217
anwendbaren Gesellschaftsrecht allgemein zur Vertretung des Schuldners berechtigt
und verpflichtet sind. Dagegen fällt es nicht mehr in den Bereich des Insolvenzrechts, wenn die Insolvenzantragspflicht einem nicht allgemein zur Vertretung des
Schuldners berechtigten und verpflichteten Organ zugewiesen wird. Gerade dies tut
jedoch § 15a Abs. 3 InsO n.F., denn die Gesellschafter sind nicht allgemein zur
Vertretung der GmbH berechtigt und verpflichtet. Weder das reformierte GmbHG
noch das englische Gesellschaftsrecht sehen vor, dass die Gesellschafter in die Stellung der Geschäftsführer aufrücken, wenn solche nicht bestellt sind. Dass § 15a
Abs. 3 InsO n.F. im Fall der Führungslosigkeit die Insolvenzantragspflicht auf die
Gesellschafter erstreckt, stellt also einen Eingriff in die gesellschaftsinterne Aufgabenverteilung dar, der dem Gesellschaftsrecht vorbehalten ist. Die Vorschrift ist
daher auf ausländische Gesellschaften grundsätzlich nicht anwendbar.
Ausnahmsweise ist aber § 15a Abs. 3 InsO n.F. bei missbräuchlicher Abberufung
oder Amtsniederlegung der Geschäftsführer über eine Sonderanknüpfung auch bei
ausländischen Gesellschaften anwendbar. Missbrauch wird durch die Artt. 43, 48
EGV nämlich nicht geschützt, so dass die ausnahmsweise Anwendung des § 15a
Abs. 3 InsO n.F. mit dem höherrangigen Recht der EG vereinbar ist. Die Vorschrift
ist in einem solchen Fall unmittelbar anwendbar, nicht nur analog, denn die Auslegung der Vorschrift ergibt, dass „Gesellschafter“ auch die einer ausländischen
GmbH sind. „Gesellschafter“ einer englischen Ltd. sind die members.783
IV. Strafbare Insolvenzverschleppung gemäß § 15a Abs. 4 InsO n.F.
Ebenso wie die rechtsformspezifischen Insolvenzantragspflichten werden auch die
entsprechenden Strafvorschriften aufgehoben bzw. angepasst. An ihre Stelle tritt
§ 15a Abs. 4 InsO n.F., der die vorsätzliche Verletzung der Insolvenzantragspflicht
aus Abs. 1 S. 1 (auch i.V.m. S. 2 und Abs. 2 und 3) InsO n.F. unter Strafe stellt. Nach
§ 15a Abs. 5 InsO n.F. ist fahrlässiges Verhalten strafbar.
§ 15a Abs. 4 InsO n.F. enthält die Wendung „entgegen Absatz 1 Satz 1“. Deren
Bedeutung entspricht der der Formulierung „entgegen § 64 Abs. 1“ in § 84 Abs. 1
Nr. 2 GmbHG a.F. Das bedeutet, dass die Strafbarkeit nach § 15a Abs. 4 InsO n.F.
die Anwendbarkeit des in Bezug genommenen Abs. 1 nach Internationalem Insolvenzrecht voraussetzt.
Der director einer Ltd. ist ohne weiteres unter das Tatbestandsmerkmal „Mitglieder eines Vertretungsorgans“ in § 15a Abs. 4 InsO n.F. zu subsumieren. Der Streit
um die Auslegung des Begriffs „Geschäftsführer“ behält seine Bedeutung jedoch für
die vor Inkrafttreten des MoMiG begangene Taten sowie für die übrigen Straftatbestände des GmbHG. Der Gesetzgeber hat es versäumt, diesen Streit zu entscheiden.
Dazu hätte lediglich § 82 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG entgegen dem Regierungsentwurf784
783 Vom member wird in Hinblick auf die Mitgliedschaft gesprochen, vom shareholder in Hinblick auf die Beteiligung am Kapital der Gesellschaft.
784 BT-Drs. 16/6140, S. 9, 77.
218
und der Empfehlung des Bundesrats785 nicht geändert werden dürfen. Ziel dieser
Änderung war es, auch die Organe ausländischer Gesellschaften wegen einer falschen Versicherung über das Nichtvorliegen eines Ausschlussgrunds i.S.d. § 6 Abs. 2
GmbHG bestrafen zu können.786 Dazu wurde zum einen § 13g Abs. 2 und 5 HGB
geändert so dass i.V.m. § 8 Abs. 2 und § 39 Abs. 3 GmbHG nun auch der
Geschäftsführer einer ausländischen GmbH verpflichtet ist, eine solche Versicherung
abzugeben. Zum anderen wurde § 82 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG geändert, der jetzt den
„Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder [...] Geschäftsleiter einer ausländischen juristischen Person“ als Täter nennt. Nach der hier vertretenen Ansicht ist diese Erweiterung überflüssig, wenn dadurch lediglich die Bestrafung des Geschäftsführers einer ausländischen GmbH ermöglicht werden soll. Letzteres ist jedoch zweifelhaft, weil der Gesetzgeber einen deutlich weiteren Begriff –
„Geschäftsleiter einer ausländischen juristischen Person“ – gewählt hat. Möglicherweise soll § 82 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG auch andere Organe ausländischer Gesellschaften erfassen als die Geschäftsführer, nämlich alle in § 13e Abs. 3 S. 2 HGB genannten „gesetzlichen Vertreter“, für die § 6 Abs. 2 GmbHG gilt.
785 BT-Drs. 16/6140, S. 69
786 BT-Drs. 16/6140, S. 47.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Nach noch herrschender Meinung kann der director einer englischen private company limited by shares (Ltd.) nicht wegen Insolvenzverschleppung nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG bestraft werden. Dem tritt der Autor entgegen und zeigt, dass mit dieser Strafvorschrift sehr wohl gegen gläubigergefährdendes Verhalten des directors einer Ltd. vorzugehen ist.
Denn die Auslegung des Begriffs „Geschäftsführer“ ergibt, dass dieser die Organe ausländischer Gesellschaften mit beschränkter Haftung einbezieht. Für die Organe solcher Gesellschaften besteht auch eine Insolvenzantragspflicht nach § 64 Abs. 1 GmbHG, weil diese Vorschrift dem Insolvenzrecht zuzuordnen und über Art. 4 Abs. 1 EuInsVO anwendbar ist.
Darauf aufbauend werden die Besonderheiten des § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG im Fall der Insolvenz einer Ltd. dargestellt, z.B. die Strafbarkeit nach der dissolution, die Begehung durch einen shadow director, die Aufstellung des Überschuldungsstatus und die Antragstellung im Ausland. Abschließend wird die Vereinbarkeit der Insolvenzantragspflicht und ihrer Strafbewehrung mit dem Recht der EG behandelt. Die gefundenen Ergebnisse sind im Wesentlichen auf § 15a Abs. 4 InsO n.F. übertragbar.