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besteuerung würde auch nicht komplizierter, denn die Folge wäre eine Befreiung der Investmentvermögen von der Verpflichtung »Verlustvorträge«
über das Geschäftsjahresende hinweg fortzuführen. Die einzige Änderung,
die sich dann ergäbe, wäre der Ausweis negativer Ertragsbestandteile in
den Bekanntmachungen nach § 5 Abs. 1 und 3 InvStG.
IV. Streichung der Steuerfreiheit von ausgeschütteten
Wertpapierspekulationsgewinnen
Die Steuerbefreiung für Privatanleger für ausgeschüttete Wertpapierveräu-
ßerungsgewinne in § 2 Abs. 3 Nr. 1 InvStG verstößt gegen den Transparenzgrundsatz und benachteiligt den Direktanleger gegenüber dem Investmentanleger. Im Zeitpunkt der Einführung dieser Regelung ergaben sich
hieraus kaum Ungleichbehandlungen, da die Spekulationsfrist zu diesem
Zeitpunkt noch drei Monate betrug und als angemessene Vereinfachungsregel angesehen werden konnte. Nunmehr beträgt die Spekulationsfrist
jedoch zwölf Monate, so dass diese Frist jetzt erheblich mehr Bedeutung
hat. Es ist daher eine Gleichstellung mit dem Direktanleger vorzunehmen.
Eine Förderung des Investmentsparens über eine Steuervergünstigung
gegenüber der Direktanlage ist nicht erforderlich. Die Steuerbefreiung ist
auf Wertpapierveräußerungsgewinne zu beschränken, die nicht solche
i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sind. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung der Abgeltungsteuer die Steuerbefreiung nach § 2 Abs. 3 Nr. 1
InvStG gestrichen und damit das Transparenzprinzip auch für an Privatanleger ausgeschüttete Wertpapierveräußerungsgeschäfte umgesetzt.
V. Einschränkung der pauschalen Besteuerung
Die pauschale Besteuerung nach § 6 InvStG verstößt trotz der Ausweitung
des Anwendungsbereiches auf inländische Investmentvermögen und ihres
gegenüber § 18 Abs. 3 AuslInvestmG abgemilderten Pauschalierungssatzes gegen Art. 3 und 14 GG sowie die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56
EG. Eine Rechtfertigung der Norm scheitert regelmäßig an der Ausgestaltung der pauschalen Besteuerung. Die Kombination aus Ausschüttung und
Mehrbetrag auf der einen und der Mindestbesteuerung auf der anderen
Seite schießt über das Ziel des Erforderlichen hinaus.
Ausreichend zur Sicherung der mit der Regelung verbundenen Ziele ist
die Anwendung einer der beiden in § 6 InvStG angewandten Komponenten.
Als eine mögliche Lösung wäre die Anwendung einer »reinen« Sollertragsbesteuerung denkbar. Dabei kann auf die Mindestbesteuerung zurückgegriffen werden und ein Sollertrag von 6 % angenommen werden. Dabei
B. Lösungsvorschläge 287
sind wie bisher getätigte Ausschüttungen zu berücksichtigen, d.h., zusätzlich zu den Ausschüttungen werden Erträge zugerechnet, die zusammen
mit den Ausschüttungen einen Sollertrag von 6 % beim Anleger ergeben.
Entgegen der bisherigen Mindestbesteuerung muss allerdings eine Basis
für die Sollertragsbemessung gefunden werden, die nicht – wie der letzte
im Kalenderjahr festgestellte Rücknahmepreis – willkürlich ist. Der Sollertrag soll eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals wiedergeben. Daher ist es grundsätzlich richtig an das eingesetzte Kapital, d.h.
den Wert des Investmentvermögens, anzuknüpfen. Allerdings darf es sich
nicht um einen willkürlichen Stichtag handeln, sondern es muss das durchschnittlich im Kalenderjahr eingesetzte Kapital zu Grunde gelegt werden.
Daher ist als Bemessungsgrundlage der durchschnittliche Wert des Investmentvermögens in dem Kalenderjahr als Berechnungsgrundlage anzuwenden. Denkbar ist die Verwendung des Mittelwertes aller festgestellten
Rücknahmepreise in dem Kalenderjahr; oder um eine Reduzierung der zu
berücksichtigenden Werte zu erreichen, könnten zur Mittelwertberechnung
nur die Rücknahmewerte zum Ende der Kalendermonate berücksichtigt
werden (entsprechend § 3 Abs. 3 Satz 2 InvStG). Trotz Vereinfachung
dürfte sich letztere Alternative allerdings wieder dem Vorwurf der Willkürlichkeit ausgesetzt sehen.
Darüber hinaus muss es dann konsequent bei der Zurechnung des Sollertrages bleiben (»reine« Sollertragsbesteuerung), d.h., es darf keine Ausnahme von der Sollertragsbesteuerung geben, etwa wenn tatsächlich höhere Erträge (Ausschüttungen und Wertsteigerungen) erzielt werden. Eine
Erfassung der tatsächlichen Erträge erfolgt im Zeitpunkt der Rückgabe
oder Veräußerung der Investmentanteile. Dabei sind die über die Ausschüttungen hinaus zugerechneten Sollerträge bei der Bemessung des Veräußerungsgewinns nach § 23 Abs. 2 EStG i.V.m. § 20 EStG gewinnmindernd zu
berücksichtigen. Dadurch werden die tatsächlichen Erträge abschließend
erfasst.
Alternativ wären auch die Streichung der Mindestbesteuerung nach § 6
Satz 1 2. HS InvStG und die isolierte Anwendung der Kombination aus
Ausschüttungen und Mehrbetrag möglich. Dabei ist der im Laufe der Investmentperiode zugerechnete Mehrbetrag bei der Veräußerung als bereits
erfasster Ertrag nach § 23 Abs. 2 EStG i.V.m. § 20 EStG zu berücksichtigen. Die Pauschalierung des Mehrbetrages mit 70 % der Wertsteigerung
kann dabei beibehalten werden, denn die Höhe stellt eine angemessene
Pauschalierung der ausschüttungsgleichen Erträge dar. Durch die Streichung der Mindestbesteuerung kann es jedoch bei einer Wertminderung
des Investmentvermögens vorkommen, dass dem Investmentanleger auch
negative Erträge zugerechnet werden. Dies wird jedoch bei einer späteren
Werterholung bzw. bei einer Rückgabe oder Veräußerung wieder ausgeglichen. Auf Grund des möglichen negativen Mehrbetrages sollte dann diese
Ertragskomponente neutral als Änderungsbetrag bezeichnet werden.
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Beide Alternativen berücksichtigen die getätigten Ausschüttungen.
Dazu kommt jeweils eine weitere Komponente: einmal eine Aufstockung
der Ausschüttungen auf eine Sollverzinsung des eingesetzten Kapitals oder
die Berücksichtigung pauschalierter »ausschüttungsgleicher Erträge« anhand der Wertentwicklung des Investmentvermögens. Beide Varianten
können in ihrer Höhe verfassungs- und europarechtskonform ausgestaltet
werden und sind daher mögliche Instrumente. Die Verwendung der Variante mit dem Änderungsbetrag ist auf Grund ihrer Nähe zur transparenten
Besteuerung mit den ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen
vorzugswürdig. Die Sollertragsbesteuerung ist dagegen vollständig von
der transparenten Besteuerung entkoppelt und wäre im System des InvStG
eine unpassende Besteuerungskomponente. Darüber hinaus ergeben sich
Schwierigkeiten bei der Ermittlungsbasis für die Sollertragsbesteuerung.
Daher sollte § 6 Satz 1 2. HS InvStG gestrichen und der Ausdruck »Mehrbetrag« durch den Begriff »Änderungsbetrag« ersetzt werden.
VI. Ausweitung der Anwendung der Aktiengewinnregelung
Die Regelung des § 8 InvStG setzt das Transparenzprinzip bei der Veräu-
ßerung oder Rückgabe von Investmentanteilen um. Allerdings werden von
dieser Regelung nicht alle – für eine vollständige Umsetzung des Transparenzprinzips erforderlichen – Fälle erfasst. Bei betrieblichen Anlegern finden das Halbeinkünfteverfahren und § 8b KStG auch bei Entnahmen und
bei Liquidationen Anwendung. Daher sollte § 8 InvStG auch auf diese
Realisationstatbestände angewandt werden. Dies könnte durch eine Erweiterung des § 8 Abs. 1 Satz 1 InvStG geschehen: »Auf die Einnahmen aus
der Rückgabe, Veräußerung, Liquidation oder auf Entnahmen […]«.
Bei Privatanlegern finden nach § 8 Abs. 5 InvStG sowohl § 3 Nr. 40
EStG als auch § 8b KStG keine Anwendung. Das Transparenzprinzip wird
insoweit durchbrochen. Die Aktiengewinnregelung ist daher auch auf Privatanleger auszudehnen. Eine Anwendung der Aktiengewinnregelung
auch auf Privatanleger war auch bereits im ersten Gesetzentwurf zum
InvStG vorgesehen und wurde erst in den Ausschüssen wieder auf betriebliche Anleger begrenzt. Daher ist in § 8 Abs. 1 Satz 1 InvStG der Einschub
»im Betriebsvermögen« zu streichen. Entsprechend ist in § 8 Abs. 5 2. HS
»und § 3 Nr. 40 des Einkommensteuergesetzes und § 8b des Körperschaftsteuergesetzes« zu streichen und das »sind« durch ein »ist« zu ersetzen.
Mit der Neufassung des § 8 Abs. 5 InvStG n.F. hat der Gesetzgeber die
Regelungen über den Immobiliengewinn auch auf Privatanleger ausgeweitet. Darüber hinaus kommt es bei Neufällen, d.h. Anschaffung des Investmentanteils nach dem 31. Dezember 2008, auch hinsichtlich der Aktiengewinnregelung nicht mehr zu einer Durchbrechung des Transparenzgrund-
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Diese Arbeit enthält eine umfassende Analyse der Besteuerung von Erträgen aus Investmentvermögen, die sowohl dem Praktiker als auch dem Wissenschaftler einen detaillierten Einblick in die Materie verschafft.
Die Besteuerung der Investmentanlage ist im InvStG speziell geregelt. Anleger, die ihre Investments über ein Investmentvermögen tätigen, sollen möglichst so behandelt werden, als ob sie direkt in die zu Grunde liegenden Anlagegegenstände investiert hätten (sog. Transparenzprinzip). Dieses Prinzip ist jedoch insbesondere aus Vereinfachungsgesichtspunkten im InvStG nicht vollumfänglich umgesetzt. Der Autor arbeitet die Durchbrechungen des Transparenzprinzips heraus und entwickelt Vorschläge zu einer weitergehenden Umsetzung desselben. Dabei legt er besonderes Augenmerk auf die Vereinfachung der Besteuerung.
Darüber hinaus werden der Anwendungsbereich sowie die pauschale Besteuerung bei intransparenten Investmentvermögen eingehend auf ihre Vereinbarkeit mit Verfassungs- und Europarecht untersucht. Der Autor schlägt Änderungen für die pauschale Besteuerung vor, die diese auf ein verfassungs- und europarechtskonformes Maß reduziert.