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originis societatis ist. Es ist daher grundsätzlich anzuerkennen, wenn das englische
Recht einer Ltd. die Wesensmerkmale einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung
verleiht. Die Ltd. ist in Deutschland als solche rechtsfähig und insolvenzfähig.513
II. Versagung der Anerkennung bei Scheinauslandsgesellschaften
Der EuGH hat angedeutet, dass einer Scheinauslandsgesellschaft ausnahmsweise die
Anerkennung versagt werden könne, nämlich bei „Missbrauch“ oder „Betrügereien“.514 Welche Fälle damit gemeint sind, ist noch offen. Wird einer Ltd. aus diesen
Gründen die Anerkennung versagt, ist das anwendbare Gesellschaftsrecht anhand
der Kollisionsnorm der modifizierten Sitztheorie zu ermitteln. Nach dieser ist deutsches Gesellschaftsrecht anzuwenden, sofern der tatsächliche Verwaltungssitz der
Gesellschaft in Deutschland liegt. Weil die Gründungsvorschriften des GmbHG
nicht eingehalten sind, ist die vermeintliche Ltd. lediglich als GbR, oHG oder Einzelunternehmen zu behandeln. Folglich können auch die § 64 Abs. 1, § 84 Abs. 1
Nr. 2 GmbHG nicht verwirklicht sein. Allerdings sind die Gesellschafter unmittelbar
oder gemäß § 128 HGB der unbeschränkten persönlichen Haftung ausgesetzt. Aus
diesem Grund kann der Geschäftsführer einer Ltd., der nicht zugleich Gesellschafter
ist, bestrebt sein, sich auf Umstände zu berufen, die die Annahme von „Missbrauch“
oder „Betrügereien“ rechtfertigen, um so der Strafbarkeit nach § 84 Abs. 1 Nr. 2
GmbHG zu entgehen. Ob er damit Erfolg hat, ist eine Frage des Einzelfalls.
III. Zeitliche Grenzen der Rechtspersönlichkeit einer Ltd.
Damit eine Ltd. in Deutschland als ausländische GmbH anerkannt wird, muss sie
nach englischem Recht wirksam entstanden sein, also eigene Rechtspersönlichkeit
erlangt haben. Verliert sie diese Rechtspersönlichkeit wieder, liegt grundsätzlich
keine ausländische GmbH mehr vor, so dass der Tatbestand des § 84 Abs. 1 Nr. 2
GmbHG nicht mehr verwirklicht werden kann.
513 Zu Letzterem vgl. LG Duisburg, ZIP 2007, 926; AG Nürnberg, ZIP 2007, 83; AG Hamburg,
ZIP 2005, 2275; AG Saarbrücken, ZIP 2005, 2027; AG Duisburg, NZG 2003, 1167.
514 EuGH, Rs. C-212/97, Slg. 1999, I-1459, Rn. 24 ff. – Centros; EuGH, Rs. C-167/01,
Slg. 2002, I-9919, Rn. 136 – Inspire Art. Zu pauschal daher AG Saarbrücken, ZIP 2005,
2027, wonach der Missbrauch nicht vom Insolvenzgericht festzustellen ist, sondern im Rahmen einer Klage gegen die Gesellschafter.
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References
Zusammenfassung
Nach noch herrschender Meinung kann der director einer englischen private company limited by shares (Ltd.) nicht wegen Insolvenzverschleppung nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG bestraft werden. Dem tritt der Autor entgegen und zeigt, dass mit dieser Strafvorschrift sehr wohl gegen gläubigergefährdendes Verhalten des directors einer Ltd. vorzugehen ist.
Denn die Auslegung des Begriffs „Geschäftsführer“ ergibt, dass dieser die Organe ausländischer Gesellschaften mit beschränkter Haftung einbezieht. Für die Organe solcher Gesellschaften besteht auch eine Insolvenzantragspflicht nach § 64 Abs. 1 GmbHG, weil diese Vorschrift dem Insolvenzrecht zuzuordnen und über Art. 4 Abs. 1 EuInsVO anwendbar ist.
Darauf aufbauend werden die Besonderheiten des § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG im Fall der Insolvenz einer Ltd. dargestellt, z.B. die Strafbarkeit nach der dissolution, die Begehung durch einen shadow director, die Aufstellung des Überschuldungsstatus und die Antragstellung im Ausland. Abschließend wird die Vereinbarkeit der Insolvenzantragspflicht und ihrer Strafbewehrung mit dem Recht der EG behandelt. Die gefundenen Ergebnisse sind im Wesentlichen auf § 15a Abs. 4 InsO n.F. übertragbar.