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wieder eingeschränkt. Eine ähnliche Regelung zur Begrenzung der Sanierungsverantwortlichkeit findet sich in § 4 Abs. 5 S. 2 BBodSchG, der demjenigen Vertrauensschutz gewährt, der zum Zeitpunkt der Verursachung die gesetzlichen Erfordernisse erfüllte und dessen Vertrauen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles schutzwürdig ist.
Hinsichtlich des zeitlichen Anwendungsbereichs des Bundes-Bodenschutzgesetzes ist § 4 Abs. 6 BBodSchG zu berücksichtigen. § 4 Abs. 6 S. 1 BBodSchG
legt fest, dass der frühere Eigentümer eines Grundstücks nur dann sanierungspflichtig ist, wenn er sein Eigentum nach dem 1. März 1999 übertragen hat. Erlässt der
Gesetzgeber für einen bestimmten Teil der Sanierungspflichtigen ausnahmsweise
eine Stichtagsregelung, deutet dies darauf hin, dass dies für die anderen Sanierungspflichtigen nicht gelten soll. Es ist daher anzunehmen, dass der Gesamtrechtsnachfolger auch dann zur Altlastensanierung verpflichtet ist, wenn die Gesamtrechtsnachfolge vor dem Erlass des Bundes-Bodenschutzgesetzes eingetreten ist. Gleiches
muss für die Regelungen und die Gewährung von Vertrauensschutz nach § 4 Abs. 6
S. 2 BBodSchG gelten, wonach der Gesetzgeber den früheren Eigentümer noch
dahingehend privilegiert hat, dass er nicht zur Sanierung verpflichtet ist, wenn er
beim Erwerb des Grundstücks auf die Nichtbelastung des Grundstücks mit Altlasten
in schutzwürdiger Weise vertraut hat.
Aus den anderen Absätzen von § 4 BBodSchG ergeben sich also die eben dargestellten Einschränkungen für die Sanierungsverantwortlichkeit, die für jeden Sanierungsverantwortlichen gelten. Hervorzuheben ist die mehrmalige Erwähnung der
Zumutbarkeit, Verhältnismäßigkeit und das Ansprechen von Vertrauensschutzgesichtspunkten. Spezielle Einschränkungen, die nur für den Gesamtrechtsnachfolger
gelten, finden sich in den anderen Absätzen von § 4 BBodSchG jedoch nicht.
IV. Zweck von § 4 Abs. 3 BBodSchG
Letztlich ist für die Auslegung noch nach dem Sinn und Zweck von § 4 Abs. 3
BBodSchG zu fragen141. Wie sich aus § 1 BBodSchG ergibt, ist der Zweck von § 4
Abs. 3 BBodSchG, durch die Sanierung von Altlasten nachhaltig die Funktionen des
Bodens zu sichern oder wiederherzustellen142.
Gefahrenlagen lassen sich am effektivsten beseitigen, wenn der Behörde möglichst viele Personen als Verantwortliche gegenüberstehen, so dass sie gegen denje-
141 Vgl. BGHZ 13, 28 (30).
142 BT-Drs. 13/6701, S. 35; BBodSchG, § 4 Abs. 3 Rn. 123; Holzwarth/Radtke, altlasten spektrum 1998, 71 (72); Hoppe/Beckmann/Kauch, § 27 Rn. 10-11, S. 659.
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nigen eine Maßnahme ergreifen kann, der wahrscheinlich am ehesten Sanierungsmaßnahmen durchführen und bezahlen kann.
Auch wenn man den Zweck des Bundes-Bodenschutzgesetzes nicht nur am Wortlaut von § 1 BBodSchG festmacht, ergibt sich kein anderes Ergebnis, da der Gesetzgeber durch die Nennung des Gesamtrechtsnachfolgers in § 4 Abs. 3 BBodSchG
nicht nur die Allgemeinheit, sondern auch den Zustandsverantwortlichen vor finanziellen Lasten schützen wollte.
Dies spricht gegen eine Begrenzung der Haftung des Gesamtrechtsnachfolgers, da
eine solche Begrenzung entweder der Allgemeinheit oder dem Zustandsverantwortlichen Lasten auferlegen würde.
B) Berücksichtigung von § 10 Abs. 1 BBodSchG
Bei der isolierten Auslegung von § 4 Abs. 3 BBodSchG kann es nicht belassen werden, da dort zwar eine Pflicht zur Sanierung des Bodens normiert wird, diese Pflicht
aber ohne zusätzliche behördliche Verfügung nicht durchsetzbar ist. Wie sich aus
§ 26 Abs. 1 Nr. 2 BBodSchG ergibt, begeht der Pflichtige nur dann eine Ordnungswidrigkeit, wenn er eine der ihm nach § 4 Abs. 3 BBodSchG obliegenden Pflichten
nicht erfüllt, soweit diese vorher durch eine vollziehbare Anordnung nach § 10
Abs. 1 S. 1 BBodSchG konkretisiert wurden. Es ist daher der besondere Zusammenhang von § 4 Abs. 3 BBodSchG mit § 10 Abs. 1 BBodSchG als der Ermächtigungsnorm zum Erlass von Sanierungsanordnungen zu betrachten. Nach § 10 Abs. 1 S. 1
BBodSchG kann die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen „zur Erfüllung der sich aus § 4 ergebenden Pflichten“ treffen. Aus dem Wort „kann“ ergibt
sich, dass der Behörde ein Ermessensspielraum zusteht143. Im Rahmen der Aus-
übung des behördlichen Ermessens ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten, um zu verhindern, dass sich der Erlass einer Sanierungsanordnung wegen Ermessensüberschreitung als rechtswidrig darstellt. Ansonsten kann die Bodenschutzbehörde, solange die Tatbestandsvoraussetzungen von § 4 BBodSchG gegeben sind
und sie ihr Ermessen fehlerfrei ausübt, entscheiden, ob überhaupt eingeschritten
werden soll (Entschließungsermessen) und gegen wen eingeschritten werden soll
(Auswahlermessen)144. Im Gegensatz hierzu findet sich in den Gesetzesmaterialien –
wie bereits dargelegt – der Hinweis, die Reihenfolge der Aufzählung der Verantwortlichen in § 4 Abs. 3 BBodSchG solle auch die Rangfolge bestimmen, in der
diese durch die Behörde in Anspruch zu nehmen seien145. Außerdem wird in der
143 Hipp in Hipp/Rech/Turian Rn. 412, S. 176; Schwarz-Schier, S. 132.
144 Hipp in Hipp/Rech/Turian Rn. 412, S. 176; Schoeneck, in Sanden/Schoeneck, § 10 Rn. 16;
Schwarz-Schier, S. 132.
145 BT-Drs. 13/6701, S. 35.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz droht dem Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers einer Altlast eine Ewigkeitshaftung mit ruinösen finanziellen Folgen. Das Werk untersucht umfassend, inwiefern sich rechtliche Grenzen für die Inanspruchnahme des Gesamtrechtsnachfolgers aus Verfassungs-, Europa- und einfachem Recht ergeben. Die Anwendbarkeit von Haftungsbeschränkungen für Erben und für Gesamtrechtsnachfolger im Gesellschaftsrecht wird ebenso behandelt wie Haftungsbegrenzungen aus allgemeinen Rechtsinstituten, insbesondere Verjährung, Verzicht und Verwirkung sowie bei unzureichender staatlicher Überwachung oder im Fall der Insolvenz. Darüber hinaus bietet der Autor eine rechtspolitische Bewertung der dargestellten Rechtsprobleme und konkrete Vorschläge, wie diese durch den Gesetzgeber gelöst werden können.