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G) Zwischenergebnis
In diesem Kapitel wurde auf den Verzicht und auf die Verwirkung der behördlichen
Eingriffsbefugnisse zur Heranziehung des Gesamtrechtsnachfolgers des Verursachers zu Sanierungsmaßnahmen eingegangen. Hierbei wurde zuerst der ausdrückliche Verzicht der Bodenschutzbehörde durch den Abschluss eines Sanierungsvertrages erörtert. In Bezug auf die Rechtsnachfolgeproblematik wurde herausgearbeitet,
dass ein in Form eines Sanierungsvertrages gegenüber dem Verursacher einer Altlast
erklärter Verzicht auch gegenüber dessen Gesamtrechtsnachfolger Wirkungen entfalten kann. Hieran schlossen sich Ausführungen über die Sonderform des Verzichts
für das Gebiet der neuen Bundesländer an. Als Erstes wurde hierzu festgestellt, dass
die Erteilung einer Freistellung auch die Verhaltensverantwortlichkeit erfasst, sofern
der Freistellungsbescheid nicht ausdrücklich etwas anderes vorsieht. Dementsprechend geht eine erteilte Freistellung mangels einer anderen Regelung mit dem Eintritt der Rechtsnachfolge auch auf den Gesamtrechtsnachfolger über.
Hiernach wurde auf das Rechtsinstitut der Verwirkung eingegangen. Dieses kann
ausnahmsweise auch im Bodenschutzrecht eine Rolle spielen. Der Erlass des Bundes-Bodenschutzgesetzes hat die Rechtslage dahingehend beeinflusst, dass seitdem
die Anforderungen an die Annahme eines Umstandsmoments als Voraussetzung für
eine Verwirkung noch restriktiver gehandhabt werden müssen als bisher. Etwas
geringere Anforderungen können im Einzelfall gelten, wenn das Umstandsmoment
daraus herrührt, dass bereits Sanierungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Sollte
einer der seltenen Fälle gegeben sein, dass die behördlichen Eingriffsbefugnisse
gegenüber dem Verursacher einer Altlast verwirkt wurden, so kommt dies auch
dessen Gesamtrechtsnachfolger zugute. Des Weiteren wurde ausgeführt, dass die
mangelhafte Überwachung einer Altlast oder des sie verursachenden Verhaltens
nicht zu einem Ausschluss der Sanierungsverantwortlichkeit führt.
Im Anschluss hieran wurde auf die Problematik des Vorliegens einer behördlichen Genehmigung zum Zeitpunkt des altlastenverursachenden Handelns eingegangen. Nach der herkömmlichen Dogmatik zum allgemeinen Ordnungsrechts kann
eine Genehmigung nur dann Legalisierungswirkung entfalten, wenn behördlicherseits das altlastenverursachende Verhalten geprüft wurde und der Genehmigungsinhaber sich an den vorgegebenen Handlungsrahmen gehalten hat. Er ist
dann nicht mehr als Verursacher im Sinne des allgemeinen Ordnungsrechts anzusehen. Für schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten, die vor dem 1. März 1999
eingetreten sind, gilt dies auch noch unter dem Bundes-Bodenschutzgesetz. Eine
dem Rechtsvorgänger erteilte Genehmigung kommt auch dessen Gesamtrechtsnachfolger zugute. Bei schädlichen Bodenveränderungen oder Altlasten, die nach dem
1. März 1999 eingetreten sind, spielt das Vorliegen einer behördlichen Genehmigung nur im Rahmen der Prüfung, ob eine Sanierungsanordnung verhältnismäßig ist,
eine Rolle. Eine solche wird sich allerdings nur in Extremfällen als unverhältnismä-
ßig darstellen. In einem solchem Fall käme die dem Rechtsvorgänger erteilte Ge-
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nehmigung wiederum dem Gesamtrechtsnachfolger zugute. Schließlich kann die
Duldung des altlastenverursachenden Verhaltens ebenfalls nur in Sonderfällen, an
die ein sehr hoher Maßstab anzulegen ist, im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Sanierungsanordnung eine Rolle spielen. Bei Annahme einer Duldung wäre dies auch zu Gunsten des Gesamtrechtsnachfolgers zu berücksichtigen.
H) Vorschlag für eine Ergänzung des Verwaltungsverfahrensgesetzes
Dass der Gesetzgeber erst relativ spät mit dem Erlass des Bundes-Bodenschutzgesetzes eine Problematik der Gesamtrechtsnachfolge bei der Verhaltensverantwortlichkeit geregelt hat, hat diverse Probleme und Unsicherheiten mit sich gebracht791.
Es ist zu kritisieren, dass von der überwiegenden Ansicht der Übergang eines Verwaltungsaktes auf den Rechtsnachfolger angenommen wird, ohne dass es hierfür
eine ausdrückliche gesetzliche Regelung gibt. Durch die Einführung einer eigenständigen Sanierungsverantwortlichkeit für den Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers in das Bundes-Bodenschutzgesetz ist nur ein Teil der Rechtsnachfolgeproblematik geregelt worden. Die Probleme bestehen auch in Bezug auf die Ordnungspflichten für ähnliche Fallgestaltungen in anderen Rechtsgebieten fort. So hat
sich das Bundesverwaltungsgericht erst im Jahr 2004 bei einer auf das Bundes-
Immissionsschutzgesetz gestützten Beseitigungsverfügung von Abfällen nicht festlegen wollen, ob eine Rechtsnachfolge in die Verhaltensverantwortlichkeit bei Abfallerzeugern überhaupt möglich sei792.
Angesichts der unzureichenden Regelung der Rechtsnachfolge im Verwaltungsrecht lässt sich dem derzeit geltenden Recht nicht eindeutig entnehmen, ob die
Rechte und Pflichten, die sich aus einem mit dem Rechtsvorgänger geschlossenen
Sanierungsvertrag ergeben, bei Gesamtrechtsnachfolgen auf gesellschaftsrechtlicher
Grundlage auch dessen Rechtsnachfolger treffen. Gleiches gilt für die Frage, ob eine
dem Rechtsvorgänger erteilte Freistellung oder Genehmigung auch gegenüber dem
Gesamtrechtsnachfolger Wirkung entfaltet. Dabei wird von niemandem bestritten,
dass es eine Rechtsnachfolge in die Verursacherhaftung geben sollte und dass der
Übergang von Rechten und Pflichten auf den Gesamtrechtsnachfolger aus einem
Verwaltungsakt gegenüber dem Verursacher oder aus einem Verwaltungsvertrag mit
dem Verursacher rechtspolitisch sinnvoll ist und einem praktischen Bedürfnis entspricht. Es wäre daher für die Rechtsanwendung sehr hilfreich und der Rechtssicherheit zuträglich, wenn die Legislative eine ausdrückliche Regelung der Rechtsnachfolge im Allgemeinen Verwaltungsrecht treffen würde793.
791 Siehe bereits das III. Kapitel, B II 1 a, bb.
792 BVerwG, NVwZ 2004, 1360 (1361).
793 So schon Mutius/Nolte, DÖV 2000, 1 (7).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz droht dem Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers einer Altlast eine Ewigkeitshaftung mit ruinösen finanziellen Folgen. Das Werk untersucht umfassend, inwiefern sich rechtliche Grenzen für die Inanspruchnahme des Gesamtrechtsnachfolgers aus Verfassungs-, Europa- und einfachem Recht ergeben. Die Anwendbarkeit von Haftungsbeschränkungen für Erben und für Gesamtrechtsnachfolger im Gesellschaftsrecht wird ebenso behandelt wie Haftungsbegrenzungen aus allgemeinen Rechtsinstituten, insbesondere Verjährung, Verzicht und Verwirkung sowie bei unzureichender staatlicher Überwachung oder im Fall der Insolvenz. Darüber hinaus bietet der Autor eine rechtspolitische Bewertung der dargestellten Rechtsprobleme und konkrete Vorschläge, wie diese durch den Gesetzgeber gelöst werden können.