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IX. Kapitel: Die Sanierungsverantwortlichkeit des Gesamtrechtsnachfolgers in der Insolvenz
Letztlich ist noch zu fragen, ob und inwieweit sich eine Grenze für die Heranziehung des Gesamtrechtsnachfolgers des Verursachers zu Sanierungsmaßnahmen
ergibt, wenn diesem die finanziellen Mittel zur Sanierung fehlen.
Von der Rechtsprechung795, allen voran von dem Bundesverwaltungsgericht796,
sowie von der Literatur797 wird angenommen, die mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit eines Sanierungsverantwortlichen stehe einer Heranziehung zur Altlastensanierung nicht entgegen. Geringe finanzielle Leistungsfähigkeit stelle keinen Fall
objektiver Unmöglichkeit dar und entlasse nicht aus der Pflicht zur Sanierung von
Altlasten. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit könne allenfalls im Rahmen der
Betätigung des Auswahlermessens eine Rolle spielen, wenn es darum gehe, denjenigen von mehreren Verantwortlichen heranzuziehen, der die Gefahr am ehesten beseitigen könne798. Auch wenn mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des
Pflichtigen somit grundsätzlich nicht zur Rechtswidrigkeit einer an ihn gerichteten
Sanierungsanordnung führt, bleibt doch das Problem, wie dem Umstand Rechnung
getragen werden soll, wenn der Verantwortliche seinen Pflichten nicht nachkommt,
weil er kein Geld hierfür hat. Diese Problematik wird regelmäßig unter dem Begriff
„Insolvenz“ diskutiert. Hierunter ist der wirtschaftliche Zusammenbruch einer Person zu verstehen. Der Gesetzgeber stellt für diesen Fall das Insolvenzverfahren bereit. Dieses soll den Rechtsfrieden stärken, indem die Einzelvollstreckung in das
Vermögen des insolventen Schuldners nach den §§ 89, 90, 210 der Insolvenzordnung (InsO) untersagt wird. Stattdessen sollen die Gläubiger des insolventen
Schuldners gemeinschaftlich und gleichmäßig durch Verwertung des Schuldnervermögens befriedigt werden. Gründe, die zur Beantragung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens berechtigen und unter Umständen verpflichten, sind nach §§ 17-19
InsO die (drohende) Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögens des Insolvenzschuldners eröffnet, geht die Befugnis
zur Verwaltung seines Vermögens nach § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter über. Diesem obliegt ab diesem Zeitpunkt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse, um die Masse zu verwerten und aus ihr die Gläubi-
795 VGH Kassel, UPR 1995, 198 (199); VGH Mannheim, VBlBW 1997, 110 (110 f.) mwN; VG
Frankfurt a.M., NVwZ 2000, 107 (108) = NuR 1999, 711 (712 f.).
796 BVerwG vom 22. Dezember 1980, (Az: 4 B 193.80), Buchholz 445.5 § 28 WaStrG Nr. 3 für
strompolizeiliche Maßnahmen.
797 Lwowski/Tetzlaff, Umweltrisiken Rn. D 26, S. 150 mwN; Nolte, NuR 2000, 258 (260).
798 VGH Kassel, UPR 1995, 198 (199); VG Frankfurt a.M., NVwZ 2000, 107 (108) = NuR 1999,
711 (713).
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ger soweit wie möglich zu befriedigen. Maßgeblich dafür, inwiefern ein Gläubiger
befriedigt werden kann, ist, ob seine Forderung als Insolvenzforderung (§ 38 InsO)
oder als Masseverbindlichkeit (§ 55 InsO) einzuordnen ist. Unter Insolvenzforderungen sind Vermögensansprüche eines Gläubigers gegenüber dem Gemeinschuldner zu verstehen, die bereits zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet waren und gemäß § 174 InsO beim Insolvenzverwalter zur Tabelle angemeldet
werden müssen. Die Inhaber einer Insolvenzforderung werden aus der Insolvenzmasse zu gleichen Anteilen befriedigt. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei den
Masseverbindlichkeiten im Sinne von § 55 InsO um bevorrechtigte Forderungen, die
nicht zur Tabelle angemeldet werden müssen und die vor den Insolvenzforderungen
aus der Insolvenzmasse beglichen werden.
Das Zusammenspiel von Insolvenz- und Bodenschutzrecht zählt zu den meistdiskutierten Feldern der Altlastenproblematik, wobei der Schwerpunkt bis jetzt auf den
Auswirkungen der Insolvenz auf die Zustandsverantwortlichkeit lag. Von den vielen
denkbaren Konstellationen soll von dem Fall ausgegangen werden, dass die Altlast
vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens von dem Rechtsvorgänger des Gemeinschuldners verursacht wurde und ein Insolvenzverwalter für das Vermögen des Gesamtrechtsnachfolgers bestellt wurde. Hierbei sollen die folgenden fünf Probleme
erörtert werden:
die abstrakte Sanierungsverantwortlichkeit in der Insolvenz, die konkrete Sanierungsverantwortlichkeit in der Insolvenz, die Durchführung der Ersatzvornahme in
der Insolvenz, die Kosten der Ersatzvornahme in der Insolvenz und die Freigabe von
Gegenständen aus der Insolvenzmasse.
A) Die abstrakte Sanierungsverantwortlichkeit in der Insolvenz
Als erstes soll der Fall erörtert werden, dass zwar die Tatbestandsvoraussetzungen
von § 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG erfüllt sind, aber noch keine Sanierungsanordnung
gegenüber dem insolventen Gesamtrechtsnachfolger erlassen worden ist. Da zu
dieser Fallkonstellation Aussagen am Rande von drei viel beachteten Entscheidungen des 7. Senates des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2004 getroffen
worden sind, soll deren Inhalt kurz dargestellt werden. Den genannten Urteilen lag
als Sachverhalt zu Grunde, dass der Insolvenzverwalter zur Durchführung der Sanierung einer Altlast auf der Grundlage des Bundes-Bodenschutzgesetzes bzw. zur
Entsorgung von Abfällen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelagert
worden waren, herangezogen werden sollte. In der Entscheidung vom 23. September
2004 führte das Bundesverwaltungsgericht aus:
„Das Insolvenzrecht bestimmt, wie die Ordnungspflichten im Insolvenzrecht einzuordnen sind.
Trifft die ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit den Insolvenzverwalter, handelt es sich um
eine persönliche Pflicht, die nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO als Masseverbindlichkeit zu erfüllen
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ist. Trifft die Ordnungspflicht demgegenüber als Verhaltensverantwortlichkeit den Gemeinschuldner, kann sie nur eine Insolvenzforderung im Sinne des § 38 InsO begründen; insoweit
kann der Insolvenzverwalter nur nach Maßgabe des Insolvenzrechts in eine vom Gemeinschuldner abgeleitete Rechtsstellung einrücken.“799
Diese Aussagen erfolgten unter Verweis auf die Entscheidung vom 22. Juli 2004,
in denen das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt hatte:
„Abfallerzeugerin ist somit die Gemeinschuldnerin. Der Kläger [Anmerkung des Verf.: Der
Insolvenzverwalter] kann insoweit auch nicht als deren Rechtsnachfolger für die Beseitigung
in Anspruch genommen werden. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob eine Rechtsnachfolge in
eine Verhaltensverantwortlichkeit wie die des Abfallerzeugers überhaupt möglich ist. Denn
selbst wenn man das annähme, würde es sich bei dieser Verantwortlichkeit um eine vor der
Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene Verbindlichkeit der Gemeinschuldnerin und
damit um eine Insolvenzforderung im Sinne des § 38 der InsO handeln, auf die eine Beseitigungsanordnung gegenüber dem Kläger nicht gestützt werden kann.“800
In einem Urteil vom 3. November 2005801 nahm der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf sein Urteil vom 23. September 2004 Bezug. Der Entscheidung lag
als Sachverhalt zu Grunde, dass das Deutsche Reich im 2. Weltkrieg eine Munitionsanstalt betrieben hatte, was zur Verursachung von Altlasten geführt hatte. Die
zuständige Behörde hatte daraufhin ein Grundwassermesssystem auf dem Gelände
installiert. Mit einem Bescheid gab die Behörde daraufhin der (nicht näher bezeichneten) Körperschaft, die sie als teilidentisches Rechtssubjekt des Deutschen Reiches
ansah, die Erstattung der für die Erkundung und Abschätzung erforderlichen Aufwendungen auf. Mit einem weiteren Bescheid sprach sie die Verpflichtung aus,
weitere Wasseruntersuchungen durchzuführen, und drohte die Vornahme der Ersatzvornahme an, deren Kosten sie bezifferte. Schwerpunktmäßig behandelte die
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, ob es zulässig gewesen sei, ordnungsrechtlich vorzugehen, obwohl das Allgemeine Kriegsfolgengesetz (AKG) vom
5. November 1957 (BGBl. I, S. 1747) vorsieht, dass Ansprüche gegen das Deutsche
Reich grundsätzlich erlöschen. Das Bundesverwaltunggericht bejahte kurzerhand ein
Erlöschen des behördlichen Störungsbeseitigungsanspruchs, da es sich schwerlich in
Abrede stellen lasse, dass die Behörde einen Anspruch im Sinne des § 194 Abs. 1
BGB gegen einen Polizeipflichtigen verfolge, wenn sie von ihm ein Tun oder Unterlassen zur Beseitigung einer Störung verlange. Da das Oberverwaltungsgericht Lüneburg als Vorinstanz unter Bezugnahme auf insolvenzrechtliche Gesichtspunkte
eine andere Ansicht vertreten hatte, machte das Bundesverwaltungsgericht noch
Ausführungen zu behördlichen Ordnungspflichten in der Insolvenz. Bei Ordnungspflichten, die ausschließlich in einem in der Vergangenheit liegenden Verhalten des
Gemeinschuldners lägen, handele es sich notwendigerweise um Insolvenzforderungen im Sinne des § 38 InsO. Die forderungsberechtigte Behörde müsse ihren poli-
799 BVerwGE 122, 75 (80) = BVerwG, NVwZ 2004, 1505 (1506) = DVBl. 2004, 1564.
800 BVerwG, NVwZ 2004, 1360 (1361).
801 BVerwG, DVBl. 2006, 186.
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zeirechtlichen Anspruch wie jeder andere Insolvenzgläubiger zur Insolvenztabelle
anmelden, nachdem sie zuvor festgestellt habe, welche Kosten für die Gefahrenbeseitigung aufzuwenden seien.
Aus den Ausführungen in den ersten beiden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts wird deutlich, dass das Gericht den Insolvenzverwalter selbst nicht als
Gesamtrechtsnachfolger im Sinne von § 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG ansieht. Dem ist
zuzustimmen. Bei der Bestellung eines Insolvenzverwalters handelt es sich nicht um
einen Fall der Gesamtrechtsnachfolge. Es fehlt schon an einer ausdrücklichen Norm,
die eine Rechtsnachfolge des Insolvenzverwalters anordnet802. § 80 Abs. 1 InsO legt
fest, dass das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen
zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter übergeht. Ein
Übergang sämtlicher Rechte und Pflichten wird hierdurch gerade nicht geregelt.
Ansonsten bestimmt nur § 155 Abs. 1 S. 2 InsO, dass der Insolvenzverwalter die
handels- und steuerrechtlichen Pflichten zur Buch- und Rechnungslegung des Gemeinschuldners in Bezug auf die Insolvenzmasse zu erfüllen hat. Die Anordnung
einer solchen Pflicht wäre überflüssig, wenn der Gesetzgeber den Insolvenzverwalter ohnehin schon als Rechtsnachfolger des Gemeinschuldners ansähe803. Der Insolvenzverwalter tritt nicht in die Stellung des insolvent gewordenen Gemeinschuldners ein, sondern er wird Partei kraft Amtes, der im behördlichen Auftrag das Vermögen des Gemeinschuldners verwaltet und über dieses verfügt804. Der Gemeinschuldner verliert zwar die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, bleibt aber
weiterhin Inhaber elementarer Rechtsstellungen. So bleibt er trotz Eintritts der Insolvenz noch weiterhin Inhaber des die Insolvenzmasse bildenden Vermögens805.
Ferner macht der 7. Senat in allen drei genannten Entscheidungen deutlich, dass
er Ordnungspflichten, solange der Insolvenzverwalter nicht selbst Sanierungsverantwortlicher ist, nicht als privilegierte Forderungen ansieht. Er findet hiermit Anschluss an die in die ähnliche Richtung deutenden Aussagen des Bundesgerichtshofes806 und der insolvenzrechtlichen Literatur807. Der Entscheidung lässt sich aber
anhand der oben genannten Zitate nicht eindeutig entnehmen, ab welchem Verfahrensstadium eine Insolvenzforderung im Sinne von § 38 InsO gegeben ist, so dass
diese Frage unter Zugrundelegung der einschlägigen Gesetzesvorschriften untersucht werden soll.
802 Lwowski/Tetzlaff, Umweltrisiken Rn. D 14 - D 22, S. 147 ff.
803 Lwowski/Tetzlaff, Umweltrisiken Rn. D 18, S. 148.
804 BVerfGE 65, 182 (190); Blum, S. 54 f. mwN; Hartmann in Baumbach/
Lauterbach/Albers/Hartmann, Grdz. § 50 Rn. 8-12 mwN.
805 Westphal, Umweltschutz, Rn. 256, S. 122 f.
806 BGH, NJW 2001, 2966 (2967 f.); BGH, NJW-RR 2002, 1198 (1201); vgl. auch Pape, NJW
2002, 1165 (1173 f.) zu den Unterschieden in der Rechtsprechung der Zivil- und Verwaltungsgerichte.
807 Vgl. Blum, S. 110 mwN.
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Nach § 38 InsO dient die Insolvenzmasse zur Befriedigung der persönlichen
Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten
Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger). Unter einem
Vermögensanspruch versteht man eine Forderung gegen das Vermögen des Schuldners, die entweder auf einen Geldbetrag gerichtet ist oder sich durch Umrechnung
gemäß §§ 45, 46 InsO in einen solchen ausdrücken lässt808. Diese Forderung kann
der Insolvenzgläubiger gemäß § 174 InsO beim Insolvenzverwalter zur Tabelle
anmelden, woraufhin er dann, soweit die Insolvenzmasse reicht, anhand einer Quote
befriedigt wird. Die von § 4 Abs.3 S. 1 BBodSchG kraft Gesetzes dem Gesamtrechtsnachfolger auferlegten Pflichten sind nicht vermögensrechtlicher Natur809,
sondern halten den Gesamtrechtsnachfolger zur Durchführung von Maßnahmen an,
die die von Altlasten ausgehenden Gefahren beseitigen sollen. Überlegt werden
muss daher, ob eventuell eine Umrechnung nach § 45 InsO zu erfolgen hat. § 45
S. 1 InsO legt fest, dass Forderungen, die nicht auf Geld gerichtet sind oder deren
Geldbetrag unbestimmt ist, mit dem Wert geltend zu machen sind, der für die Zeit
der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschätzt werden kann. Es bestehen aber
Bedenken gegen eine Umrechnung und Anmeldung zur Tabelle, da vor dem Erlass
einer Sanierungsverfügung die Handlungspflicht des Sanierungspflichtigen zu unbestimmt ist. Solange die Behörde noch keinerlei Ermessenserwägungen angestellt und
diese in einer Sanierungsverfügung konkretisiert hat, ist unklar, welche Sanierungsmaßnahmen vorgenommen werden sollen810. Deren Wert kann also nur schwer geschätzt werden. Außerdem bestehen prinzipielle Bedenken gegen eine Umrechnung
einer Gefahrbeseitigungspflicht. Würde man nämlich die aus dem Bundes-
Bodenschutzgesetz folgende abstrakte Verpflichtung des insolventen Gesamtrechtsnachfolgers umrechnen, müsste man dies auch mit den Pflichten eines insolventen
Zustandsverantwortlichen tun. Dies schlösse dessen Pflicht ein, Gefahrbeseitigungsmaßnahmen auf dem in seinem Eigentum stehenden kontaminierten Grundstück zu dulden. Würde die Bodenschutzbehörde in diesem Fall darauf verwiesen
sein, eine solche Pflicht umzurechen und zur Tabelle anzumelden, so hätte sie keine
Handhabe mehr, um gegebenenfalls selbst im Wege der Ersatzvornahme anstelle
eines insolventen Sanierungspflichtigen tätig zu werden. Dass das Insolvenzrecht
bezweckt, behördliche Maßnahmen unmöglich zu machen, die zur Gefahrenabwehr
erforderlich sind, kann nicht angenommen werden811. Da es für den Fall der Insolvenz nicht begründbar wäre, zwischen Pflichten des Gesamtrechtsnachfolgers des
Verursachers und solchen des Zustandsverantwortlichen zu differenzieren, ist davon
auszugehen, dass die abstrakte Sanierungsverantwortlichkeit nicht gemäß § 45
S. 1 InsO umgerechnet und von der Bodenschutzbehörde zur Tabelle angemeldet
werden kann.
808 Andres in Nerlich/Römermann, § 38 Rn. 5; Bäuerle in Braun § 38 Rn. 5; Ehricke in Münchener Kommentar (InsO), § 38 Rn. 14; Schumacher in Frankfurter Kommentar, § 38 Rn. 8 f.
809 Kothe, ZfIR 2004, 1 (4).
810 Kothe, ZfIR 2004, 1 (4) mwN.
811 Schmidt, NJW 1993, 2833 (2835).
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B) Die konkrete Sanierungsverantwortlichkeit in der Insolvenz
Zu untersuchen ist, ob die Bodenschutzbehörde eine Sanierungsanordnung gegen-
über dem Gesamtrechtsnachfolger erlassen kann, wenn dieser insolvent geworden
ist, und ob und gegebenenfalls welche Ansprüche sie gegen die Insolvenzmasse
nach dem Erlass einer Sanierungsanordnung geltend machen kann.
§ 89 Abs. 1 InsO ordnet an, dass Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse
noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig sind. Ähnliche Regelungen
sehen § 90 Abs. 1 InsO für Masseverbindlichkeiten und § 210 InsO für das masseunzulängliche Verfahren vor.
Der Erlass einer Sanierungsanordnung stellt aber keine Maßnahme der Zwangsvollstreckung dar. Die Sanierungsanordnung ist bloß der Grundverwaltungsakt, der
später gegebenenfalls nach den Vorschriften über die Verwaltungsvollstreckung
durchgesetzt wird. Darüber hinaus ist Sinn und Zweck dieser Regelungen, eine
Schädigung der Gläubigergesamtheit zu vermeiden. Ein einzelner Schuldner soll
nicht die Einzelvollstreckung in die Insolvenzmasse betreiben und dieser Vermögenswerte entziehen können. Vielmehr soll die Verteilung des Schuldnervermögens
im Rahmen eines geordneten Verfahrens unter Gleichbehandlung aller Gläubiger
erfolgen812. Dieser Gesetzeszweck wird durch den Erlass einer Sanierungsverfügung
nicht beeinträchtigt. Erst wenn die Bodenschutzbehörde versuchen sollte, die für die
Durchführung von Sanierungsmaßnahmen im Wege der Ersatzvornahme entstandenen Kosten im Wege der Verwaltungsvollstreckung beizutreiben, droht eine Verminderung der Insolvenzmasse unter Beeinträchtigung der Interessen anderer Gläubiger813. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens steht also dem Erlass einer Sanierungsverfügung nicht entgegen.
Hieran schließt sich die Frage an, ob der Erlass einer Sanierungsverfügung gegenüber dem Gemeinschuldner genügt oder ob eine solche Verfügung auch gegen-
über dem Insolvenzverwalter ergehen muss, um die durch die Vollstreckung derselben entstehenden Kosten im Rahmen des Insolvenzverfahrens zumindestens teilweise ersetzt zu bekommen. Zum Teil findet sich hierzu die Aussage, es spräche sehr
viel dafür, dass eine Sanierungsverfügung, die ihre Grundlage in der Verhaltensverantwortlichkeit des Schuldners habe, gegenüber dem Insolvenzverwalter zu erlassen
sei, wenn diese einen Vermögensbezug aufweise. Erfahre der Insolvenzverwalter
erst nach der Durchführung des Vollstreckungsverfahrens von der Geltendmachung
812 Kothe, ZfIR 2004, 1 (4).
813 Lwowski/Tetzlaff, Umweltrisiken Rn. D 114-124, S. 180-184.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz droht dem Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers einer Altlast eine Ewigkeitshaftung mit ruinösen finanziellen Folgen. Das Werk untersucht umfassend, inwiefern sich rechtliche Grenzen für die Inanspruchnahme des Gesamtrechtsnachfolgers aus Verfassungs-, Europa- und einfachem Recht ergeben. Die Anwendbarkeit von Haftungsbeschränkungen für Erben und für Gesamtrechtsnachfolger im Gesellschaftsrecht wird ebenso behandelt wie Haftungsbegrenzungen aus allgemeinen Rechtsinstituten, insbesondere Verjährung, Verzicht und Verwirkung sowie bei unzureichender staatlicher Überwachung oder im Fall der Insolvenz. Darüber hinaus bietet der Autor eine rechtspolitische Bewertung der dargestellten Rechtsprobleme und konkrete Vorschläge, wie diese durch den Gesetzgeber gelöst werden können.