A. Sachlicher Anwendungsbereich des Investmentsteuergesetzes 55
Kapitel 4
Anwendungsbereich des Investmentsteuergesetzes
Die Besteuerung der Inhaber von Investmentanteilen und von Investmentvermögen erfolgt nach dem InvStG, wenn dessen Anwendungsbereich
eröffnet ist. Ist der Anwendungsbereich nicht eröffnet, so folgt die Besteuerung den allgemeinen Grundsätzen des Steuerrechts.
A. Sachlicher Anwendungsbereich des Investmentsteuergesetzes
Der Anwendungsbereich des InvStG ergibt sich aus § 1 InvStG. Das
InvStG ist im Grundsatz sowohl auf ausländische als auch auf inländische
Investmentvermögen und Investmentanteile anzuwenden.144 Eines der
Ziele des Gesetzgebers war es gerade, die bisher bestehende Ungleichbehandlung inländischer und ausländischer Investmentvermögen aufzuheben.145 Dies war v.a. mit Rücksicht auf die Kapitalverkehrsfreiheit nach
Art. 56 EG und das von der EU-Kommission gegen Deutschland eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren geboten.146 Zwar war im ursprünglichen
Entwurf für das Investmentsteuergesetz auch für ausländische Investmentvermögen und Investmentanteile ein den weiten wirtschaftlichen (materiellen) Investmentvermögensbegriff nach § 1 Satz 2 InvG eingrenzender
formellrechtlicher Investmentvermögensbegriff vorgesehen,147 im Laufe
des Gesetzgebungsverfahrens nahm aber der Gesetzgeber wieder davon
Abstand.148 Bei ausländischen Investmentvermögen blieb es allerdings
zunächst bei der ausschließlichen Anknüpfung an den materiellen Investmentbegriff nach § 1 Satz 2 InvG.149 Dagegen bleibt der Anwendungsbe-
144 BMF-Schreiben v. 2.6.2005, Rn. 1; Maier/Wengenroth, ErbStB 2004, 56.
145 BT-Drs. 15/1553, S. 120, 122 f.
146 Vertragsverletzungsverfahren TAXU/X/05 Nummer 2000/5059; Aufforderung der
Kommission v. 10.7.2003, IP/03/990; Lübbehüsen/Schmitt, DB 2003, 1696;
Harenberg in H/H/R, InvStG, J 03-3; Geurts in B/B, InvStG, § 1 Rn. 2; Plewka/
Watrin, DB 2001, 2264, 2267 f.; Schmitt, DStR 2002, 2193, 2198 f.; Wassermeyer,
DB 2003, 2085; Tibo, DB 2000, 2291, 2293 f.
147 Dabei sollte es neben den materiellen Voraussetzungen: gemeinschaftliche Kapitalanlage, Risikomischung und Anlage in bestimmte Vermögensgegenstände auch
auf formale Voraussetzungen wie Investmentaufsicht, Börsennotierung oder
Zulassung zum öffentlichen Vertrieb ankommen, BT-Drs. 15/1553, S. 120 f.
148 Fock, BB 2003, 1589, 1592; Wassermeyer, DB 2003, 2085; Köndgen/Schmies,
WM Sonderbeilage 1/2004, 2, 20; Sradj/Mertes, DStR 2004, 201; Feyerabend/
Meinhardt, StB 2004, 293.
149 Zur Neuregelung durch das Investmentänderungsgesetz vgl. Kapitel 4 A.IV.
56 Kapitel 4 Anwendungsbereich des Investmentsteuergesetzes
reich des InvStG für inländische Investmentvermögen dahingehend eingeschränkt, dass neben dem materiellen Investmentbegriff noch eine weitere
formelle Voraussetzung, nämlich die zivilrechtliche Ausgestaltung des
Investmentvermögens als Investmentfonds oder Investmentaktiengesellschaft, erfüllt sein muss. Daher hatte der Gesetzgeber das angestrebte Ziel
nicht in vollem Umfang erreicht, da der Anwendungsbereich des InvStG
für in- und ausländische Investmentvermögen bzw. Investmentanteile
immer noch unterschiedlich war. Allerdings wurde das Ziel nicht aufgegeben und das BMF suchte weiterhin nach einer möglichen formellrechtlichen Definition von ausländischen Investmentvermögen und Investmentanteilen, da der verwendete wirtschaftliche Investmentbegriff zu Abgrenzungsschwierigkeiten und Rechtsunsicherheit bei ausländischen Investmentvehikeln führte.150
Wie bereits unter der Anwendung des KAGG und des AuslInvestmG
blieb es somit zunächst bei einer – wenn auch geminderten – Ungleichbehandlung von ausländischen und inländischen Investmentvermögen. Dies
ergibt sich auch aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 1 InvStG, der deshalb zwischen inländischen Investmentvermögen und Investmentanteilen (§ 1
Abs. 1 Nr. 1 InvStG) und ausländischen Investmentvermögen und Investmentanteilen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 InvStG) differenziert.
I. Inländische Investmentvermögen und Investmentanteile
Das Investmentsteuergesetz ist auf inländische Investmentvermögen anzuwenden, soweit diese in Form einer inländischen Investmentgesellschaft
strukturiert sind. Dies ist dann der Fall, wenn das Investmentvermögen in
Form eines Investmentfonds oder einer Investmentaktiengesellschaft –
jeweils i.S.d. InvG – gebildet wird.
Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 InvStG sind die Begriffsdefinitionen151 des § 1
Satz 2 InvG und § 2 InvG anzuwenden.152 Der Anwendungsbereich des
InvStG wird daher maßgeblich vom InvG bestimmt und stimmt für inländische Investmentvermögen mit dessen Anwendungsbereich überein.153
Durch den Verweis auf § 1 Satz 2 InvG sind sowohl die gemeinschaftliche
Kapitalanlage nach dem Grundsatz der Risikomischung als auch die Anforderungen an die zivil- und aufsichtsrechtliche Ausgestaltung des Invest-
150 Konsultationspapier des BMF zur Novellierung des Investmentgesetzes v.
20.4.2005; BDO, S. 39; Harenberg in H/H/R, InvStG, Rn. J 03-5; Lübbehüsen/
Schmitt, DB 2004, 268; Pfüller/Schmitt, AuslInvestmG, § 1 Rn. 24 ff.; Strobl-
Haarmann/Krause in FS W. Müller, S. 367 f.
151 Siehe dazu: Kapitel 3.
152 Ramackers in Littmann, InvStG, § 1 Rn. 15 f.; Geurts in B/B, InvStG, § 1 Rn. 25;
Hamacher in Korn, InvStG, § 1 Rn. 12.
153 Ramackers in Littmann, InvStG, § 1 Rn. 5.
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mentvermögens Voraussetzung für die Anwendbarkeit des InvStG. Auf
Grund der Verweisung auf § 2 Abs. 1 InvG und § 2 Abs. 5 InvG ergibt sich,
dass nicht alle inländischen Investmentvermögen in den Anwendungsbereich des InvStG gelangen. Zu der wirtschaftlichen Anforderung – gemeinschaftliche Kapitalanlage unter Beachtung der Risikomischung – müssen
auch noch die investmentrechtlichen Anforderungen an die zivilrechtliche
Ausgestaltung erfüllt sein. Nur Investmentaktiengesellschaften i.S.d. § 2
Abs. 5 InvG und Investmentfonds i.S.d. § 2 Abs. 1 InvG unterliegen den
Besteuerungsregeln des InvStG. Liegen diese formalen Voraussetzungen
nicht vor, ist das InvStG nicht anwendbar und die allgemeinen Besteuerungsregeln greifen ein.
Andere Investmentformen, wie etwa geschlossene Immobilienfonds in
der Form von Publikums-Personengesellschaften oder andere inländische
Investmentvehikel, unterliegen nicht der Besteuerung nach dem InvStG.154
Faktisch kann bei der Aufstellung inländischer Investmentvermögen,
die den materiellen Investmentbegriff erfüllen, durch entsprechende Wahl
der zivilrechtlichen Struktur entschieden werden, ob eine Anwendung des
InvG und damit auch des InvStG gewollt ist oder nicht. Für inländische Investmentvermögen gilt nämlich weiterhin ein formeller Investmentbegriff.155
Es ist allerdings zu fragen, wann ein Investmentvermögen ein inländisches ist. Aus dem Gesetz geht nicht hervor, welche Kriterien erfüllt werden müssen. Daher ist die Qualifikation als inländisches Investmentvermögen in Abgrenzung zum ausländischen Investmentvermögen, also aus einem Umkehrschluss zu § 2 Abs. 8 InvG, zu ermitteln.156 Inländische Investmentgesellschaften sind demnach solche, deren Vermögen dem Recht
der Bundesrepublik Deutschland unterstehen. Auch aus den Zulassungsregelungen betreffend die Kapitalanlagegesellschaften und die Investmentaktiengesellschaften lassen sich weitere Schlüsse ziehen. Die Kapitalanlagegesellschaft muss nach § 6 Abs. 1 Satz 3 InvG zwingend ihren Sitz und
die Hauptverwaltung im Inland haben. Die Investmentaktiengesellschaft
muss ihren Sitz und den Ort der Geschäftsleitung im Inland haben, damit
sie die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistung (BaFin) erhält, § 97 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InvG.157 Ein inländisches Investmentvermögen liegt demnach dann vor, wenn die Invest-
154 Sradj/Mertes, DStR 2003, 1681, 1681 f.; Köndgen/Schmies, WM Sonderbeilage
1/2004, 2, 20; BT-Drs. 15/1553, S. 120; Baur, KAGG, § 1 Rn. 10; Caemmerer, JZ
1958, 41, 44 f.
155 BMF-Schreiben v. 2.6.2005, Rn. 2; Geurts in B/B, InvStG, § 1 Rn. 5; Wassermeyer, DB 2003, 2085; Fock, BB 2003, 1589, 1591; Feyerabend/Meinhardt, StB
2004, 293.
156 Ramackers in Littmann, InvStG, § 1 Rn. 6; Hamacher in Korn, InvStG, § 1 Rn. 9.
157 Ramackers in Littmann, InvStG, § 1 Rn. 6; Angsten, S. 20.
58 Kapitel 4 Anwendungsbereich des Investmentsteuergesetzes
mentaktiengesellschaft oder – im Fall eines Investmentfonds – die Kapitalanlagegesellschaft ihren Sitz im Inland hat.158
Das InvStG findet nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 InvStG auch auf Anteile an inländischen Investmentvermögen Anwendung (inländische Investmentanteile).
II. Ausländische Investmentvermögen und Investmentanteile
Um eine möglichst weit gehende Gleichstellung zwischen inländischen
und ausländischen Investmentvermögen zu erreichen und so die bisherige,
europarechtlich nicht haltbare Ungleichbehandlung zu beseitigen, ist das
InvStG nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 InvStG auch auf ausländische Investmentvermögen und ausländische Investmentanteile i.S.d. § 2 Abs. 8 und 9 InvG
anzuwenden.
1. Ausländische Investmentvermögen
Allerdings folgt hieraus keine vollständige Gleichbehandlung mit inländischen Investmentvermögen, da die anzuwendenden Definitionen aus dem
InvG für ausländische und inländische Investmentvermögen unterschiedlich sind. Nach § 2 Abs. 8 und 9 a.F.159 i.V.m. § 1 Satz 2 InvG liegt ein ausländisches Investmentvermögen vor, wenn es sich um ein Vermögen zur
gemeinschaftlichen Kapitalanlage handelt, das nach dem Grundsatz der
Risikomischung in zulässige Vermögensgegenstände nach § 2 Abs. 4 InvG
investiert und dem Recht eines anderen Staates untersteht. Auch ausländische Investmentvermögen müssen den Investmentvermögensbegriff des
§ 1 Satz 2 InvG erfüllen.160
Für ausländische Investmentvermögen gilt nach § 2 Abs. 8 Satz 2 InvG
der Grundsatz der Risikomischung auch dann als gewahrt, wenn das Investmentvermögen in nicht nur unerheblichem Umfang Anteile an einem oder
mehreren anderen Vermögen enthält und diese anderen Vermögen unmittelbar oder mittelbar nach dem Grundsatz der Risikomischung angelegt
sind.161 Das heißt, der Grundsatz der Risikomischung gilt für ausländische
Investmentvermögen auch dann als gewahrt, wenn er nicht unmittelbar von
dem ausländischen Investmentvermögen selbst, sondern unmittelbar oder
158 Hamacher in Korn, InvStG, § 1 Rn. 9 f.; Ramackers in Littmann, InvStG, § 1 Rn. 6,
36; Angsten, S. 20; zum alten Recht: Pfüller/Schmitt in Brinkhaus/Scherer, Ausl-
InvestmG, § 1 Rn. 30; BMF-Schreiben v. 2.6.2005, BStBl. I 2005, 728, Rn. 10;
Fischer, WM 2001, 1236.
159 Fassung des InvG vor dem Investmentänderungsgesetz, vgl. dazu Kapitel 4 A.IV.
160 Siehe dazu: Kapitel 3 A.
161 Sradj/Mertes, DStR 2004, 201, 202; BMF-Schreiben v. 2.6.2005, Rn. 3.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Diese Arbeit enthält eine umfassende Analyse der Besteuerung von Erträgen aus Investmentvermögen, die sowohl dem Praktiker als auch dem Wissenschaftler einen detaillierten Einblick in die Materie verschafft.
Die Besteuerung der Investmentanlage ist im InvStG speziell geregelt. Anleger, die ihre Investments über ein Investmentvermögen tätigen, sollen möglichst so behandelt werden, als ob sie direkt in die zu Grunde liegenden Anlagegegenstände investiert hätten (sog. Transparenzprinzip). Dieses Prinzip ist jedoch insbesondere aus Vereinfachungsgesichtspunkten im InvStG nicht vollumfänglich umgesetzt. Der Autor arbeitet die Durchbrechungen des Transparenzprinzips heraus und entwickelt Vorschläge zu einer weitergehenden Umsetzung desselben. Dabei legt er besonderes Augenmerk auf die Vereinfachung der Besteuerung.
Darüber hinaus werden der Anwendungsbereich sowie die pauschale Besteuerung bei intransparenten Investmentvermögen eingehend auf ihre Vereinbarkeit mit Verfassungs- und Europarecht untersucht. Der Autor schlägt Änderungen für die pauschale Besteuerung vor, die diese auf ein verfassungs- und europarechtskonformes Maß reduziert.