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dung auf Schäden finden, wenn seit der Schadensverursachung mehr als 30 Jahre
vergangen sind. In der Literatur646 wird die Setzung einer Dreißigjahresfrist zur
Bestimmung des zeitlichen Anwendungsbereiches der Umwelthaftungsrichtlinie
bzw. des Umweltschadensgesetzes als Verjährungsfrist bezeichnet. Eine Änderung
des Bundes-Bodenschutzgesetzes und die ausdrückliche Einführung einer Verjährungsfrist für die Sanierungsverantwortlichkeit bzw. für die damit verbundene Kostentragungspflicht ist bis jetzt nicht geplant647. Eine solche ist auch nicht aufgrund
der Vorgaben der Umwelthaftungsrichtlinie erforderlich, da deren Art. 16 Abs. 1 die
Mitgliedstaaten nicht daran hindert, strengere Vorschriften für die Vermeidung und
Sanierung von Umweltschäden beizubehalten oder zu erlassen. Festzuhalten bleibt
daher, dass die Umwelthaftungsrichtlinie und das geplante Umweltschadensgesetz
keinen Einfluss auf die Frage nach der Verjährbarkeit der im Bundes-Bodenschutzgesetz geregelten Sanierungsverantwortlichkeit haben.
III. Stellungnahme
Vor dem Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes war es umstritten, ob der
Pflichtige der Heranziehung zu Sanierungsmaßnahmen die Einrede der Verjährung
entgegenhalten konnte. Die Einführung des Bundes-Bodenschutzgesetzes und die
Änderung des zivilrechtlichen Verjährungsrechts durch die Schuldrechtsreform
haben keine ausdrückliche gesetzliche Regelung mit sich gebracht, durch die die
rechtliche Problematik aufgehellt worden wäre. Es soll daher versucht werden, unter
Würdigung der bisherigen Argumentation von Literatur und Rechtsprechung, eine
eigene Stellungnahme zu diesem Problem zu entwickeln.
Eine ausdrückliche zeitliche Grenze für die Inanspruchnahme des Gesamtrechtsnachfolgers des Verursachers fehlt im Bundes-Bodenschutzgesetz. Eine direkte
Anwendung der zivilrechtlichen Verjährungsregelungen scheidet aus, da diese nur
für zivilrechtliche Ansprüche gelten sollen. Dass in den §§ 196, 197 BGB a.F. auch
die Verjährung öffentlich-rechtlicher Ansprüche geregelt war, ändert hieran nichts.
Diese Regelungen wurden in das BGB nur deshalb aufgenommen, weil sich die
Verfasser des BGB bei dessen Erlass nicht sicher waren, ob diese Ansprüche dem
Zivil- oder dem Öffentlichen Recht zuzuordnen seien648. Um die regelmäßige Verjährungsfrist des Zivilrechts in diesem Fall zur Anwendung zu bringen, müssten die
646 Becker, NVwZ 2005, 371 (376); Knopp, UPR 2005, 361 (365);
Zühlsdorff/Füllkrug, altlasten spektrum 2005, 267 (268).
647 Siehe S. 4 der Begründung zu dem vom Bundeskabinett beschlossenen Entwurf für das Umweltschadensgesetz, veröffentlicht unter
http://www.bmu.de/files/gesetze_verordnungen/bmu-downloads/application/pdf/
umwelthaftung_begruendung.pdf; Zühlsdorf/Füllkrug, altlasten spektrum 2005, 267.
648 Guckelberger, S. 260-262 mwN.
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methodischen Voraussetzungen für die analoge Anwendung einer Norm gegeben
sein. Es müssten also eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage vorliegen649. Eine planwidrige Regelungslücke scheidet aus, wenn das
Gesetz bewusst eine bestimmte Regelung nicht trifft. In diesem Fall kann keine
Unvollkommenheit des Gesetzes angenommen werden, die im Wege der Analogie
beseitigt werden müsste650. Ein Indiz dafür, dass der Gesetzgeber bewusst keine
starre zeitliche Grenze für die Inanspruchnahme des Gesamtrechtsnachfolgers wollte, bietet der Wortlaut von § 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG. Dort verlangt der Gesetzgeber eine Sanierung, die dauerhaft Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche
Belästigungen ausschließt. Das Tatbestandsmerkmal der Dauerhaftigkeit verträgt
sich aber nur wenig mit der Einführung einer zeitlichen Grenze für die Heranziehung eines Sanierungspflichtigen durch Rückgriff auf die zivilrechtliche Regelverjährung. Wurden Dekontaminationsmaßnahmen im Sinne von § 2 Abs. 7 Nr. 1
BBodSchG zur Sanierung des Bodens getroffen, mag es zwar nach Abschluss der
Sanierung feststellbar sein, ob dauerhaft das Entstehen von Gefahren ausgeschlossen
ist, indem geprüft wird, ob die im Boden enthaltenen Schadstoffe vollständig entfernt wurden oder hinsichtlich der Schadstoffkonzentration im Boden ein bestimmter Ziel- oder Restwert erreicht wurde. Anders sieht es bei Sicherungsmaßnahmen
gemäß § 2 Abs. 7 Nr. 2 BBodSchG aus, durch die die Schadstoffkonzentration im
Boden nicht vermindert, sondern nur die Ausbreitung der Kontamination verhindert
wird. Will man – wie vom Gesetz gefordert – das Entstehen von Gefahren auf Dauer
ausschließen, muss man langfristig die Wirksamkeit der durchgeführten Sicherungsmaßnahmen kontrollieren und gegebenenfalls weitere Maßnahmen anordnen
können651. Denn wenn sich lange Zeit nach Durchführung der Sanierungsmaßnahmen zeigt, dass weiterhin Gefahren vorhanden sind, können diese nur durch die
erneute Anordnung von Sanierungsmaßnahmen beseitigt werden. Ansonsten bliebe
nur die Dekontamination durch einen der anderen in § 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG
genannten Pflichtigen, also regelmäßig den Zustandsverantwortlichen oder durch die
Behörde selbst. Würde man aber dem Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers die
Berufung auf die Einrede der Verjährung gestatten, müsste man dies auch den anderen Sanierungspflichtigen zugestehen, so dass unter Umständen die Inanspruchnahme des Zustandsverantwortlichen wegen Verjährung ausscheiden würde.
Auch die Idee, den Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers in diesen Fällen als
sogenannten Nichtstörer zur Durchführung von Sanierungsmaßnahmen zu verpflichten, hilft nicht weiter, da § 4 Abs. 3 BBodSchG abschließend regelt, wer als Sanierungspflichtiger herangezogen werden kann652. Die umfassende und differenzierte
Aufzählung der Personen in § 4 Abs. 3 BBodSchG, die als Sanierungsverantwortli-
649 Wüterich in Landel/Vogg/Wüterich, § 4 Rn. 78.
650 Vgl. zum Schweigen des Gesetzes: BGH, NJW 1988, 2109 (2110); BGHZ 72, 23 (28-30).
651 BT-Drs. 13/6701, S. 35.
652 BVerwG, NVwZ 2000, 1179 (1181); VGH Kassel, NuR 2000, 285 (286); VG Frankfurt a.M.,
NuR 1999, 711 (713); Schwartmann/Pabst Rn. 52-54, S. 20-22.
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che in Betracht kommen, lässt keinen Raum mehr für landesrechtliche Regelungen
über die Heranziehung einer Person als Notstandsverantwortlicher. In Fällen, in
denen sowohl die Sanierungsverantwortlichkeit des Gesamtrechtsnachfolgers des
Verursachers als auch die des Zustandsverantwortlichen verjährt wäre, bliebe also
nur noch die Sanierung durch die Behörde selbst. Konsequenterweise müsste sogar
die Möglichkeit der Behörde, selbst die Sanierung vorzunehmen, in Frage gestellt
werden. Denn wenn man die Befugnis, einzelne Verantwortliche durch eine Sanierungsanordnung zur Durchführung von Sanierungsmaßnahmen zu verpflichten, der
Verjährung unterwirft, müsste dies auch für die Befugnis zur Anordnung der Duldung von behördlich durchgeführten Sanierungsmaßnahmen gelten. Solche Fallgestaltungen sind insbesondere bei Uraltlasten denkbar, bei denen die Altlast vor Jahrzehnten verursacht wurde, das altlastenbehaftete Grundstück dann veräußert wurde
und auch die Eigentümerstellung des Zustandsverantwortlichen schon vor Jahrzehnten begründet wurde. Der Gedanke, dass die Behörde keinerlei Möglichkeiten mehr
hat, um Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu ergreifen, war dem Ordnungsrecht
allerdings bis jetzt fremd, unter anderem, weil dem Staat eine verfassungsrechtliche
Schutzpflicht für das Leben und die Gesundheit seiner Bürger aus Art. 2 Abs. 2 S. 1
GG zukommt653. Bodenkontaminationen, bei denen nicht ausgeschlossen werden
kann, dass sie möglicherweise in die Nahrungskette oder in das Trinkwasser gelangen, können vom Staat nicht tatenlos hingenommen werden. Nimmt man der Bodenschutzbehörde unter dem Gesichtspunkt der Verjährung jede Möglichkeit, Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu ergreifen und durchzusetzen, wird es praktisch
unmöglich, dieser verfassungsrechtlichen Verpflichtung nachzukommen. Es würde
daher einen vollständigen Bruch mit der bisherigen Denkweise im Ordnungsrecht
bedeuten, die Sanierungspflicht bzw. den behördlichen Gefahrenbeseitigungsanspruch durch das Rechtsinstitut der Verjährung derart zu begrenzen, dass eine Sanierung von Altlasten unter Umständen überhaupt nicht mehr möglich ist. Einen solch
weitgehenden Einschnitt im Wege der Analogie vorzunehmen, ist verfehlt. Würde
die Rechtsprechung die Sanierungspflicht durch Anwendung der allgemeinen Verjährungsfrist des Zivilrechts begrenzen, würde sie hierdurch ihre Rolle als Kontrollinstanz überdehnen und stattdessen selbst Entscheidungen treffen, die dem Gesetzgeber obliegen.
Daneben sprechen systematische Erwägungen in Verbindung mit der Entstehungsgeschichte des Bundes-Bodenschutzgesetzes gegen eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes. Der Gesetzgeber hat in § 24 Abs. 2 BBodSchG eine Verjährungsvorschrift für den Ausgleichsanspruch mehrerer Sanierungspflichtiger untereinander und in § 25 Abs. 3 BBodSchG eine zeitliche Grenze für die Pflicht zum
Wertausgleich nach § 25 Abs. 3 BBodSchG angeordnet. Bei der Schaffung des
Bundes-Bodenschutzgesetzes war sich der Gesetzgeber also durchaus der Problema-
653 Der VGH Mannheim, NVwZ-RR 2003, 103 (104) leitet eine solche Verpflichtung aus der
Staatszielbestimmung des Art. 20a GG ab, die besagt, dass der Staat die natürlichen Lebensgrundlagen schützt.
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tik längeren Zeitablaufs bewusst654. Ein planwidriges Unterlassen einer Verjährungsregelung für den Bereich der Sanierungsverantwortlichkeit ließe sich daher nur annehmen, wenn der Gesetzgeber sich gerade für diesen Bereich nicht bewusst gewesen wäre, dass zwischen Verursachung und Sanierung ein langer Zeitraum liegen
kann, oder wenn es sich um ein Redaktionsversehen handeln würde. Der Gesetzgeber war sich der Problematik sogenannter Uraltlasten aber durchaus bewusst. So
sahen – wie bereits dargelegt655 – der Entwurf der sogenannten Unabhängigen Sachverständigenkommission als auch der Professorenentwurf zu einem Entwurf des
Umweltgesetzbuches eine Dreißigjahresfrist für die Heranziehung des Eigentümers
und des Inhabers der tatsächlichen Gewalt über ein kontaminiertes Grundstück vor.
Da der Gesetzgeber diese Entwürfe gekannt und trotzdem keinerlei Befristung in das
Bundes-Bodenschutzgesetz eingefügt hat, kann nicht von einer planwidrigen Regelungslücke, sondern muss von einem beredten Schweigen des Gesetzgebers gesprochen werden656. Des Weiteren wurde während des Gesetzgebungsverfahrens nach
Lösungen für Altlasten gesucht, die als Folge der beiden Weltkriege entstanden
sind657. Da in den dem Bundes-Bodenschutzgesetz vorgelagerten Referentenentwürfen nie eine Verjährungsvorschrift für die Verhaltensverantwortlichkeit enthalten
war, kann kein Redaktionsversehen angenommen werden, bei dem unbeabsichtigt
die Normierung einer Verjährungsvorschrift in der endgültigen Gesetzesfassung
unterlassen worden wäre. Letztlich kann auch nicht davon ausgegangen werden,
dass der Gesetzgeber die Normierung einer Verjährungsvorschrift unterlassen hat,
weil er angesichts der Rechtsprechung aus der Zeit vor dem Bundes-
Bodenschutzgesetz von deren Überflüssigkeit ausgegangen wäre. In der Rechtsprechung vor dem Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes war zwar die Verjährbarkeit der Sanierungsverantwortlichkeit diskutiert worden, eine dahingehende
ständige Rechtsprechung hatte sich aber nicht herausgebildet658.
Darüber hinaus scheidet die Annahme einer vergleichbaren Interessenlage für die
durch das Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes und die Änderungen des
Verjährungsrechts durch die Schuldrechtsreform schon deshalb aus, weil § 199
Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F. den Kenntnisstand des Gläubigers zum Anknüpfungspunkt
für den Beginn der Verjährungsfrist bestimmt. Im Zivilrecht ist das Abstellen auf
den Kenntnisstand des Gläubigers angemessen. Weiß eine Privatperson, dass ihr von
einem Nachbargrundstück eine schwerwiegende Beeinträchtigung droht, so ist es ihr
zumutbar, innerhalb von drei Jahren einen zivilrechtlichen Beseitigungsanspruch
geltend zu machen. Die Situation der Verwaltung bei der Bewältigung der Altlas-
654 Schink, DÖV 1999, 797 (804).
655 II. Kapitel, A II 2 a.
656 Conrady, S. 181-183.
657 Siehe § 8 Abs. 3 BBodSchG-E im Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
in BT-Drs. 13/5203, S. 5: „Bei Altlasten, die auf Grund ehemaliger militärischer Nutzung
entstanden sind oder die als Folge der beiden Weltkriege entstanden, gilt der Bund als Störer“.
658 VII. Kapitel, B II 2.
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tenproblematik stellt sich demgegenüber wesentlich anders dar. In den letzten Jahren
sind in großem Ausmaß Altlastenverdachtsflächen bekannt geworden659. Es muss
den Behörden gestattet sein, sich im Rahmen ihres Ermessens beim Erlass von Sanierungsanordnungen zunächst auf die schwerwiegendsten Fälle zu konzentrieren
und sich daneben auf die Erfassung der sonstigen Altlastenverdachtsflächen zu beschränken.
Ferner kann die regelmäßige Verjährungsfrist des Bürgerlichen Rechts nicht als
allgemeiner Rechtsgedanke angesehen werden660, der unbesehen in das Bodenschutzrecht zu übernehmen sei. Zum einen sollten die zivilrechtlichen Verjährungsvorschriften nur für Ansprüche des Zivilrechts eingeführt werden. Zum anderen ist
im Bürgerlichen Recht der Rechtsgedanke der Verjährung gar nicht so allgemein.
Die Einrede der Verjährung kann nur Ansprüchen im Sinne von § 194 Abs. 1 BGB
entgegengehalten werden. Gestaltungsrechte, absolute Rechte, das Recht zum Besitz, selbständige Einreden, die nicht auf einem Gegenanspruch beruhen, und Dauerschuldverhältnisse unterliegen nicht der Verjährung661. Selbst wenn man die Befugnis der Bodenschutzbehörde, den Gesamtrechtsnachfolger im Sinne von § 4 Abs. 3
S. 1 BBodSchG zu Sanierungsmaßnahmen heranzuziehen, mit einem Anspruch im
Sinne des Bürgerlichen Rechts vergleichen wollte, würde dies nicht automatisch
bedeuten, dass dieser der Verjährung unterliegt. So ordnet das BGB für einige Ansprüche ausdrücklich an, dass diese nicht der Verjährung unterliegen662. Diese Ansprüche können ihrer Natur nach weit zurückliegende Sachverhalte erfassen. Ebenso
liegt es bei der Befugnis der Bodenschutzbehörde, auf den Rechtsnachfolger als
Sanierungspflichtigen zurückzugreifen. Denn die Eingriffsermächtigung des Bundes-Bodenschutzgesetzes zielt darauf ab, Umweltgefahren abzuwenden, die sich aus
lange zurückliegenden Sachverhalten ergeben.
Die Ansichten in der Literatur663, die eine Verjährung der behördlichen Eingriffsbefugnisse ablehnen, aber die des behördlichen Kostenerstattungsanspruchs zulassen
wollen, können ebenfalls nicht dazu beitragen, die Problematik von Uraltlasten bei
sogenannten Gesamtrechtsnachfolgeketten zu lösen, bei denen bei mehreren aufeinander folgenden Gesamtrechtsnachfolgen der Zeitpunkt der Verursachung der Altlast für den in Anspruch genommenen letzten Gesamtrechtsnachfolger in unvordenklicher Zeit liegen kann.
§ 24 Abs. 1 S. 1 BBodSchG bestimmt, dass die Kosten der nach § 10 Abs. 1
BBodSchG angeordneten Maßnahmen von den zur Durchführung Verpflichteten,
659 Siehe das I. Kapitel.
660 Guckelberger, S. 286.
661 Heinrichs in Palandt, § 194 Rn. 3-7 mwN.
662 §§ 194 Abs. 2, 758, 898, 902, 924, 1138, 2042 Abs. 2 BGB; siehe auch Guckelberger, S. 134;
Heinrichs in Palandt, § 194 Rn. 8.
663 Martensen, NVwZ 1997, 442 (445-446); Striewe, ZfW 1986, 273 (290); Wüterich in Landel/Vogg/Wüterich, § 4 Rn. 77, dort Fn. 95.
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also auch vom Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers, zu tragen sind, wenn er
als Sanierungsverantwortlicher herangezogen wird. Da sich § 24 Abs. 1 S. 1
BBodSchG gesetzestechnisch in unmittelbarer Nähe zur Regelung der Verjährung
des Ausgleichsanspruchs mehrerer Sanierungspflichtiger untereinander (§ 24 Abs. 2
S. 3 BBodSchG) befindet, deutet dies darauf hin, dass eine Befristung der Kostentragungspflicht des Sanierungspflichtigen nicht gewollt ist. Des Weiteren muss auch
hier wieder auf die Gesetzgebungsgeschichte verwiesen werden, nach der dem Gesetzgeber durch die Entwürfe zur Schaffung eines Umweltgesetzbuches die Problematik der Tragung von Sanierungskosten nach längerem Zeitablauf durchaus bekannt war.
Außerdem können die bundesrechtlichen Vorschriften über die zivilrechtliche
Regelverjährung nicht pauschal analog auf den Kostenerstattungsanspruch der Bodenschutzbehörde, der aus der Sanierung einer Altlast im Wege der unmittelbaren
Ausführung oder Ersatzvornahme folgt, übertragen werden. Denn der Kostenerstattungsanspruch ergibt sich in diesem Fall aus den landesrechtlichen Vorschriften über
die Verwaltungsvollstreckung664, und die analoge Anwendung der bundesrechtlichen Verjährungsvorschriften könnte die Gesetzgebungskompetenz der Länder
verletzen. Es muss zuerst für jedes Bundesland getrennt untersucht werden, welche
Regelungen der jeweilige Landesgesetzgeber getroffen und welche Vorstellungen er
beim Erlass der jeweiligen Regelungen hatte, bevor eine planwidrige Regelungslücke bejaht werden kann. Kommt man hiernach zu dem Ergebnis, dass eine solche
Lücke vorliegt, so müssen die Voraussetzungen der §§ 195 ff. BGB gegeben sein,
bevor angenommen werden kann, dass der behördliche Kostenerstattungsanspruch
verjährt ist. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB verlangt hierfür als erstes, dass der Anspruch
überhaupt entstanden ist. Entstanden sind die Kosten der Ersatzvornahme nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts erst, wenn eine behördliche Verfügung erlassen worden ist und vollziehbar ist sowie das Zwangsmittel der Ersatzvornahme
sowohl angedroht als auch vollziehbar festgesetzt worden ist665. Nach vorzugswürdiger Ansicht in der Literatur entsteht der Kostenerstattungsanspruch der Behörde
erst nach der Durchführung der Ersatzvornahme durch die Behörde 666, da der Pflichtige bis zur Durchführung der Ersatzvornahme durch den von der Behörde beauftragten Unternehmer die Möglichkeit haben muss, die Handlung selber vorzunehmen667. § 10 VwVG ordnet nämlich an:
„Wird die Verpflichtung, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch einen anderen
möglich ist (vertretbare Handlung), nicht erfüllt, so kann die Vollzugsbehörde einen anderen
mit der Vornahme der Handlung auf Kosten des Pflichtigen beauftragen.“
664 Vgl. Zühlsdorff/Füllkrug, altlasten spektrum 2005, 267 (271).
665 BVerwG, NJW 1976, 1703 (1705).
666 Engelhardt/App, § 10 VwVG Rn. 14; Menger, VerwArch. 1977, 83 (89 f.).
667 Engelhardt/App, § 10 VwVG Rn. 14; Menger, VerwArch. 1977, 83 (89 f.).
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Wie sich aus dem Wortlaut dieser Norm ergibt, soll die Ersatzvornahme erst dann
erfolgen, wenn der Pflichtige die ihm obliegende Handlung nicht erfüllt hat. Hieraus
folgt, dass die Durchführung der Ersatzvornahme durch die Behörde subsidiär zur
Vornahme der Handlung durch den Pflichtigen selbst ist. Letztendlich bedarf es aber
in dem hier erörterten Zusammenhang keiner endgültigen Festlegung, da nach beiden Ansichten der Kostenerstattungsanspruch der Bodenschutzbehörde nicht vor,
sondern erst nach dem Erlass einer behördlichen Sanierungsverfügung entstehen
kann. Der behördliche Erstattungsanspruch kann also, wenn man nach eingehender
Prüfung des Vorliegens einer Regelungslücke und des Vorliegens eines vergleichbaren Lebenssachverhaltes die analoge Anwendung der Vorschriften über die zivilrechtliche Regelverjährung bejaht, frühestens nach dem Erlass der Sanierungsanordnung verjähren.
IV. Rechtspolitische Würdigung
Auch wenn die Begrenzung der Sanierungsverantwortlichkeit durch das Rechtsinstitut der Verjährung abgelehnt wird, weil das Bundes-Bodenschutzgesetz keine dahingehende gesetzliche Regelung enthält und eine analoge Anwendung der zivilrechtlichen Regelverjährung nicht befürwortet werden kann, können die Argumente,
die von den Befürwortern der Analogie vorgebracht werden, in rechtspolitischer
Hinsicht nicht unbeachtet gelassen werden. Es ist durchaus problematisch, dass eine
Person viele Jahrzehnte oder unter Umständen über ein Jahrhundert, nachdem eine
Altlast verursacht worden ist, zu deren Sanierung verpflichtet werden kann668. Es
wird nämlich nach langem Zeitablauf immer schwieriger, sich gegen eine Inanspruchnahme als Sanierungsverantwortlicher zur Wehr zu setzen669. Wird man durch
behördliche Verfügung zur Durchführung von Sanierungsmaßnahmen verpflichtet,
weil zum Beispiel der Rechtsvorgänger um 1900 einen Verursachungsbeitrag geleistet haben soll, ist es nach so langer Zeit sehr schwierig, dies durch substantiierten
Vortrag zu bestreiten. Unterlagen, die das damalige Geschehen nachvollziehbar
machen, werden oftmals nicht mehr existieren. Personen, die als Zeugen in Betracht
kommen, werden häufig nicht mehr am Leben sein. Rechtssicherheit und Rechtsfrieden entstehen durch eine solche gesetzliche Regelung nicht. Diese sind aber
erforderlich, wenn das Recht Akzeptanz bei den ihm unterworfenen Normadressaten
finden soll. Es wäre daher sinnvoll, wenn der Gesetzgeber seine anlässlich der
Schuldrechtsreform geäußerte Absicht, die Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Verjährungsfrist auf öffentlich-rechtliche Sachverhalte prüfen zu wollen, umsetzen und
festlegen würde, wie den Problemen der Verpflichtung zur Sanierung von Altlasten
nach langem Zeitablauf Rechnung getragen werden kann.
668 Oerder in Oerder/Numberger/Schönfeld, § 4 Rn. 18.
669 Vgl. Brox, BGB AT Rn. 668, S. 304; Klunzinger BR, S. 44.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz droht dem Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers einer Altlast eine Ewigkeitshaftung mit ruinösen finanziellen Folgen. Das Werk untersucht umfassend, inwiefern sich rechtliche Grenzen für die Inanspruchnahme des Gesamtrechtsnachfolgers aus Verfassungs-, Europa- und einfachem Recht ergeben. Die Anwendbarkeit von Haftungsbeschränkungen für Erben und für Gesamtrechtsnachfolger im Gesellschaftsrecht wird ebenso behandelt wie Haftungsbegrenzungen aus allgemeinen Rechtsinstituten, insbesondere Verjährung, Verzicht und Verwirkung sowie bei unzureichender staatlicher Überwachung oder im Fall der Insolvenz. Darüber hinaus bietet der Autor eine rechtspolitische Bewertung der dargestellten Rechtsprobleme und konkrete Vorschläge, wie diese durch den Gesetzgeber gelöst werden können.