A. Eingangsseite des Investmentvermögens 79
Kapitel 6
Das Investmentvermögen als erste Besteuerungsebene
Durch die Zwischenschaltung des Investmentvermögens zwischen den
Anleger und die Anlagegegenstände und die Behandlung des Investmentvermögens als Steuersubjekt (per Fiktion oder per Rechtsform für die
Investmentaktiengesellschaft) ergeben sich für die Investmentanlage zwei
Stufen der Besteuerung: das Investmentvermögen (erste Stufe) und der
Anleger (zweite Stufe).259 Hält das Investmentvermögen selbst wiederum
Anteile an anderen Investmentvermögen, so ergeben sich jeweils weitere
Besteuerungsstufen.260 Vorliegend soll aber nicht weiter auf Dach-Investmentvermögen eingegangen werden.261
In der Literatur und auch in der Gesetzesbegründung wird z.T. nochmals
auf der Ebene des Investmentvermögens in die Eingangsseite und die Ausgangsseite des Investmentvermögens unterteilt.262 Die Maßnahmen zur
Verwirklichung des Transparenzprinzips betreffen für die Eingangsseite
Abzugssteuern wie die Kapitalertragsteuer (zzgl. Solidaritätszuschlag263)
und ausländische (fiktive) Quellensteuern. Für die Ausgangsseite sind
hauptsächlich der Einbehalt von Kapitalertragsteuer sowie die Ermittlung
der Erträge von Bedeutung.
A. Eingangsseite des Investmentvermögens
Um eine möglichst weitgehende Verwirklichung des Transparenzprinzips
zu erreichen, müssen auch die Erträge des Investmentvermögens (Eingangsseite) möglichst unbelastet dem Investmentvermögen zufließen. Als
259 Schulz/Petersen/Keller, DStR 2004, 1853, 1854 f.; Lübbehüsen in Brinkhaus/
Scherer, KAGG, Vor §§ 37n ff. Rn. 20 ff.; Altfelder, FR 2000, 295, 300 f.; Stotz,
S. 83.
260 Ebner, BB 2005, 295, 296; Lübbehüsen/Schmitt, IStR 2003, 397.
261 Dazu: Kayser/Bujotzek, FR 2006, 49, 64 ff.; Ebner, BB 2005, 295; Mensching/
Strobl, BB 2005, 635; Ramackers in Littmann, InvStG, § 10 Rn. 1 ff.; Geurts in
B/B, InvStG, § 10 Rn. 1 ff.; Lübbehüsen/Schmitt, IStR 2003, 397; Lübbehüsen/
Schmitt, IStR 2003, 450.
262 BT-Drs. 15/1553, S. 120; Ramackers in Littmann, InvStG, § 2 Rn. 5 ff.; Lübbehüsen in Brinkhaus/Scherer, KAGG, Vor §§ 37n ff. Rn. 7; Lübbehüsen/Schmitt, IStR
2003, 397. Insbesondere während der Geltung des Körperschaftsteueranrechungsverfahren war diese Unterscheidung von großer Bedeutung, vgl. Lübbehüsen in
Brinkhaus/Scherer, KAGG, § 38 Exk Rn. 1 ff.; Stotz, S. 84 ff.
263 Dies ergibt sich aus § 3 Abs. 1 Nr. 5 SolZG. Auf die Berücksichtigung des Solidaritätszuschlages wird im Folgenden verzichtet.
80 Kapitel 6 Das Investmentvermögen als erste Besteuerungsebene
mögliche Belastungen auf der Eingangsseite kommen insbesondere die
Kapitalertragsteuer und ausländische Quellensteuern in Betracht.264
Das Investmentvermögen ist Besteuerungssubjekt265, so dass grundsätzlich auf Ausschüttungen an das Investmentvermögen Kapitalertragsteuer
einzubehalten ist, soweit nicht nach § 44a EStG vom Steuerabzug Abstand
genommen werden kann. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 KStG gelten Körperschaftsteuerbefreiungen nicht für inländische Einkünfte, die vollständig oder
teilweise dem Steuerabzug unterliegen, denn allein aus der Steuerbefreiung nach § 11 Abs. 1 InvStG folgt noch nicht die Steuerfreiheit im Rahmen
des Kapitalertragsteuerabzugs.266 Um diese Belastungen auf der Eingangsseite zu vermeiden, steht dem Investmentvermögen deshalb nach § 11
Abs. 2 Satz 1 InvStG ein Anspruch auf Erstattung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer zu.267 Dies gilt auch für den einbehaltenen Solidaritätszuschlag, § 11 Abs. 2 Satz 1 2. HS InvStG. Handelt es sich um Kapitalerträge
i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG (insbesondere Gewinnausschüttungen aus Anteilen und Erträge aus Wandelanleihen), ist grundsätzlich
das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zuständig.268 In allen anderen
Fällen das Finanzamt, an das die Kapitalertragsteuer abgeführt wurde.
Grundsätzlich sind nach § 11 Abs. 2 Satz 3 InvStG die Vorschriften des
EStG über die Abstandnahme vom Steuerabzug und über die Erstattung
von Kapitalertragsteuer bei unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen
Gläubigern sinngemäß anzuwenden.269
Für die Erstattung von Kapitalertragsteuer ist generell eine Nichtveranlagungs-Bescheinigung (NV-Bescheinigung) nötig. Für Investmentvermögen tritt jedoch an die Stelle der »normalen« NV-Bescheinigung eine Bescheinigung i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 4 InvStG des für das Investmentvermögen zuständigen Finanzamtes. In dieser wird bestätigt, dass es sich bei dem
Investmentvermögen um ein Zweckvermögen oder eine Investmentaktiengesellschaft i.S.d. § 11 Abs. 1 InvStG handelt. Auch für diese Bescheinigung gelten die allgemeinen Regelungen des § 44a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und
Satz 3 EStG betreffend die NV-Bescheinigung entsprechend.270
Für Kapitalerträge, die dem Zinsabschlag unterliegen, ist in entsprechender Anwendung des Verfahrens nach § 44a EStG unter Vorlage der
264 Carlé/Hamacher in Korn, InvStG, § 11 Rn. 15; Thorn/Otto/Geese, S. 6 f.; Lübbehüsen in Brinkhaus/Scherer, KAGG, Vor §§ 37n ff. Rn. 7; § 38 Rn. 22; Altfelder,
FR 2000, 299, 300 ff.; Stotz, S. 111.
265 Vgl. Kapitel 3 C.
266 Ramackers in Littmann, InvStG, § 11 Rn. 10; Carlé/Hamacher in Korn, InvStG,
§ 11 Rn. 15; Jost in Dötsch, KStG, § 5 Einf Rn. 13, § 5 Abs. 2 Rn. 7 ff.; Kronat,
S. 31.
267 Ausführlich zu Einzel- und Sammelanträgen: Ramackers in Littmann, InvStG, § 11
Rn. 11; Geurts in B/B, § 11 Rn. 6.
268 BMF v. 2.6.2005, Rn. 220.
269 Ausführlich zur Kapitalertragsteuer: Stotz, S. 94 ff.; Baur, KAGG, § 38 Rn. 31 ff.
270 BMF v. 2.6.2005, Rn. 215; Geurts in B/B, EStG, § 11 Rn. 5.
A. Eingangsseite des Investmentvermögens 81
Bescheinigung bei der auszahlenden Stelle vom Einbehalt der Zinsabschlagsteuer abzusehen.271
Ausländische Quellensteuern können nicht von inländischen Finanzbehörden erstattet werden.272 Ob eine Reduktion eines ausländischen Quellensteuersatzes auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)
durch das Investmentvermögen erreicht werden kann, ist noch nicht abschließend geklärt. Es kommt darauf an, wem die ausländische Rechtsordnung die Einkünfte zurechnet und ob die deutsche Zweckvermögensfiktion
zu beachten ist.273 Einige DBA sehen jedoch ausdrückliche Regelungen
über die Antragsberechtigung oder Verständigungsvereinbarungen vor.274
Für Investmentaktiengesellschaften dürfte sich diese Problematik i.d.R.
nicht stellen, da sie als Aktiengesellschaften grundsätzlich abkommensberechtigt sind.275
In entsprechender Anwendung des § 34c EStG und § 26 KStG wird dem
Anleger nach § 4 Abs. 2 InvStG zumindest eine (teilweise) Anrechnung
oder ein Abzug von der Bemessungsgrundlage bezahlter ausländischer
Quellensteuern des Investmentvermögens gewährt. Alternativ können ausländische Quellensteuern nach § 4 Abs. 4 InvStG bereits auf der Ebene des
Investmentvermögens als Werbungskosten abgezogen werden.276
Im Ergebnis wird die Eingangsseite des Investmentvermögens daher von
der Belastung mit Quellensteuer freigestellt. Lediglich ausländische Steuern bereiten in diesem Zusammenhang Schwierigkeiten. Für inländische
Erträge ist das Transparenzprinzip auf der Eingangsseite des Investmentvermögens verwirklicht.
271 BMF v. 2.6.2005, Rn. 216 ff. Zum Verfahren nach § 44a EStG: Lindberg in Blümich, EStG, § 44a Rn. 4 ff.; BMF-Schreiben v. 5.11.2002, BStBl. I 2002, 1346,
Rn. 27 ff.
272 Ramackers in Littmann, InvStG, § 11 Rn. 14; Geurts in B/B, InvStG, § 11 Rn. 8;
Lübbehüsen in Brinkhaus/Scherer, KAGG, § 38 Rn. 43. Etwas anderes könnte sich
jedoch aus dem EuGH v. 7.9.2004, Rs. C-319/02 (Manninen), Slg. 2004 I, 7477
für im Ausland gezahlte Körperschaftsteuer ergeben, dazu Carlé/Hamacher in
Korn, InvStG, § 11 Rn. 16.
273 Angsten, S. 199 ff.; Zeller: Investmentfonds, S. 39 ff.; Ramackers in Littmann,
InvStG, § 11 Rn. 14; Fock, RIW 2003, 119, 123 ff.; Lübbehüsen in Brinkhaus/
Scherer, KAGG, § 38 Rn. 43 ff.; Wassermeyer, IStR 2001, 193, 199 ff.; Sorgenfrei,
IStR 1994, 465, 468 ff.
274 So etwa das DBA Frankreich in Art. 25b Abs. 4. Weitere Länder mit denen vergleichbare Regelungen bestehen sind die Schweiz, Großbritannien, USA, Luxemburg, Italien und Österreich. Ramackers in Littmann, InvStG, § 11 Rn. 14; Lübbehüsen in Brinkhaus/Scherer, KAGG, § 38 Rn. 47 ff. m.w.N.; Baur, KAGG, § 40
Rn. 30 ff.; BMF-Schreiben v. 22.10.1970, BStBl. I 1970, 1000.
275 Angsten, S. 157 ff.; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, OECD-MA, Art. 3
Rn. 18, Art. 4 Rn. 25; Wassermeyer, IStR 2001, 193, 201 f.
276 Geurts in B/B, InvStG, § 4 Rn. 10 ff.; Ramackers in Littmann, InvStG, § 4 Rn. 30
ff. Zeller: Investmentfonds, S. 48 ff.; Angsten, S. 89 ff.
82 Kapitel 6 Das Investmentvermögen als erste Besteuerungsebene
B. Ausgangsseite des Investmentvermögens
Neben einer möglichst weitgehenden Steuerfreistellung der Eingangsseite
ist insbesondere die Ausgangsseite des Investmentvermögens von Bedeutung für die Durchsetzung des Transparenzprinzips. Auf Grund des Transparenzprinzips soll die steuerliche Erfassung der Erträge ausschließlich
auf Ebene der Anteilinhaber stattfinden.277 Um dies zu gewährleisten, hat
das Investmentvermögen für alle Anleger die Erträge aus der Investmentanlage zu ermitteln und den Anlegern bekannt zu machen. Die Pflicht zur
Ermittlung der Erträge ergibt sich ebenso daraus, dass das Investmentvermögen Besteuerungssubjekt ist. Darüber hinaus hat das Investmentvermögen für einige Ertragsbestandteile Kapitalertragsteuer einzubehalten. Auch
dies dient der Gleichstellung mit dem Direktanleger, da bei diesem gleichfalls bei entsprechenden Erträgen Kapitalertragsteuer einbehalten wird.278
Daher ist die Fondsausgangsseite von besonderer Bedeutung für die
Sicherstellung der Besteuerung beim Anleger und damit der Investmentanlage insgesamt.279
I. Ertragsermittlung auf Ebene des Investmentvermögens
Die Kapitalanlagegesellschaft hat für das Investmentvermögen Rechnung
zu legen, § 44 InvG.280 Dies beinhaltet auch die Erstellung einer Ertragsund Aufwandsrechnung nach § 44 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 InvG. Darüber hinaus müssen für das Investmentvermögen die Erträge ermittelt und entsprechend den nach § 5 InvStG erforderlichen Ertragsbestandteilen aufgeteilt
werden, um den Bekanntmachungsverpflichtungen nach § 5 InvStG nachzukommen, um eine pauschale Besteuerung der Anleger nach § 6 InvStG
zu vermeiden. Für den Umfang der steuerpflichtigen Erträge kommt es darauf an, ob die Erträge ausgeschüttet (ausgeschüttete Erträge, § 1 Abs. 3
Satz 2 InvStG) oder (teilweise) thesauriert (ausschüttungsgleiche Erträge,
§ 1 Abs. 3 Satz 3 InvStG) werden. Die Definition der ausgeschütteten
Erträge weicht von der der ausschüttungsgleichen Erträge ab. Der Umfang
der steuerbaren Erträge im Falle der Ausschüttung ist erheblich weiter als
im Thesaurierungsfall.
277 Baur, KAGG, Vor § 37a Rn. 22; Lübbehüsen in Brinkhaus/Scherer, Vor §§ 37n ff.
Rn. 11; Thorn/Otto/Geese, S. 30.
278 Zeller: Investmentfonds, S. 35; Thorn/Otto/Geese, S. 30; Lübbehüsen in Brinkhaus/Scherer, KAGG, § 38b Rn. 8, Vor §§ 37n ff. Rn. 11; Baur, KAGG, Vor § 37a
Rn. 24 ff.
279 Thorn/Otto/Geese, S. 30.
280 Im Falle einer Investmentaktiengesellschaft trifft diese Verpflichtung die Gesellschaft selbst, § 99 Abs. 3 InvG i.V.m. § 44 InvG.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Diese Arbeit enthält eine umfassende Analyse der Besteuerung von Erträgen aus Investmentvermögen, die sowohl dem Praktiker als auch dem Wissenschaftler einen detaillierten Einblick in die Materie verschafft.
Die Besteuerung der Investmentanlage ist im InvStG speziell geregelt. Anleger, die ihre Investments über ein Investmentvermögen tätigen, sollen möglichst so behandelt werden, als ob sie direkt in die zu Grunde liegenden Anlagegegenstände investiert hätten (sog. Transparenzprinzip). Dieses Prinzip ist jedoch insbesondere aus Vereinfachungsgesichtspunkten im InvStG nicht vollumfänglich umgesetzt. Der Autor arbeitet die Durchbrechungen des Transparenzprinzips heraus und entwickelt Vorschläge zu einer weitergehenden Umsetzung desselben. Dabei legt er besonderes Augenmerk auf die Vereinfachung der Besteuerung.
Darüber hinaus werden der Anwendungsbereich sowie die pauschale Besteuerung bei intransparenten Investmentvermögen eingehend auf ihre Vereinbarkeit mit Verfassungs- und Europarecht untersucht. Der Autor schlägt Änderungen für die pauschale Besteuerung vor, die diese auf ein verfassungs- und europarechtskonformes Maß reduziert.