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Seit dem 1. September 2006 dürfte die Diskussion um die Kompetenzmäßigkeit
des Bundes-Bodenschutzgesetzes noch mehr an Bedeutung verlieren. Im Zuge der
sogenannten Föderalismusreform wurde das Grundgesetz geändert, um die gesamte
Umweltmaterie, insbesondere die im vorstehenden Absatz angesprochenen Kompetenztitel nach Art. 72 Abs. 3 Nr. 2 GG n.F. (Naturschutz und Landschaftspflege),
Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 (die Abfallwirtschaft, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung) und Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG n.F. (Wasserhaushalt) der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes zu unterstellen. Es ist somit davon auszugehen, dass der
Bund nunmehr für den Erlass des Bundes-Bodenschutzgesetzes und für etwaige
ändernde oder ergänzende Regelungen zuständig ist.
B) Die materielle Verfassungsmäßigkeit des Bundes-Bodenschutzgesetzes
Inzwischen hat es sich zu einer der Hauptstreitfragen um die Verfassungsmäßigkeit
des Bundes-Bodenschutzgesetzes entwickelt, ob das Gesetz im Lichte von Art. 14
Abs. 1 GG oder Art. 2 Abs. 1 GG einschränkend ausgelegt werden muss oder ob es
gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstößt. Es soll daher zuerst
der Einfluss von Art. 14 GG und Art. 2 GG und danach die Bedeutung des Rückwirkungsverbotes auf die Auslegung des Bundes-Bodenschutzgesetzes diskutiert
werden.
I. Auslegung des Bundes-Bodenschutzgesetzes im Lichte von Art. 14 Abs. 1 GG,
Art. 2 Abs. 1 GG
Zur Frage, ob §§ 10 Abs. 1 und 4 Abs. 3 S. 1, § 24 Abs. 1 S. 1 BBodSchG im Lichte
von Art. 14 Abs. 1 GG oder Art. 2 Abs. 1 GG einschränkend auszulegen sind, soll
zuerst dargestellt werden, inwieweit Rechtsprechung und Literatur zur Altlastenproblematik bis jetzt durch die Grundrechte beeinflusst worden sind. Danach soll
überlegt werden, inwieweit eine Übertragung auf die vorliegende Fragestellung
geboten ist.
1. Die Auffassung von Literatur und Rechtsprechung zu verfassungsrechtlichen
Grenzen bei der Altlastensanierung
Schon vor dem Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes setzten sich die
Rechtsprechung und die Literatur damit auseinander, ob die Heranziehung eines
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Verantwortlichen zur Altlastensanierung aus verfassungsrechtlichen Gründen untunlich sei oder ob diese zu begrenzen sei. Diese Überlegungen befassten sich allerdings regelmäßig nicht mit dem Verursacher einer Altlast oder dessen Gesamtrechtsnachfolger, sondern mit dem Grundstückseigentümer.
Hierbei wurde trotz mehrerer Gegenstimmen183 vor dem Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes eine Begrenzung der Sanierungsverantwortlichkeit von
Rechtsprechung184 und Literatur185 grundsätzlich abgelehnt und nur in Einzelfällen
zugelassen186.
Eine Begrenzung der Haftung des Zustandsverantwortlichen wurde nur angedacht187, wenn sich dieser in einer sogenannten Opferposition befand, weil der
Schadenseintritt völlig außerhalb der Risikosphäre des Zustandsverantwortlichen
lag. Dies wurde angenommen, wenn der Schaden vollkommen oder zum größten
Teil auf Handlungen oder dem pflichtwidrigen Unterlassen eines Dritten188 oder auf
nicht zu beeinflussenden Umständen wie Krieg, Katastrophen oder Großunfällen189
beruhte und der Zustandsverantwortliche beim Erwerb des Eigentums nichts vom
Bestehen der Altlast wusste und keine Tatsachen kannte, die auf das Vorliegen einer
Altlast hindeuteten190.
183 Baur, JZ 1964, 354 (356); Breuer, NVwZ 1987, 751 (756); Hohmann, DVBl. 1984, 997 (999-
1001); Konrad, BayVBl. 1980, 581 (583); Marburger in UTR 3 (1987), S. 169 (199); Oerder,
DVBl. 1992, 691 (694 f.) mwN; Oerder, NVwZ 1992, 1031 (1036 f.); Papier, Altlasten,
S. 47-57; Papier in Maunz/Dürig (Stand: Mai 1994), Art. 14 Rn. 518-529; Papier, JZ 1994,
810 (816 f,); Papier, DVBl. 1985, 873 (878); Paßlick, DVBl. 1992, 674 (678); Pietzcker,
DVBl. 1984, 457 (462-464); Schink, DVBl. 1986, 161 (169 f.); Schwerdtner, NVwZ 1992,
141 (143); Seibert, DVBl. 1985, 328 (329).
184 BVerwG, NVwZ 1991, 475 = DÖV 1991, 428; VGH München, DVBl. 1986, 1283 (1284 f.)
= DÖV 1986, 976 (978) = NVwZ 1986, 942 (944-946); VGH Mannheim, VBlBW 1995, 488
(488 f.); VGH Mannheim, NVwZ 1986, 325 (326) = DÖV 1986, 249 (250); VG Frankfurt a.M., NuR 1999, 711 (713).
185 Martens in Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, § 21 Nr. 1, S. 319-321 mwN;
Kloepfer, NuR 1987, 7 (17); Schmidt-Jortzig, DÖV 1991, 753 (757); Spannowsky, DVBl.
1994, 560 (562 f.).
186 OVG Münster, NVwZ 1989, 987 (988); VG Frankfurt a.M., NuR 1999, 711 (713 f.); Bender/Sparwasser/Engel, Kapitel 7 Rn. 203 f., S. 336.
187 BVerwG, NVwZ 1991, 475 = DÖV 1991, 428; BVerwG, NuR 1991, 280; BVerwG, NVwZ
1997, 577 (578); BVerwG, NJW 1998, 3582; VGH Kassel, NVwZ-RR 1998, 747 (750);
VGH München, DVBl. 1986, 1283 (1285) = NVwZ 1986, 942 (944-946); OVG Münster,
NVwZ 1989, 987 (988); VGH Mannheim, NVwZ 1986, 325 (326); VGH Mannheim, UPR
1999, 113 (114); vgl. auch Berg/Knape/Kiworr, § 14 ASOG I A 2 b, cc, S. 151-152.
188 VGH München, DVBl. 1986, 1283 (1285) = NVwZ 1986, 942 (944 f.) = DÖV 1986, 976
(978).
189 Berg/Knape/Kiworr, § 14 ASOG I A 2 b, bb, S. 151.
190 Vgl. Papier in Maunz/Dürig (Stand: Mai 1994), Art. 14 Rn. 525.
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2. Die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts
Dieser bisherige Meinungsstand wurde durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Februar 2000191 modifiziert, die das Verhältnis der Zustandsverantwortlichkeit zu Art. 14 GG genauer herausarbeitete192. In dieser Entscheidung
ging es um die Heranziehung von Grundstückseigentümern zur Sanierung ihrer
kontaminierten Grundstücke nach landesrechtlichen Vorschriften. Da aber in der
Entscheidung ausführlich auf das Bundes-Bodenschutzgesetz Bezug genommen
wurde193, spricht einiges dafür, dass die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung
auch für dessen Auslegung Hinweise geben soll194. Das Bundesverfassungsgericht
führte aus, die Heranziehung des Grundstückseigentümers zur Sanierung seines mit
einer Altlast behafteten Grundstücks berühre den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1
S. 1 GG. Die durch Art. 14 GG geschützte Rechtsposition sei berührt, da dem Zustandsverantwortlichen die Pflicht zur Sanierung seines Eigentumsgegenstandes
aufgegeben werde. Die Vorschriften, die eine Verpflichtung des Zustandsverantwortlichen zur Durchführung von Sanierungsmaßnahmen erlaubten, stellten eine
grundsätzlich statthafte Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentumsrechts
dar. Bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften durch Verwaltung und
Rechtsprechung über die Zustandsverantwortlichkeit müssten aber die Gewährleistung des Privateigentums durch das Grundgesetz einerseits und dessen Sozialpflichtigkeit andererseits berücksichtigt werden. Im Rahmen des zwischen beiden Werten
herzustellenden Ausgleichs sei in einem ersten Schritt insbesondere der Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit stelle
sich die Frage nach der Zumutbarkeit. Einen Anhaltspunkt für die Bestimmung der
Zumutbarkeit bilde das Verhältnis zwischen dem Verkehrswert des Grundstücks
nach der Sanierung und den Kosten für die Durchführung derselben. Des Weiteren
müsse berücksichtigt werden, ob das Vermögen des Verantwortlichen hauptsächlich
aus dem zu sanierenden Grundstück bestehe. Denn in diesem Fall bilde das Grundstück die Basis für die Lebenshaltung des Pflichtigen und seiner Familie. Es sei
daher unzumutbar, wenn der Eigentümer eines Eigenheims ein Grundstück veräu-
ßern müsse, um die finanziellen Belastungen durch Sanierungsmaßnahmen tragen zu
können. Die Zumutbarkeit einer den Verkehrswert des sanierten Grundstücks überschreitenden finanziellen Belastung sei aber zu bejahen, wenn der Eigentümer Risiken bewusst in Kauf genommen habe, weil er zum Beispiel beim Erwerb des Grundstücks von dessen Belastung mit einer Altlast gewusst oder in die mit Risiken behaftete Nutzung des Grundstücks durch einen Dritten eingewilligt habe. Ein freiwillig
eingegangenes Risiko verringere die Schutzwürdigkeit des Zustandsverantwortlichen. Hierfür müsse der Eigentümer nicht unbedingt positive Kenntnis von den
Risiken gehabt haben. Unter Umständen könne auch fahrlässiges Eingehen von
191 BVerfGE 102, 1.
192 Bickel, NJW 2000, 2562; Lepsius, JZ 2001, 22.
193 BVerfGE 102, 1 (2 f.).
194 Klüppel, Jura 2001, 26 (29); Papier in Maunz/Dürig (Stand: Juni 2002), Art. 14 Rn. 520.
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Risiken genügen. Im Einzelfall könne daher das Ausmaß der Fahrlässigkeit für die
Bestimmung der Zumutbarkeit von Bedeutung sein. Ein weiteres Kriterium für die
Frage nach der Zumutbarkeit seien die Vorteile, die der Eigentümer bei Eingehung
eines Risikos, zum Beispiel durch einen revidierten Kaufpreis oder einen erhöhten
Pachtzins, erlangt habe.
Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ist es aber nicht bei der Feststellung
zu belassen, dass eine finanzielle Belastung über den Verkehrswert des Grundstücks
hinaus zumutbar ist. In einer weiteren Stufe sei zu prüfen, in welchem Ausmaß der
Zustandsverantwortliche mit seinem sonstigen Vermögen für die Erfüllung der Sanierungspflicht einzustehen habe. Die Zumutbarkeit entfalle, wenn der Zustandsverantwortliche Vermögen für die Sanierung einsetzen müsse, das weder rechtlich noch
wirtschaftlich mit dem zu sanierenden Grundstück verknüpft sei. Zu bejahen sei die
Zumutbarkeit nur, wenn eine funktionale Einheit (zum Beispiel bei einem Unternehmen) zwischen dem sonstigen Vermögen und dem zu sanierenden Grundstück
bestehe195. Aber auch dann müsse immer noch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
besonders berücksichtigt werden.
Aus dem Gesagten zieht das Bundesverfassungsgericht die Schlussfolgerung, die
Verwaltung müsse bei der Anwendung der Vorschriften über die Zustandsverantwortlichkeit eine Begrenzung der mit dieser verbundenen Kostenbelastung von
Verfassungs wegen in Betracht ziehen. Verkenne sie bei ihrer Entscheidung den
Einfluss von Art. 14 GG, sei der ergehende Verwaltungsakt nicht nichtig, sondern
nur rechtswidrig und somit anfechtbar. In einer späteren Nichtannahmeentscheidung
vom 24. August 2000 bestätigte das Bundesverfassungsgericht diese Rechtsprechung und stellte klar, allein fahrlässige Unkenntnis vom Bestehen einer Altlast
genüge nicht, um einen Grundstückseigentümer über den Verkehrswert hinaus zur
Tilgung der Sanierungskosten heranzuziehen196.
3. Bewertung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung und Folgen für die
Kostenpflicht des Sanierungspflichtigen
Kritikwürdig an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist, dass es
nicht näher ausführt, warum es nur im Rahmen der Prüfung von Art. 14 GG anspricht, dass der Eigentümer eines kontaminierten Grundstücks nicht mit dem Vermögen, das in keinem Zusammenhang mit dem zu sanierenden Grundstück steht,
zur Begleichung der Sanierungskosten einstehen muss. Denn inwieweit das Vermögen als solches durch Art. 14 GG geschützt wird, ist umstritten und ergibt sich auch
195 BVerfGE 102, 1 (14-23).
196 BVerfG, 1 BvR 83/97 vom 24. August 2000, Absatz-Nr. (24),
zitiert nach http://www.bverfg.de/.
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nicht eindeutig aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts197.
In dieser vertritt das Gericht seit den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in
ständiger Rechtsprechung die Meinung, dass Art. 14 GG nicht das Vermögen als
solches schütze.
In dem amtlichen Leitsatz einer Entscheidungen aus dem Jahr 1954 nahm das
Bundesverfassungsgericht die seitdem immer wieder in Rechtsprechung und Literatur gebrauchte Formel: „Art. 14 GG schützt nicht das Vermögen als solches.“ auf198.
In seiner Entscheidung hatte das Gericht die Verfassungsmäßigkeit des Investitionshilfegesetzes zu beurteilen, das die gewerbliche Wirtschaft verpflichtete, einen einmaligen Betrag in Höhe von 1 Milliarde DM aufzubringen, um den Investitionsbedarf des Kohlenbergbaues, der eisenschaffenden Industrie und der Energiewirtschaft
zu decken199. Seine Aussage in dem oben genannten Leitsatz begründete das Gericht
nur kurz, indem es darauf verwies, es bestehe in Rechtsprechung und Literatur Einmütigkeit darüber, dass Art. 14 GG das Vermögen nicht gegen Eingriffe durch die
Auferlegung von Geldleistungspflichten schütze. Die Geldleistungspflichten, die das
Investitionsgesetz vorsähen, berührten daher nicht die Eigentumsgarantie des
Grundgesetzes. Hieran ändere sich auch nichts, wenn die Liquidität des Betriebsvermögens durch die Erfüllung einer Zahlungspflicht vermindert werde, da dies zum
Wesen jeder Geldleistungspflicht gehöre. Die Liquidität eines Betriebes sei zwar
eine wirtschaftliche Position, aber kein selbständiges Recht, so dass die Frage der
Eigentumsgarantie überhaupt nicht aufgeworfen werden könne200.
Auch in der Folgezeit nahm das Bundesverfassungsgericht in den Gründen seiner
Entscheidungen keine tiefergehende Auseinandersetzung mit dieser Thematik vor,
sondern beschränkte sich auf die Aussage, Art. 14 GG schütze nicht das Vermögen
als solches, und auf den Verweis auf die obenstehende Entscheidung201.
Erst 1962 ergänzte der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts seine Aussage dahin, bei einer Geldleistungspflicht komme ein Verstoß gegen Art. 14 GG allenfalls
dann in Betracht, wenn diese Pflicht den Betroffenen übermäßig belaste und seine
Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtige. Ansonsten beließ es das Gericht
aber bei der schlagwortartigen Aussage, die Auferlegung von Geldleistungspflichten
ließe die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG grundsätzlich unberührt, und den Verweis auf seine vorhergehende Rechtsprechung202. Diese Aussage behielt der
197 Wieland in Dreier, Art. 14 Rn. 54 f.; Wendt in Sachs, Art. 14 Rn. 38.
198 BVerfGE 4, 7 (8).
199 BVerfGE 4, 7 (9).
200 BVerfGE 4, 7 (17).
201 BVerfGE 8, 274 (330); 10, 89 (116 f.); 10, 354 (371); 11, 105 (126).
202 BVerfGE 14, 221 (241).
48
1. Senat203 in den folgenden Jahren ohne weitergehende Vertiefung bei. Sie wurde
dann vom 2. Senat204 unter Verweis auf die ständige verfassungsgerichtliche Rechtsprechung übernommen.
Im Jahr 1983 führte der 2. Senat etwas weitergehend aus, Art. 14 GG wolle das
Vermögen so schützen, wie das bürgerliche Recht und die gesellschaftlichen Anschauungen es geformt hätten. Verfassungsrechtlich gewährleistet wären nur die
durch die Rechtsordnung anerkannten einzelnen Vermögensrechte, nicht aber das
Vermögen selbst205. Im Anschluss an diese Entscheidung findet sich dann auch in
der Rechtsprechung des 1. Senates der Hinweis, die Funktion der Eigentumsgarantie
des Grundgesetzes sei es, den Bestand der durch die Rechtsordnung anerkannten
einzelnen Vermögensrechte gegenüber Maßnahmen der öffentlichen Gewalt zu
bewahren, nicht aber das Vermögen als solches zu schützen206.
Hinsichtlich einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, die den Widerruf eines Versorgungsanspruchs der Witwe eines Arbeitnehmers gegen eine betriebliche
Unterstützungskasse und deren Trägerunternehmen für rechtswidrig erklärt und die
Unterstüzungskasse und das Trägerunternehmen zur Zahlung der Witwenrente verpflichtet hatte, führte der 1. Senat im Jahr 1987 Folgendes aus: Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG bestehe nur hinsichtlich der durch die Rechtsordnung anerkannten einzelnen Vermögensrechte. Das
Vermögen selbst, das im zu entscheidenden Fall alleine durch die Auferlegung einer
Verbindlichkeit durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts beeinträchtigt
sein könnte, genieße diesen Schutz nicht207.
1988 hatte der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts über die Frage zu entscheiden, unter welchen Umständen landwirtschaftliche Unternehmer, die zur Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung verpflichtet waren, von der Beitragspflicht zur landwirtschaftlichen Altershilfe befreit werden könnten. Ein Sozialgericht hatte das erstinstanzliche Verfahren ausgesetzt und die Frage dem
Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung im Wege der konkreten Normenkontrolle vorgelegt. Seinen Vorlagebeschluss begründete das Sozialgericht unter anderem damit, Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG garantiere ein Abwehrrecht des Bürgers gegen-
über staatlichen Eingriffen in sein Vermögen. Der 1. Senat hielt diese Aussage in
dieser allgemeinen Form für unzutreffend. Art. 14 GG schütze nicht das Vermögen
als solches gegen Eingriffe durch Auferlegung von Geldleistungspflichten und
Zwangsbeiträgen. Ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie komme nur dann in
Betracht, wenn die Geldleistungspflichten den Betroffenen übermäßig belasteten
203 BVerfGE 19, 119 (128 f.); 70, 219 (230).
204 BVerfGE 23, 12 (30); 30, 250 (271 f.); 38, 61 (102); 63, 312 (326); 65, 196 (209).
205 BVerfGE 65, 196 (209).
206 BVerfGE 72, 175 (194 f.).
207 BVerfGE 74, 129 (148).
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und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigten, d.h. eine erdrosselnde Wirkung hätten208.
Die vorstehende Aussage bestätigte der 1. Senat 1989 für das Einkommensteuerrecht, indem es feststellte, Art. 14 Abs. 1 GG schütze grundsätzlich nicht gegen die
Auferlegung von Geldleistungspflichten, es sei denn, sie belasteten den Betroffenen
übermäßig und beeinträchtigten ihn grundlegend in seinen Vermögensverhältnissen
(„erdrosselnde Wirkung“)209.
1994 hatte das Bundesverfassungsgericht darüber zu entscheiden, ob das Bremische Hafengesetz regeln dürfe, dass neben dem Ausrüster auch der Eigentümer eines
vercharterten Schiffes dem öffentlich-rechtlichen Hafenbetreiber die durch die Nutzung des Hafens angefallenen Gebühren schulde. Nach Ansicht des 1. Senats wurde
die Eigentumsgarantie nicht dadurch berührt, dass dem Eigentümter eines vercharterten Schiffes die Hafengebühr auferlegt werde. Schutzfähig im Sinne von Art. 14
Abs. 1 S. 1 GG sei zwar grundsätzlich jedes vermögenswerte Recht, das dem Berechtigten ebenso ausschließlich wie Eigentum an einer Sache zur privaten Nutzung
und zur eigenen Verfügung zugeordnet sei. Unter Zitierung seiner früheren Rechtsprechung wies der 1. Senat aber darauf hin, Art. 14 Abs. 1 GG schütze nicht das
Vermögen als solches, so dass die Eigentumsgarantie durch die Auferlegung von
Geldleistungspflichten grundsätzlich nicht beeinträchtigt werde. Die streitgegenständliche Vorschrift des Bremischen Hafengesetzes sei vielmehr in erster Linie an
Art. 2 Abs. 1 GG zu messen210.
Neue, weitergehende Aussagen zum Schutz des Vermögens durch Art. 14
Abs. 1 GG oder Art. 2 Abs. 1 GG finden sich seit der Mitte der neunziger Jahre des
letzten Jahrhunderts in der Rechtsprechung des 2. Senates des Bundesverfassungsgerichts zu den Grenzen, die das Verfassungsrecht der staatlichen Besteuerungsgewalt
setzt. 1992 entschied der 2. Senat, dass dem der Einkommensteuer unterworfenen
Steuerpflichtigen nach der Entrichtung seiner Einkommensteuer von seinem Erworbenen soviel verbleiben müsse, als er zur Bestreitung seines notwendigen Lebensunterhaltes und desjenigen seiner Familie (Existenzminimum) bedürfe211. Dies begründete der 2. Senat mit der etwas unklaren Aussage, Steuergesetze seien an Art. 2
Abs. 1 GG zu messen, wobei zu berücksichtigen sei, „dass Steuergesetze in die
allgemeine Handlungsfreiheit gerade in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und im beruflichen Bereich (Art. 14 Abs. 1 GG,
Art. 12 Abs. 1 GG) eingriffen“. Hieraus folge, dass Steuergesetze keine „erdrosselnde Wirkung“ haben dürften212. Das Verhältnis von Art. 14 GG zu Art. 2 Abs. 1 GG,
208 BVerfGE 78, 232 (243).
209 BVerfGE 81, 108 (122).
210 BVerfGE 91, 207 (220 f.).
211 BVerfGE 87, 152 ff.
212 BVerfGE 87, 153 (169).
50
soweit es den verfassungsrechtlichen Schutz des Vermögens betrifft, wird anhand
dieser Formulierung nicht klar213.
Im Jahr 1995 formulierte der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der Vermögenssteuer ähnlich: „(Die Vermögenssteuer) greift in die
in der Verfügungsgewalt und Nutzungsbefugnis über ein Vermögen angelegte allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) gerade in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen Bereich ein (Art. 14 GG)“214. Aus
diesen Formulierungen lässt sich nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen,
ob durch die Besteuerung des Vermögens neben dem Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG
auch ein Eingriff in die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsfreiheit gegeben ist215.
In einer Entscheidung aus dem Jahr 1997, die sich mit der Frage befasste, ob die
ehemaligen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) in den Neuen
Bundesländern verpflichtet sind, die zu DDR-Zeiten aufgenommene Kredite zurückzuzahlen, nahm der 1. Senat auf die Entscheidung des 2. Senats zur Vermögenssteuer Bezug. Der 1. Senat führte wiederum aus, dass Art. 14 Abs. 1 GG nicht vor
staatlichen Geldleistungspflichten schütze. Denn diese würden nicht mit Hilfe eines
bestimmten Eigentumsobjektes, sondern mit Hilfe des fluktuierenden Vermögens
erfüllt. Etwas anderes gelte nur, wenn die Geldleistungspflichten den Betroffenen
übermäßig belasteten und seine Vermögensverhältnisse so grundlegend beeinträchtigten, dass sie eine erdrosselnde Wirkung hätten. Von diesem Grundsatz würde
auch der 2. Senat in seiner Vermögenssteuerentscheidung ausgehen216.
Insbesondere die vorstehende Äußerung des 1. Senats gibt vor, es gebe eine klare
verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage, inwieweit das Vermögen
durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG geschützt wird oder nicht. Wenn man
von den zwei obenstehenden Entscheidungen des 2. Senats zu den verfassungsrechtlichen Grenzen der Besteuerung absieht, muss die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wohl dahingehend verstanden werden, dass Art. 14 Abs. 1 GG –
jedenfalls für die Erhebung gesetzlicher Abgaben – keinen Schutz gewährt, weil
Art. 14 GG nicht das Vermögen schützt. Nur in Extremfällen, wenn die Vermögensverhältnisse übermäßig und grundlegend beeinträchtigt werden, würde Art. 14
Abs. 1 GG als Schutznorm eingreifen217.
213 Wieland in Dreier, GG, Art. 14 Rn. 54 f.
214 BVerfGE 93, 121 (137); siehe auch die abweichende Meinung von Bockenförde, der die
Begründung der Entscheidung anhand von Art. 14 Abs. 1 GG krisitert (BVerfGE, 93, 121
[152 ff.]).
215 Wieland in Dreier, GG, Art. 14 Rn. 54 f.
216 BVerfGE 95, 267 (300).
217 Wieland in Dreier, GG, Art. 14 Rn. 54 f.
51
Die vorliegende Problematik der Verfassungsmäßigkeit der Sanierungsverantwortlichkeit stellt zwar keine gesetzliche Abgabenpflicht, sondern die gesetzliche
Normierung einer Handlungspflicht dar. Die vermögensmäßigen Auswirkungen, die
aus der behördlichen Inanspruchnahme eines Sanierungspflichtigen zur Durchführung von Sanierungsmaßnahmen resultieren, können aber dieselben Auswirkungen
für dessen Vermögen haben wie dessen Besteuerung. Wendet man nun die oben
genannten Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz des Vermögens
durch Art. 14 GG an, so ist nicht verständlich, warum das Bundesverfassungsgericht
in seiner Entscheidung vom 16. Februar 2000 zur Altlastensanierung nur auf Art. 14
Abs. 1 GG abstellt, aber nicht abgrenzt, in welchen Fällen das Vermögen durch
Art. 14 GG und in welchen durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt wird. Das Bundesverfassungsgericht spricht in der vorgenannten Entscheidung allgemein von dem „Vermögen, das in keinem rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem
sanierungsbedürftigen Grundstück steht“ und „Vermögen, das zusammen mit dem
sanierungsbedürftigen Grundstück eine funktionale Einheit darstellt“218. Wird zum
Beispiel der Inhaber von Vermögen, das nicht in einem rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang zum sanierungsbedürftigen Grundstück steht, gezwungen, das Vermögen zu beleihen, um die Sanierungskosten aufbringen zu können, so
bleibt ihm das Vermögen grundsätzlich erhalten. Seine Vermögensverhältnisse werden in diesem Fall nicht unbedingt grundlegend umgestaltet, und die Sanierungspflicht wirkt nicht zwingend erdrosselnd. Unter Berücksichtigung der bisherigen
Rechtsprechung des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts käme also eine Verletzung von Art. 14 GG nicht in Betracht, sondern es wäre eine Verletzung der – den
allgemeinen Vermögensschutz gewährleistenden – allgemeinen Handlungsfreiheit
des Art. 2 Abs. 1 GG zu prüfen gewesen.
Richtigerweise müsste also in Fällen, in denen der Grundstückseigentümer zu
kostenträchtigen Sanierungsmaßnahmen herangezogen wird, wie folgt geprüft werden:
Als erstes müsste anhand von Art. 14 Abs. 1 GG untersucht werden, ob dem Grundstückseigentümer eine Kostenbelastung zumutbar ist, die den Verkehrswert des
kontaminierten Grundstücks nach Durchführung der Sanierungsmaßnahmen erreicht, also den Grundstückseigentümer zwingt, das Grundstück vollständig für die
Sanierung einzusetzen, ohne dass ihm noch etwas vom Grundstückswert verbleibt.
In einem zweiten Schritt wäre zu prüfen, ob es dem Grundstückseigentümer zumutbar ist, weiteres Vermögen zur Durchführung der Sanierung einzusetzen. Hierbei
wäre zuerst zu prüfen, ob überhaupt der Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG eröffnet ist. Im Rahmen der Prüfung, ob dies der Fall ist, wäre zu erörtern, ob und in
welchem Umfang Art. 14 Abs. 1 GG überhaupt das Vermögen schützt. Vieles
spricht dafür, den Vermögensschutz nicht dem Schutz von Art. 14 GG zu unterstellen, sondern ausschließlich als Bestandteil der allgemeinen Handlungsfreiheit im
Sinne von Art. 2 Abs. 1 GG anzusehen. Der Wortlaut von Art. 14 GG verwendet
218 BVerfGE 102, 1 (22 f.).
52
den Begriff des Eigentums. Da ansonsten in der Rechtsordnung zwischen dem Begriff des Vermögens und dem des Eigentums unterschieden wird, spricht dies dafür,
dass das Vermögen als solches nicht von Art. 14 GG geschützt ist219, unabhängig
davon, ob dem Pflichtigen eine grundlegende Umgestaltung seiner Vermögensverhältnisse droht, weil er infolge einer verwaltungsrechtlichen Handlungspflicht eine
hohe Kostenbelastung zu tragen hat. Würde man Beeinträchtigungen des Vermögens
als solche dennoch am Maßstab von Art. 14 GG messen, würde man dieses zu einem
Auffanggrundrecht gegen vermögensmindernde Belastungen entwickeln. Die Aufgabe eines Auffanggrundrechts ist aber nicht Art. 14 GG, sondern Art. 2 Abs. 1 GG
zugewiesen.
Bejaht man hingegen in Anlehnung an die bisherigen Aussagen des Bundesverfassungsgerichts den Schutz des Vermögens durch Art. 14 Abs. 1 GG, weil durch
eine übermäßige Belastung des Sanierungspflichtigen dessen Vermögensverhältnisse grundlegend umgestaltet werden und die mit der Sanierungspflicht verbundene
Kostenlast ähnlich wie eine übermäßige Steuerlast erdrosselnde Wirkung hat, so
wäre der Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG eröffnet und wären dessen weitere
Voraussetzungen zu untersuchen. Verneint man eine grundlegende Umgestaltung
der Vermögensverhältnisse des Sanierungsverantwortlichen, wäre der Schutzbereich
von Art. 14 Abs. 1 GG nicht eröffnet. Weiter zu prüfen wäre dann eine Verletzung
von Art. 2 Abs. 1 GG. Im Rahmen der Prüfung dieser Norm wäre dann herauszuarbeiten, dass es dem Pflichtigen nicht zumutbar ist, Vermögen zur Finanzierung der
mit der Sanierung verbundenen Kostenlast einzusetzen, das in keinem rechtlichen
oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem sanierungsbedürftigen Grundstück
steht.
Zum Verständnis des Verhältnisses des Vermögensschutzes einerseits durch
Art. 14 Abs. 1 GG, andrerseits durch Art. 2 Abs. 1 GG wäre es daher hilfreich gewesen, wenn das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 16. Februar
2000 an dieser Stelle seinen Beschluss etwas ausführlicher begründet hätte und
wenn es hinsichtlich der Frage, ob vom Eigentümer verlangt werden kann, anderes
Vermögen als das kontaminierte Grundstück zur Finanzierung der Sanierungsmaßnahmen einzusetzen, einen eigenen, klaren Obersatz gebildet hätte.
Trotz dieser Unklarheit und obwohl sich die verfassungsgerichtlichen Entscheidungen nur mit der Zustandsverantwortlichkeit befassen, bieten diese einen wichtigen Anhaltspunkt für die Frage nach der Haftung des Gesamtrechtsnachfolgers des
Verursachers. Denn dessen Situation ähnelt der des Eigentümers eines kontaminierten Grundstücks220. Bei dem Gesamtrechtsnachfolger handelt es sich – wie bei dem
Grundstückseigentümer – um eine andere Person als den Verursacher. Ihn trifft für
das Bestehen der Altlast und für die von ihr ausgehenden Gefahren also grundsätz-
219 Pieroth/Schlink, Rn. 907, S. 232.
220 Spieth/Oppen, ZUR 2002, 257 (261 f.).
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lich keine unmittelbare Verantwortung. Verantwortlich wird er erst durch die Übernahme des Vermögens seines Rechtsvorgängers221. Hierin ähnelt er dem Zustandsverantwortlichen, der dadurch verantwortlich wird, dass er Eigentum oder Besitz an
einem altlastenbehafteten Grundstück erwirbt. Orientiert man sich jetzt an der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, so wird man für den Gesamtrechtsnachfolger
des Verursachers davon ausgehen müssen, dass das Vermögen, das dem Gesamtrechtsnachfolger von seinem Rechtsvorgänger zugeflossen ist, vollständig zur Deckung der Kosten für Sanierungsmaßnahmen herangezogen werden kann. Denn
dieses steht in jedem Fall in einem engeren Zusammenhang zu der Verursachung
einer Altlast als die Allgemeinheit, die im Zweifel die finanziellen Belastungen
treffen, wenn das zugeflossene Vermögen nicht zur Begleichung der mit der Sanierung verbundenen Kosten verwendet werden darf.
Anders sieht es jedoch mit dem Vermögen aus, das von dem Gesamtrechtsnachfolger vor dem Eintritt der Rechtsnachfolge erworben worden ist und in keinem
Zusammenhang mit dem kontaminierten Grundstück steht. Insoweit ist es dem Gesamtrechtsnachfolger grundsätzlich nicht zumutbar, dieses Vermögen zur Begleichung anfallender Sanierungskosten einzusetzen222. Ansonsten würden auf ihn Lasten überbürdet werden, für die ihn genauso wenig Verantwortlichkeit trifft wie jeden
anderen, der die Altlast oder schädliche Bodenveränderung nicht verursacht hat.
Etwas anderes gilt erst dann, wenn der Gesamtrechtsnachfolger in Kenntnis der
Verursachung einer Altlast durch seinen Rechtsvorgänger die Rechtsnachfolge angetreten hat oder mit einem erhöhten Grad an Fahrlässigkeit die Verursachung einer
Altlast verkannt hat223. Denn wenn man das Vermögen als solches nicht dem Schutz
von Art. 14 GG, sondern nur dem schwächeren Schutz von Art. 2 Abs. 1 GG unterstellt, ist eine Abwägung zwischen dem staatlichen Interesse an der Beseitigung der
Altlast und dem Interesse des Gesamtrechtsnachfolgers, vor vermögensmindernden
Belastungen geschützt zu sein, vorzunehmen. Hierbei ist das Interesse des Gesamtrechtsnachfolgers geringer zu gewichten. Denn wenn er Vermögen in Kenntnis der
damit verbundenen Risiken übernimmt, ist er nicht schutzbedürftig. Wenn er durch
das Vermögen seines Rechtsvorgängers die Chance erhält, dieses gewinnbringend
zu nutzen, muss er im Gegenzug auch bereit sein, die sich daraus ergebenden Lasten
221 Dombert in Landmann/Rohmer, § 4 BBodSchG Rn. 37; Mutius/Nolte, DÖV 2000, 1 (5);
Nolte, NVwZ 2000, 1135 (1136); Spieth/Wolfers, NVwZ 1999, 355 (360); Spieth/Oppen,
ZUR 2002, 257 (261 f.).
222 Koch, Umweltrecht, § 8 Rn. 49, S. 365 mwN; Kloepfer, Umweltrecht, § 12 Rn. 171, S. 1059;
Sparwasser/Engel/Voßkuhle, § 9 Rn. 222, S. 633 mwN; Lwowski/Tetzlaff, WM 2001, 385
(391); a.A. Hilger in Holzwarth/Radtke/Hilger/Bachmann, § 4 Rn. 90a, der nur ausnahmsweise eine Beschränkung der Inanspruchnahme des Gesamtrechtsnachfolgers aus Gründen der
Verhältnismäßigkeit zulässt. Sich diesem ohne eigene Begründung anschließend: Hipp in
Hipp/Rech/Turian Rn. 293, S. 130.
223 Trurnit, VBlBW 2000, 261 (264) mwN; vgl. Oerder in Oerder/Numberger/Schönfeld, § 4
Rn. 18, der eine einfachgesetzliche Regelung fordert, durch die die Haftung des Gesamtrechtsnachfolgers auf die von ihm positiv erkannte oder grob fahrlässig nicht erkannte Handlungshaftung des Rechtsvorgängers beschränkt wird.
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zu tragen. Das genaue Ausmaß der finanziellen Belastung, die dem Gesamtrechtsnachfolger zumutbar ist, muss sich insoweit im Wege einer Einzelfallbetrachtung
anhand des Ausmaßes seiner Kenntnis oder fahrlässigen Unkenntnis der Verursachung einer Altlast ergeben. Die Grenze für die Heranziehung des Rechtsnachfolgers zur Tragung der Sanierungskosten dürfte aber selbst bei voller Kenntnis von der
Verursachung der Altlast durch den Rechtsvorgänger da zu ziehen sein, wo es zu
einer Existenzgefährdung durch die sich ergebende Kostenbelastung kommt224.
Ansonsten würde von dem durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährten Vermögensschutz
nichts mehr übrig bleiben. Aus dem eben Gesagten folgt, dass die Bodenschutzbehörde vor dem Erlass einer Sanierungsverfügung Überlegungen über die Zumutbarkeit der Kostenbelastung für den Gesamtrechtsnachfolger anstellen und entscheiden
muss, inwieweit die Kostenbelastung für diesen von Verfassungs wegen zu begrenzen ist. Besitzt die Behörde noch nicht vollständige Tatsachenkenntnisse, muss sie
die Sanierungsverfügung mit dem Vorbehalt einer weiteren Entscheidung über die
Kostentragung verbinden225.
4. Vorschlag zur Änderung des Bundes-Bodenschutzgesetzes
Die im vorangegangenen Abschnitt dargestellte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Begrenzung der Kostentragungspflicht des Eigentümers eines
Altlastengrundstücks bringt für die Rechtspraxis diverse Unsicherheiten mit sich.
Zum einen wird von der Literatur die Frage aufgeworfen, ob die verfassungsrechtliche Rechtsprechung bei der Auslegung des Bundes-Bodenschutzgesetzes zu berücksichtigen sei oder nur bei der Anwendung der landesrechtlichen Vorschriften, die
der Entscheidung zu Grunde lagen226. Zum anderen sind die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts teilweise zu ungenau für den Rechtsanwender. Nach derzeitiger Rechtslage ist es für die Bodenschutzbehörde nur schwer vorhersehbar, ob eine
von ihr erlassene Sanierungsverfügung einer Kontrolle durch die Rechtsprechung
standhält oder eventuell unter Hinweis auf verfassungsrechtliche Gesichtspunkte
aufgehoben wird227. Genauso schwer einzuschätzen ist für den betroffenen Sanierungspflichtigen, ob er gegen einen ihm gegenüber erlassenen Sanierungsbescheid
224 Ähnlich Ginzky, NuR 2003, 727 (730 f.) und Ginzky DVBl. 2003, 169 (175), der allerdings
eine Anwendung der vom Bundesverfassungsgericht für den Zustandsverantwortlichen herausgearbeiteten Grundsätze auf den Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers ablehnt. Er beschränkt die Haftung des Gesamtrechtsnachfolgers in Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aber insoweit, als dass dessen wirtschaftliche Handlungsfähigkeit durch die Inanspruchnahme als Sanierungsverantwortlicher nicht aufgehoben werden dürfe.
225 Vgl. insoweit die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 102, 1 (24) zur
Haftung des Zustandsverantwortlichen.
226 Roßkopf, altlasten spektrum 2005, 187 (191).
227 Schon vor dem Inkrafttreten des Bundes-Bodenschutzgesetzes bemängelte Haekel, in altlasten spektrum 1998, 113, dass § 4 BBodSchG zu viele unbestimmte Rechtsbegriffe enthalte.
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Rechtsmittel einlegen oder ob er diesen bestandskräftig werden lassen sollte. Angesichts der mit der Sanierung eines Altlastengrundstücks verbundenen Kosten ist
diese Unsicherheit für alle Beteiligten rechtspolitisch gesehen sehr ungünstig228. Der
Bundesrat hat daher auf Antrag der Bayerischen Staatsregierung am 26. September
2003 eine Entschließung gefasst, in der der Bund aufgefordert wurde, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit im Bundes-Bodenschutzgesetz zu regeln229. Dieser Vorschlag wurde bis
jetzt noch nicht umgesetzt230.
Für den Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers stellen sich, wenn man seine
Verantwortlichkeit oder seine Verpflichtung zur Tragung von Sanierungskosten aus
verfassungsrechtlichen Gründen begrenzen will, genau dieselben gerade bezeichneten Probleme. Sollte die Initiative des Bundesrates aufgegriffen werden, würde sich
eine zusammenhängende Regelung sowohl für den Zustandsverantwortlichen als
auch für den Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers anbieten. Im Rahmen der
Themenstellung dieser Arbeit können allerdings nicht alle mit der Zustandsverantwortlichkeit verbundenen Fragen erörtert werden. Es soll aber ein Vorschlag für eine
Änderung des Bundes-Bodenschutzgesetzes unterbreitet werden, der den Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers erfasst.
Vorschläge zur Begrenzung der Verantwortlichkeit des Gesamtrechtsnachfolgers,
an die angelehnt werden kann, enthalten der von der sogenannten Unabhängigen
Sachverständigenkommission erarbeitete Entwurf für ein Umweltgesetzbuch und
der sogenannte Professoren-Entwurf zu einem Besonderen Teil eines Umweltgesetzbuches.
Der Vorschlag der sogenannten Unabhängigen Sachverständigenkommission lautet:
„§ 348 Verantwortliche für Sanierung und Rekultivierung
228 Roßkopf, altlasten spektrum 2005, 187 (191 f.).
229 BR-Drs. 587/03; Roßkopf, altlasten spektrum 2005, 187 (192).
230 In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage im Bundestag äußerte die damalige Bundesregierung am 11. Oktober 2004, dass eine Änderung des Bundes-Bodenschutzgesetzes nicht geplant sei. Es bedürfe keiner Bundesregelung, da die Vollzugspraxis der Länder mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine umfassende Anleitung zur Durchführung der
Zustandshaftung im Einzelfall erhalten habe; siehe BT-Drs. 15/3905, S. 5 f. Der Koalitionsvertrag vom 11. November 2005 zwischen CDU, CSU und SPD (Abschnitt B I, 7.3,
Rn. 2762 ff., S. 56) sieht nicht die Änderung des Bundes-Bodenschutzgesetzes, sondern die
Schaffung eines Umweltgesetzbuches vor; siehe den Koalitionsvertrag unter der Internetadresse
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2005/11/__Anlagen/der-gesamtekoalitionsvertrag-im-wortlaut-921232,property=publicationFile.pdf.
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(3) Die Verantwortlichkeit des Gesamtrechtsnachfolgers besteht nicht, wenn die Kosten der
Maßnahmen den Wert des im Wege der Rechtsnachfolge übergegangenen Vermögens übersteigen.“ 231
Im sogenannten Professorenentwurf wird vorgeschlagen:
„§ 304 Auswahlentscheidung
(3) Wer in seiner Eigenschaft als Rechtsnachfolger eines Verantwortlichen nach § 303 Absatz 1 und 2 verantwortlich ist, soll nur herangezogen werden, wenn die anderen Verantwortlichen nach § 303 Absatz 1 und 2 nicht zu ermitteln sind oder aus anderen Gründen, insbesondere wegen mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, nicht oder nur teilweise herangezogen werden können. Dies gilt nicht, wenn der Rechtsnachfolger im Zeitpunkt des Eintritts der
Rechtsnachfolge die Bodenbelastung kannte oder kennen musste.“ 232
Beide Entwürfe schlagen, wie sich aus dem Wortlauf ergibt, eine Begrenzung der
Sanierungsverantwortlichkeit des Gesamtrechtsnachfolgers des Verursachers vor.
Dies ist insoweit unproblematisch, als dass bei einer Regelung, die nur den Gesamtrechtsnachfolger betrifft, die Handlungsbefugnisse der Bodenschutzbehörde nicht zu
stark erschwert werden würden. Denn die Bodenschutzbehörde wird eine Person
grundsätzlich nur dann als Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers heranziehen,
wenn letzterer nicht mehr Eigentümer des altlastenbehafteten Grundstücks oder
Inhaber der tatsächlichen Gewalt über dieses ist. Sollte der Gesetzgeber allerdings
eine einfachgesetzliche Regelung zur Begrenzung der Haftung von Sanierungsverantwortlichen treffen wollen, die sowohl den Zustandsverantwortlichen als auch den
Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers erfasst, wäre es problematisch, eine Regelung auf der Ebene der Verantwortlichkeit zu treffen. Denn eine solche würde unter
Umständen die Befugnis der Bodenschutzbehörde zum Erlass von Duldungsverfügungen, um gegebenenfalls selber Altlasten und schädliche Bodenveränderungen
sanieren zu können, erschweren. Sinnvoller ist es daher, eine Regelung zur Begrenzung der Haftung von Sanierungspflichtigen auf der Ebene der Kostentragungspflicht zu treffen. Dies stände in vollem Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das nicht von der Begrenzung der Sanierungsverantwortlichkeit, sondern nur von der damit verbundenen Kostenbelastung spricht233.
Die derzeitige Regelung zur Kostentragungspflicht in § 24 BBodSchG lautet auszugsweise:
„(1) Die Kosten der … angeordneten Maßnahmen tragen die zur Durchführung Verpflichteten.
(2) Mehrere Verpflichtete haben unabhängig von ihrer Heranziehung untereinander einen
Ausgleichsanspruch.“
231 UGB-KomE, S. 245, 1036.
232 UGB-BT, S. 131.
233 BVerfGE 102, 1 (20-24).
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§ 25 des Regierungsentwurfs für das Bundes-Bodenschutzgesetz sah als § 25
Abs. 2 BBodSchG-E eine Regelung zur Begrenzung der Kostentragungspflicht des
Zustandsverantwortlichen vor. Diese lautete:
„Der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück,
der weder Verursacher der schädlichen Bodenveränderung oder Altlast ist noch bei der Begründung des Eigentums Kenntnis von der schädlichen Bodenveränderung oder Altlast oder
den sie begründenden Umständen hatte oder hätte haben können, ist nach Absatz 1 insoweit
nicht kostenpflichtig, als die Kosten der angeordneten Maßnahmen die Nutzung des Grundstücks mit den sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Vorteilen ausschließen. Dies ist beim
Eigentümer der Fall, soweit die zur Durchführung der Maßnahmen erforderlichen Kosten den
Verkehrswert des Grundstücks (§ 194 des Baugesetzbuches) unter Berücksichtigung der
durchgeführten Maßnahmen übersteigen.“ 234
Will man einen Vorschlag zur Einführung einer Begrenzung der Kostentragungspflicht des Gesamtrechtsnachfolgers unterbreiten, böte es sich an, sich an der Regelung des Regierungsentwurfs zu orientieren und zwischen die bisherigen Absätze 1
und 2 von § 24 BBodSchG einen Absatz über die Begrenzung der Kostentragungspflicht der Sanierungsverantwortlichen einzufügen. In Bezug auf den Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers könnte ein solcher Absatz unter Anlehnung an das
vorhandene Bundes-Bodenschutzgesetz und an die vorbezeichneten Gesetzentwürfe
wie folgt lauten:
„(1a) Der Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers ist nach Absatz 1 insoweit nicht kostenpflichtig, als die Kosten der angeordneten Maßnahmen den Wert des im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergegangenen Vermögens übersteigen. Dies gilt nicht, wenn der Gesamtrechtsnachfolger im Zeitpunkt des Eintritts der Gesamtrechtsnachfolge das Bestehen einer
schädlichen Bodenveränderung oder Altlast kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht
gekannt hat. In diesem Fall bestimmt sich das Ausmaß seiner Kostenpflicht nach dem Grad
seiner Kenntnis oder der Kenntnis, die er hätte erlangen können. Die Heranziehung zur Tragung der Kosten der angeordneten Maßnahmen darf nicht zu einer Existenzgefährdung des
Gesamtrechtsnachfolgers führen.“
II. Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot durch Anordnung der Pflichtigkeit des
Gesamtrechtsnachfolgers
Von erheblicher praktischer Bedeutung ist ferner, ob und inwieweit der Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers für dessen vor dem Inkrafttreten des Bundes-
Bodenschutzgesetzes liegenden Handlungen zur Sanierung von Altlasten herangezogen werden kann.
234 BT-Drs. 13/6701, S. 14.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz droht dem Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers einer Altlast eine Ewigkeitshaftung mit ruinösen finanziellen Folgen. Das Werk untersucht umfassend, inwiefern sich rechtliche Grenzen für die Inanspruchnahme des Gesamtrechtsnachfolgers aus Verfassungs-, Europa- und einfachem Recht ergeben. Die Anwendbarkeit von Haftungsbeschränkungen für Erben und für Gesamtrechtsnachfolger im Gesellschaftsrecht wird ebenso behandelt wie Haftungsbegrenzungen aus allgemeinen Rechtsinstituten, insbesondere Verjährung, Verzicht und Verwirkung sowie bei unzureichender staatlicher Überwachung oder im Fall der Insolvenz. Darüber hinaus bietet der Autor eine rechtspolitische Bewertung der dargestellten Rechtsprobleme und konkrete Vorschläge, wie diese durch den Gesetzgeber gelöst werden können.