C. Zwischengewinn 275
Mitgliedstaats führt«.1185 Die Besteuerungsgrundlagen über die Amtshilfe-
Richtlinie zu ermitteln ist zwar ein milderes, aber kein ebenso effektives
Mittel.
Allerdings ist auch unter europarechtlichen Gesichtspunkten die tatsächliche Ausgestaltung der Besteuerung nach § 6 InvStG problematisch
und geht über das erforderliche Maß hinaus. Wie bereits bei der verfassungsrechtlichen Untersuchung1186 festgestellt, führt die Ausgestaltung des
§ 6 InvStG durch die Kombination aus Mindestbesteuerung anhand eines
Sollertrages und der Summe aus Mehrbetrag und Ausschüttungen zu einer
übermäßigen Besteuerung. Zur Erreichung der Ziele Steueraufsicht und
Vermeidung von Steuerumgehungen wäre es auch aus europarechtlicher
Sicht ausreichend, nur eine der beiden Komponenten anzuwenden, d.h.
entweder Sollertragsbesteuerung oder Mehrbetrag und Ausschüttungen.
Bereits dadurch wird vermieden, dass sich inländische Investmentanleger
durch Investitionen in ausländische ggf. niedrig besteuerte thesaurierende
Investmentvermögen ungerechtfertigte Steuervorteile verschaffen. Im Ergebnis wäre damit ein milderes, aber genauso effektives Mittel zur Steueraufsicht und Verhinderung von Steuerumgehungen geschaffen.
§ 6 InvStG geht über das erforderliche Maß hinaus, da es mildere,
ebenso effektive Mittel zur Erreichung des intendierten Zwecks gibt. Eine
Rechtfertigung der Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit mit der »rule
of reason« ist daher nicht möglich. § 6 InvStG verstößt auf Grund seiner
derzeitigen Ausgestaltung gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56
Abs. 1 EG.
C. Zwischengewinn
Kommt die Investmentgesellschaft ihrer Verpflichtung zur Ermittlung des
Zwischengewinns nicht nach, erfolgt nach § 5 Abs. 3 Satz 2 InvStG eine
pauschalierte Ermittlung des Zwischengewinns. 6 % des Entgelts für die
Rückgabe oder Veräußerung des Investmentanteils werden als Zwischengewinn fingiert.1187
Grundsätzlich hat der Gesetzgeber die Möglichkeit zur Ermittlung der
Besteuerungsgrundlagen Vereinfachungen und Typisierungen einzufüh-
1185 EuGH v. 15.5.1997, Rs. C-250/95 (Futura Participation), Slg. 1997 I, 2471.
1186 Vgl. Kapitel 8 B.I.
1187 Geißelmeier/Gemmel, DStR 2005, 45, 46; Ebner, StuB 2005, 870, 874; Kempf/
Lauterfeld, BB 2005, 631, 634; Häuselmann/Ludemann, FR 2005, 415, 420; Carlé
in Korn, InvStG, § 5 Rn. 43; Geurts in B/B, InvStG, § 5 Rn. 82; Harenberg in
H/H/R, InvStG, Rn. J 04-14; a.A. Mensching/Stobel, BB 2005, 635, 638, die auf
Grund der Zwischengewinndefinition in § 1 Abs. 4 InvStG, die pauschalierte Zwischengewinnbesteuerung nur auf Dachfondskonstruktionen begrenzen wollen.
Dies gilt jedoch nicht bei in- oder ausländischen (Dach-) Hedgefonds, § 5 Abs. 3
Satz 4 InvStG.
276 Kapitel 8 Durchbrechungen des Transparenzprinzips
ren. Häufig ist dies sogar zwingend erforderlich. Insbesondere bei Massenerscheinungen kann der Gesetzgeber Typisierungen und Pauschalierungen einführen, ohne gegen den Gleichheitssatz zu verstoßen.1188 Voraussetzung ist jedoch, dass der Typisierung auch tatsächlich ein typischer Fall als
Leitbild zu Grunde liegt, d.h., die Pauschalierung muss realitätsgerecht
ausgestaltet sein.1189 Die Besteuerung von Investmentfonds und die Ermittlung und Besteuerung des Zwischengewinns sind ein Massenverfahren.
Mit 6 % des Entgeltes für die Rücknahme oder Veräußerung ist die Höhe
des pauschalierte Zwischengewinns in der Nähe der nachhaltig erzielbaren
Zinsrendite und den Zinssätzen, die der Gesetzgeber in anderen Gesetzen
verwendet.1190 Da das Investmentvermögen allerdings einer steuerlichen
Verpflichtung nicht nachgekommen ist, muss die Höhe des Prozentsatzes
auch einen gewissen Sanktionscharakter aufweisen, ohne eine übermäßige
Besteuerung auszulösen. Daher ist eine Pauschalierung des Zwischengewinns mit 6 % des Veräußerungserlöses bzw. des Rücknahmepreises als realitätsgerecht und damit gerechtfertigt anzusehen.
D. Schlussbesteuerung
I. Investmentanteile im Privatvermögen
Veräußert der Anleger direkt gehaltene Wirtschaftsgüter i.S.d. § 23 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 EStG innerhalb der dort genannten Frist, ist der Veräußerungsgewinn i.S.d. § 23 Abs. 3 EStG steuerpflichtig. Soweit der Veräußerungspreis allerdings auf Anteile an Körperschaften, Personenvereinigungen
oder Vermögensmassen entfällt, deren Leistungen beim Anleger zu Einkünften i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören, ist die Hälfte des Veräußerungspreises nach § 3 Nr. 40 Buchst. j EStG steuerfrei. Im Gegenzug ist
allerdings nach § 3c Abs. 2 EStG auch nur die Hälfte der damit im Zusammenhang stehenden Werbungskosten abzugsfähig.
Für betriebliche Anleger ist daher in § 8 InvStG vorgesehen, dass im
Falle der Veräußerung insoweit § 3 Nr. 40 EStG Anwendung findet, als im
Veräußerungsgewinn beim Anleger noch nicht erfasste Erträge enthalten
sind, die bei Direktanlage nach § 3 Nr. 40 EStG begünstig sind. Gehören
die Investmentanteile jedoch nicht zu einem Betriebsvermögen, sind die
Aktiengewinnregelung und damit § 3 Nr. 40 EStG nicht anzuwenden. Ein
bei der Veräußerung realisierter Veräußerungsgewinn ist auch dann voll
1188 BVerfG v. 21.6.2006, BVerfGE 116, 164; BVerfGE v. 10.4.1997, BVerfGE 93, 121;
BVerfGE v. 11.11.1998, BVerfGE 99, 280; BVerfG v. 6.3.2002, BVerfGE 105, 73.
1189 BVerfG v. 21.6.2006, BVerfGE 116, 164; BVerfG v. 11.1.2005, BVerfGE 112, 164;
BVerfG v. 16.3.2005, BVerfGE 112, 268.
1190 Vgl. auch die Ausführungen zur Anwendung eines Sollertragssatzes von 6 % bei
der pauschalen Besteuerung nach § 6 InvStG in Kapitel 8 B.I.2.b(2).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Diese Arbeit enthält eine umfassende Analyse der Besteuerung von Erträgen aus Investmentvermögen, die sowohl dem Praktiker als auch dem Wissenschaftler einen detaillierten Einblick in die Materie verschafft.
Die Besteuerung der Investmentanlage ist im InvStG speziell geregelt. Anleger, die ihre Investments über ein Investmentvermögen tätigen, sollen möglichst so behandelt werden, als ob sie direkt in die zu Grunde liegenden Anlagegegenstände investiert hätten (sog. Transparenzprinzip). Dieses Prinzip ist jedoch insbesondere aus Vereinfachungsgesichtspunkten im InvStG nicht vollumfänglich umgesetzt. Der Autor arbeitet die Durchbrechungen des Transparenzprinzips heraus und entwickelt Vorschläge zu einer weitergehenden Umsetzung desselben. Dabei legt er besonderes Augenmerk auf die Vereinfachung der Besteuerung.
Darüber hinaus werden der Anwendungsbereich sowie die pauschale Besteuerung bei intransparenten Investmentvermögen eingehend auf ihre Vereinbarkeit mit Verfassungs- und Europarecht untersucht. Der Autor schlägt Änderungen für die pauschale Besteuerung vor, die diese auf ein verfassungs- und europarechtskonformes Maß reduziert.