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können.262 Die Aufstellung eines Insolvenzplans genüge jedenfalls noch nicht, um
wieder geordnete Vermögensverhältnisse annehmen zu können. Zu „geordneten Vermögensverhältnissen“ gehört nach der Rechtsprechung auch, dass die Gläubiger in
absehbarer Zeit befriedigt werden und dass der Berufsträger selbst und frei wieder
über sein Vermögen verfügen kann.263
Aus diesem Grund ist es erforderlich, den Insolvenzplan so früh wie möglich zu erstellen. Die Einreichung eines vorbereiteten Insolvenzplans empfiehlt sich daher bei
Rechtsanwälten ganz besonders. Ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht ein Wettlauf des Rechtsanwalts gegen die Zeit. Die Annahme und
Bestätigung des Insolvenzplans muss vor der Entscheidung über den Widerruf der Zulassung stattfinden. Kann der Rechtsanwalt im Insolvenzplan mit den Gläubigern eine
frühe Einmalzahlung vereinbaren, so wären die Gläubiger in absehbarer Zeit befriedigt. Wird das Insolvenzverfahren schnell wieder aufgehoben, erlangt der Rechtsanwalt die Verfügungsbefugnis auch zügig zurück. Den Anforderungen der Rechtsprechung wäre damit genügt. Denkbar ist also, dass durch die Aufstellung eines Insolvenzplans die Weichen für einen Erhalt der Zulassung gestellt werden können. In den
bisher von BGH und BFH entschiedenen Fällen war der Insolvenzplan noch nicht angenommen und bestätigt. Nur das FG Münster hat in einer Entscheidung zu der vorliegenden Frage Stellung bezoge: Die Vorlage eines Insolvenzplans führe zu einer
Konsolidierung der Vermögensverhältnisse, wenn er von den Gläubigern angenommen und vom Gericht bestätigt worden und die Aufhebung des Verfahrens beschlossen sei.264
D. Zusammenfassung § 3
Eigenverwaltung und Insolvenzplan stellen Sanierungsmittel dar. Ihre Kombination
bietet sich auch bei einem Rechtsanwalt an, insbesondere bei einem Insolvenzplan in
Form eines sog. prepackaged plan. Vorteile einer Sanierung des Rechtsanwalts sind
der Erhalt der Kanzlei sowie die Nutzung der Kenntnisse des Rechtsanwalts. Auf die
Forderungen der Gläubiger entfällt bei Sanierung in der Regel eine deutlich höhere
Quote als bei Zerschlagung der Kanzlei. Voraussetzung für beide Sanierungsinstrumente ist der Erhalt der Zulassung.
Die Kritik an der Eigenverwaltung, der Schuldner könne eine Flucht in die Insolvenz vornehmen, greift bei einem Rechtsanwalt nicht: Über ihm schwebt stets das Damoklesschwert des Zulassungswiderrufs. Kompetenz- und Interessenkonflikte zwischen Rechtsanwalt und Sachwalter entstehen auf Grund von Abgrenzungsschwierigkeiten von Befugnissen und Zuständigkeiten sowie bei Doppelzuständigkeiten. Deshalb ist ein einvernehmliches Zusammenwirken der beiden Voraussetzungen für den
262 BGH NZI 2004, 342, 343.
263 BGH BRAK-Mitt. 2001, 144.
264 FG Münster, Urt. v. 26.2.2003 - 7 K 2451/02 StB.
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Erfolg der Eigenverwaltung. Aufgabe der Praxis ist es, Kooperationsmodelle zu entwickeln, bei denen die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts gewahrt wird.
Eine Einsicht des Sachwalters in die Mandantenakten ist nicht von § 22 Abs. 3 S. 2
InsO erfasst. Berufs- und insolvenzrechtlichen Regelungen kollidieren insoweit nicht.
Bei einem Insolvenzplan stellt sich das Problem der steuerlichen Belastung wegen
Sanierungsgewinns. Dieser entsteht mit der Planbestätigung. Zwar wird in der Praxis
eine totale Verlustverrechnung für zulässig erachtet, die Belastung der Insolvenzmasse damit aber in der Regel nicht genommen. Lösen lässt sich dieses Problem
durch einen Verzicht des Finanzamts auf die Besteuerung des Sanierungsgewinns.
Der Insolvenzplan kann eingesetzt werden, um den Erhalt der Zulassung zu erreichen. Mit dem Insolvenzplan können geordnete wirtschaftliche Verhältnisse im Sinne
des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wiederhergestellt werden. Dies kann zumindest angenommen werden, wenn das Insolvenzverfahren nach schneller Durchführung mittels
Insolvenzplan wieder aufgehoben wurde.
§ 4 Der Insolvenzbeschlag und der Umfang der Insolvenzmasse
A. Einleitung
I. Der Insolvenzbeschlag
Das Ziel des Insolvenzverfahrens, die Gläubiger gemeinschaftlich zu befriedigen,
setzt die Beschlagnahme des Vermögens des Schuldners voraus. Die Grundlage für
die Beschlagnahme ist der Eröffnungsbeschluss als Hoheitsakt, durch den das schuldnerische Vermögen „verstrickt“ wird.265 Infolge des Insolvenzbeschlags bleibt der
Schuldner zwar Rechtsträger der Masse266, er verliert jedoch für die Dauer des Insolvenzverfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, die nach § 80 Abs. 1 InsO
auf den Insolvenzverwalter übergeht. Verfügt der Schuldner nach Insolvenzeröffnung
dennoch über einen Gegenstand der Insolvenzmasse, ist diese Verfügung unwirksam,
§ 81 Abs. 1 S. 1 InsO.
Durch den Insolvenzbeschlag wird die Trennung der Insolvenzmasse vom insolvenzfreien Vermögen verwirklicht. Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung
unterliegen, also unpfändbar sind, gehören gemäß § 36 Abs. 1 InsO zum insolvenzfreien Vermögen. Insolvenzfreies Vermögen kann auch durch Freigabe eines massezugehörigen Gegenstandes durch den Insolvenzverwalter herbeigeführt werden.267 In
§ 32 Abs. 3 InsO wird die Möglichkeit einer solchen Freigabe vorausgesetzt. Durch
die Freigabe wird der Gegenstand aus dem Insolvenzbeschlag gelöst und der Schuld-
265 KP-Holzer, § 35 Rn. 10.
266 Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 2; Gottwald-Klopp/Kluth, § 18 Rn. 3; Häsemeyer,
Insolvenzrecht, Rn. 9.05.
267 Siehe dazu näher unten, § 7, S. 161.
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References
Zusammenfassung
Die Insolvenz des selbstständigen Rechtsanwalts zeichnet sich durch eine Kollision von insolvenz- und berufsrechtlichen Regelungen aus. Zuvorderst ist für den Rechtsanwalt in der Insolvenz der Erhalt seiner Zulassung von Bedeutung. Daneben stellen sich Fragen rund um die Verwertung, Freigabe oder Fortführung der Kanzlei, Sanierungsmöglichkeiten vor und in der Insolvenz, den Unterhalt des Rechtsanwalts im laufenden Insolvenzverfahren sowie den möglichen Schutz und Erhalt seiner Altersvorsorge. In berufsrechtlicher Hinsicht werden in dieser Arbeit neben Fragen rund um die Zulassung, wie Erhalt und Wiedererlangung der Zulassung, die Auswirkungen der Schweigepflicht des Rechtsanwalts im Insolvenzverfahren und das Verhältnis des Insolvenzverwalters zum Kanzleiabwickler untersucht. Dabei werden auch allgemeine Überlegungen zur Insolvenz des Selbstständigen und des Freiberuflers angestellt. Das Buch wendet sich insbesondere an Insolvenzrechtler und Rechtsanwälte.