(2) Die Einstellung bedarf der Zustimmung des Staatsanwalts, soweit er nicht bereits der vorläu? gen Einstellung zugestimmt hat. Der Einstellungsbeschluß kann auch in der Hauptverhandlung ergehen. Er wird mit Gründen versehen und ist nicht anfechtbar. Die Gründe werden dem
Angeklagten nicht mitgeteilt, soweit davon Nachteile für die Erziehung zu befürchten sind.
(3) Wegen derselben Tat kann nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel von neuem
Anklage erhoben werden.
204
§ 47a Vorrang der Jugendgerichte
Ein Jugendgericht darf sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens nicht für unzuständig erklären,
weil die Sache vor ein für allgemeine Strafsachen zuständiges Gericht gleicher oder niedrigerer
Ordnung gehöre. § 103 Abs. 2 Satz 2, 3 bleibt unberührt.
§ 48 Nichtöffentlichkeit
(1) Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Entscheidungen ist nicht öffentlich.
(2) Neben den am Verfahren Beteiligten ist dem Verletzten, seinem Erziehungsberechtigten und
seinem gesetzlichen Vertreter und, falls der Angeklagte der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers oder der Betreuung und Aufsicht eines Betreuungshelfers untersteht oder für ihn
ein Erziehungsbeistand bestellt ist, dem Helfer und dem Erziehungsbeistand die Anwesenheit
gestattet. Das gleiche gilt in den Fällen, in denen dem Jugendlichen Hilfe zur Erziehung in einem Heim oder einer vergleichbaren Einrichtung gewährt wird, für den Leiter der Einrichtung.
Andere Personen kann der Vorsitzende aus besonderen Gründen, namentlich zu Ausbildungszwecken, zulassen.
(3) Sind in dem Verfahren auch Heranwachsende oder Erwachsene angeklagt, so ist die Verhandlung öffentlich. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der
Erziehung jugendlicher Angeklagter geboten ist.
§ 49
(weggefallen)
§ 50 Anwesenheit in der Hauptverhandlung
(1) Die Hauptverhandlung kann nur dann ohne den Angeklagten statt? nden, wenn dies im allgemeinen Verfahren zulässig wäre, besondere Gründe dafür vorliegen und der Staatsanwalt zustimmt.
(2) Der Vorsitzende soll auch die Ladung des Erziehungsberechtigten und des gesetzlichen Vertreters anordnen. Die Vorschriften über die Ladung, die Folgen des Ausbleibens und die Entschädigung von Zeugen gelten entsprechend.
(3) Dem Vertreter der Jugendgerichtshilfe sind Ort und Zeit der Hauptverhandlung mitzuteilen.
Er erhält auf Verlangen das Wort.
(4) Nimmt ein bestellter Bewährungshelfer an der Hauptverhandlung teil, so soll er zu der Entwicklung des Jugendlichen in der Bewährungszeit gehört werden. Satz 1 gilt für einen bestellten
Betreuungshelfer und den Leiter eines sozialen Trainingskurses, an dem der Jugendliche teilnimmt, entsprechend.
§ 51 Zeitweilige Ausschließung von Beteiligten
(1) Der Vorsitzende soll den Angeklagten für die Dauer solcher Erörterungen von der Verhandlung ausschließen, aus denen Nachteile für die Erziehung entstehen können. Er hat ihn von dem,
was in seiner Abwesenheit verhandelt worden ist, zu unterrichten, soweit es für seine Verteidigung erforderlich ist.
(2) Der Vorsitzende kann auch Erziehungsberechtigte und gesetzliche Vertreter des Angeklagten
von der Verhandlung ausschließen, soweit
1. erhebliche erzieherische Nachteile drohen, weil zu befürchten ist, dass durch die Erörterung
der persönlichen Verhältnisse des Angeklagten in ihrer Gegenwart eine erforderliche künftige
Zusammenarbeit zwischen den genannten Personen und der Jugendgerichtshilfe bei der Umsetzung zu erwartender jugendgerichtlicher Sanktionen in erheblichem Maße erschwert wird,
2. sie verdächtig sind, an der Verfehlung des Angeklagten beteiligt zu sein, oder soweit sie wegen einer Beteiligung verurteilt sind,
205
3. eine Gefährdung des Lebens, des Leibes oder der Freiheit des Angeklagten, eines Zeugen
oder einer anderen Person oder eine sonstige erhebliche Beeinträchtigung des Wohls des Angeklagten zu besorgen ist,
4. zu befürchten ist, dass durch ihre Anwesenheit die Ermittlung der Wahrheit beeinträchtigt
wird, oder
5. Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Verfahrensbeteiligten, Zeugen oder
durch eine rechtswidrige Tat Verletzten zur Sprache kommen, deren Erörterung in ihrer Anwesenheit schutzwürdige Interessen verletzen würde, es sei denn, das Interesse der Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertreter an der Erörterung dieser Umstände in ihrer Gegenwart
überwiegt. Der Vorsitzende kann in den Fällen des Satzes 1 Nr. 3 bis 5 auch Erziehungsberechtigte und gesetzliche Vertreter des Verletzten von der Verhandlung ausschließen, im Fall der
Nummer 3 auch dann, wenn eine sonstige erhebliche Beeinträchtigung des Wohls des Verletzten
zu besorgen ist. Erziehungsberechtigte und gesetzliche Vertreter sind auszuschließen, wenn die
Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 5 vorliegen und der
Ausschluss von der Person, deren Lebensbereich betroffen ist, beantragt wird. Satz 1 Nr. 5 gilt
nicht, soweit die Personen, deren Lebensbereiche betroffen sind, in der Hauptverhandlung dem
Ausschluss widersprechen.
(3) § 177 des Gerichtsverfassungsgesetzes gilt entsprechend.
(4) In den Fällen des Absatzes 2 ist vor einem Ausschluss auf ein einvernehmliches Verlassen
des Sitzungssaales hinzuwirken. Der Vorsitzende hat die Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertreter des Angeklagten, sobald diese wieder anwesend sind, in geeigneter Weise von
dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was während ihrer Abwesenheit ausgesagt oder
sonst verhandelt worden ist.
(5) Der Ausschluss von Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertretern nach den Absätzen
2 und 3 ist auch zulässig, wenn sie zum Beistand (§ 69) bestellt sind.
§ 52 Berücksichtigung von Untersuchungshaft bei Jugendarrest
Wird auf Jugendarrest erkannt und ist dessen Zweck durch Untersuchungshaft oder eine andere
wegen der Tat erlittene Freiheitsentziehung ganz oder teilweise erreicht, so kann der Richter im
Urteil aussprechen, daß oder wieweit der Jugendarrest nicht vollstreckt wird.
§ 52a Anrechnung von Untersuchungshaft bei Jugendstrafe
(1) Hat der Angeklagte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist,
Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf die Jugendstrafe angerechnet. Der Richter kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil
unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Angeklagten nach der Tat oder aus erzieherischen Gründen nicht gerechtfertigt ist. Erzieherische Gründe liegen namentlich vor,
wenn bei Anrechnung der Freiheitsentziehung die noch erforderliche erzieherische Einwirkung
auf den Angeklagten nicht gewährleistet ist.
§ 53 Überweisung an den Familien- oder Vormundschaftsrichter
Der Richter kann dem Familien- oder Vormundschaftsrichter im Urteil die Auswahl und Anordnung von Erziehungsmaßregeln überlassen, wenn er nicht auf Jugendstrafe erkennt. Der Familien- oder Vormundschaftsrichter muß dann eine Erziehungsmaßregel anordnen, soweit sich
nicht die Umstände, die für das Urteil maßgebend waren, verändert haben.
§ 54 Urteilsgründe
(1) Wird der Angeklagte schuldig gesprochen, so wird in den Urteilsgründen auch ausgeführt,
welche Umstände für seine Bestrafung, für die angeordneten Maßnahmen, für die Überlassung
ihrer Auswahl und Anordnung an den Familien- oder Vormundschaftsrichter oder für das Abse-
206
hen von Zuchtmitteln und Strafe bestimmend waren. Dabei soll namentlich die seelische, geistige und körperliche Eigenart des Angeklagten berücksichtigt werden.
(2) Die Urteilsgründe werden dem Angeklagten nicht mitgeteilt, soweit davon Nachteile für die
Erziehung zu befürchten sind.
Dritter Unterabschnitt Rechtsmittelverfahren
§ 55 Anfechtung von Entscheidungen
(1) Eine Entscheidung, in der lediglich Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel angeordnet oder
die Auswahl und Anordnung von Erziehungsmaßregeln dem Familien- oder Vormundschaftsrichter überlassen sind, kann nicht wegen des Umfangs der Maßnahmen und nicht deshalb angefochten werden, weil andere oder weitere Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel hätten angeordnet werden sollen oder weil die Auswahl und Anordnung der Erziehungsmaßregeln dem
Familien- und Vormundschaftsrichter überlassen worden sind. Diese Vorschrift gilt nicht, wenn
der Richter angeordnet hat, Hilfe zur Erziehung nach § 12 Nr. 2 in Anspruch zu nehmen.
(2) Wer eine zulässige Berufung eingelegt hat, kann gegen das Berufungsurteil nicht mehr Revision einlegen. Hat der Angeklagte, der Erziehungsberechtigte oder der gesetzliche Vertreter
eine zulässige Berufung eingelegt, so steht gegen das Berufungsurteil keinem von ihnen das
Rechtsmittel der Revision zu.
(3) Der Erziehungsberechtigte oder der gesetzliche Vertreter kann das von ihm eingelegte
Rechtsmittel nur mit Zustimmung des Angeklagten zurücknehmen.
(4) Soweit ein Beteiligter nach Absatz 1 Satz 1 an der Anfechtung einer Entscheidung gehindert
ist oder nach Absatz 2 kein Rechtsmittel gegen die Berufungsentscheidung einlegen kann, gilt
§ 356a der Strafprozessordnung entsprechend.
§ 56 Teilvollstreckung einer Einheitsstrafe
(1) Ist ein Angeklagter wegen mehrer Straftaten zu einer Einheitsstrafe verurteilt worden, so
kann das Rechtsmittelgericht vor der Hauptverhandlung das Urteil für einen Teil der Strafe als
vollstreckbar erklären, wenn die Schuldfeststellungen bei einer Straftat oder bei mehreren Straftaten nicht beanstandet worden sind. Die Anordnung ist nur zulässig, wenn sie dem wohlverstandenen Interesse des Angeklagten entspricht. Der Teil der Strafe darf nicht über die Strafe
hinausgehen, die einer Verurteilung wegen
der Straftaten entspricht, bei denen die Schuldfeststellungen nicht beanstandet worden sind.
(2) Gegen den Beschluß ist sofortige Beschwerde zulässig.
Vierter Unterabschnitt,
Verfahren bei Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung
§ 57 Entscheidung über die Aussetzung
(1) Die Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung wird im Urteil oder, solange der Strafvollzug noch nicht begonnen hat, nachträglich durch Beschluß angeordnet. Für den nachträglichen
Beschluß ist der Richter zuständig, der in der Sache im ersten Rechtszug erkannt hat; der Staatsanwalt und der Jugendliche sind zu hören.
(2) Hat der Richter die Aussetzung im Urteil abgelehnt, so ist ihre nachträgliche Anordnung nur
zulässig, wenn seit Erlaß des Urteils Umstände hervorgetreten sind, die allein oder in Verbindung mit den bereits bekannten Umständen eine Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung
rechtfertigen.
(3) Kommen Weisungen oder Au? agen (§ 23) in Betracht, so ist der Jugendliche in geeigneten
Fällen zu befragen, ob er Zusagen für seine künftige Lebensführung macht oder sich zu Leistungen erbietet, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen. Kommt die Weisung in
207
Betracht, sich einer heilerzieherischen Behandlung oder einer Entziehungskur zu unterziehen,
so ist der Jugendliche, der das sechzehnte Lebensjahr vollendet hat, zu befragen, ob er hierzu
seine Einwilligung gibt.
(4) § 260 Abs. 4 Satz 4 und § 267 Abs. 3 Satz 4 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend.
§ 58 Weitere Entscheidungen
(1) Entscheidungen, die infolge der Aussetzung erforderlich werden (§§ 22, 23, 24, 26, 26a),
trifft der Richter durch Beschluß. Der Staatsanwalt, der Jugendliche und der Bewährungshelfer
sind zu hören. Wenn eine Entscheidung nach § 26 oder die Verhängung von Jugendarrest in Betracht kommt, ist dem Jugendlichen Gelegenheit zur mündlichen Äußerung vor dem Richter zu
geben. Der Beschluß ist zu begründen.
(2) Der Richter leitet auch die Vollstreckung der vorläu? gen Maßnahmen nach § 453c der Strafprozeßordnung.
(3) Zuständig ist der Richter, der die Aussetzung angeordnet hat. Er kann die Entscheidungen
ganz oder teilweise dem Jugendrichter übertragen, in dessen Bezirk sich der Jugendliche aufhält. § 42 Abs. 3 Satz 2 gilt entsprechend.
§ 59 Anfechtung
(1) Gegen eine Entscheidung, durch welche die Aussetzung der Jugendstrafe angeordnet oder
abgelehnt wird, ist, wenn sie für sich allein angefochten wird, sofortige Beschwerde zulässig.
Das gleiche gilt, wenn ein Urteil nur deshalb angefochten wird, weil die Strafe nicht ausgesetzt
worden ist.
(2) Gegen eine Entscheidung über die Dauer der Bewährungszeit (§ 22), die Dauer der Unterstellungszeit (§ 24), die erneute Anordnung der Unterstellung in der Bewährungszeit (§ 24 Abs.
2) und über Weisungen oder Au? agen (§ 23) ist Beschwerde zulässig. Sie kann nur darauf gestützt werden, daß die Bewährungs- oder die Unterstellungszeit nachträglich verlängert, die
Unterstellung erneut angeordnet worden oder daß eine getroffene Anordnung gesetzwidrig ist.
(3) Gegen den Widerruf der Aussetzung der Jugendstrafe (§ 26 Abs. 1) ist sofortige Beschwerde
zulässig.
(4) Der Beschluß über den Straferlaß (§ 26a) ist nicht anfechtbar.
(5) Wird gegen ein Urteil eine zulässige Revision und gegen eine Entscheidung, die sich auf
eine in dem Urteil angeordnete Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung bezieht, Beschwerde eingelegt, so ist das Revisionsgericht auch zur Entscheidung über die Beschwerde zuständig.
§ 60 Bewährungsplan
(1) Der Vorsitzende stellt die erteilten Weisungen und Au? agen in einem Bewährungsplan zusammen. Er händigt ihn dem Jugendlichen aus und belehrt ihn zugleich über die Bedeutung der
Aussetzung, die Bewährungs- und Unterstellungszeit, die Weisungen und Au? agen sowie über
die Möglichkeit des Widerrufs der Aussetzung. Zugleich ist ihm aufzugeben, jeden Wechsel
seines Aufenthalts, Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes während der Bewährungszeit anzuzeigen.
Auch bei nachträglichen Änderungen des Bewährungsplans ist der Jugendliche über den wesentlichen Inhalt zu belehren.
(2) Der Name des Bewährungshelfers wird in den Bewährungsplan eingetragen.
(3) Der Jugendliche soll durch seine Unterschrift bestätigen, daß er den Bewährungsplan
gelesen hat, und versprechen, daß er den Weisungen und Au? agen nachkommen will. Auch der
Erziehungsberechtigte und der gesetzliche Vertreter sollen den Bewährungsplan unterzeichnen.
208
§ 61
(weggefallen)
Fünfter Unterabschnitt, Verfahren bei Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe
§ 62 Entscheidungen
(1) Entscheidungen nach den §§ 27 und 30 ergehen auf Grund einer Hauptverhandlung durch
Urteil. Für die Entscheidung über die Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe gilt § 267
Abs. 3 Satz 4 der Strafprozeßordnung sinngemäß.
(2) Mit Zustimmung des Staatsanwalts kann die Tilgung des Schuldspruchs nach Ablauf der
Bewährungszeit auch ohne Hauptverhandlung durch Beschluß angeordnet werden.
(3) Ergibt eine während der Bewährungszeit durchgeführte Hauptverhandlung nicht, dass eine
Jugendstrafe erforderlich ist (§ 30 Abs. 1), so ergeht der Beschluß, daß die Entscheidung über
die Verhängung der Strafe ausgesetzt bleibt.
(4) Für die übrigen Entscheidungen, die infolge einer Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe erforderlich werden, gilt § 58 Abs. 1 Satz 1, 2 und 4 und Abs. 3 Satz 1 sinngemäß.
§ 63 Anfechtung
(1) Ein Beschluß, durch den der Schuldspruch nach Ablauf der Bewährungszeit getilgt wird (§
62 Abs. 2) oder die Entscheidung über die Verhängung der Jugendstrafe ausgesetzt bleibt (§ 62
Abs. 3), ist nicht anfechtbar.
(2) Im übrigen gilt § 59 Abs. 2 und 5 sinngemäß.
§ 64 Bewährungsplan
§ 60 gilt sinngemäß. Der Jugendliche ist über die Bedeutung der Aussetzung, die Bewährungsund Unterstellungszeit, die Weisungen und Au? agen sowie darüber zu belehren, daß er die Festsetzung einer Jugendstrafe zu erwarten habe, wenn er sich während der Bewährungszeit schlecht
führe.
Sechster Unterabschnitt, Ergänzende Entscheidungen
§ 65 Nachträgliche Entscheidungen über Weisungen und Au? agen
(1) Nachträgliche Entscheidungen, die sich auf Weisungen (§ 11 Abs. 2, 3) oder Au? agen (§ 15
Abs. 3) beziehen, trifft der Richter des ersten Rechtszuges nach Anhören des Staatsanwalts und
des Jugendlichen durch Beschluß. Soweit erforderlich, sind der Vertreter der Jugendgerichtshilfe, der nach § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 bestellte Betreuungshelfer und der nach § 10 Abs. 1 Satz 3
Nr. 6 tätige Leiter eines sozialen Trainingskurses zu hören. Wenn die Verhängung von Jugendarrest in Betracht kommt, ist dem Jugendlichen Gelegenheit zur mündlichen Äußerung vor dem
Richter zu geben. Der Richter kann das Verfahren an den Jugendrichter abgeben, in dessen Bezirk sich der Jugendliche aufhält, wenn dieser seinen Aufenthalt gewechselt hat. § 42 Abs. 3
Satz 2 gilt entsprechend.
(2) Hat der Richter die Änderung von Weisungen abgelehnt, so ist der Beschluß nicht anfechtbar. Hat er Jugendarrest verhängt, so ist gegen den Beschluß sofortige Beschwerde zulässig.
Diese hat aufschiebende Wirkung.
§ 66 Ergänzung rechtskräftiger Entscheidungen bei mehrfacher Verurteilung
(1) Ist die einheitliche Festsetzung von Maßnahmen oder Jugendstrafe (§ 31) unterblieben und
sind die durch die rechtskräftigen Entscheidungen erkannten Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel
und Strafen noch nicht vollständig ausgeführt, verbüßt oder sonst erledigt, so trifft der Richter
eine solche Entscheidung nachträglich. Dies gilt nicht, soweit der Richter nach § 31 Abs. 3 von
der Einbeziehung rechtskräftig abgeurteilter Straftaten abgesehen hatte.
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(2) Die Entscheidung ergeht auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil, wenn der Staatsanwalt es beantragt oder der Vorsitzende es für angemessen hält. Wird keine Hauptverhandlung
durchgeführt, so entscheidet der Richter durch Beschluß. Für die Zuständigkeit und das Beschlußverfahren gilt dasselbe wie für die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe nach den
allgemeinen Vorschriften. Ist eine Jugendstrafe teilweise verbüßt, so ist der Richter zuständig,
dem die Aufgaben des Vollstreckungsleiters obliegen.
Siebenter Unterabschnitt, Gemeinsame Verfahrensvorschriften
§ 67 Stellung des Erziehungsberechtigten und des gesetzlichen Vertreters
(1) Soweit der Beschuldigte ein Recht darauf hat, gehört zu werden, Fragen und Anträge zu
stellen oder bei Untersuchungshandlungen anwesend zu sein, steht dieses Recht auch dem Erziehungsberechtigten und dem gesetzlichen Vertreter zu.
(2) Ist eine Mitteilung an den Beschuldigten vorgeschrieben, so soll die entsprechende Mitteilung an den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Vertreter gerichtet werden.
(3) Die Rechte des gesetzlichen Vertreters zur Wahl eines Verteidigers und zur Einlegung von
Rechtsbehelfen stehen auch dem Erziehungsberechtigten zu.
(4) Der Richter kann diese Rechte dem Erziehungsberechtigten und dem gesetzlichen Vertreter
entziehen, soweit sie verdächtig sind, an der Verfehlung des Beschuldigten beteiligt zu sein,
oder soweit sie wegen einer Beteiligung verurteilt sind. Liegen die Voraussetzungen des Satzes
1 bei dem Erziehungsberechtigten oder dem gesetzlichen Vertreter vor, so kann der Richter die
Entziehung gegen beide aussprechen, wenn ein Mißbrauch der Rechte zu befürchten ist. Stehen
dem Erziehungsberechtigten und dem gesetzlichen Vertreter ihre Rechte nicht mehr zu, so bestellt der Vormundschaftsrichter einen P? eger zur Wahrnehmung der Interessen des Beschuldigten im anhängigen Strafverfahren. Die Hauptverhandlung wird bis zur Bestellung des P? egers
ausgesetzt.
(5) Sind mehrere erziehungsberechtigt, so kann jeder von ihnen die in diesem Gesetz bestimmten Rechte des Erziehungsberechtigten ausüben. In der Hauptverhandlung oder in einer sonstigen Verhandlung vor dem Richter wird der abwesende Erziehungsberechtigte als durch den
anwesenden vertreten angesehen. Sind Mitteilungen oder Ladungen vorgeschrieben, so genügt
es, wenn sie an einen Erziehungsberechtigten gerichtet werden.
§ 68 Notwendige Verteidigung
Der Vorsitzende bestellt dem Beschuldigten einen Verteidiger, wenn
1. einem Erwachsenen ein Verteidiger zu bestellen wäre,
2. dem Erziehungsberechtigten und dem gesetzlichen Vertreter ihre Rechte nach diesem
Gesetz entzogen sind,
3. der Erziehungsberechtigte und der gesetzliche Vertreter nach § 51 Abs. 2 von der Verhandlung ausgeschlossen worden sind und die Beeinträchtigung in der Wahrnehmung ihrer Rechte
durch eine nachträgliche Unterrichtung (§ 51 Abs. 4 Satz 2) nicht hinreichend ausgeglichen
werden kann,
4. zur Vorbereitung eines Gutachtens über den Entwicklungsstand des Beschuldigten (§ 73) seine Unterbringung in einer Anstalt in Frage kommt oder 5. gegen ihn Untersuchungshaft oder
einstweilige Unterbringung gemäß § 126a der Strafprozeßordnung vollstreckt wird, solange er
das achtzehnte Lebensjahr nicht vollendet hat; der Verteidiger wird unverzüglich bestellt.
§ 69 Beistand
(1) Der Vorsitzende kann dem Beschuldigten in jeder Lage des Verfahrens einen Beistand bestellen, wenn kein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt.
210
(2) Der Erziehungsberechtigte und der gesetzliche Vertreter dürfen nicht zum Beistand bestellt
werden, wenn hierdurch ein Nachteil für die Erziehung zu erwarten wäre.
(3) Dem Beistand kann Akteneinsicht gewährt werden. Im übrigen hat er in der Hauptverhandlung die Rechte eines Verteidigers.
§ 70 Mitteilungen
Die Jugendgerichtshilfe, in geeigneten Fällen auch der Vormundschaftsrichter, der Familienrichter und die Schule werden von der Einleitung und dem Ausgang des Verfahrens unterrichtet.
Sie benachrichtigen den Staatsanwalt, wenn ihnen bekannt wird, daß gegen den Beschuldigten
noch ein anderes Strafverfahren anhängig ist. Der Familien- und Vormundschaftsrichter teilt
dem Staatsanwalt ferner familien- und vormundschaftsgerichtliche Maßnahmen sowie ihre Änderung und Aufhebung mit, soweit nicht für den Familien- und Vormundschaftsrichter erkennbar ist, daß schutzwürdige Interessen des Beschuldigten oder des sonst von der Mitteilung Betroffenen an dem Ausschluß der Übermittlung überwiegen.
§ 71 Vorläu? ge Anordnungen über die Erziehung
(1) Bis zur Rechtskraft des Urteils kann der Richter vorläu? ge Anordnungen über die Erziehung
des Jugendlichen treffen oder die Gewährung von Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch anregen.
(2) Der Richter kann die einstweilige Unterbringung in einem geeigneten Heim der Jugendhilfe
anordnen, wenn dies auch im Hinblick auf die zu erwartenden Maßnahmen geboten ist, um den
Jugendlichen vor einer weiteren Gefährdung seiner Entwicklung, insbesondere vor der Begehung neuer Straftaten, zu bewahren. Für die einstweilige Unterbringung gelten die §§ 114 bis
115a, 117 bis 118b, 120, 125 und 126 der Strafprozeßordnung sinngemäß. Die Ausführung der
einstweiligen Unterbringung richtet sich nach den für das Heim der Jugendhilfe geltenden Regelungen.
§ 72 Untersuchungshaft
(1) Untersuchungshaft darf nur verhängt und vollstreckt werden, wenn ihr Zweck nicht durch
eine vorläu? ge Anordnung über die Erziehung oder durch andere Maßnahmen erreicht werden
kann. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit (§ 112 Abs. 1 Satz 2 der Strafprozeßordnung)
sind auch die besonderen Belastungen des Vollzuges für Jugendliche zu berücksichtigen. Wird
Untersuchungshaft verhängt, so sind im Haftbefehl die Gründe anzuführen, aus denen sich ergibt, daß andere Maßnahmen, insbesondere die einstweilige Unterbringung in einem Heim der
Jugendhilfe, nicht ausreichen und die Untersuchungshaft nicht unverhältnismäßig ist.
(2) Solange der Jugendliche das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist die Verhängung von Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr nur zulässig, wenn er
1. sich dem Verfahren bereits entzogen hatte oder Anstalten zur Flucht getroffen hat oder
2. im Geltungsbereich dieses Gesetzes keinen festen Wohnsitz oder Aufenthalt hat.
(3) Über die Vollstreckung eines Haftbefehls und über die Maßnahmen zur Abwendung seiner
Vollstreckung entscheidet der Richter, der den Haftbefehl erlassen hat, in dringenden Fällen der
Jugendrichter, in dessen Bezirk die Untersuchungshaft vollzogen werden müßte.
(4) Unter denselben Voraussetzungen, unter denen ein Haftbefehl erlassen werden kann, kann
auch die einstweilige Unterbringung in einem Heim der Jugendhilfe (§ 71 Abs. 2) angeordnet
werden. In diesem Fall kann der Richter den Unterbringungsbefehl nachträglich durch einen
Haftbefehl ersetzen, wenn sich dies als notwendig erweist.
(5) Be? ndet sich ein Jugendlicher in Untersuchungshaft, so ist das Verfahren mit besonderer
Beschleunigung durchzuführen.
(6) Die richterlichen Entscheidungen, welche die Untersuchungshaft betreffen, kann der zustän-
211
dige Richter aus wichtigen Gründen sämtlich oder zum Teil einem anderen Jugendrichter übertragen.
§ 72a Heranziehung der Jugendgerichtshilfe in Haftsachen
Die Jugendgerichtshilfe ist unverzüglich von der Vollstreckung eines Haftbefehls zu unterrichten; ihr soll bereits der Erlaß eines Haftbefehls mitgeteilt werden. Von der vorläu? gen Festnahme eines Jugendlichen ist die Jugendgerichtshilfe zu unterrichten, wenn nach dem Stand der
Ermittlungen zu erwarten ist, daß der Jugendliche gemäß § 128 der Strafprozeßordnung dem
Richter vorgeführt wird.
§ 73 Unterbringung zur Beobachtung
(1) Zur Vorbereitung eines Gutachtens über den Entwicklungsstand des Beschuldigten kann der
Richter nach Anhören eines Sachverständigen und des Verteidigers anordnen, dass der Beschuldigte in eine zur Untersuchung Jugendlicher geeignete Anstalt gebracht und dort beobachtet
wird. Im vorbereitenden Verfahren entscheidet der Richter, der für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständig wäre.
(2) Gegen den Beschluß ist sofortige Beschwerde zulässig. Sie hat aufschiebende Wirkung.
(3) Die Verwahrung in der Anstalt darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten.
§ 74 Kosten und Auslagen
Im Verfahren gegen einen Jugendlichen kann davon abgesehen werden, dem Angeklagten Kosten und Auslagen aufzuerlegen.
Achter Unterabschnitt, Vereinfachtes Jugendverfahren
§ 75 (weggefallen)
§ 76 Voraussetzungen des vereinfachten Jugendverfahrens
Der Staatsanwalt kann bei dem Jugendrichter schriftlich oder mündlich beantragen, im vereinfachten Jugendverfahren zu entscheiden, wenn zu erwarten ist, daß der Jugendrichter ausschließlich Weisungen erteilen, die Erziehungsbeistandschaft anordnen, Zuchtmittel verhängen,
auf ein Fahrverbot erkennen, die Fahrerlaubnis entziehen und eine Sperre von nicht mehr als
zwei Jahren festsetzen oder den Verfall oder die Einziehung aussprechen wird. Der Antrag des
Staatsanwalts steht der Anklage gleich.
§ 77 Ablehnung des Antrags
(1) Der Jugendrichter lehnt die Entscheidung im vereinfachten Verfahren ab, wenn sich die Sache hierzu nicht eignet, namentlich wenn die Anordnung von Hilfe zur Erziehung im Sinne des
§ 12 Nr. 2 oder die Verhängung von Jugendstrafe wahrscheinlich oder eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich ist. Der Beschluß kann bis zur Verkündung des Urteils ergehen. Er
ist nicht anfechtbar.
(2) Lehnt der Jugendrichter die Entscheidung im vereinfachten Verfahren ab, so reicht der
Staatsanwalt eine Anklageschrift ein.
§ 78 Verfahren und Entscheidung
(1) Der Jugendrichter entscheidet im vereinfachten Jugendverfahren auf Grund einer mündlichen Verhandlung durch Urteil. Er darf auf Hilfe zur Erziehung im Sinne des § 12 Nr. 2, Jugendstrafe oder Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht erkennen.
(2) Der Staatsanwalt ist nicht verp? ichtet, an der Verhandlung teilzunehmen. Nimmt er nicht
teil, so bedarf es seiner Zustimmung zu einer Einstellung des Verfahrens in der Verhandlung
oder zur Durchführung der Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten nicht.
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(3) Zur Vereinfachung, Beschleunigung und jugendgemäßen Gestaltung des Verfahrens darf von
Verfahrensvorschriften abgewichen werden, soweit dadurch die Erforschung der Wahrheit nicht
beeinträchtigt wird. Die Vorschriften über die Anwesenheit des Angeklagten (§ 50), die Stellung
des Erziehungsberechtigten und des gesetzlichen Vertreters (§ 67) und die Mitteilung von Entscheidungen (§ 70) müssen beachtet werden. Bleibt der Beschuldigte der mündlichen Verhandlung fern und ist sein Fernbleiben nicht genügend entschuldigt, so kann die Vorführung angeordnet werden, wenn dies mit der Ladung angedroht worden ist.
Neunter Unterabschnitt, Ausschluß von Vorschriften des allgemeinen Verfahrensrechts
§ 79 Strafbefehl und beschleunigtes Verfahren
(1) Gegen einen Jugendlichen darf kein Strafbefehl erlassen werden.
(2) Das beschleunigte Verfahren des allgemeinen Verfahrensrechts ist unzulässig.
§ 80 Privatklage und Nebenklage
(1) Gegen einen Jugendlichen kann Privatklage nicht erhoben werden. Eine Verfehlung, die
nach den allgemeinen Vorschriften durch Privatklage verfolgt werden kann, verfolgt der Staatsanwalt auch dann, wenn Gründe der Erziehung oder ein berechtigtes Interesse des Verletzten,
das dem Erziehungszweck nicht entgegensteht, es erfordern.
(2) Gegen einen jugendlichen Privatkläger ist Widerklage zulässig. Auf Jugendstrafe darf nicht
erkannt werden.
(3) Der erhobenen öffentlichen Klage kann sich als Nebenkläger nur anschließen, wer durch ein
Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder nach § 239 Abs. 3, § 239a oder § 239b des Strafgesetzbuchs, durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist,
oder durch ein Verbrechen nach § 251 des Strafgesetzbuchs, auch in Verbindung mit § 252 oder
§ 255 des Strafgesetzbuchs, verletzt worden ist. Im Übrigen gelten § 395 Abs. 2 Nr. 1 und §§
396 bis 402 der Strafprozessordnung entsprechend.
§ 81 Entschädigung des Verletzten
Die Vorschriften der Strafprozeßordnung über die Entschädigung des Verletzten (§§ 403 bis
406c der Strafprozeßordnung) werden im Verfahren gegen einen Jugendlichen nicht angewendet.
Drittes Hauptstück, Vollstreckung und Vollzug
Erster Abschnitt, Vollstreckung
Erster Unterabschnitt, Verfassung der Vollstreckung und Zuständigkeit
§ 82 Vollstreckungsleiter
(1) Vollstreckungsleiter ist der Jugendrichter. Er nimmt auch die Aufgaben wahr, welche die
Strafprozeßordnung der Strafvollstreckungskammer zuweist.
(2) Soweit der Richter Hilfe zur Erziehung im Sinne des § 12 angeordnet hat, richtet sich die
weitere Zuständigkeit nach den Vorschriften des Achten Buches Sozialgesetzbuch.
§ 83 Entscheidungen im Vollstreckungsverfahren
(1) Die Entscheidungen des Vollstreckungsleiters nach den §§ 86 bis 89a und 91 Abs. 2 sowie
nach den §§ 462a und 463 der Strafprozeßordnung sind jugendrichterliche Entscheidungen.
(2) Für die bei der Vollstreckung notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen gegen
eine vom Vollstreckungsleiter getroffene Anordnung ist die Jugendkammer in den Fällen zuständig, in denen
213
1. der Vollstreckungsleiter selbst oder unter seinem Vorsitz das Jugendschöffengericht im ersten
Rechtszug erkannt hat,
2. der Vollstreckungsleiter in Wahrnehmung der Aufgaben der Strafvollstreckungskammer über
seine eigene Anordnung zu entscheiden hätte.
(3) Die Entscheidungen nach den Absätzen 1 und 2 können, soweit nichts anderes bestimmt ist,
mit sofortiger Beschwerde angefochten werden. Die §§ 67 bis 69 gelten sinngemäß.
§ 84 Örtliche Zuständigkeit
(1) Der Jugendrichter leitet die Vollstreckung in allen Verfahren ein, in denen er selbst oder unter seinem Vorsitz das Jugendschöffengericht im ersten Rechtszug erkannt hat.
(2) Soweit, abgesehen von den Fällen des Absatzes 1, die Entscheidung eines anderen Richters
zu vollstrecken ist, steht die Einleitung der Vollstreckung dem Jugendrichter des Amtsgerichts
zu, dem die familien- oder vormundschaftsrichterlichen Erziehungsaufgaben obliegen. Ist in
diesen Fällen der Verurteilte volljährig, steht die Einleitung der Vollstreckung dem Jugendrichter des Amtsgerichts zu, dem die familien oder vormundschaftsrichterlichen Erziehungsaufgaben bei noch fehlender Volljährigkeit oblägen.
(3) In den Fällen der Absätze 1 und 2 führt der Jugendrichter die Vollstreckung durch, soweit §
85 nichts anderes bestimmt.
§ 85 Abgabe und Übergang der Vollstreckung
(1) Ist Jugendarrest zu vollstrecken, so gibt der zunächst zuständige Jugendrichter die Vollstreckung an den Jugendrichter ab, der nach § 90 Abs. 2 Satz 2 als Vollzugsleiter zuständig ist.
(2) Ist Jugendstrafe zu vollstrecken, so geht nach der Aufnahme des Verurteilten in die Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe die Vollstreckung auf den Jugendrichter des Amtsgerichts
über, in dessen Bezirk die Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe liegt. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, daß die Vollstreckung auf
den Jugendrichter eines anderen Amtsgerichts übergeht, wenn dies aus verkehrsmäßigen Gründen günstiger erscheint. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.
(3) Unterhält ein Land eine Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe auf dem Gebiet eines
anderen Landes, so können die beteiligten Länder vereinbaren, daß der Jugendrichter eines
Amtsgerichts des Landes, das die Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe unterhält, zuständig sein soll. Wird eine solche Vereinbarung getroffen, so geht die Vollstreckung auf den
Jugendrichter des Amtsgerichts über, in dessen Bezirk die für die Einrichtung für den Vollzug
der Jugendstrafe zuständige Aufsichtsbehörde ihren Sitz hat. Die Regierung des Landes, das die
Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe unterhält, wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, daß der Jugendrichter eines anderen Amtsgerichts zuständig wird, wenn
dies aus verkehrsmäßigen Gründen günstiger erscheint. Die Landesregierung kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltung übertragen.
(4) Absatz 2 gilt entsprechend bei der Vollstreckung einer Maßregel der Besserung und Sicherung nach § 61 Nr. 1 oder 2 des Strafgesetzbuches.
(5) Aus wichtigen Gründen kann der Vollstreckungsleiter die Vollstreckung widerru? ich an einen sonst nicht oder nicht mehr zuständigen Jugendrichter abgeben.
(6) Hat der Verurteilte das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet, so kann der nach den Absätzen 2 bis 4 zuständige Vollstreckungsleiter die Vollstreckung einer nach den Vorschriften des
Strafvollzugs für Erwachsene vollzogenen Jugendstrafe oder einer Maßregel der Besserung und
Sicherung an die nach den allgemeinen Vorschriften zuständige Vollstreckungsbehörde abgeben, wenn der Straf- oder Maßregelvollzug voraussichtlich noch länger dauern wird und die
besonderen Grundgedanken des Jugendstrafrechts unter Berücksichtigung der Persönlichkeit
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des Verurteilten für die weiteren Entscheidungen nicht mehr maßgebend sind; die Abgabe ist
bindend. Mit der Abgabe sind die Vorschriften der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Strafvollstreckung anzuwenden.
(7) Für die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft im Vollstreckungsverfahren gilt § 451 Abs. 3
der Strafprozeßordnung entsprechend.
Zweiter Unterabschnitt, Jugendarrest
§ 86 Umwandlung des Freizeitarrestes
Der Vollstreckungsleiter kann Freizeitarrest in Kurzarrest umwandeln, wenn die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 nachträglich eingetreten sind.
§ 87 Vollstreckung des Jugendarrestes
(1) Die Vollstreckung des Jugendarrestes wird nicht zur Bewährung ausgesetzt.
(2) Für die Anrechnung von Untersuchungshaft auf Jugendarrest gilt § 450 der Strafprozeßordnung sinngemäß.
(3) Der Vollstreckungsleiter sieht von der Vollstreckung des Jugendarrestes ganz oder, ist Jugendarrest teilweise verbüßt, von der Vollstreckung des Restes ab, wenn seit Erlaß des Urteils
Umstände hervorgetreten sind, die allein oder in Verbindung mit den bereits bekannten Umständen ein Absehen von der Vollstreckung aus Gründen der Erziehung rechtfertigen. Sind seit Eintritt der Rechtskraft sechs Monate verstrichen, sieht er von der Vollstreckung ganz ab, wenn dies
aus Gründen der Erziehung geboten ist. Von der Vollstreckung des Jugendarrestes kann er ganz
absehen, wenn zu erwarten ist, daß der Jugendarrest neben einer Strafe, die gegen den Verurteilten wegen einer anderen Tat verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, seinen erzieherischen Zweck nicht mehr erfüllen wird. Vor der Entscheidung hört
der Vollstreckungsleiter nach Möglichkeit den erkennenden Richter, den Staatsanwalt und den
Vertreter der Jugendgerichtshilfe.
(4) Die Vollstreckung des Jugendarrestes ist unzulässig, wenn seit Eintritt der Rechtskraft ein
Jahr verstrichen ist.
Dritter Unterabschnitt, Jugendstrafe
§ 88 Aussetzung des Restes der Jugendstrafe
(1) Der Vollstreckungsleiter kann die Vollstreckung des Restes der Jugendstrafe zur Bewährung
aussetzen, wenn der Verurteilte einen Teil der Strafe verbüßt hat und dies im Hinblick auf die
Entwicklung des Jugendlichen, auch unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit, verantwortet werden kann.
(2) Vor Verbüßung von sechs Monaten darf die Aussetzung der Vollstreckung des Restes nur aus
besonders wichtigen Gründen angeordnet werden. Sie ist bei einer Jugendstrafe von mehr als
einem Jahr nur zulässig, wenn der Verurteilte mindestens ein Drittel der Strafe verbüßt hat.
(3) Der Vollstreckungsleiter soll in den Fällen der Absätze 1 und 2 seine Entscheidung so frühzeitig treffen, daß die erforderlichen Maßnahmen zur Vorbereitung des Verurteilten auf sein
Leben nach der Entlassung durchgeführt werden können. Er kann seine Entscheidung bis zur
Entlassung des Verurteilten wieder aufheben, wenn die Aussetzung aufgrund neu eingetretener
oder bekanntgewordener Tatsachen im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen, auch
unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit, nicht mehr verantwortet
werden kann.
(4) Der Vollstreckungsleiter entscheidet nach Anhören des Staatsanwalts und des Vollzugsleiters. Dem Verurteilten ist Gelegenheit zur mündlichen Äußerung zu geben.
(5) Der Vollstreckungsleiter kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren
Ablauf ein Antrag des Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.
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(6) Ordnet der Vollstreckungsleiter die Aussetzung der Vollstreckung des Restes der Jugendstrafe an, so gelten § 22 Abs. 1, 2 Satz 1 und 2 sowie die §§ 23 bis 26a sinngemäß. An die Stelle des
erkennenden Richters tritt der Vollstreckungsleiter. Auf das Verfahren und die Anfechtung von
Entscheidungen sind die §§ 58, 59 Abs. 2 bis 4 und § 60 entsprechend anzuwenden. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Aussetzung des Strafrestes anordnet, hat aufschiebende Wirkung.
§ 89 -
§ 89a Unterbrechung und Vollstreckung der Jugendstrafe neben Freiheitsstrafe
(1) Ist gegen den zu Jugendstrafe Verurteilten auch Freiheitsstrafe zu vollstrecken, so wird die
Jugendstrafe in der Regel zuerst vollstreckt. Der Vollstreckungsleiter unterbricht die Vollstreckung der Jugendstrafe, wenn die Hälfte, mindestens jedoch sechs Monate, der Jugendstrafe
verbüßt sind. Er kann die Vollstreckung zu einem früheren Zeitpunkt unterbrechen, wenn die
Aussetzung des Strafrestes in Betracht kommt. Ein Strafrest, der auf Grund des Widerrufs seiner
Aussetzung vollstreckt wird, kann unterbrochen werden, wenn die Hälfte, mindestens jedoch
sechs Monate, des Strafrestes verbüßt sind und eine erneute Aussetzung in Betracht kommt. §
454b Abs. 3 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend.
(2) Ist gegen einen Verurteilten außer lebenslanger Freiheitsstrafe auch Jugendstrafe zu vollstrecken, so wird, wenn die letzte Verurteilung eine Straftat betrifft, die der Verurteilte vor der früheren Verurteilung begangen hat, nur die lebenslange Freiheitsstrafe vollstreckt; als Verurteilung gilt das Urteil in dem Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
Wird die Vollstreckung des Restes der lebenslangen Freiheitsstrafe durch das Gericht zur Bewährung ausgesetzt, so erklärt das Gericht die Vollstreckung der Jugendstrafe für erledigt.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 gilt § 85 Abs. 6 entsprechend mit der Maßgabe, dass der Vollstreckungsleiter die Vollstreckung der Jugendstrafe abgeben kann, wenn der Verurteilte das einundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat.
Zweiter Abschnitt, Vollzug
§ 90 Jugendarrest
(1) Der Vollzug des Jugendarrestes soll das Ehrgefühl des Jugendlichen wecken und ihm eindringlich zum Bewußtsein bringen, daß er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat.
Der Vollzug des Jugendarrestes soll erzieherisch gestaltet werden. Er soll dem Jugendlichen
helfen, die Schwierigkeiten zu bewältigen, die zur Begehung der Straftat beigetragen haben.
(2) Der Jugendarrest wird in Jugendarrestanstalten oder Freizeitarresträumen der Landesjustizverwaltung vollzogen. Vollzugsleiter ist der Jugendrichter am Ort des Vollzugs.
§ 91 Ausnahme vom Jugendstrafvollzug
(1) An einem Verurteilten, der das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat und sich nicht für den
Jugendstrafvollzug eignet, kann die Jugendstrafe statt nach den Vorschriften für den Jugendstrafvollzug nach den Vorschriften des Strafvollzugs für Erwachsene vollzogen werden. Hat der
Verurteilte das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet, so soll Jugendstrafe nach den Vorschriften des Strafvollzugs für Erwachsene vollzogen werden.
(2) Über die Ausnahme vom Jugendstrafvollzug entscheidet der Vollstreckungsleiter.
§ 92 Rechtsbehelfe im Vollzug des Jugendarrestes, der Jugendstrafe und der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt
(1) Gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Jugendarrestes, der Jugendstrafe und der Maßregeln der Unterbringung in einem psychiatrischen Kran-
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kenhaus oder in einer Entziehungsanstalt (§ 61 Nr. 1 und 2 des Strafgesetzbuches) kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Für den Antrag gelten die §§ 109 und 111 bis 120 Abs. 1
des Strafvollzugsgesetzes sowie § 67 Abs. 1 bis 3 und 5 entsprechend; das Landesrecht kann
vorsehen, dass der Antrag erst nach einem Verfahren zur gütlichen Streitbeilegung gestellt werden kann.
(2) Über den Antrag entscheidet die Jugendkammer, in deren Bezirk die beteiligte Vollzugsbehörde ihren Sitz hat. § 110 Satz 2 des Strafvollzugsgesetzes gilt entsprechend. Unterhält ein
Land eine Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe auf dem Gebiet eines anderen Landes,
können die beteiligten Länder vereinbaren, dass die Jugendkammer bei dem Landgericht zuständig ist, in dessen Bezirk die für die Einrichtung zuständige Aufsichtsbehörde ihren Sitz
hat.
(3) Die Jugendkammer entscheidet durch Beschluss. Sie bestimmt nach Ermessen, ob eine
mündliche Verhandlung durchgeführt wird. Auf Antrag des Jugendlichen ist dieser vor einer
Entscheidung persönlich anzuhören. Hierüber ist der Jugendliche zu belehren. Wird eine mündliche Verhandlung nicht durchgeführt, ? ndet die Anhörung in der Regel in der Vollzugseinrichtung statt.
(4) Die Jugendkammer ist bei Entscheidungen über Anträge nach Absatz 1 mit einem Richter
besetzt. Ein Richter auf Probe darf dies nur sein, wenn ihm bereits über einen Zeitraum von einem Jahr Rechtsprechungsaufgaben in Strafverfahren übertragen worden sind. Weist die Sache
besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art auf oder kommt ihr grundsätzliche Bedeutung zu,
legt der Richter die Sache der Jugendkammer zur Entscheidung über eine Übernahme vor. Liegt
eine der Voraussetzungen für eine Übernahme vor, übernimmt die Jugendkammer den Antrag.
Sie entscheidet hierüber durch Beschluss. Eine Rückübertragung ist ausgeschlossen.
(5) Für die Kosten des Verfahrens gilt § 121 des Strafvollzugsgesetzes mit der Maßgabe, dass
entsprechend § 74 davon abgesehen werden kann, dem Jugendlichen Kosten und Auslagen aufzuerlegen.
(6) Wird eine Jugendstrafe gemäß § 91 Abs. 1 nach den Vorschriften des Strafvollzugs für Erwachsene vollzogen oder hat der Jugendliche im Vollzug der Maßregel nach § 61 Nr. 1 oder Nr.
2 des Strafgesetzbuches das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet, sind die Absätze 1 bis 5
nicht anzuwenden. Für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gelten die Vorschriften der
§§ 109 bis 121 des Strafvollzugsgesetzes.
§ 93 Untersuchungshaft
(1) An Jugendlichen wird die Untersuchungshaft nach Möglichkeit in einer besonderen Anstalt
oder wenigstens in einer besonderen Abteilung der Haftanstalt oder in einer Jugendarrestanstalt
vollzogen.
(2) Der Vollzug der Untersuchungshaft soll erzieherisch gestaltet werden.
(3) Den Vertretern der Jugendgerichtshilfe und, wenn der Beschuldigte der Aufsicht und Leitung
eines Bewährungshelfers oder der Betreuung und Aufsicht eines Betreuungshelfers untersteht
oder für ihn ein Erziehungsbeistand bestellt ist, dem Helfer und dem Erziehungsbeistand ist der
Verkehr mit dem Beschuldigten in demselben Umfang wie einem Verteidiger gestattet.
§ 93a Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
(1) Die Maßregel nach § 61 Nr. 2 des Strafgesetzbuches wird in einer Einrichtung vollzogen, in
der die für die Behandlung suchtkranker Jugendlicher erforderlichen besonderen therapeutischen Mittel und sozialen Hilfen zur Verfügung stehen.
(2) Um das angestrebte Behandlungsziel zu erreichen, kann der Vollzug aufgelockert und weitgehend in freien Formen durchgeführt werden.
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Viertes Hauptstück, Beseitigung des Strafmakels
§§ 94 bis 96 (weggefallen)
§ 97 Beseitigung des Strafmakels durch Richterspruch
(1) Hat der Jugendrichter die Überzeugung erlangt, daß sich ein zu Jugendstrafe verurteilter Jugendlicher durch einwandfreie Führung als rechtschaffener Mensch erwiesen hat, so erklärt er
von Amts wegen oder auf Antrag des Verurteilten, des Erziehungsberechtigten oder des gesetzlichen Vertreters den Strafmakel als beseitigt. Dies kann auch auf Antrag des Staatsanwalts oder,
wenn der Verurteilte im Zeitpunkt der
Antragstellung noch minderjährig ist, auf Antrag des Vertreters der Jugendgerichtshilfe geschehen. Die Erklärung ist unzulässig, wenn es sich um eine Verurteilung nach den §§ 174 bis 180
oder 182 des Strafgesetzbuches handelt.
(2) Die Anordnung kann erst zwei Jahre nach Verbüßung oder Erlaß der Strafe ergehen, es sei
denn, daß der Verurteilte sich der Beseitigung des Strafmakels besonders würdig gezeigt hat.
Während des Vollzugs oder während einer Bewährungszeit ist die Anordnung unzulässig.
§ 98 Verfahren
(1) Zuständig ist der Jugendrichter des Amtsgerichts, dem die familien- oder vormundschaftsrichterlichen Erziehungsaufgaben für den Verurteilten obliegen. Ist der Verurteilte volljährig, so
ist der Jugendrichter zuständig, in dessen Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz hat.
(2) Der Jugendrichter beauftragt mit den Ermittlungen über die Führung des Verurteilten und
dessen Bewährung vorzugsweise die Stelle, die den Verurteilten nach der Verbüßung der Strafe
betreut hat. Er kann eigene Ermittlungen anstellen. Er hört den Verurteilten und, wenn dieser
minderjährig ist, den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Vertreter, ferner die Schule
und die zuständige Verwaltungsbehörde.
(3) Nach Abschluß der Ermittlungen ist der Staatsanwalt zu hören.
§ 99 Entscheidung
(1) Der Jugendrichter entscheidet durch Beschluß.
(2) Hält er die Voraussetzungen für eine Beseitigung des Strafmakels noch nicht für gegeben,
so kann er die Entscheidung um höchstens zwei Jahre aufschieben.
(3) Gegen den Beschluß ist sofortige Beschwerde zulässig.
§ 100 Beseitigung des Strafmakels nach Erlaß einer Strafe oder eines Strafrestes
Wird die Strafe oder ein Strafrest bei Verurteilung zu nicht mehr als zwei Jahren Jugendstrafe
nach Aussetzung zur Bewährung erlassen, so erklärt der Richter zugleich den Strafmakel als
beseitigt. Dies gilt nicht, wenn es sich um eine Verurteilung nach den §§ 174 bis 180 oder 182
des Strafgesetzbuches handelt.
§ 101 Widerruf
Wird der Verurteilte, dessen Strafmakel als beseitigt erklärt worden ist, vor der Tilgung des Vermerks wegen eines Verbrechens oder vorsätzlichen Vergehens erneut zu Freiheitsstrafe verurteilt, so widerruft der Richter in dem Urteil oder nachträglich durch Beschluß die Beseitigung
des Strafmakels. In besonderen Fällen kann er von dem Widerruf absehen.
Fünftes Hauptstück, Jugendliche vor Gerichten, die für allgemeine Strafsachen zuständig
sind
§ 102 Zuständigkeit
Die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts werden durch die Vorschriften dieses Gesetzes nicht berührt. In den zur Zuständigkeit von Oberlandesgerichten im
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ersten Rechtszug gehörenden Strafsachen (§ 120 Abs. 1 und 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes)
entscheidet der Bundesgerichtshof auch über Beschwerden gegen Entscheidungen dieser Oberlandesgerichte, durch welche die Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung angeordnet oder
abgelehnt wird (§ 59 Abs. 1).
§ 103 Verbindung mehrerer Strafsachen
(1) Strafsachen gegen Jugendliche und Erwachsene können nach den Vorschriften des allgemeinen Verfahrensrechts verbunden werden, wenn es zur Erforschung der Wahrheit oder aus anderen wichtigen Gründen geboten ist.
(2) Zuständig ist das Jugendgericht. Dies gilt nicht, wenn die Strafsache gegen Erwachsene nach
den allgemeinen Vorschriften einschließlich der Regelung des § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes zur Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer oder der Strafkammer nach § 74a des
Gerichtsverfassungsgesetzes gehört; in einem solchen Fall sind diese Strafkammern auch für
die Strafsache gegen den Jugendlichen zuständig. Für die Prüfung der Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer und der Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes gelten im
Falle des Satzes 2 die §§ 6a, 225a Abs. 4, § 270 Abs. 1 Satz 2 der Strafprozeßordnung entsprechend; § 209a der Strafprozessordnung ist mit der Maßgabe anzuwenden, daß diese Strafkammern auch gegenüber der Jugendkammer einem Gericht höherer Ordnung gleichstehen.
(3) Beschließt der Richter die Trennung der verbundenen Sachen, so erfolgt zugleich Abgabe
der abgetrennten Sache an den Richter, der ohne die Verbindung zuständig gewesen wäre.
§ 104 Verfahren gegen Jugendliche
(1) In Verfahren gegen Jugendliche vor den für allgemeine Strafsachen zuständigen Gerichten
gelten die Vorschriften dieses Gesetzes über
1. Verfehlungen Jugendlicher und ihre Folgen (§§ 3 bis 32),
2. die Heranziehung und die Rechtsstellung der Jugendgerichtshilfe (§§ 38, 50 Abs. 3),
3. den Umfang der Ermittlungen im Vorverfahren (§ 43),
4. das Absehen von der Verfolgung und die Einstellung des Verfahrens durch den Richter
(§§ 45, 47),
5. die Untersuchungshaft (§§ 52, 52a, 72),
6. die Urteilsgründe (§ 54),
7. das Rechtsmittelverfahren (§§ 55, 56),
8. das Verfahren bei Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung und der Verhängung der Jugendstrafe (§§ 57 bis 64),
9. die Beteiligung und die Rechtsstellung des Erziehungsberechtigten und des gesetzlichen Vertreters (§§ 67, 50 Abs. 2),
10. die notwendige Verteidigung (§ 68),
11. Mitteilungen (§ 70),
12. die Unterbringung zur Beobachtung (§ 73),
13. Kosten und Auslagen (§ 74) und
14. den Ausschluß von Vorschriften des allgemeinen Verfahrensrechts (§§ 79 bis 81).
(2) Die Anwendung weiterer Verfahrensvorschriften dieses Gesetzes steht im Ermessen des
Richters.
(3) Soweit es aus Gründen der Staatssicherheit geboten ist, kann der Richter anordnen, daß die
Heranziehung der Jugendgerichtshilfe und die Beteiligung des Erziehungsberechtigten und des
gesetzlichen Vertreters unterbleiben.
(4) Hält der Richter Erziehungsmaßregeln für erforderlich, so hat er deren Auswahl und Anordnung dem Familien- oder Vormundschaftsrichter zu überlassen. § 53 Satz 2 gilt entsprechend.
(5) Entscheidungen, die nach einer Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung erforderlich
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werden, sind dem Jugendrichter zu übertragen, in dessen Bezirk sich der Jugendliche aufhält.
Das gleiche gilt für Entscheidungen nach einer Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe mit
Ausnahme der Entscheidungen über die Festsetzung der Strafe und die Tilgung des Schuldspruchs (§ 30).
Dritter Teil, Heranwachsende
Erster Abschnitt, Anwendung des sachlichen Strafrechts
§ 105 Anwendung des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende
(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit
Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der
§§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, wenn 1. die Gesamtwürdigung der
Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, daß er zur
Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder
2. es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt.
(2) § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ist auch dann anzuwenden, wenn der Heranwachsende wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig nach allgemeinem Strafrecht verurteilt worden ist.
(3) Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre.
§ 106 Milderung des allgemeinen Strafrechts für Heranwachsende; Sicherungsverwahrung
(1) Ist wegen der Straftat eines Heranwachsenden das allgemeine Strafrecht anzuwenden, so
kann das Gericht an Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe auf eine Freiheitsstrafe von zehn bis
zu fünfzehn Jahren erkennen.
(2) Das Gericht kann anordnen, daß der Verlust der Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden
und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen (§ 45 Abs. 1 des Strafgesetzbuches), nicht eintritt.
(3) Sicherungsverwahrung darf neben der Strafe nicht angeordnet werden. Unter den übrigen
Voraussetzungen des § 66 des Strafgesetzbuches kann das Gericht die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn
1. der Heranwachsende wegen einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches
bezeichneten Art, durch welche das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer
solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt wird,
2. es sich auch bei den nach den allgemeinen Vorschriften maßgeblichen früheren Taten um solche der in Nummer 1 bezeichneten Art handelt und
3. die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu
solchen Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist. § 66a Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches
gilt entsprechend.
(4) Wird neben der Strafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der
Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an,
dass bereits die Strafe in einer sozialtherapeutischen Anstalt zu vollziehen ist, es sei denn, dass
die Resozialisierung des Täters dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung
kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Anstalt
noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Anstalt verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig.
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(5) Werden nach einer Verurteilung wegen einer Straftat der in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Art zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren vor Ende des Vollzugs dieser Freiheitsstrafe Tatsachen erkennbar, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die
Allgemeinheit hinweisen, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
nachträglich anordnen, wenn die
Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung während
des Strafvollzugs ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 3
Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Art begehen wird. War keine der Straftaten dieser Art, die der Verurteilung zugrunde lagen, nach dem 1. April 2004 begangen worden und konnte die Sicherungsverwahrung deshalb nicht nach Absatz 3 Satz 2 vorbehalten werden, so berücksichtigt das Gericht als Tatsachen im Sinne des Satzes 1 auch solche, die im Zeitpunkt der Verurteilung bereits
erkennbar waren.
(6) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand,
auf dem die Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden
hat, so kann das Gericht die
Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn
1. die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher
Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die
er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat,
schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2. die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung während des Vollzugs der Maßregel ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten
der in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Art begehen wird.
Zweiter Abschnitt, Gerichtsverfassung und Verfahren
§ 107 Gerichtsverfassung
Von den Vorschriften über die Jugendgerichtsverfassung gelten die §§ 33 bis 34 Abs. 1 und §§
35 bis 38 für Heranwachsende entsprechend.
§ 108 Zuständigkeit
(1) Die Vorschriften über die Zuständigkeit der Jugendgerichte (§§ 39 bis 42) gelten auch bei
Verfehlungen Heranwachsender.
(2) Der Jugendrichter ist für Verfehlungen Heranwachsender auch zuständig, wenn die Anwendung des allgemeinen Strafrechts zu erwarten ist und nach § 25 des Gerichtsverfassungsgesetzes
der Strafrichter zu entscheiden hätte.
(3) Ist wegen der rechtswidrigen Tat eines Heranwachsenden das allgemeine Strafrecht anzuwenden, so gilt § 24 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes. Ist im Einzelfall eine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe oder die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus, allein oder neben einer Strafe, oder in der Sicherungsverwahrung (§ 106
Abs. 3, 5, 6) zu erwarten, so ist die Jugendkammer zuständig.
§ 109 Verfahren
(1) Von den Vorschriften über das Jugendstrafverfahren (§§ 43 bis 81) sind im Verfahren gegen
einen Heranwachsenden die §§ 43, 47a, 50 Abs. 3 und 4, § 68 Nr. 1 und 4 sowie § 73 entsprechend anzuwenden. Die Jugendgerichtshilfe und in geeigneten Fällen auch die Schule werden
von der Einleitung und dem Ausgang des Verfahrens unterrichtet. Sie benachrichtigen den
221
Staatsanwalt, wenn ihnen bekannt wird, daß gegen den Beschuldigten noch ein anderes Strafverfahren anhängig ist. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse
des Heranwachsenden geboten ist.
(2) Wendet der Richter Jugendstrafrecht an (§ 105), so gelten auch die §§ 45, 47 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1, 2 und 3, Abs. 2, 3, §§ 52, 52a, 54 Abs. 1, §§ 55 bis 66, 74 und 79 Abs. 1 entsprechend. §
66 ist auch dann anzuwenden, wenn die einheitliche Festsetzung von Maßnahmen oder Jugendstrafe nach § 105 Abs. 2 unterblieben ist. § 55 Abs. 1 und 2 ist nicht anzuwenden, wenn die
Entscheidung im beschleunigten Verfahren des allgemeinen Verfahrensrechts ergangen ist. § 74
ist im Rahmen einer Entscheidung über die Auslagen des Verletzten nach § 472a der Strafprozessordnung nicht anzuwenden.
(3) In einem Verfahren gegen einen Heranwachsenden ? ndet § 407 Abs. 2 Satz 2 der Strafprozeßordnung keine Anwendung.
Dritter Abschnitt, Vollstreckung, Vollzug und Beseitigung des Strafmakels
§ 110 Vollstreckung und Vollzug
(1) Von den Vorschriften über die Vollstreckung und den Vollzug bei Jugendlichen gelten § 82
Abs. 1, §§ 83 bis 93a für Heranwachsende entsprechend, soweit der Richter Jugendstrafrecht
angewendet (§ 105) und nach diesem Gesetz zulässige Maßnahmen oder Jugendstrafe verhängt
hat.
(2) § 93 ist entsprechend anzuwenden, solange der zur Tatzeit Heranwachsende das einundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Bei Heranwachsenden, die einundzwanzig,
aber noch nicht vierundzwanzig Jahre alt sind, kann die Untersuchungshaft nach den Vorschriften des § 93 vollzogen werden.
§ 111 Beseitigung des Strafmakels
Die Vorschriften über die Beseitigung des Strafmakels (§§ 97 bis 101) gelten für Heranwachsende entsprechend, soweit der Richter Jugendstrafe verhängt hat.
Vierter Abschnitt, Heranwachsende vor Gerichten, die für allgemeine Strafsachen zuständig
sind
§ 112 Entsprechende Anwendung
Die §§ 102, 103, 104 Abs. 1 bis 3 und 5 gelten für Verfahren gegen Heranwachsende entsprechend. Die in § 104 Abs. 1 genannten Vorschriften sind nur insoweit anzuwenden, als sie nach
dem für die Heranwachsenden geltenden Recht nicht ausgeschlossen sind. Hält der Richter die
Erteilung von Weisungen für erforderlich, so überläßt er die Auswahl und Anordnung dem Jugendrichter, in dessen Bezirk sich der Heranwachsende aufhält.
Vierter Teil, Sondervorschriften für Soldaten der Bundeswehr
§ 112a Anwendung des Jugendstrafrechts
Das Jugendstrafrecht (§§ 3 bis 32, 105) gilt für die Dauer des Wehrdienstverhältnisses eines
Jugendlichen oder Heranwachsenden mit folgenden Abweichungen:
1. Hilfe zur Erziehung im Sinne des § 12 darf nicht angeordnet werden.
2. Bedarf der Jugendliche oder Heranwachsende nach seiner sittlichen oder geistigen Entwicklung besonderer erzieherischer Einwirkung, so kann der Richter Erziehungshilfe durch den Disziplinarvorgesetzten als Erziehungsmaßregel anordnen.
3. Bei der Erteilung von Weisungen und Au? agen soll der Richter die Besonderheiten des Wehrdienstes berücksichtigen. Weisungen und Au? agen, die bereits erteilt sind, soll er diesen Besonderheiten anpassen.
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4. Als ehrenamtlicher Bewährungshelfer kann ein Soldat bestellt werden. Er untersteht bei seiner Tätigkeit (§ 25 Satz 2) nicht den Anweisungen des Richters.
5. Von der Überwachung durch einen Bewährungshelfer, der nicht Soldat ist, sind Angelegenheiten ausgeschlossen, für welche die militärischen Vorgesetzten des Jugendlichen oder Heranwachsenden zu sorgen haben. Maßnahmen des Disziplinarvorgesetzten haben den Vorrang.
§ 112b Erziehungshilfe durch den Disziplinarvorgesetzten
(1) Hat der Richter Erziehungshilfe (§ 112a Nr. 2) angeordnet, so sorgt der nächste Disziplinarvorgesetzte dafür, daß der Jugendliche oder Heranwachsende, auch außerhalb des Dienstes,
überwacht und betreut wird.
(2) Zu diesem Zweck werden dem Jugendlichen oder Heranwachsenden P? ichten und Beschränkungen auferlegt, die sich auf den Dienst, die Freizeit, den Urlaub und die Auszahlung
der Besoldung beziehen können. Das Nähere wird durch Rechtsverordnung (§ 115) geregelt.
(3) Die Erziehungshilfe dauert so lange, bis ihr Zweck erreicht ist. Sie endet jedoch spätestens,
wenn sie ein Jahr gedauert hat oder wenn der Soldat zweiundzwanzig Jahre alt oder aus dem
Wehrdienst entlassen wird.
(4) Die Erziehungshilfe kann auch neben Jugendstrafe angeordnet werden.
§ 112c Vollstreckung
(1) Der Vollstreckungsleiter erklärt die Erziehungsmaßregel nach § 112a Nr. 2 für erledigt, wenn
ihr Zweck erreicht ist.
(2) Der Vollstreckungsleiter sieht davon ab, Jugendarrest, der wegen einer vor Beginn des Wehrdienstverhältnisses begangenen Tat verhängt ist, gegenüber Soldaten der Bundeswehr zu vollstrecken, wenn die Besonderheiten des Wehrdienstes es erfordern und ihnen nicht durch einen
Aufschub der Vollstreckung Rechnung getragen werden kann.
(3) Die Entscheidungen des Vollstreckungsleiters nach den Absätzen 1 und 2 sind jugendrichterliche Entscheidungen im Sinne des § 83.
§ 112d Anhörung des Disziplinarvorgesetzten
Bevor der Richter oder der Vollstreckungsleiter einem Soldaten der Bundeswehr Weisungen
oder Au? agen erteilt, die Erziehungsmaßregel nach § 112a Nr. 2 anordnet oder für erledigt erklärt, von der Vollstreckung des Jugendarrestes nach § 112c Abs. 2 absieht oder einen Soldaten
als Bewährungshelfer bestellt, soll er den nächsten Disziplinarvorgesetzten des Jugendlichen
oder Heranwachsenden hören.
§ 112e Verfahren vor Gerichten, die für allgemeine Strafsachen zuständig sind
In Verfahren gegen Jugendliche oder Heranwachsende vor den für allgemeine Strafsachen zuständigen Gerichten (§ 104) sind die §§ 112a, 112b und 112d anzuwenden. (…)
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Anhang 1.2: Frankreich
Ordonnance relative à l‘enfance délinquante
Ordonnance n°45-174 du 2 février 1945 relative à l‘enfance délinquante. Version consolidée au
11 août 2007
Chapitre I : Dispositions générales
Article 1
Modi? é par Ordonnance n°58-1300 du 23 décembre 1958 art. 1 (JORF 24 décembre 1958).
Les mineurs auxquels est imputée une infraction quali? ée crime ou délit ne seront pas déférés
aux juridictions pénales de droit commun, et ne seront justiciables que des tribunaux pour enfants ou des cours d‘assises des mineurs. Ceux auxquels est imputée une contravention de police de cinquième classe sont déférés aux juridictions pour enfants dans les conditions prévues
à l‘article 20-1.
Article 2
Modi? é par Loi n°2002-1138 du 9 septembre 2002 art. 12 (JORF 10 septembre 2002).
Le tribunal pour enfants et la Cour d‘assises des mineurs prononceront, suivant les cas, les mesures de protection, d‘assistance, de surveillance et d‘éducation qui sembleront appropriées. Ils
pourront cependant, lorsque les circonstances et la personnalité des mineurs l‘exigent, soit prononcer une sanction éducative à l‘encontre des mineurs de dix à dix-huit ans, conformément aux
dispositions de l‘article 15-1, soit prononcer une peine à l‘encontre des mineurs de treize à dixhuit ans en tenant compte de l‘atténuation de leur responsabilité pénale, conformément aux dispositions des articles 20-2 à 20-9.
Le tribunal pour enfants ne peut prononcer une peine d‘emprisonnement, avec ou sans sursis,
qu‘après avoir spécialement motivé le choix de cette peine.
Article 3
Modi? é par Loi n°51-687 du 24 mai 1951 art. 2 (JORF 2 juin 1951).
Sont compétents le tribunal pour enfants ou la cour d‘assises des mineurs du lieu de l‘infraction,
de la résidence du mineur ou de ses parents ou tuteur, du lieu où le mineur aura été trouvé ou du
lieu où il a été placé soit à titre provisoire, soit à titre dé? nitif.
Article 4
Modi? é par Loi n°2007-291 du 5 mars 2007 art. 29 (JORF 6 mars 2007 en vigueur le 1er juillet 2007).
I – Le mineur de treize ans ne peut être placé en garde à vue. Toutefois, à titre exceptionnel, le
mineur de dix à treize ans contre lequel il existe des indices graves ou concordants laissant présumer qu‘il a commis ou tenté de commettre un crime ou un délit puni d‘au moins cinq ans
d‘emprisonnement peut, pour les nécessités de l‘enquête, être retenu à la disposition d‘un of-
? cier de police judiciaire avec l‘accord préalable et sous le contrôle d‘un magistrat du ministère
public ou d‘un juge d‘instruction spécialisés dans la protection de l‘enfance ou d‘un juge des
enfants, pour une durée que ce magistrat détermine et qui ne saurait excéder douze heures. Cette retenue peut toutefois être prolongée à titre exceptionnel par décision motivée de ce magistrat
pour une durée qui ne saurait non plus excéder douze heures, après présentation devant lui du
mineur, sauf si les circonstances rendent cette présentation impossible. Elle doit être strictement
limitée au temps nécessaire à la déposition du mineur et à sa présentation devant le magistrat
compétent ou à sa remise à l‘une des personnes visées au II du présent article.
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References
Zusammenfassung
Die Jugendstrafrechtssysteme in Europa sind sehr verschieden. Anhand des Rechtsvergleichs und der Rechtsentwicklung in der EU und mittels der Völkerrechtsinstrumente zur Jugendgerichtsbarkeit formuliert der Autor Elementarteile eines Europäischen Jugendstrafrechts. Behandelt werden:
• Konzeption und Zielsetzung
• Alter und Prüfung der Strafbarkeit
• der Umgang mit jungerwachsenen Tätern
• Diversion und Entkriminalisierung
• der Sanktionskatalog nebst Freiheitsentzug
Neben einer Analyse von Trends in der Jugendkriminalität und kriminologischer Erklärungsansätze werden die Wünschbarkeit und Zweckmäßigkeit einer gemeineuropäischen Rahmenstrategie im Jugendstrafrecht erörtert sowie Harmonisierungswege für die europäische Integration aufgezeigt.
Die Arbeit bündelt verstreute Reformansätze auf nationaler und internationaler Ebene zu einem neuen Anlauf. Sie hilft, eine zeitgemäße und angemessene Reaktion auf die verschiedenen Formen der Jugenddelinquenz zu erarbeiten. Sie richtet sich an Wissenschaftler, Politiker und Praktiker im Jugendrecht.
Der Autor war Doktorand und Mitarbeiter an der Forschungsstelle für Jugendstrafrecht und Kriminalprävention der Christian-Albrechts-Universität Kiel.