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Darüber hinaus wird für die Steuerbefreiung der Wertpapierveräußerungsgewinne angeführt, dass es sich im Falle der Ausschüttung dieser Erträge um eine Ausschüttung von Substanz handle, die keiner Besteuerung
unterliegen dürfe.1049 Realisiert das Investmentvermögen Kursgewinne
bspw. aus Aktien, ist der Veräußerungserlös aufzuteilen in den tatsächlichen Veräußerungsgewinn, die Anschaffungskosten und die Kosten der
Transaktion. Soweit nur der Veräußerungsgewinn ausgeschüttet wird, handelt es sich nicht um die Ausschüttung von Substanz. Wird allerdings über
den Gewinn hinaus ein Teil des Verkaufserlöses ausgeschüttet, liegt eine
Substanzausschüttung vor. Diese ist nicht steuerbar. Soweit Veräußerungsgewinne aus Wertpapieren ausgeschüttet werden, liegt aber keine Substanzausschüttung vor, so dass die Steuerbefreiung nicht dadurch gerechtfertigt
werden kann.
Das einzige Argument, das für diese Bevorzugung der Investmentanlage
gegenüber der Direktanlage angeführt werden kann, ist die Förderung des
Investmentsparens. Die Förderung des Investmentsparens ist insbesondere
vor dem Hintergrund nachlassender Altersversorgung durch den Staat ein
sinnvolles Anliegen. Allerdings ist fraglich, ob dies eine Besserstellung gegenüber einer Direktanlage in Wertpapiere rechtfertigt. Auch die Direktanlage in Wertpapiere kann dem langfristigen Sparen und der Altersvorsorge dienen – auch wenn damit regelmäßig ein höheres Risiko als bei einem Investment in Investmentvermögen verbunden sein wird. Diese Abwägung kann und muss aber dem Anleger überlassen werden. Ein zusätzlicher Anreiz für die eine oder andere Alternative ist nicht erforderlich.
Darüber hinaus haben die Investmentvermögen die Möglichkeit die Veräu-
ßerungsgewinne zu thesaurieren, um die Besteuerung auf Anlegerebene zu
verhindern. Die Steuerbefreiung der Wertpapierveräußerungsgewinne im
Falle der Ausschüttung dieser Erträge an die Anleger und die damit verbundene Durchbrechung des Transparenzprinzips sind nicht gerechtfertigt.1050 Die Besteuerung der Investmentanlage sollte spätestens bei Ausschüttung der Erträge durch das Investmentvermögen der Direktanlage
gleichgestellt werden. Die Steuerbefreiung nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 InvStG
für Veräußerungsgewinne sollte daher an den Besteuerungstatbestand des
§ 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG anknüpfen und so das Transparenzprinzip umsetzen.
VI. Umfang der steuerpflichtigen Erträge bei betrieblichen Anlegern
Im Betriebsvermögen sind nicht nur laufende Einnahmen steuerbar, sondern grundsätzlich auch Wertänderungen im Vermögensbereich. Bei im
1049 Henkel, S. 130; Baur, KAGG, § 40 Rn. 5.
1050 A.A. wohl Lindemann, FR 2003, 890, 900.
238 Kapitel 8 Durchbrechungen des Transparenzprinzips
Betriebsvermögen gehaltenen Wirtschaftsgütern kommt es für die Steuerbarkeit im Falle einer Veräußerung der Wirtschaftsgüter nicht auf die in
§ 23 EStG vorgesehenen Spekulationsfristen an. Der Gewinn aus der Ver-
äußerung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens ist steuerbar.1051
Es können jedoch Steuerbefreiungen wie etwa § 3 Nr. 40 EStG oder § 8b
KStG eingreifen.
Auf Grund der Definition der ausschüttungsgleichen Erträge werden
nicht alle Veräußerungsgewinne, die bei Direktanlage des betrieblichen
Anlegers steuerpflichtig wären, erfasst. Zu den ausschüttungsgleichen Erträgen gehören nur Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d.
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 EStG, soweit es sich nicht um Wertpapierveräußerungsgeschäfte handelt. Alle anderen Veräußerungsgewinne, v.a.
solche aus der Veräußerung oder Leerverkäufen von Wertpapieren, von Immobilien, die länger als zehn Jahre vom Investmentvermögen gehalten
wurden und Termingeschäften, sind nicht erfasst. Im Falle der Thesaurierung sind sie damit nicht steuerbar.1052
Es tritt bis zur Ausschüttung eine Steuerstundung für diese Veräußerungsgewinne ein. Dadurch kommt es zu einer Durchbrechung des Transparenzprinzips und einer Besserstellung der Investmentanlage gegen über
Direktinvestments.1053
Im Zeitpunkt der Ausschüttung werden auch diese Veräußerungsgewinne auf Grund der weiten Definition der ausgeschütteten Erträge (»Gewinne aus Veräußerungsgeschäften«) erfasst.1054 Es kann damit nicht zu
Steuerausfällen durch Abwarten der Spekulationsfrist – wie etwa bei Privatanlegern – kommen. Die Veräußerungsgewinne werden entweder bei
der Ausschüttung durch das Investmentvermögen erfasst oder im Zeitpunkt
der Veräußerung oder Rückgabe des Investmentanteils, die nach § 8
InvStG zu besteuern ist.1055 Es ist daher zur Sicherstellung der Besteuerung
nicht erforderlich die Veräußerungsgewinne als ausschüttungsgleichen Ertrag zu erfassen. Darüber hinaus kann der betriebliche Anleger nicht über
die thesaurierten Veräußerungsgewinne verfügen. Daher würde es gegen
das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verstoßen, wenn
der Anleger die Veräußerungsgewinne bereits vor dem Zeitpunkt der Realisation versteuern müsste.1056
Darüber hinaus soll es dem Investmentvermögen ermöglicht werden
notwendige Umschichtungen vorzunehmen, ohne steuerliche Konsequen-
1051 Lang in Tipke/Lang, § 9 Rn. 181, 196; Lindemann, FR 2003, 890, 901.
1052 Kayser/Steinmüller, FR 2004, 137, 140.
1053 Lübbehüsen in Brinkhaus/Scherer, KAGG, Vor §§ 37n ff. Rn. 14, § 39 Rn. 35; Sorgenfrei, IStR 1994, 465, 467.
1054 Kayser/Steinmüller, FR 2004, 137, 140.
1055 Lindemann, FR 2003, 890, 901.
1056 Lindemann, FR 2003, 890, 901 f.; Kayser/Steinmüller, FR 2004, 137, 140.
A. Reguläre Besteuerung 239
zen für den Anleger auszulösen.1057 Der Anleger selbst hat keinerlei Einfluss auf die Handlungen des Investmentvermögens und kann nicht auf das
Timing der Verkäufe einwirken, um eine Steuerpflicht gegebenenfalls
durch späteren Verkauf zu verhindern. Die Spezialkenntnisse der Fondsmanager dürfen nicht hinter steuerlichen Konsequenzen für die Anleger
zurückstehen.
Würden die Wertpapierveräußerungsgewinne als ausschüttungsgleiche
Erträge erfasst, wäre es zur weiteren Durchsetzung des Transparenzprinzips erforderlich, dass auch § 3 Nr. 40 EStG bzw. § 8b KStG für anwendbar
erklärt werden müssten. Ebenso wäre die Ermittlung und Bekanntmachung
dieser Bestandteile erforderlich. Daher ist es auch aus Vereinfachungsgesichtspunkten gerechtfertigt diese Veräußerungsgewinne erst bei Ausschüttung zu erfassen.
Die Durchbrechung des Transparenzprinzips durch den Ausschluss bestimmter Veräußerungsgewinne aus den ausschüttungsgleichen Erträgen
ist auch bei betrieblichen Anlegern gerechtfertigt.
VII. Anrechnung ausländischer Steuern
Bei einem Direktinvestment ins Ausland kann es zu einer Anrechnung ausländischer Steuern kommen, wenn Deutschland mit dem ausländischen
Staat ein DBA abgeschlossen hat, in dem keiner der Staaten vollständig auf
sein Besteuerungsrecht verzichtet hat, aber für diese Einkünfte die Anrechnungsmethode vorgesehen ist. Weiterhin kann eine Anrechnung ausländischer Steuern auch dann in Frage kommen, wenn kein DBA abgeschlossen
wurde oder das DBA für diese Einkünfte keine Regelung vorsieht.1058 In
diesem Fall lässt Deutschland als unilaterale Maßnahme die Anrechnung
derjenigen ausländischen Steuern zu, die der deutschen Einkommensteuer
oder Körperschaftsteuer entsprechen, § 34c EStG, § 26 KStG. Dadurch
wird die Besteuerung der ausländischen Einkünfte auf das deutsche Steuerniveau hochgeschleust. Die Anrechnung wird allerdings auf die anteilig
auf die ausländischen Einkünfte entfallende deutsche Einkommen- oder
Körperschaftsteuer begrenzt (sog. Anrechnungshöchstbetrag).1059 Stammen die ausländischen Einkünfte aus mehreren ausländischen Staaten, sind
die Höchstbeträge für die anzurechnenden ausländischen Steuern nach
§ 68a Satz 2 EStDV für jeden ausländischen Staat einzeln zu ermitteln und
1057 Vgl. auch die Freistellung von Veräußerungsgewinnen bei Privatanlegern, Kapitel 8 A.V.1.
1058 Wied in Blümich, EStG, § 34c Rn. 8; Lübbehüsen in Brinkhaus/Scherer, KAGG,
§ 40 Rn. 97.
1059 Wied in Blümich, EStG, § 34c Rn. 8; Lübbehüsen in Brinkhaus/Scherer, KAGG,
§ 40 Rn. 109.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Diese Arbeit enthält eine umfassende Analyse der Besteuerung von Erträgen aus Investmentvermögen, die sowohl dem Praktiker als auch dem Wissenschaftler einen detaillierten Einblick in die Materie verschafft.
Die Besteuerung der Investmentanlage ist im InvStG speziell geregelt. Anleger, die ihre Investments über ein Investmentvermögen tätigen, sollen möglichst so behandelt werden, als ob sie direkt in die zu Grunde liegenden Anlagegegenstände investiert hätten (sog. Transparenzprinzip). Dieses Prinzip ist jedoch insbesondere aus Vereinfachungsgesichtspunkten im InvStG nicht vollumfänglich umgesetzt. Der Autor arbeitet die Durchbrechungen des Transparenzprinzips heraus und entwickelt Vorschläge zu einer weitergehenden Umsetzung desselben. Dabei legt er besonderes Augenmerk auf die Vereinfachung der Besteuerung.
Darüber hinaus werden der Anwendungsbereich sowie die pauschale Besteuerung bei intransparenten Investmentvermögen eingehend auf ihre Vereinbarkeit mit Verfassungs- und Europarecht untersucht. Der Autor schlägt Änderungen für die pauschale Besteuerung vor, die diese auf ein verfassungs- und europarechtskonformes Maß reduziert.