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nehmigung wiederum dem Gesamtrechtsnachfolger zugute. Schließlich kann die
Duldung des altlastenverursachenden Verhaltens ebenfalls nur in Sonderfällen, an
die ein sehr hoher Maßstab anzulegen ist, im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Sanierungsanordnung eine Rolle spielen. Bei Annahme einer Duldung wäre dies auch zu Gunsten des Gesamtrechtsnachfolgers zu berücksichtigen.
H) Vorschlag für eine Ergänzung des Verwaltungsverfahrensgesetzes
Dass der Gesetzgeber erst relativ spät mit dem Erlass des Bundes-Bodenschutzgesetzes eine Problematik der Gesamtrechtsnachfolge bei der Verhaltensverantwortlichkeit geregelt hat, hat diverse Probleme und Unsicherheiten mit sich gebracht791.
Es ist zu kritisieren, dass von der überwiegenden Ansicht der Übergang eines Verwaltungsaktes auf den Rechtsnachfolger angenommen wird, ohne dass es hierfür
eine ausdrückliche gesetzliche Regelung gibt. Durch die Einführung einer eigenständigen Sanierungsverantwortlichkeit für den Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers in das Bundes-Bodenschutzgesetz ist nur ein Teil der Rechtsnachfolgeproblematik geregelt worden. Die Probleme bestehen auch in Bezug auf die Ordnungspflichten für ähnliche Fallgestaltungen in anderen Rechtsgebieten fort. So hat
sich das Bundesverwaltungsgericht erst im Jahr 2004 bei einer auf das Bundes-
Immissionsschutzgesetz gestützten Beseitigungsverfügung von Abfällen nicht festlegen wollen, ob eine Rechtsnachfolge in die Verhaltensverantwortlichkeit bei Abfallerzeugern überhaupt möglich sei792.
Angesichts der unzureichenden Regelung der Rechtsnachfolge im Verwaltungsrecht lässt sich dem derzeit geltenden Recht nicht eindeutig entnehmen, ob die
Rechte und Pflichten, die sich aus einem mit dem Rechtsvorgänger geschlossenen
Sanierungsvertrag ergeben, bei Gesamtrechtsnachfolgen auf gesellschaftsrechtlicher
Grundlage auch dessen Rechtsnachfolger treffen. Gleiches gilt für die Frage, ob eine
dem Rechtsvorgänger erteilte Freistellung oder Genehmigung auch gegenüber dem
Gesamtrechtsnachfolger Wirkung entfaltet. Dabei wird von niemandem bestritten,
dass es eine Rechtsnachfolge in die Verursacherhaftung geben sollte und dass der
Übergang von Rechten und Pflichten auf den Gesamtrechtsnachfolger aus einem
Verwaltungsakt gegenüber dem Verursacher oder aus einem Verwaltungsvertrag mit
dem Verursacher rechtspolitisch sinnvoll ist und einem praktischen Bedürfnis entspricht. Es wäre daher für die Rechtsanwendung sehr hilfreich und der Rechtssicherheit zuträglich, wenn die Legislative eine ausdrückliche Regelung der Rechtsnachfolge im Allgemeinen Verwaltungsrecht treffen würde793.
791 Siehe bereits das III. Kapitel, B II 1 a, bb.
792 BVerwG, NVwZ 2004, 1360 (1361).
793 So schon Mutius/Nolte, DÖV 2000, 1 (7).
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Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, einen Gesetzesvorschlag zur gesamten Rechtsnachfolgeproblematik zu formulieren, da hierfür untersucht werden
müsste, wie sich diese Problematik auf die Fälle der Einzelrechtsnachfolge, auf das
Prozessrecht und auf sämtliche anderen Gebiete des Besonderen Verwaltungsrechts
auswirken würde. Möglich ist aber ein Vorschlag, wie der Übergang einer konkretisierten Sanierungspflicht auf den Gesamtrechtsnachfolger klar und nachvollziehbar
geregelt werden könnte. Einen guten Vorschlag hierzu hat Rumpf bereits im
Jahr 1987 gemacht; er hat angeregt, im Verwaltungsverfahrensgesetz und in der
Verwaltungsgerichtsordnung eine Regelung der Rechtsnachfolge zu treffen794. Diese
lautet:
„§ 51a VwVfG
Rechtsnachfolge
(1) Ein Verwaltungsakt wirkt auch für und gegen den Rechtsnachfolger, sofern er keine
höchstpersönliche Pflicht begründet.
(2) Rechtsnachfolger ist, wer die pflichtige Sache übernimmt oder wer nach bürgerlichem Recht für das Verhalten eines anderen haftet. Einzelrechtsnachfolge geht der
Gesamtrechtsnachfolge vor.
(3) Absatz 1 gilt auch für Verwaltungsakte, bei denen die Behörde Ermessen auszu-
üben hatte. Liegen bei einem belastenden Verwaltungsakt bestimmte personengebundene Merkmale, die die Behörde bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen hatte, beim Rechtsnachfolger nicht vor, ist die Vollstreckung auszusetzen.
(4) Der Verwaltungsakt wirkt nur für und gegen den Rechtsnachfolger, wenn er ihm
bekanntgegeben wurde, er von ihm Kenntnis hatte oder er den Inhalt hätte kennen
müssen.
(5) Ein Verwaltungsakt wirkt nicht für und gegen den Rechtsnachfolger, wenn der
Rechtsnachfolger durch bewusstes und gewolltes Zusammenspiel mit dem Rechtsvorgänger in den Genuß der Regelung gekommen ist.
(6) Nach dem Tode des Pflichtigen kann die Behörde – sofern ein Verwaltungsakt noch
nicht erlassen worden ist – die Erben in Anspruch nehmen.
794 Rumpf, VerwArch. 1987, 269 (307 f.).
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§ 60a VwVfG
Rechtsnachfolge
Der Rechtsnachfolger hat die vertraglichen Rechte und Pflichten für und gegen sich gelten zu
lassen. Die §§ 59 und 60 bleiben unberührt.
§ 76 VwGO
Rechtsnachfolge
(1)
Der Rechtsnachfolger tritt während des Vorverfahrens in die Prozeßstellung des
Widerspruchsführers ein. Bis zur Aufnahme des Verfahrens durch den Rechtsnachfolger wird das Verfahren unterbrochen.
(2) Hat der Vorgänger versäumt, eine Frist zu wahren, bindet dies auch den Rechtsnachfolger. § 60 VwGO bleibt unberührt.“
Bezogen auf das Thema dieser Abhandlung, die hierbei angesprochenen Probleme und die schon vorhandene Regelung der Gesamtrechtsnachfolge im Bundes-
Bodenschutzgesetz könnte man die Vorschläge Rumpfs zu §§ 51a, 60a VwVfG
teilweise übernehmen, zumal sie die herrschende Meinung wiedergeben. Die von
Rumpf gewählte Definition des Rechtsnachfolgers stellt aber zuerst auf die Fälle der
Zustandsverantwortlichkeit ab und erfasst nicht die Fälle der Gesamtrechtsnachfolge, die auf gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund beruhen. In Bezug auf die vorliegende Problematik wäre es daher sinnvoller, eine Definition der Gesamtrechtsnachfolge zu finden, die der herkömmlichen Definition der Gesamtrechtsnachfolge in
Literatur und Rechtsprechung entspricht. Durch § 51a Abs. 3 S. 1 VwVfG wird
zutreffend klargestellt, dass nicht nur gebundene Verwaltungsakte, sondern auch
solche, die auf Ermessensentscheidungen beruhen, für und gegen den Gesamtrechtsnachfolger gelten. Durch § 51a Abs. 3 S. 2 VwVfG wird der Gesamtrechtsnachfolger vor einer voreiligen Vollstreckung zu seinen Lasten geschützt, wenn der Erlass
des Verwaltungsaktes vor allem auf Gründen beruht, die in der Person des Rechtsvorgängers selbst begründet sind. Es sollte allerdings ausdrücklich geregelt werden,
was Folge der Aussetzung einer Aussetzung der Vollstreckung ist. Um die Interessen des Gesamtrechtsnachfolgers zu wahren, sollte daher § 51a Abs. 3 VwVfG im
Grundsatz übernommen und um eine Regelung ergänzt werden, wonach ein neuer
Verwaltungsakt mit neuer Ermessensausübung gegenüber dem Gesamtrechtsnachfolger erlassen werden sollte. Ebenfalls unverändert übernommen werden kann § 51
Abs. 4 des Vorschlags von Rumpf, der die Selbstverständlichkeit wiedergibt, dass
jemand nur einer Regelung unterworfen werden kann, von der er auch Kenntnis hat
oder hätte nehmen können. Gleiches gilt für den Vorschlag in § 51 Abs. 5, der
rechtsmissbräuchlichem Verhalten vorbeugt. Die Regelung des von Rumpf vorgeschlagenen § 51 Abs. 6 VwVfG ist hinsichtlich der vorliegenden Problematik heute
überflüssig, da § 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG bereits die Heranziehung des Gesamtrechtsnachfolgers zu Sanierungsmaßnahmen ermöglicht, auch wenn gegen den Ver-
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ursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast noch kein Verwaltungsakt erlassen worden ist. Eine ähnliche Regelung für alle Fälle der Gesamtrechtsnachfolge in das Verwaltungsverfahrensgesetz aufzunehmen, wäre allerdings trotzdem
überlegenswert, um gesetzgeberisch für das gesamte Verwaltungsrecht eindeutig zu
entscheiden, ob schon vor Erlass eines Verwaltungsaktes abstrakte Ordnungspflichten bestehen, die auf den Gesamtrechtsnachfolger übergehen können.
Der von Rumpf vorgeschlagene § 60a VwVfG würde, wenn er Gesetz werden
würde, eindeutig klarstellen, dass die durch einen Sanierungsvertrag mit dem
Rechtsvorgänger begründeten Rechte und Pflichten auch den Gesamtrechtsnachfolger treffen.
Zu dem Vorschlag in § 76 VwGO sollen keine weiteren Überlegungen angestellt
werden, da er vornehmlich prozessuale Probleme betrifft.
Nach alledem könnte man die von Rumpf gemachten Vorschläge einer Ergänzung des Verwaltungsverfahrensgesetzes wie folgt übernehmen, um die vorstehend
angesprochenen Probleme gesetzgeberisch klar und eindeutig zu regeln:
„§ 51a VwVfG
Gesamtrechtsnachfolge
(1) Ein Verwaltungsakt wirkt auch für und gegen den Gesamtrechtsnachfolger, sofern
er keine höchstpersönliche Pflicht begründet.
(2) Gesamtrechtsnachfolger ist, auf wen kraft Gesetzes bei Eintritt eines bestimmten
Ereignisses das Vermögen oder Teile hiervon als Ganzes übertragen werden.
(3) Absatz 1 gilt auch für Verwaltungsakte, bei denen die Behörde Ermessen auszu-
üben hatte. Liegen bei einem belastenden Verwaltungsakt bestimmte personengebundene Merkmale, die die Behörde bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen hatte, beim Gesamtrechtsnachfolger nicht vor, ist die Vollstreckung auszusetzen und
ein neuer Verwaltungsakt zu erlassen, bei denen die Behörde das Nichtvorliegen
der personengebundenen Merkmale zu berücksichtigen hat.
(4) Der Verwaltungsakt wirkt nur für und gegen den Rechtsnachfolger, wenn er ihm
bekanntgegeben wurde, er von ihm Kenntnis hatte oder er den Inhalt hätte kennen
müssen.
(5) Ein Verwaltungsakt wirkt nicht für und gegen den Rechtsnachfolger, wenn der
Rechtsnachfolger durch bewusstes und gewolltes Zusammenspiel mit dem Rechtsvorgänger in den Genuss der Regelung gekommen ist.
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§ 60a VwVfG
Gesamtrechtsnachfolge
Der Rechtsnachfolger hat die vertraglichen Rechte und Pflichten für und gegen sich gelten zu
lassen. Die §§ 59 und 60 bleiben unberührt.“
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz droht dem Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers einer Altlast eine Ewigkeitshaftung mit ruinösen finanziellen Folgen. Das Werk untersucht umfassend, inwiefern sich rechtliche Grenzen für die Inanspruchnahme des Gesamtrechtsnachfolgers aus Verfassungs-, Europa- und einfachem Recht ergeben. Die Anwendbarkeit von Haftungsbeschränkungen für Erben und für Gesamtrechtsnachfolger im Gesellschaftsrecht wird ebenso behandelt wie Haftungsbegrenzungen aus allgemeinen Rechtsinstituten, insbesondere Verjährung, Verzicht und Verwirkung sowie bei unzureichender staatlicher Überwachung oder im Fall der Insolvenz. Darüber hinaus bietet der Autor eine rechtspolitische Bewertung der dargestellten Rechtsprobleme und konkrete Vorschläge, wie diese durch den Gesetzgeber gelöst werden können.