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über die Begrenzung der Haftung des Erben keine Anwendung finden. Für die Frage, ob die Verantwortlichkeit des Gesamtrechtsnachfolgers für die Kosten der Sanierung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu begrenzen ist, ist wesentlich
darauf abzustellen, ob dieser zum Zeitpunkt der Annahme der Erbschaft gutgläubig
war.
IV. Eigene Bewertung zur konkreten Sanierungsverantwortlichkeit
Fraglich ist, ob das vorstehende Ergebnis auch gelten kann, wenn gegen den Verursacher der Altlast schon ein Sanierungsbescheid erlassen worden war, die Sanierungsverantwortlichkeit also bereits konkretisiert worden war.
Es wurde bereits kritisch ausgeführt502, dass von der überwiegenden Meinung
schon vor dem Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes die Ansicht vertreten
wurde, ein gegenüber dem Verursacher erlassener Sanierungsbescheid wirke auch
gegenüber dessen Gesamtrechtsnachfolger. Durch die Normierung der Verantwortlichkeit des Gesamtrechtsnachfolgers des Verursachers in § 4 Abs. 3 S. 1
BBodSchG hat diese Ansicht noch an Zuwachs gewonnen503. Schlösse man sich
dieser Meinung an, müsste man für den Fall der konkreten Sanierungsverantwortlichkeit eigentlich die Ansicht vertreten, dass auch die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Beschränkung der Haftung des Erben Anwendung finden
müssten. Denn es gäbe keinen nachvollziehbaren Grund, den Gesamtrechtsnachfolgetatbestand des Erbrechts im Verwaltungsrecht direkt oder analog anzuwenden
oder zum Ausgangspunkt für eigene Rechtsnachfolgeregelungen im öffentlichen
Recht zu machen, nicht aber die Vorschriften des Erbrechts, die eine grenzenlose
Haftung des Rechtsnachfolgers verhindern.
Richtigerweise hat sich durch das Bundes-Bodenschutzgesetz hinsichtlich der
Frage der Fortgeltung der gegen den Verursacher ergangenen Sanierungsverfügung
für seinen Gesamtrechtsnachfolger nichts geändert. Dem Wortlaut nach normiert § 4
Abs. 3 S. 1 BBodSchG zwar eine Pflicht für den Gesamtrechtsnachfolger, die in
Verbindung mit § 10 Abs. 1 BBodSchG die Bodenschutzbehörde zur Anordnung
von Sanierungsmaßnahmen ermächtigt. Im Gesetzeswortlaut hat es sich aber nicht
niedergeschlagen, dass eine gegenüber dem Verursacher ergangene Sanierungsverfügung auch gegenüber dessen Rechtsnachfolger gelten soll. Die bereits bei den
Ausführungen zum verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot geäußerten Bedenken504 gegen die Annahme der Weitergeltung einer gegenüber dem Rechtsvorgänger
502 Kapitel III, B II 1 a, bb.
503 Z.B. Frenz, BBodSchG, § 4 Abs. 3 Rn. 56; Schoeneck in Sanden/Schoeneck, BBodSchG, § 4
Rn. 37 f.
504 III. Kapitel, B II 1 a, bb.
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erlassenen Sanierungsanordnung gegenüber dessen Gesamtrechtsnachfolger bestehen also weiterhin. Genauso wenig wie ohne eine im Bundes-Bodenschutzgesetz
niedergeschlagene gesetzgeberische Willensäußerung die Weitergeltung eines gegenüber dem Verursacher einer Altlast ergangenen belastenden Verwaltungsaktes
angenommen werden kann, kann auch nicht die Geltung der Vorschriften des BGB
über die Haftungsbeschränkung des Erben bejaht werden. Gegen eine solche Haftungsbeschränkung bestehen dieselben Einwände, die auch hinsichtlich einer unmittelbaren Heranziehung des Gesamtrechtsnachfolgers auf Grundlage des Bundes-
Bodenschutzgesetzes vorgetragen worden sind.
Eine direkte oder analoge Anwendung der erbrechtlichen Regelungen zur Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB) und zur Haftung des Erben für die Nachlassverbindlichkeiten (§ 1967 BGB ) einschließlich der Vorschriften über die Haftungsbeschränkung (§§ 1975 BGB ff.) ist nur denkbar, wenn die Behörde bereits einen Anspruch auf Ersatz von Sanierungskosten nach Durchführung von Sanierungsmaßnahmen im Wege der unmittelbaren Ausführung oder Ersatzvornahme
gegenüber dem Erblasser als Verursacher erworben hatte. Ein solcher Anspruch
ähnelt nämlich sonstigen Zahlungsansprüchen, die beim Eintritt des Erbfalls auf den
Erben übergehen, so dass eine Anwendung sämtlicher erbrechtlicher Vorschriften
auf diesen nicht ausgeschlossen ist. Bevor eine analoge Anwendung der bundesrechtlichen Vorschriften des Erbrechts bejaht werden kann, sollte allerdings im
Einzelfall das zu Grunde liegende jeweilige Landesrecht näher untersucht werden,
da die unmittelbare Ausführung oder Ersatzvornahme von Sanierungsmaßnahmen
auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt. Um die Gesetzgebungskompetenz
der Bundesländer in diesem Bereich nicht zu verletzen, müsste zuerst das jeweilige
Landesrecht, auf Grund dessen die unmittelbare Ausführung oder Ersatzvornahme
durchgeführt wurde, auf das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke als Voraussetzung der Analogie untersucht werden, bevor bundesrechtliche Vorschriften
aus dem Erbrecht entsprechend angewendet werden können.
V. Vorschlag zur Einführung einer klarstellenden Regelung im Bundes-
Bodenschutzgesetz
Es wurde bereits vorgeschlagen505, zwischen die bisherigen Absätze 1 und 2 von
§ 24 BBodSchG einen Absatz über die Begrenzung der Kostentragungspflicht der
Sanierungsverantwortlichen mit folgendem Wortlaut einzufügen:
„(1a) Der Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers ist nach Absatz 1 insoweit nicht kostenpflichtig, als die Kosten der angeordneten Maßnahmen den Wert des im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergegangenen Vermögens übersteigen. Dies gilt nicht, wenn der Gesamtrechtsnachfolger im Zeitpunkt des Eintritts der Gesamtrechtsnachfolge das Bestehen einer
505 III. Kapitel, B I 4.
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References
Zusammenfassung
Nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz droht dem Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers einer Altlast eine Ewigkeitshaftung mit ruinösen finanziellen Folgen. Das Werk untersucht umfassend, inwiefern sich rechtliche Grenzen für die Inanspruchnahme des Gesamtrechtsnachfolgers aus Verfassungs-, Europa- und einfachem Recht ergeben. Die Anwendbarkeit von Haftungsbeschränkungen für Erben und für Gesamtrechtsnachfolger im Gesellschaftsrecht wird ebenso behandelt wie Haftungsbegrenzungen aus allgemeinen Rechtsinstituten, insbesondere Verjährung, Verzicht und Verwirkung sowie bei unzureichender staatlicher Überwachung oder im Fall der Insolvenz. Darüber hinaus bietet der Autor eine rechtspolitische Bewertung der dargestellten Rechtsprobleme und konkrete Vorschläge, wie diese durch den Gesetzgeber gelöst werden können.