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VII. Kapitel: Befristung und Verjährung der Sanierungsverantwortlichkeit des Gesamtrechtsnachfolgers
Ein Problem kann sich bei der Normierung der Gesamtrechtsnachfolgerhaftung im
Bundes-Bodenschutzgesetz daraus ergeben, dass es infolge mehrerer aufeinander
folgender Gesamtrechtsnachfolger leicht zur Heranziehung eines Rechtsnachfolgers
zur Sanierung von Altlasten kommen kann, deren Verursachung schon vor langer
Zeit abgeschlossen worden ist. Es droht somit eine „Ewigkeitshaftung“ des Rechtsnachfolgers548. Würde man mit einer solchen Situation als Gesamtrechtsnachfolger
oder dessen Rechtsberater konfrontiert werden, dürfte der erste Gedanke um die
Frage kreisen, ob man sich der Verpflichtung nicht wegen Zeitablaufs unter Berufung auf den Ablauf einer Frist oder auf das Rechtsinstitut der Verjährung entziehen
kann. Es soll daher untersucht werden, ob eine Frist existiert, deren Ablauf der Heranziehung des Gesamtrechtsnachfolgers des Verursachers zu Sanierungsmaßnahmen entgegengehalten werden kann.
A) Befristung der Sanierungspflicht gemäß § 17 Abs. 4a BImSchG a.F.
Schon vor dem Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes wurde es von der
Wissenschaft und der Rechtspraxis als Problem erkannt, dass Sanierungsmaßnahmen regelmäßig lange Zeit nach der Verursachung der Altlast angeordnet werden.
Angedacht wurde hierbei, ob in solchen Fällen auf die Regelungen des Immissionsschutzrechtes abgestellt werden könne549. Diskutiert werden soll, ob dieser Gedanke
noch heutzutage für die vorliegende Fragestellung fruchtbar gemacht werden kann.
Vorgestellt werden soll daher zuerst § 17 Abs. 4a BImSchG in der alten Fassung
vom 14. Mai 1990550. Diese Vorschrift befristete die Möglichkeit der Behörde, dem
Betreiber einer genehmigungsbedürftigen Anlage nach deren Stilllegung im Sinne
von § 5 Abs. 3 BImSchG Nachsorgemaßnahmen aufzuerlegen auf einen Zeitraum
von zehn Jahren. Sie lautete:
„Nach der Einstellung des gesamten Betriebes können Anordnungen zur Erfüllung der sich aus
§ 5 Abs. 3 ergebenden Pflichten nur noch während eines Zeitraums von zehn Jahren getroffen
werden.“
548 Gärtner, DB 2000, 409; Versteyl in Versteyl/Sondermann, BBodSchG, § 4 Rn. 128.
549 Spieth/Laitenberger, BB 1996, 1893 (1898).
550 BGBl. 1990 I S. 880.
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Mangels einer ausdrücklichen bundesrechtlichen Regelung zur Sanierung von
Altlasten wurde in der Literatur vorgeschlagen, diese Frist zu verallgemeinern und
auch auf die polizei- und ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit anzuwenden, um
unbillig erscheinende Ergebnisse zu vermeiden551. Besonderes Gewicht erhielt diese
Auffassung dadurch, dass das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung
ausführte, § 17 Abs. 4a BImSchG a.F. sei ein gewichtiger Anhaltspunkt, der bei der
Prüfung, ob eine auf § 10 Abs. 2 AbfG bzw. § 36 Abs. 2 Krw-/AbfG a.F. beruhende
Sanierungsordnung verhältnismäßig sei, berücksichtigt werden müsse552. Diese Sicht
stieß wiederholt nicht auf Zustimmung im Schrifttum553 und in der Judikatur554, die
den Anwendungsbereich von § 17 Abs. 4a BImSchG a.F. auf das Immissionsschutzrecht beschränken wollten.
Mittlerweile hat sich dieser Streit erledigt und bedarf keiner abschließenden Stellungnahme mehr. Mit der Einführung des Bundes-Bodenschutzgesetzes hat der
Gesetzgeber nämlich durch Art. 3 des Gesetzes555 zum Schutze des Bodens auch das
Bundes-Immissionsschutzgesetz geändert und die Zehnjahresfrist des § 17 Abs. 4a
BImSchG auf ein Jahr verkürzt. Dies erfolgte, um den Anwendungsbereich des
Bundes-Immissionsschutzgesetzes von dem des Bundes-Bodenschutzgesetzes bei
schädlichen Bodenveränderungen oder Altlasten, die auf Immissionen beruhen,
abzugrenzen. Nach Ablauf der Jahresfrist des § 17 Abs. 4a BImSchG n.F. soll sich
der Bodenschutz ausweislich der Gesetzesmaterialien nur noch nach den Vorschriften des Bundes-Bodenschutzgesetzes und nicht mehr nach denen des Bundes-
Immissionsschutzgesetzes richten556. Die Frist von § 17 Abs. 4a BImSchG kann also
wegen des anlässlich der Schaffung des Bundes-Bodenschutzgesetzes zu Tage getretenen gesetzgeberischen Willens nicht mehr im Zusammenhang mit der Erfüllung
der bodenschützenden Pflichten des Bundes-Bodenschutzgesetzes berücksichtigt
werden.
B) Verjährung der Sanierungspflicht
Da der Gedanke des § 17 Abs. 4a BImSchG nicht herangezogen werden kann und
keine andere Frist ersichtlich ist, deren Anwendung sich anbieten würde, soll überlegt werden, ob der Gesamtrechtsnachfolger im Sinne von § 4 Abs. 3 S. 1
BBodSchG einer gegen ihn gerichteten Sanierungsanordnung das Institut der Verjährung entgegenhalten kann.
551 Spieth/Laitenberger, BB 1996, 1893 (1898).
552 BVerwG, NVwZ 1997, 1000 (1001).
553 Valendar, UPR 1991, 91 (95); vgl. VGH Mannheim, VBlBW 1997, 110 mwN.
554 VGH Mannheim, VBlBW 1997, 110.
555 BGBl. I 1998 S. 510.
556 BT-Drs. 13/6701, S. 47.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz droht dem Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers einer Altlast eine Ewigkeitshaftung mit ruinösen finanziellen Folgen. Das Werk untersucht umfassend, inwiefern sich rechtliche Grenzen für die Inanspruchnahme des Gesamtrechtsnachfolgers aus Verfassungs-, Europa- und einfachem Recht ergeben. Die Anwendbarkeit von Haftungsbeschränkungen für Erben und für Gesamtrechtsnachfolger im Gesellschaftsrecht wird ebenso behandelt wie Haftungsbegrenzungen aus allgemeinen Rechtsinstituten, insbesondere Verjährung, Verzicht und Verwirkung sowie bei unzureichender staatlicher Überwachung oder im Fall der Insolvenz. Darüber hinaus bietet der Autor eine rechtspolitische Bewertung der dargestellten Rechtsprobleme und konkrete Vorschläge, wie diese durch den Gesetzgeber gelöst werden können.