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Schuldners und eventuell auch wichtigen Gläubigern des Schuldners mitgeteilt werden. Mit der Freigabe der Kanzlei kann der Insolvenzverwalter vermeiden, dass die
Fortführung der Kanzlei zu Lasten der Gläubiger und der Insolvenzmasse geht.
Gleichzeitig verringert er natürlich auch sein Haftungsrisiko. Die durch den Insolvenzverwalter informierten Gläubiger können entscheiden, ob sie ihre Geschäftsbeziehung mit dem Schuldner fortsetzen.
Da die Fortführung durch den unkooperativen Schuldner wahrscheinlich nicht zu
Leistungen des Schuldners an die Masse führt, kann der Insolvenzverwalter weitere
Maßnahmen ins Auge fassen. So kann er zum Beispiel diejenigen Gegenstände, die
nicht dem Pfändungsschutz des § 811 Nr. 5 ZPO unterfallen, dem Schuldner unter
Umständen wegnehmen436 bzw. von der Freigabe ausnehmen. Auf diese Weise können diese Gegenstände zugunsten der Masse verwertet werden.
b.) Bedingt kooperativer Schuldner
Handelt es sich um einen bedingt kooperativen Schuldner, kann der Insolvenzverwalter anstreben, dennoch Erträge in die Insolvenzmasse zu ziehen. Soll eine Freigabe
der Praxis nicht erfolgen, kann der Insolvenzverwalter versuchen, durch bestimmte
Maßnahmen den Schuldner zu einer teilweisen Kooperation zu bewegen. So kann er
den Schuldner zum Beispiel zur Rechnungslegung verpflichten. Zur Durchsetzung
der Rechnungslegungspflicht kann der Insolvenzverwalter die Zwangsmittel des § 98
InsO einsetzen. Außerdem sollte er mit dem Schuldner eine Vereinbarung treffen, in
der die Abführung von monatlichen Erträgen aus der selbstständigen Tätigkeit an die
Insolvenzmasse geregelt ist. Die Nichtvornahme der Freigabe beinhaltet allerdings
die Gefahr der Begründung von Masseverbindlichkeiten durch den Schuldner.437 Eine
Freigabe der Praxis an den Schuldner hat wiederum die oben zu a) aufgeführten Voraussetzungen und Konsequenzen.
C. Fortführung durch den Rechtsanwalt
Neben der Fortführung der freiberuflichen Praxis durch den Insolvenzverwalter unter Mitwirkung des Rechtsanwalts kommt auch die Fortführung durch den Rechtsanwalt selbst in Betracht. Eine Fortführung der Praxis durch den Schuldner kann von der
Gläubigerversammlung beschlossen werden.438 Andererseits kann aber auch der Insolvenzverwalter – ohne Beschluss der Gläubigerversammlung – der Fortführung
durch den Schuldner zustimmen.439
436 S. dazu oben, § 4. F., S. 106 f.
437 Es ist umstritten, ob der Schuldner Masseverbindlichkeiten begründen kann. Dazu unten, § 5
D. II., S. 128 f.
438 Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 157 Rn. 10.
439 Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 148 Rn. 31.
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Zu unterscheiden ist die Fortführung durch den Rechtsanwalt unter Aufsicht des
Insolvenzverwalters von der Freigabe der Praxis an den Rechtsanwalt. Erklärt der Insolvenzverwalter die Freigabe, so findet die selbstständige Tätigkeit des Schuldners
außerhalb der Kontrolle des Insolvenzverwalters statt. Die Praxis wird in diesem Fall
aus der Insolvenzmasse freigegeben. Die Zulässigkeit einer solchen Freigabe und ihre
Konsequenzen sind umstritten.440 Hingegen findet die Fortführung durch den Schuldner unter Aufsicht des Insolvenzverwalters unter fortdauernder Massezugehörigkeit
der Praxis statt. Diese beiden Sachverhalte sind deshalb strikt voneinander zu trennen.
I. Die Stellung der Beteiligten
Der Rechtsanwalt wird unter die Aufsicht des Insolvenzverwalters gestellt. Den Insolvenzverwalter trifft hierbei eine umfassende Überwachungspflicht.441 Der Rechtsanwalt darf nur im Einvernehmen mit dem Insolvenzverwalter handeln. Die Fortführung
durch den Rechtsanwalt kann mithin als eine Art abgeschwächte „Eigenverwaltung“
gesehen werden.442 Im Rahmen seiner Aufsicht über den Rechtsanwalt muss der Insolvenzverwalter Einblick in den Praxisablauf, die finanziellen Angelegenheiten und
die Mandantenunterlagen erhalten können. Zu letzterem ist die Einwilligung der Mandanten einzuholen. Dies ist eines der Probleme der Fortführung durch den Schuldner.
Ein weiteres ist die Bereitschaft des Schuldners zur Fortführung seiner Praxis. Motivation hierfür wird im Regelfall die Erlangung der Restschuldbefreiung sein. Hat der
Schuldner einen entsprechenden Antrag nicht gestellt, wird es dem Insolvenzverwalter wahrscheinlich schwer fallen, den Schuldner zur Fortführung zu motivieren. Die
Kontrolle durch den Insolvenzverwalter bedeutet für diesen zudem einen sehr hohen
Arbeitsaufwand.
Die Fortführung kann auch Konsequenzen für die Insolvenzmasse haben443, sie berührt also auch die Interessen der Gläubiger. Die Entscheidung des Insolvenzverwalters oder der Gläubigerversammlung, dem Schuldner die Möglichkeit zur Fortführung
zu geben, sollte deshalb nur getroffen werden, wenn die Kooperation des Schuldners
gewährleistet erscheint.
440 Dazu unten § 7, S. 161 f.
441 Kluth, NJW 2002, 186, 188; Tetzlaff, ZVI 2004, 2, 3.
442 So für den Schuldner allgemein: Kluth, NJW 2002, 186, 188.
443 Dazu näher unten, § 5 D. II., S. 128 f.
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II. Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter
1. Zulässigkeit einer Vereinbarung
Zur Erleichterung der Fortführung durch den Schuldner wird es als zulässig angesehen, dass der Insolvenzverwalter Vereinbarungen mit dem Schuldner trifft.444 Der
BGH hat dazu in einer grundlegenden Entscheidung aus dem Jahre 2003 ausgeführt:
„Dem Treuhänder, der grundsätzlich die Aufgaben eines Insolvenzverwalters wahrnimmt (§ 313 Abs. 1 S. 1 InsO), muss es daher möglich sein, mit dem Schuldner zu
vereinbaren, dass er ihm, wenn dieser wie bisher gelegentliche Aufträge übernimmt,
die für die Fortführung dieser Tätigkeit erforderlichen Mittel aus der bereits vorhandenen Insolvenzmasse oder aus den zukünftigen, gleichfalls zur Masse gehörigen Einkünften zur Verfügung stellt.“
Dem Insolvenzverwalter ist es demnach gestattet, eine Vereinbarung mit dem
Schuldner zu treffen, deren Gegenstand die Fortsetzung der selbstständigen Tätigkeit
durch den Schuldner ist. Diese Vereinbarung muss beinhalten, welche Gegenstände
dem Schuldner zur Verfügung gestellt werden. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Praxis und diese Gegenstände verbleibt beim Insolvenzverwalter. Dar-
über hinaus ist von großer Bedeutung, wie die Fortsetzung der Tätigkeit in finanzieller Hinsicht ausgestaltet wird.
Die Entscheidung des BGH könnte dahingehend verstanden werden, Forderungen
aus der Fortführung der selbstständigen Tätigkeit des Schuldners im Insolvenzverfahren seien über das Anderkonto einzuziehen. Die entsprechende Stelle in der Entscheidung lautet: „Denn der Treuhänder hat seinerseits nicht, wie das Insolvenzgericht
gem. § 148 I i.V.m. § 313 I 1 InsO angeordnet hat, das zur Insolvenzmasse gehörende
Vermögen in Besitz und Verwaltung genommen, insbesondere weder den pfändbaren
Teil des Einkommens der Schuldnerin ermittelt noch die Einnahmen aller von Dritten
eingezogenen Forderungsbeträge auf das Insolvenzkonto veranlasst.“ Nun könnte
man die Ansicht vertreten, der BGH verlange bei Fortsetzung der selbstständigen Tätigkeit des Schuldners einen Forderungseinzug auf das Anderkonto. Diese Ausführung des BGH ist jedoch im Kontext der Entscheidung zu sehen. An dieser Stelle
prüft der BGH, ob die Schuldnerin eine Auskunftspflicht bezüglich der zur Insolvenzmasse gehörenden Einkünfte verletzt hat und damit der Versagungstatbestand des
§ 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO erfüllt ist. Obwohl der Insolvenzverwalter mit der Schuldnerin in dem betreffenden Fall eine Vereinbarung getroffen hatte, wonach die Schuldnerin Vorauszahlungen leisten und eine Abrechnung über ihre Einkünfte vorlegen sollte
und sie gegen diese Vereinbarung verstoßen hatte, konnte eine Verletzung der Auskunftspflicht nicht festgestellt werden. Ein Verstoß muss sich gegen eine normierte
Obliegenheit richten, damit er relevant ist. Die Aussage des BGH hinsichtlich des
444 BGH NZI 2003, 389, 392; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 47, 49; Sinz/Wegener/Hefermehl, Verbraucherinsolvenz, S. 98; Tetzlaff, ZInsO 2005, 393, 394.
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Forderungseinzugs über das Anderkonto ist als Erläuterung zu verstehen, gegen welche Auskunftspflichten die Schuldnerin verstoßen hätte, wenn eine entsprechende,
stark am Gesetz orientierte, Vorgehensweise vereinbart gewesen wäre. Aus dieser
Aussage bezüglich möglicher Gestaltungsvarianten für den Insolvenzverwalter kann
nicht auf eine Auslegung der Insolvenzordnung durch den BGH dahingehend geschlossen werden, den Insolvenzverwalter treffe in jedem Fall die Verpflichtung zu
einem Forderungseinzug über das Anderkonto.445 Vielmehr bejaht der BGH in seiner
Entscheidung die Möglichkeit, abweichende Vereinbarungen zu treffen.
2. Vereinbarungsmöglichkeiten
a.) Vereinbarung von Vorauszahlungen
Eine solche Vereinbarung kann den Inhalt haben, dass der Schuldner monatliche Vorauszahlungen auf das pfändbare Einkommen leistet. Im Gegenzug erhält der Schuldner das Recht, die Praxis auf eigene Rechnung fortzuführen. So war die Sachlage in
dem vom BGH entschiedenen Fall.
b.) Abwicklung über das Büro des Insolvenzverwalters
Möglich ist es auch, den gesamten Zahlungsverkehr über das Büro des Insolvenzverwalters abzuwickeln.446 Der Insolvenzverwalter vereinnahmt also die Erlöse und steuert die Ausgaben über das Anderkonto. Der vollständigen Kontrolle durch den Insolvenzverwalter stehen dabei der erhöhte Arbeitsaufwand und die Verunsicherung der
Mandanten und Lieferanten gegenüber.
c.) Periodische Abrechnung des Schuldnerkontos
Demgegenüber stellt es sich als einfacher dar, dem Schuldner ein Konto für die täglichen Einnahmen und Ausgaben einzurichten, das periodisch (z.B. monatlich) abgerechnet wird. Nur bei einer regelmäßigen Abrechnung durch den Schuldner kann der
Insolvenzverwalter den Schuldner angemessen kontrollieren. In diesem Fall ist der
Arbeitsaufwand des Insolvenzverwalters vergleichsweise gering und nach außen wird
der Schein des alleinverantwortlichen Handelns des Schuldners aufrechterhalten.
445 So im Ergebnis auch Grote, ZInsO 2003, 416, 417; Tetzlaff, ZVI 2004, 2, 3; Tetzlaff,
ZInsO 2005, 393, 394.
446 Hess/Röpke, NZI 2003, 233, 235.
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d.) Belassung eines Teils des pfändbaren Einkommens
Die Vereinbarung zwischen Schuldner und Insolvenzverwalter kann ebenfalls beinhalten, dem Schuldner einen Teil seines pfändbaren Einkommens zu belassen, um
ihm die Praxisfortführung zu ermöglichen. In diesem Fall muss der Schuldner regelmäßig Beträge an die Insolvenzmasse abführen. Die Höhe dieser Beträge oder deren
Berechnung kann von den Parteien zu Beginn der Fortführung vereinbart werden.
3. Abzuführende Beträge im Rahmen des Insolvenzverfahrens
Die Höhe der abzuführenden Beträge kann nach der Ansicht, wonach der Schuldner
die Fortführung auf eigene Rechnung macht, vereinbart werden. Der Schuldner muss
schließlich eine Gegenleistung dafür erbringen, dass die Praxis nicht zu Gunsten der
Insolvenzmasse verwertet wird. Fraglich ist, wie die Höhe dieses Entgelts bemessen
wird.
a.) Ansicht des BGH
Die Einkünfte des selbstständig tätigen Schuldners gehören nach Ansicht des BGH in
ihrem vollem Umfang zur Insolvenzmasse und nicht etwa nur der sich aus der Verminderung der Einnahmen um die betrieblich veranlassten Ausgaben ergebende Gewinn.447 Die Honoraransprüche eines Freiberuflers seien nicht wiederkehrend zahlbare Vergütungen für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste im Sinne des § 850i
ZPO und damit in vollem Umfang pfändbar. Sie fallen also ohne Abzüge in die Insolvenzmasse. Grundsätzlich hat der Schuldner nach dieser Ansicht seine Einkünfte in
vollem Umfang an den Insolvenzverwalter abzuführen.
Dem Schuldner stehe es frei, einen Antrag gemäß § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i.V.m.
§ 850i Abs. 1 S. 1 und 3 ZPO zu stellen. Dann könne ihm von den pfändbaren Vergütungen als Unterhaltsbedarf soviel belassen werden, wie ihm verbleiben würde, wenn
sein Einkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestände. Bei der Bemessung des notwendigen Unterhalts seien Werbungskosten analog § 850a Nr. 3 ZPO zu
berücksichtigen.
Den Schuldner treffe nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungslast bezüglich
der Voraussetzungen für die Gewährung des geltend gemachten pfändungsfreien Anteils.
447 BGH NZI 2003, 389, 392; zustimmend: Vallender, NZI 2003, 530, 531.
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b.) Kritik
Problematisch gestaltet sich die Sachlage dann, wenn der Insolvenzverwalter erfolgreich sämtliche Einkünfte des Freiberuflers auf das Anderkonto umleitet.448 In diesem
Fall fehlt es dem Schuldner an den nötigen Mitteln, seinen Praxisbetrieb aufrechterhalten zu können. Die vom BGH vorgeschlagene Lösung des Problems mit einem Antrag gemäß § 850i ZPO stellt sich als nicht ausreichend dar. Denn der Schuldner hat
dann nur die Mittel, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, nicht aber zur Fortsetzung seiner selbstständigen Tätigkeit. Die Praxis wird in diesem Fall zum Erliegen
kommen.
c.) Lösungsvorschlag
Dieser Weg ist deshalb nur praktikabel, wenn die finanziellen Mittel im Rahmen des
§ 850i ZPO auch die zur Fortführung der Praxis notwendigen Mittel, bei einem
Rechtsanwalt zum Beispiel auch die Kammerbeiträge, umfassen.
Die von Insolvenzverwalter und Schuldner getroffene Vereinbarung sollte deshalb
auch die abzuführenden Beträge regeln. Die Anerkennung von abweichenden Vereinbarungen durch den BGH ermöglicht eine praktikable Lösung für die Ausgestaltung
der Vereinbarung. So kann die Abführung von monatlichen Beträgen vereinbart werden, die erfolgsabhängig sein können. Dem Schuldner sollte für seinen Lebensunterhalt soviel verbleiben, wie einem unselbstständigen Arbeitnehmer in diesem Bereich
zustehen würde. Gewinne sollte der Schuldner jedenfalls nicht behalten dürfen.
Schließlich soll die Fortführung günstig für die Insolvenzmasse sein.
III. Widerruf der Zulassung
Für einen Rechtsanwalt in der Insolvenz stellt sich im Rahmen der Fortführung der
Erhalt seiner Zulassung als großes Problem dar. Mit dem Widerruf der Zulassung ist
der Rechtsanwalt nicht mehr in der Lage, die Kanzlei selbst fortzuführen. Die Zulassung erlischt allerdings nicht automatisch durch die Insolvenzeröffnung.449 Vielmehr
ist der Widerruf der Zulassung in einem entsprechenden standesgemäßen Verfahren
von der zuständigen Kammer herbeizuführen.450 Dadurch gewinnt der Rechtsanwalt
Zeit. Er kann bis zum Widerruf der Zulassung die Kanzlei unter Aufsicht des Insolvenzverwalters fortführen. Zugleich kann er in dieser Zeit einen Insolvenzplan ausarbeiten, um die Chance auf einen Erhalt der Zulassung zu wahren.451 Entscheidend ist
448 Tetzlaff, ZVI 2004, 2, 5.
449 NR-Wittkowski, § 80 Rn. 21.
450 Siehe dazu näher unten, § 12, S. 239 ff.
451 Siehe dazu unten, § 12 C. II. , S. 255 ff.
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die Bewältigung dieses Übergangszeitraumes für den Rechtsanwalt bis zu einem endgültigen Zulassungswiderruf.
D. Neuerwerb bei Fortführung
I. Massezugehörigkeit des Neuerwerbs
Gemäß § 35 InsO gehört auch der Neuerwerb, dass heißt das Vermögen, das der
Schuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erwirbt, zur Insolvenzmasse. Die
Regelung des § 35 InsO wird von einigen Stimmen in der Literatur angegriffen. So
wird die Forderung gestellt, die Einbeziehung des Neuerwerbs solle davon abhängig
gemacht werden, ob der Schuldner die Restschuldbefreiung beantragt habe oder
nicht.452 Habe der Schuldner nämlich keine Restschuldbefreiung beantragt, sei es
nicht gerechtfertigt, den Neuerwerb den Gläubigern des Insolvenzverfahrens zugute
kommen zu lassen. Außerdem schädige die wirksame Abtretung von Arbeitsentgelt
und Einkommen mögliche Neugläubiger.453 Ferner wird befürchtet, der Insolvenzverwalter könne das Insolvenzverfahren in die Länge ziehen, um den Altgläubigern eine
bessere Befriedigung zu ermöglichen.454
Unabhängig davon, ob die Regelung des § 35 InsO als gelungen anzusehen ist,
müssen die sich aus der Einbeziehung des Neuerwerbs ergebenden Konsequenzen betrachtet werden. Ausgangspunkt muss der geltende Gesetzestext sein. Zu dem Neuerwerb des Schuldners gehört alles, was dieser erlangt. In der Regel erlangt der Schuldner etwas durch den Abschluss von Verträgen. Dabei gibt es keine Surrogation.455 Erwirbt der Schuldner also einen Gegenstand mit Mitteln, die er aus dem Verkauf einer
unpfändbaren und damit insolvenzfreien Sache erlangt hat, so ist dieser Gegenstand
pfändbar und fällt in die Insolvenzmasse. Nur wenn der neu erworbene Gegenstand
selbst nach § 36 Abs. 1 InsO nicht der Pfändung unterliegt, wird er nicht Massebestandteil.456
Die Kompetenz des Schuldners zur Begründung von neuen vermögensrechtlichen
Ansprüchen besteht deshalb, weil er mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht das
Recht verliert, sich neu zu verpflichten. Der Schuldner hat also die Möglichkeit, frei
über den Neuerwerb zu entscheiden. Dabei erfolgt der Neuerwerb jedoch dinglich mit
Wirkung für die Masse.457
452 Dieckmann, Insolvenzrecht im Umbruch, 127, 129.
453 Diese Befürchtung teilt auch Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 3.
454 Grub, Kölner Schrift II, 671, 676.
455 Hess/Weis/Wienberg-Weis, §§ 35, 36 Rn. 36; HK-Eickmann, § 35 Rn. 27.
456 MüKo-Lwowski, InsO, § 35 Rn. 45; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 40.
457 HK-Eickmann, § 35 Rn. 36; Pape, ZInsO 2002, 917, 918.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Insolvenz des selbstständigen Rechtsanwalts zeichnet sich durch eine Kollision von insolvenz- und berufsrechtlichen Regelungen aus. Zuvorderst ist für den Rechtsanwalt in der Insolvenz der Erhalt seiner Zulassung von Bedeutung. Daneben stellen sich Fragen rund um die Verwertung, Freigabe oder Fortführung der Kanzlei, Sanierungsmöglichkeiten vor und in der Insolvenz, den Unterhalt des Rechtsanwalts im laufenden Insolvenzverfahren sowie den möglichen Schutz und Erhalt seiner Altersvorsorge. In berufsrechtlicher Hinsicht werden in dieser Arbeit neben Fragen rund um die Zulassung, wie Erhalt und Wiedererlangung der Zulassung, die Auswirkungen der Schweigepflicht des Rechtsanwalts im Insolvenzverfahren und das Verhältnis des Insolvenzverwalters zum Kanzleiabwickler untersucht. Dabei werden auch allgemeine Überlegungen zur Insolvenz des Selbstständigen und des Freiberuflers angestellt. Das Buch wendet sich insbesondere an Insolvenzrechtler und Rechtsanwälte.