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betrieb oder in dem privaten Konsumverhalten des Rechtsanwalts begründet liegt.
Trifft letzteres alleine zu, so ist eine umfassende betriebswirtschaftliche Analyse entbehrlich. Der Rechtsanwalt muss nun seine persönlichen Ausgaben, Fixkosten und
Geldanlagen reduzieren oder sonstige Maßnahmen zur Kosteneinsparung im privaten
Bereich treffen. Der Grund wird allerdings selten ausschließlich im privaten Bereich
liegen. Sobald die Insolvenz in dem Kanzleibetrieb (mit-)begründet liegt, muss die
Analyse sich auch mit den Marktverhältnissen befassen. Besteht grundsätzlich ein Bedarf für die von dem Rechtsanwalt angebotenen Dienstleistungen, so muss geprüft
werden, welche Maßnahmen zur Verbesserung getroffen werden können. In Betracht
kommt zum Beispiel die Einschränkung des Tätigkeitsfeldes, eine Fortbildung oder
auch die Verlagerung des Kanzleistandorts, um einen anderen Mandantenstamm anzusprechen. Bei Rechtsanwälten kann man nicht von einer Marktsättigung im betriebswirtschaftlichen Sinne sprechen, deshalb ist hier kein Schluss von der Gesamtzahl der Rechtsanwälte in Deutschland auf einen Bedarf für die Dienstleistungen des
insolventen Rechtsanwalts zulässig.
Liegen die Fixkosten wie Miete, Energiekosten und Lohn- und Lohnnebenkosten
zu hoch, müssen diese, eventuell durch Verlegung der Kanzleiräume, Änderung der
Betriebsorganisation und Kündigungen von Arbeitnehmern gesenkt werden.
Die Ressourcen der Kanzlei müssen zudem analysiert werden. Bei einer Kanzlei
kann es insbesondere zwei Schwachstellen geben: die Qualifikation und Motivation
der Mitarbeiter sowie die Überalterung der Kanzleieinrichtung.
Am Ende der Ursachen- und Schwachstellenanalyse steht die Entscheidung über
die Sanierung. Wird die Entscheidung für die Sanierung getroffen, sollte das geeignete Sanierungsinstrument gewählt werden. Im Folgenden werden die Sanierungsinstrumente Eigenverwaltung und Insolvenzplan allgemein, aber auch in Bezug auf den
Rechtsanwalt untersucht.
B. Eigenverwaltung
I. Die Eigenverwaltung als Sanierungsinstrument
1. Einführung durch den Gesetzgeber und dessen Ziele
Die Regelung der Eigenverwaltung wurde in der am 1.1.1999 in Kraft getretenen
InsO erstmals in das deutsche Recht eingeführt. Mit dieser Neuregelung folgte der
Gesetzgeber amerikanischem Vorbild.96 Die Eigenverwaltung ist dem US-amerikanischen Rechtsinstitut des debtor in possession (Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis
verbleibt beim Schuldner) angenähert.97 Daneben stand das Vergleichsverfahren nach
der VerglO Pate.98 Der Gesetzgeber begründete die Einführung der Eigenverwaltung
96 MüKo-Wittig, InsO, vor § 270 Rn. 11 ff; Schlegel, Eigenverwaltung, S. 38; Smid, Grundzüge,
S. 430; Vallender, WM 1998, 2129, 2130.
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im Wesentlichen mit drei Zielen.99 Erstens sollen auf dieses Weise die Kenntnisse und
Erfahrungen der bisherigen Geschäftsleitung besser genutzt werden. Dies soll gleichzeitig die Einarbeitungszeit, die ein Fremdverwalter benötigt, vermeiden. Zweitens
sollen Aufwand und Kosten reduziert werden. Drittens bietet die Möglichkeit der Anordnung der Eigenverwaltung einen Anreiz für den Schuldner, den Insolvenzantrag
früh zu stellen, weil er nicht befürchten muss, völlig aus der Geschäftsleitung verdrängt zu werden.100
Die Kostenvorteile der Eigenverwaltung zeigen sich in zwei Punkten. Zum einen
ist die Verwaltervergütung deutlich niedriger, da der Sachwalter gemäß § 12 InsVV
nur einen Teil der Verwaltervergütung erhält, der in der Regel sechzig Prozent der
Regelvergütung beträgt. Im Einzelfall können jedoch Zuschläge gemacht werden, vgl.
§§ 10, 3 Abs. 1 lit. e InsVV. Zum anderen entsteht ein Kostenvorteil gegenüber dem
Regelinsolvenzverfahren dadurch, dass gemäß § 282 InsO Kosten der Feststellung für
Absonderungsrechte an beweglichen Gegenständen und der Rechte an diesen nicht erhoben werden. Als Kosten der Verwertung können nur die tatsächlich entstandenen,
für die Verwertung erforderlichen Kosten und der Umsatzsteuerbetrag angesetzt werden.
Der Anreiz zur frühen Antragstellung wird durch § 18 InsO verstärkt. Verbindet
der Schuldner den auf § 18 InsO (drohende Zahlungsunfähigkeit) gestützten Insolvenzantrag mit einem Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung, so setzt er damit
für die Gläubiger ein deutliches Signal. Sein frühes Handeln dient dem Masseerhalt
und damit den Gläubigern. So kann er das Vertrauen der Gläubiger stärken.101 Er
kann damit den Grundstein dafür legen, dass er nicht zwingend aus der Geschäftsführung verdrängt wird. Zudem liegt der Anreiz für den Schuldner auch darin, dass er
sich nicht zwangsläufig der Gefahr aussetzt, sein Unternehmen in die Hände eines Insolvenzverwalters zu legen.102
97 NR-Riggert, vor § 270 Rn. 3; Smid-Smid, InsO, § 270 Rn. 3; Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 438; Smid, WM 1998, 2489, 2506; Vallender, WM 1998, 2129, 2130.
98 BT-Drucks. 12/2443, S. 223; Hess/Weis/Wienberg-Weis, Vor § 270 Rn. 2; NR-Riggert, vor
§ 270 Rn. 2; Gottwald-Haas, § 86 Rn. 6 f.; Huntemann/Brockdorf, Gläubiger, S. 377; Kesseler, PartG, S. 133; Vallender, WM 1998, 2129, 2130.
99 BT-Drucks. 12/2443, S. 223; dazu auch Schlegel, Eigenverwaltung, S. 39 ff.
100 BT-Drucks. 12/2443, S. 223.
101 Huntemann/Dietrich, ZInsO 2001, 13, 16.
102 Westrick, NZI 2003, 65.
54
2. Sanierung durch Eigenverwaltung
Der Gesetzgeber nennt die Sanierung nicht als Ziel der Einführung des Instruments
der Eigenverwaltung. Die Anordnung der Eigenverwaltung ist demzufolge auch nicht
auf das Verfahrensziel der Sanierung beschränkt.103 Vielmehr kann die Anordnung
der Eigenverwaltung auch zur bestmöglichen Durchführung einer Liquidation des
Unternehmens eingesetzt werden.104 Schließlich ist das Insolvenzverfahren mit Eigenverwaltung ein Insolvenzverfahren im vollen Sinne des Wortes.105 Im Folgenden
wird die Eigenverwaltung nur unter dem Gesichtspunkt der Sanierung des Schuldners
betrachtet.
Die Besonderheit der Anordnung der Eigenverwaltung liegt für den Schuldner
darin, dass er gemäß § 270 Abs. 1 S. 1 InsO berechtigt bleibt, die Insolvenzmasse zu
verwalten und über sie zu verfügen. Der Schuldner bekommt praktisch die gesamte
Verfahrensabwicklung in die Hand.106 Es gilt der Grundsatz, dass der Schuldner sämtliche Aufgaben wahrzunehmen hat, die im Regelinsolvenzverfahren vom Insolvenzverwalter wahrgenommen werden, sofern das Gesetz sie nicht ausdrücklich dem
Sachwalter zuordnet.107 Der Sachwalter führt demnach die Insolvenztabelle (§ 270
Abs. 3 S. 2 InsO) und ihm steht das Recht zur Anfechtung zu (§ 280 InsO).
Aus § 275 Abs. 1 InsO ergibt sich, dass der Schuldner Verbindlichkeiten, die zum
gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, eingehen kann. Für die Begründung von
Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, soll er die
Zustimmung des Sachwalters einholen.
Für die Gläubiger und die sonstigen Beteiligten ergeben sich gegenüber dem Verfahren mit Insolvenzverwalter keine Unterschiede.
Die Insolvenzordnung gibt dem Schuldner zahlreiche Befugnisse, die er im Rahmen einer Sanierung nutzen kann. Bestehende Schuldverhältnisse kann der Schuldner
gemäß den Regelungen der §§ 103 ff. InsO beenden. Dies ergibt sich unmittelbar aus
§ 279 S. 1 InsO. Er kann also anstelle des Insolvenzverwalters das Erfüllungswahlrecht des § 103 Abs. 1 InsO geltend machen. Das wichtige Sanierungsinstrument der
Kündigung von Arbeitnehmern kann er selbst einsetzen.108 Die Kündigung wird ihm
nämlich durch § 113 S. 1 InsO erleichtert.109 Anderer Ansicht ist nur Grub110, der die
Anwendbarkeit des § 113 S. 1 InsO für den Fall der Eigenverwaltung ausschließt, da
in dieser Norm nur von dem „Insolvenzverwalter“ die Rede sei. Hierbei übersieht
103 BT-Drucks. 12/2443, S. 126; Koch, Eigenverwaltung, S. 95; Huhn, Eigenverwaltung,
Rn. 1269 u. 1282; Schlegel, Eigenverwaltung, S. 49 ff.; a.A. Vallender, WM 1998, 2129,
2139.
104 Leipold, Insolvenzrecht im Umbruch, 1991, 165, 169.
105 Leipold, Insolvenzrecht im Umbruch, 1991, 165, 169.
106 Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, Rn. 860.
107 Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, Rn. 860.
108 Vgl. hierzu nur MüKo-Wittig, InsO, § 279 Rn. 1; NR-Riggert, § 279 Rn. 2.
109 § 113 S. 1 InsO lautet: „Ein Dienstverhältnis, bei dem der Schuldner der Dienstberechtigte
ist, kann vom Insolvenzverwalter [...] gekündigt werden.“
110 Grub, AnwBl 2000, 580, 583.
55
Grub jedoch die Verweisungsnorm des § 279 S. 1 InsO. Selbst wenn es den konkreten
Verweis in § 279 InsO nicht gäbe, wäre § 113 InsO über den Generalverweis in § 270
Abs. 1 S. 2 InsO analog anwendbar.
Auch Miet- und Pachtverhältnisse können vereinfacht nach § 109 InsO gekündigt
werden. Dasselbe gilt für Betriebsvereinbarungen gemäß §§ 120 ff. InsO. Darüber
hinaus kann der Schuldner die Sozialplanansprüche aus den §§ 123, 124 InsO beschränken.111 Ein weiteres Sanierungsinstrument ist die Inanspruchnahme von Insolvenzausfallgeld bei Lohn- und Gehaltsrückständen.112
Neben diesen vom Schuldner zu steuernden Maßnahmen stehen weitere Regelungen der Insolvenzordnung, die förderlich für eine Sanierung sein können. Dies sind
der sich aus §§ 81 Abs. 1 S.1, 38 InsO ergebende Zahlungsstopp für Altverbindlichkeiten, das Verbot von Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen (§ 89 Abs. 1 InsO),
die Nachrangigkeit von Zinsansprüchen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO sowie die Unterbrechung von Gerichtsverfahren nach § 240 ZPO. Diese Wirkungen der Insolvenzeröffnung sind geeignet, die Entscheidung des Schuldners, einen Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung zu stellen, zu beeinflussen. Anstatt eine außergerichtliche
Lösung zu suchen, kann der Schuldner also in einem geregelten Verfahren die ihm
von der Insolvenzordnung zur Verfügung gestellten Sanierungsinstrumente im Rahmen der Eigenverwaltung nutzen.
II. Voraussetzungen für die Eigenverwaltung
1. Antrag des Schuldners
a.) Persönlicher Anwendungsbereich
Gemäß § 270 Abs. 1 InsO ist der persönliche Anwendungsbereich der Eigenverwaltung nicht eingeschränkt. Nach § 312 Abs. 3 InsO ist die Anordnung der Eigenverwaltung im Verbraucherinsolvenzverfahren jedoch ausgeschlossen. Daher ist die Anordnung der Eigenverwaltung auf diejenigen natürlichen Personen beschränkt, die aktiv selbstständig tätig sind und damit dem Regelinsolvenzverfahren zugeordnet werden. Nur sie können einen Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung stellen.
Der im Zeitpunkt der Antragstellung noch selbstständig tätige Rechtsanwalt fällt
also in den persönlichen Anwendungsbereich des § 270 Abs. 1 InsO.
111 Grub, Kölner Schrift II, Rn. 31.
112 Grub, Kölner Schrift II, Rn. 31.
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b.) Antrag
Die Anordnung der Eigenverwaltung setzt gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 1 InsO einen Antrag des Schuldners voraus.
Den Antrag kann der Schuldner nur im Zeitraum bis zur Entscheidung des Insolvenzgerichts über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen.113 Danach scheidet
eine Anordnung der Eigenverwaltung aus.114 Dies ergibt sich aus einer Zusammenschau von § 270 Abs. 1 S. 1 und § 271 S. 1 InsO. Die Eigenverwaltung wird gemäß
§ 270 Abs. 1 S. 1 InsO grundsätzlich im Eröffnungsbeschluss angeordnet. Danach ist
eine Anordnung nur noch auf Antrag der ersten Gläubigerversammlung möglich. Dies
setzt aber wiederum voraus, dass der Schuldner die Anordnung der Eigenverwaltung
zunächst selbst beantragt hatte, § 271 S. 1 InsO. Gegen den Willen des Schuldners
kann die Eigenverwaltung also nie angeordnet werden.115
Die Verbindung des Antrags auf Anordnung der Eigenverwaltung mit dem Insolvenzantrag ist nicht erforderlich, aber zweckmäßig.116 Insbesondere in den Fällen, in
denen der Schuldner einen frühen Antrag stellt, um eine Sanierung des angeschlagenen Unternehmens zu ermöglichen, empfiehlt sich die Verbindung der Anträge. Empfehlenswert ist des Weiteren, die Anträge zusammen mit einem Sanierungskonzept,
etwa in Form eines Insolvenzplans einzureichen.117
2. Zustimmung des Gläubigers gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO
Hat ein Gläubiger den Insolvenzeröffnungsantrag gestellt und der Schuldner daraufhin einen Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung gestellt, so ist gemäß § 270
Abs. 2 Nr. 2 InsO die Zustimmung des Gläubigers zu diesem Antrag des Schuldners
erforderlich. Die Zustimmung des Gläubigers ist entweder schriftlich gegenüber dem
Insolvenzgericht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abzugeben (§ 270 Abs. 1 S. 2
i.V.m. § 4 InsO i.V.m. § 296 ZPO).
a.) Bedingungen
Der Gläubiger könnte ein Interesse daran haben, seine Zustimmung an Bedingungen
zu knüpfen. Er könnte zum Beispiel die Einsetzung eines bestimmten Sachwalters
113 Koch, Eigenverwaltung, S. 77; Hess/Weis/Wienberg-Hess, InsO, § 270 Rn. 43; KP-Pape,
§ 270 Rn. 9; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 11.
114 H/W/F, Hdb., § 10 Rn. 5; KP-Pape, § 270 Rn. 9; HK-Landfermann, § 270 Rn. 2.
115 KP-Pape, § 270 Rn. 8; Vallender, WM 1998, 2129, 2131.
116 BT-Drucks. 12/2443, S. 223; Koch, Eigenverwaltung, S. 77; FK-Foltis, § 270 Rn. 30; KP-
Pape, § 270 Rn. 9; Smid-Smid, InsO, § 270 Rn. 7.
117 Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 1.7; Vallender, WM 1998, 2129, 2131; dazu unten, § 3 B.
IV., S. 67.
57
fordern. Richtigerweise sind Bedingungen bei der Gläubigerzustimmung aber als unzulässig anzusehen.118 § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO nennt kein Recht des Gläubigers,
seine Zustimmung an Bedingungen zu knüpfen. Die Zulassung von Bedingungen
würde einen Vorteil für den Gläubiger bedeuten, der als erster einen Insolvenzantrag
stellt. Er könnte auf diesem Wege seine persönlichen Interessen durchsetzen, indem er
den Schuldner unter Druck setzt. Der Gläubiger könnte also dem Schuldner auf diesem Wege Zugeständnisse abverlangen.
Gegen die Zulässigkeit von Bedingungen spricht zudem die Prüfung durch das Insolvenzgerichts nach § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO. Durch die Stellung von Bedingungen
kann das Bild vom zuverlässigen Schuldner zerstört werden. Das Insolvenzgericht
könnte unter Umständen schon vor der Prüfung der Voraussetzungen des § 270
Abs. 2 Nr. 3 InsO gegen die Anordnung eingestimmt sein. Der Vertrauensbeweis, den
die Zustimmung des Gläubigers an sich darstellt, wäre damit ins Gegenteil verkehrt.
b.) Gläubigerantrag nach Schuldnerantrag
Ob die Zustimmung des Gläubigers auch dann erforderlich ist, wenn der Insolvenzantrag des Gläubigers nach dem Insolvenzantrag des Schuldners gestellt worden ist,
geht aus § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO nicht hervor.119 Für den Gläubiger bestünde damit
die Möglichkeit, durch Verweigerung der Zustimmung die Anordnung der Eigenverwaltung zumindest bis zur ersten Gläubigerversammlung (vgl. § 271 InsO) zu blokkieren. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO ist jedoch unanwendbar, wenn der Schuldner vor dem
Gläubiger den Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung gestellt hat:120
Der Wortlaut des § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO lässt sich zwar in zwei Richtungen deuten. Es fehlt aber an einer Einschränkung, so dass der Schluss nahe liegt, dass § 270
Abs. 2 Nr. 2 InsO auch dann anzuwenden ist, wenn der Gläubigerantrag auf den
Schuldnerantrag folgt. Andererseits lässt die Formulierung „der Eröffnungsantrag von
einem Gläubiger“ darauf schließen, dass der Gesetzgeber nur den Antrag auf Grund
dessen auch die Beantragung der Eigenverwaltung folgte, im Sinn hatte.
Der Gesetzgeber sieht den Schuldner, der selbst den – ersten – Insolvenzantrag
stellt, als vertrauenswürdig an.121 Würde nun die Anordnung der Eigenverwaltung
von der Zustimmung eines Gläubigers abhängig gemacht, könnte damit der vertrauenswürdige Schuldner benachteiligt werden. Der Schuldner hat mit der Stellung des
Insolvenzantrags zumindest seine Gesetzestreue bewiesen und das Bestreben, mit der
118 So im Ergebnis auch Braun-Riggert, § 270 Rn. 5; HK-Landfermann, § 270 Rn. 3; KP-Pape,
§ 270 Rn. 10; Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 13; Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 101; a.A. H/W/
F, Hdb., Kap. 10 Rn. 7; Vallender, WM 1998, 2129, 2131; Westrick, NZI 2003, 65, 66; differenzierend nach der Art der Bedingung: Gottwald-Haas, § 87 Rn. 13.
119 Für die Anwendbarkeit AG Potsdam, DZWIR 2000, 343; zweifelnd: Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 13.
120 So auch AG Köln, NZI 2005, 633, 635.
121 BT-Drucks. 12/2443, S. 333.
58
Eigenverwaltung ein Stück Macht in seinem Unternehmen zu behalten. Die sorgfältige Prüfung des Gerichts im Rahmen der Nachteilsprognose nach § 270 Abs. 2 Nr. 3
InsO genügt als zusätzliche Hürde für den Schuldner.
Die Möglichkeit eines „blockierenden“ Fremdantrags darf nicht den Sinn und
Zweck des § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO unterlaufen. Der Gläubiger soll die starke Position
nur dann innehaben, wenn er als erster den Insolvenzantrag gestellt hat. Die Gefahr ist
groß, dass ansonsten jeder Gläubiger durch einen Insolvenzantrag eine Macht erlangen könnte, die seine Position im Verhältnis zur Gläubigergesamtheit nicht zutreffend
widerspiegelt. Ein Gläubiger mit einer noch so geringen Forderung könnte dann die
Eigenverwaltung blockieren. Damit würde die Wahrscheinlichkeit einer Anordnung
der Eigenverwaltung gegen Null tendieren.122
Die Interessen der Gläubigergesamtheit kann das Insolvenzgericht aber im Rahmen
der Nachteilsprognose nach § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO berücksichtigen. Es fehlt daher
an einem Grund, einem einzelnen Gläubiger eine Möglichkeit zur Obstruktion der Eigenverwaltung zu geben.
c.) Mehrere Gläubigeranträge nach § 14 InsO
Umstritten ist, ob im Falle mehrerer Gläubigeranträge die Zustimmung aller antragstellenden Gläubiger erforderlich ist. Einer Ansicht zufolge ergibt sich die Zustimmungsbedürftigkeit für alle Gläubiger aus dem Schutzzweck der Norm.123 Nach anderer Ansicht bedarf es nur der Zustimmung des Gläubigers, auf dessen Antrag hin das
Insolvenzverfahren eröffnet wurde.124 Die Auffassung, die eine Zustimmung aller
Antragstellenden Gläubiger fordert, ist abzulehnen. Erforderlich ist also nur die Zustimmung desjenigen Gläubigers, auf dessen Antrag hin das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
Der Schutzzweck der Norm ist nach richtiger Ansicht darin zu sehen, dass der Anreiz für den Schuldner, frühzeitig selbst einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, erhöht wird.125 Diesem Schutzzweck wird aber nicht durch eine
Zustimmung aller Gläubiger, die einen Antrag gestellt haben, Rechnung getragen. Es
bestünde vielmehr die Gefahr, dass ein Gläubiger einen Antrag nur einreicht, um die
Anordnung der Eigenverwaltung zu verhindern. Der Wortlaut des § 270 Abs. 2 Nr. 2
InsO liest sich so, dass nur der erste Insolvenzantrag erfasst ist. Damit spricht auch der
Wortlaut für die zweite Ansicht. Der Schutzzweck der Norm spricht damit ebenso wenig wie der Wortlaut für das Erfordernis einer Zustimmung aller Gläubiger.
122 Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 64.
123 FK-Foltis, InsO, § 270 Rn. 33.
124 Braun-Riggert, InsO, § 270 Rn. 4; NR-Riggert, § 270 Rn. 21.
125 Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 1.
59
3. Anordnung durch das Insolvenzgericht
Die Anordnung der Eigenverwaltung durch das Insolvenzgericht setzt gemäß § 270
Abs. 2 Nr. 3 InsO voraus, dass nach den Umständen zu erwarten ist, dass die Anordnung nicht zu einer Verzögerung des Verfahrens oder zu sonstigen Nachteilen für die
Gläubiger führen wird. Dabei handelt es sich um eine Prognoseentscheidung.126 Es ist
der voraussichtliche Verfahrensverlauf bei Bestellung eines Insolvenzverwalters mit
dem voraussichtlichen Verfahrensverlauf bei Eigenverwaltung durch den Schuldner
zu vergleichen. Nur wenn das Insolvenzgericht zu dem Schluss kommt, dass die Anordnung der Eigenverwaltung zu keinen Nachteilen für die Gläubiger führt, kann es
sie anordnen.
a.) Voraussetzungen
aa.) Keine Verzögerung des Verfahrens
Die Prüfung durch das Insolvenzgericht sollte ergeben, dass durch die Anordnung der
Eigenverwaltung eine Verzögerung des Verfahrens nicht verursacht wird. Dieses Kriterium soll eine optimale Gläubigerbefriedigung gewährleisten. Eine Verzögerung
des Verfahrens führt nämlich zu Vermögenseinbußen für die Gläubiger: Die Zinsen
der Gläubiger sind ab Verfahrenseröffnung nachrangige Forderungen gemäß § 39
Abs. 1 Nr. 1 InsO. In den meisten Verfahren können nur die Masseforderungen sowie
quotal die Forderungen der einfachen Insolvenzgläubiger befriedigt werden. Je länger
also das Insolvenzverfahren dauert, umso größer sind die wirtschaftlichen Verluste
für die Gläubiger. Eine Verzögerung kann insbesondere dadurch entstehen, dass der
Schuldner selbst eine Einarbeitungszeit benötigt, um das Unternehmen im Rahmen
der Eigenverwaltung sanieren zu können. In der Regel hat der Schuldner keine insolvenzrechtlichen Vorkenntnisse. Er muss also auch in die insolvenzrechtlichen Vorschriften, die seine Befugnisse zum Teil erheblich beschränken, eingearbeitet werden.
Fehlt es ihm zudem an den erforderlichen betriebswirtschaftlichen Kenntnissen, so
kann die Einarbeitungszeit unter Umständen länger dauern als die eines Insolvenzverwalters. Diese Faktoren sollte das Insolvenzgericht bei seiner Entscheidung berücksichtigen.
bb.) Keine sonstigen Nachteile für die Gläubiger
Weiterhin hat das Insolvenzgericht gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO zu prüfen, ob die
Anordnung der Eigenverwaltung zu sonstigen Nachteilen für die Gläubiger führen
126 AG Köln, ZIP 1999, 1646; Schlegel, Eigenverwaltung, S. 72; Gottwald-Haas, § 87 Rn. 14;
FK-Foltis, § 270 Rn. 37; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 14.
60
könnte. Wichtigster Anknüpfungspunkt ist das Verhalten des Schuldners in der Vergangenheit.127 Durch die Bereitstellung von Unterlagen, wie etwa einen Lebenslauf,
ein polizeiliches Führungszeugnis, sonstige Zeugnisse und die Vorlage der aktuellen
Buchführung kann der Schuldner dem Insolvenzgericht einen Eindruck von seiner
Person und seinem Betrieb vermitteln. Die Geschäftserfahrenheit des Schuldners
kann als Indiz für seine Zuverlässigkeit genommen werden. Neben diesen allgemeinen Anhaltspunkten, die der Schuldner selbst liefert, sollte das Verhalten des Schuldners unmittelbar vor der Insolvenz berücksichtigt werden. Hierbei ist die Ursache für
die Insolvenz besonders wichtig.128 Einem Schuldner, der die Insolvenz aus eigenem
Unvermögen heraus verursacht hat, kann die Befugnis zur Vermögensverwaltung und
Vermögensverfügung vernünftigerweise nicht übertragen werden. Gibt es Indizien für
eine verzögerte Antragstellung durch den Schuldner oder hat dieser keinen Eigenantrag gestellt, sondern den Fremdantrag eines Gläubigers abgewartet, sollte das Insolvenzgericht von der Anordnung absehen. Hat der Schuldner hingegen bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit einen Antrag nach § 18 InsO gestellt und diesen mit einem Sanierungskonzept verbunden, so ist dies positiv zu bewerten. Hier kann davon
ausgegangen werden, dass der Schuldner ernsthaft eine Sanierung seines Unternehmens anstrebt.129 Auch sollte berücksichtigt werden, ob der Schuldner bei einem Eigenantrag sämtliche Unterlagen (spätestens nach einer Fristsetzung) beigefügt hat.130
Fehlen Unterlagen, kann dies als Indiz dafür gewertet werden, dass der Schuldner das
Eröffnungsverfahren nur halbherzig betreibt.131 Werden Anfechtungstatbestände offenkundig, die den vollen Einblick des Anfechtenden in sämtliche Unterlagen voraussetzen, sollte die Anordnung ebenfalls unterbleiben.132 Das Insolvenzgericht sollte
überprüfen, ob der Schuldner im Rahmen des Insolvenzeröffnungsverfahrens Tatsachen verheimlicht hat. Daraus kann auf eine fehlende Kooperationsbereitschaft und
damit fehlende Kooperation in der Eigenverwaltung geschlossen werden. Dies lässt
wiederum den Schluss zu, dass der Schuldner im Verfahren mit Eigenverwaltung
ebenfalls nur bedingt kooperationswillig sein wird. Es besteht die Gefahr einer eigensinnigen Unternehmensleitung, vorbei an dem Ziel der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung. Anhand dieser Erkenntnisse kann das Insolvenzgericht in einem ersten
Schritt feststellen, ob der Schuldner geeignet erscheint, sein Unternehmen fortzuführen.
In einem nächsten Schritt sollte das Verhalten der Gläubiger Berücksichtigung finden. Gibt es Großgläubiger, die streng einseitig ihre Interessen verfolgen, Einfluss auf
den Schuldner nehmen oder gar kollusiv mit ihm zusammenwirken, ist das Ziel einer
127 Westrick, NZI 2003, 65, 67.
128 So auch Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 8.06.
129 Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 695; Koch, Eigenverwaltung, S. 128; Smid,
WM 1998, 2489, 2508.
130 Siehe AG Darmstadt, ZInsO 1999, 176, 177.
131 Pape, Kölner Schrift II, 895, 902.
132 KP-Pape, § 270 Rn. 12 f.
61
gleichberechtigten Gläubigerbefriedigung gefährdet. Eine Anordnung der Eigenverwaltung sollte in diesem Fall unterbleiben.133
Daneben darf auch die Funktionstüchtigkeit des Unternehmens nicht außer Acht
gelassen werden. Diese ist schwer zu ermitteln. Eine Grundlage für die Bewertung liefert der Bericht des vorläufigen Insolvenzverwalters. Ist eine fundierte Bewertung
nicht möglich, so sollte eine Prognose dennoch versucht werden.
Die Gewichtung der Kriterien und Anhaltspunkte muss von dem Prinzip der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung geleitet werden. Eine Masseschmälerung infolge
der Einsetzung des Schuldners als Eigenverwalter muss vermieden werden. Ist dem
Insolvenzgericht im Zeitpunkt der Entscheidung die Gefahr der Masseschmälerung
durch den Schuldner erkennbar, sollte die Anordnung der Eigenverwaltung im Hinblick auf die Vorschrift des § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO unterlassen werden.
b.) Darlegungslast des Schuldners
Im Rahmen der vom Insolvenzgericht zu treffenden Prognoseentscheidung nach
§ 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO ist streitig, ob den Schuldner eine Darlegungslast trifft. Nach
richtiger Ansicht gilt der Amtsermittlungsgrundsatz und das Insolvenzgericht hat die
erforderlichen Nachforschungen anzustellen.134 Einige Gerichte vertreten jedoch die
Auffassung, der Amtsermittlungsgrundsatzes des § 5 InsO gelte nicht für die Ermittlung der für die Prognoseentscheidung relevanten Tatsachen.135 Dieser Ansicht folgend wird eine Nachforschungspflicht des Insolvenzgerichts auch von Teilen der Literatur gänzlich abgelehnt.136 Dagegen spricht zunächst der Wortlaut der Norm. § 270
Abs. 2 Nr. 3 InsO liefert keinen Anhaltspunkt für die Annahme, den Schuldner treffe
eine Darlegungslast.137 Vertreter dieser Ansicht nehmen aber an, dass der Schuldner
anstelle des Insolvenzgerichts zu ermitteln habe.138 Der Wortlaut des § 270 Abs. 2
Nr. 3 InsO hätte vom Gesetzgeber durch die Einfügung von bloß drei Wörtern so ausgestaltet werden können, dass die Darlegungslast des Schuldners eindeutig gewesen
wäre. Würde die Nr. 3 lauten „dass nach den vom Schuldner darzulegenden Umständen…“, wäre etwas anderes bestimmt im Sinne von § 270 Abs. 1 S. 2 InsO. Neben
dem Wortlaut spricht nämlich auch § 270 Abs. 1 S. 2 InsO gegen diese Ansicht. Der
Generalverweis in § 270 Abs. 1 S. 2 InsO auf die allgemeinen Vorschriften umfasst
den Amtsermittlungsgrundsatz nach § 5 InsO. Im siebten Teil der Insolvenzordnung
133 So auch Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 8.06; Gottwald-Haas, § 87 Rn. 19; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 15; Vallender, WM 1998, 2129, 2133.
134 Breutigam/Blersch/Goetsch-Blersch, § 270 Rn. 14; H/W/F, Hdb., Kap. 10 Rn. 8; Huntemann/
Dietrich, ZInsO 2001, 13, 15 f.
135 AG Köln, ZIP 1999, 1646; AG Potsdam, DZWIR 2000, 343.
136 MüKo-Wittig, InsO, § 270 Rn. 33; Smid, WM 1998, 2489, 2508; Vallender, WM 1998, 2129,
2133.
137 So auch Huntemann/Dietrich, ZInsO 2001, 13, 15 f.
138 Vallender, WM 1998, 2129, 2133.
62
ist eine Abweichung von diesem Grundsatz nicht angeordnet. Betrachtet man zudem
§ 270 Abs. 2 InsO insgesamt, so wird die Aufteilung der Aufgaben deutlich. Der
Schuldner muss den Antrag stellen (Nr. 1), eventuell muss ein Gläubiger zustimmen
(Nr. 2) und das Insolvenzgericht ordnet die Eigenverwaltung an, wenn die Nachteilsprüfung (Nr. 3) nicht negativ ausfällt.
Das Insolvenzgericht kann den Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung versagen, wenn die Voraussetzungen der in § 290 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 InsO beschriebenen besonderen Tatbestände vorliegen.
c.) Anordnung vor der ersten Gläubigerversammlung
Die Anordnung der Eigenverwaltung durch das Insolvenzgericht erfolgt in der Regel
im Eröffnungsbeschluss. Sie kann damit immer nur vorläufig sein, da jede139 Gläubigerversammlung gemäß § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO das Recht hat, die Aufhebung der Eigenverwaltung zu beantragen.140 Die Gläubigerversammlung kann damit jederzeit
durch erneuten Beschluss auch ihre Entscheidung nach § 271 InsO korrigieren.
Leipold kritisiert die Anordnung der Eigenverwaltung vor der ersten Gläubigerversammlung. Es liege noch keine Äußerung der Gläubigergesamtheit vor und es könne
kaum beurteilt werden, ob die Eigenverwaltung sachgerecht sei.141
Die gesetzlich geregelte Form der Gläubigerbeteiligung kann jedoch als ausreichend angesehen werden. Das Gesetz normiert in § 270 Abs. 1 S. 1 InsO die Anordnung der Eigenverwaltung im Eröffnungsbeschluss. Die Beteiligung der Gläubigerversammlung ist in diesem Stadium nicht vorgesehen. Stattdessen steht der Gläubigerversammlung das Recht zu, die Anordnung durch das Insolvenzgericht aufheben
zu lassen, § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO.
d.) Anordnung einer vorläufigen Eigenverwaltung
Uhlenbruck hat die Frage aufgeworfen, ob die Anordnung einer vorläufigen Eigenverwaltung mit vorläufigem Sachwalter vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
möglich sei.142 Dazu wäre eine analoge Anwendung der §§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 274 InsO
erforderlich. Eine Analogie setzt das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke
139 Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 272 Rn. 1; Westrick, NZI 2003, 65, 66; a.A. Vallender,
WM 1998, 2129, 2133: nur die erste Gläubigerversammlung könne die Aufhebung beantragen. Dies ist nicht richtig, denn § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist im Gegensatz zu § 271 InsO nicht
auf die erste Gläubigerversammlung beschränkt.
140 Breutigam/Blersch/Goetsch-Blersch, § 270 Rn. 9; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 270
Rn. 17; Vallender, WM 1998, 2129, 2133.
141 Leipold, Insolvenzrecht im Umbruch, 165, 173.
142 Uhlenbruck, NZI 2001, 632 ff; Einschränkung seiner Ansicht in Kölner Schrift II, 325, 333
Rn. 8.
63
voraus.143 Eine solche fehlt hier. Das Gesetz regelt in § 270 Abs. 1 S. 1 InsO die Anordnung der Eigenverwaltung im Eröffnungsbeschluss. Eine vorläufige Anordnung
sieht es nicht vor. Damit besteht zwar eine Lücke im Gesetz. Die Planwidrigkeit dieser Lücke kann jedoch nicht festgestellt werden, da das Gesetz Regelungen zur Verfügung stellt, die zum gleichen Ziel führen können: Im Insolvenzeröffnungsverfahren
können die erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um dem Schuldner die Fortführung des Betriebs zu ermöglichen und gläubigerschädigende Handlungen zu vermeiden. Das Insolvenzgericht kann gemäß § 21 Abs. 2 InsO die Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsbefugnis anordnen. Dieser kann die
Befugnisse des Sachwalters nach §§ 274 ff. InsO wahrnehmen. Die Sicherungsmaßnahmen der §§ 21, 22 InsO bieten damit ausreichenden Schutz. Die Anordnung einer
vorläufigen Eigenverwaltung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist also nicht
notwendig. Es wäre für das Insolvenzgericht zudem schwierig, an Hand der mit dem
Insolvenzantrag und Antrag auf Eigenverwaltung eingereichten Unterlagen zu entscheiden, ob Versagungsgründe im Sinne von § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO vorliegen.
4. Aufhebung der Eigenverwaltung
Die Anordnung der Eigenverwaltung kann gemäß § 272 Abs. 1 InsO vom Insolvenzgericht auf Antrag aufgehoben werden. Antragsberechtigt sind die Gläubigerversammlung (Nr. 1), absonderungsberechtigte Gläubiger und nicht nachrangige Insolvenzgläubiger (Nr. 2) sowie der Schuldner (Nr. 3). Die Gläubigerversammlung (und
damit ist jede Gläubigerversammlung gemeint144) und der Schuldner müssen einen
Grund nicht nachweisen; absonderungsberechtigte Gläubiger und Insolvenzgläubiger
haben mit ihrem Antrag nur Erfolg, wenn sie den Wegfall der Voraussetzungen des
§ 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO mit den Mitteln des § 294 ZPO glaubhaft machen können.
Ergeben sich also nach Anordnung der Eigenverwaltung Umstände, die den Verfahrenszweck gefährden, können die Gläubiger die Entscheidung des Insolvenzgerichts korrigieren. Damit trägt das Gesetz dem Risiko Rechnung, das jede Eigenverwaltung für die Gläubiger bedeutet.145 Die Gläubigerversammlung braucht deshalb
nicht abzuwarten, bis dem Schuldner irgendwelche Verfehlungen bei der Verfahrensabwicklung vorzuwerfen sind.146 Gleichzeitig beinhaltet § 272 InsO damit eine Sanktionswirkung für den Schuldner.147 Dieser muss jederzeit mit einem Antrag auf Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung rechnen. Dem Schuldner die ihm eingeräumten Kompetenzen zu nehmen erscheint aber auch problematisch. Regelmäßig
wird dies zu einem Zeitpunkt erfolgen, in dem der Schuldner das Verfahren bereits in
143 Heller, Logik, S. 3 ff.; Klug, Juristische Logik, S. 109 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 373.
144 S. oben unter § 3 B. II. 3. c), S. 62.
145 BT-Drucks. 12/2443, S. 224; KP-Pape, § 272 Rn. 4; Westrick, NZI 2003, 65, 66.
146 KP-Pape, § 272 Rn. 4.
147 Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 272 Rn. 1.
64
eine bestimmte Richtung gelenkt hat. Eine Schädigung der Gläubiger ist dabei eventuell schon erfolgt. Daher muss geprüft werden, ob durch die Aufhebung der Eigenverwaltung eine weitere Schädigung der Gläubiger vermieden werden kann.148
Die Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung ist endgültig. Eine erneute
Anordnung auf Grund eines Antrags der Gläubigerversammlung ist nicht möglich.149
Mit der Aufhebung der Anordnung hat das Insolvenzgericht einen Insolvenzverwalter
zu bestellen. Gemäß § 272 Abs. 3 InsO kann der bisherige Sachwalter zum Insolvenzverwalter bestellt werden. Dies empfiehlt sich deshalb, weil der Sachwalter die Verhältnisse des Schuldners kennt und sich nicht neu einarbeiten muss.150
III. Zulässigkeit der Eigenverwaltung bei einem Rechtsanwalt
Wie bereits festgestellt wurde,151 ist die Anordnung der Eigenverwaltung auf diejenigen natürlichen Personen beschränkt, die aktiv selbstständig tätig sind. Ein selbstständig tätiger Rechtsanwalt, der seine Tätigkeit während des Insolvenzverfahrens fortsetzen möchte oder sich eine bessere Liquidation seiner Kanzlei im Wege der Eigenverwaltung verspricht, kann demnach einen Antrag auf Eigenverwaltung stellen.
Der Rechtsanwalt zählt zur Gruppe der Freiberufler.152 Für die Angehörigen dieser
Gruppe, zum Teil auch explizit für den Rechtsanwalt, werden die Vorteile einer Eigenverwaltung von einer Reihe von Autoren betont.153 Der entscheidende Vorteil der
Eigenverwaltung bei einem Freiberufler liegt in der Vermeidung der Kollision von
Standes- und Berufsrecht mit den Aufgaben des Insolvenzverwalters.154 Im Rahmen
der Nachteilsprüfung (§ 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO) wird deshalb auch vertreten, es sei ein
großzügigerer Maßstab bei den Freiberuflern anzulegen.155
Im Folgenden ist zu untersuchen, unter welchen besonderen Voraussetzungen die
Anordnung der Eigenverwaltung bei einem Rechtsanwalt zulässig ist.
148 Ähnlich Pape, Kölner Schrift II, 895, 905.
149 Gottwald-Haas, § 88 Rn. 7.
150 Breutigam/Blersch/Goetsch-Blersch, § 272 Rn. 15; FK-Foltis, § 272 Rn. 18; KP-Pape, § 272
Rn. 12; NR-Riggert, § 272 Rn. 5; Vallender, WM 1998, 2129, 2134; Prütting, FS-Henckel,
669, 671.
151 S. oben, B. II. 1. a), S. 55.
152 Vgl. hierzu § 1 Abs. 2 S. 2 PartGG und oben, S. 51.
153 Gottwald-Haas, § 90 Rn. 2; KP-Pape, § 270 Rn. 3, 5; Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 133;
Graf/Wunsch, ZIP 2001, 1029, 1034; Kluth, NJW 2002, 186, 187; Westrick, NZI 2003, 65,
69; Uhlenbruck, FS-Henckel, 877, 888 ff.
154 Graf/Wunsch, ZIP 2001, 1029, 1033; Vallender, FS-Metzeler, 21, 32.
155 Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 16.
65
1. Erhaltung der Zulassung
Die wichtigste Voraussetzung ist der Erhalt der Zulassung156 des Rechtsanwalts.
Wird die Zulassung des Rechtsanwalts bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens
widerrufen, hat ein Antrag auf Eigenverwaltung keine Aussicht auf Erfolg. Das Insolvenzgericht müsste im Falle eines bereits erfolgten Zulassungswiderrufs im Rahmen
der Nachteilsprüfung gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO zu einem negativen Ergebnis
kommen, unabhängig davon, ob der Rechtsanwalt mit der Eigenverwaltung die Sanierung der Kanzlei oder deren Liquidation betreiben will. In jedem Fall ist die Zulassung des Anwalts Voraussetzung für die Abwicklung der bestehenden Mandatsverhältnisse.
Ist der Rechtsanwalt im Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Anordnung der Eigenverwaltung noch zugelassen, so kann die Eigenverwaltung angeordnet werden.
Das Recht zur Berufsausübung erlischt nämlich nicht von Gesetzes wegen mit der Insolvenz des Rechtsanwalts157, sondern erst mit dem Widerruf der Zulassung. Seinen
Beruf kann der Rechtsanwalt solange noch ausüben. Die Gefahr des späteren Zulassungswiderrufs durch die Justizverwaltung des Landes besteht zwar, jedoch kann für
diesen Fall die Gläubigerversammlung die Aufhebung der Eigenverwaltung beantragen. Ziel des Rechtsanwalts, der einen Antrag auf Eigenverwaltung stellt, muss es allerdings sein, den Erhalt der Zulassung zu erreichen. Ansonsten ist die Eigenverwaltung auf lange Sicht nicht erfolgreich durchführbar.
2. Sachwalter und Berufsgeheimnis
Die Eigenverwaltung ist nur dann zulässig, wenn die Wahrung des Berufsgeheimnisses durch den Rechtsanwalt möglich bleibt. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit
der Sachwalter im Rahmen seiner Überwachungspflicht (§ 274 Abs. 2 S. 2 i.V.m.
§ 22 Abs. 3 InsO) Einsicht in die Unterlagen des Rechtsanwalts erhalten kann. Die
Praxisunterlagen eines Rechtsanwalts zählen nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 InsO nämlich zur
Insolvenzmasse im Sinne des § 35 InsO.158 Der Rechtsanwalt ist allerdings gemäß
§ 43 a BRAO dazu verpflichtet, die Auskünfte und Unterlagen seiner Mandanten vertraulich zu behandeln. Gemäß §§ 203 Abs. 1 Nr. 3, 204 StGB ist eine Verletzung der
Schweigepflicht durch den Rechtsanwalt sogar strafbewehrt. Das Berufsgeheimnis
des Rechtsanwalts steht im Ergebnis der Einsetzung eines Sachwalters nicht entgegen, wenn der Erhalt der Zulassung und die Wahrung des Berufsgeheimnisses gewährleistet sind.159
156 Zum Problem des Zulassungswiderrufs vgl. ausführlich § 12, S. 239 f.
157 NR-Wittkowski, § 80 Rn. 21.
158 MüKo-Lwowski, InsO, § 35 Rn. 155; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 159 Rn. 18.
159 So auch Kesseler, PartG, S. 135.
66
Die Kollision von insolvenz- und berufsrechtlichen Regelungen ist nicht nur bei
Rechtsanwälten problematisch. Auch andere Angehörige der freien Berufe, wie etwa
Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder Ärzte unterliegen einer berufsrechtlichen
Schweigepflicht. Eine Regelung zum Verhältnis der insolvenzrechtlichen Vorschriften zu der berufsrechtlich geregelten Schweigepflicht findet sich in keinem Gesetz.
Zum Teil wird in diesem Zusammenhang ein Vorrang der allgemeinen Regelungen
vertreten.160 Der Freiberufler könne seine bisherige Tätigkeit nur fortsetzen, wenn
ihm der Insolvenzverwalter die Nutzung der Patienten- oder Mandantenkartei, in die
der Insolvenzverwalter selbst ohne das Einverständnis der Mandanten nicht Einsicht
nehmen darf161, gestatte.162 Dies könnte so auch bei der Eigenverwaltung gelten.
Die Einsicht in die Mandantenakten des Rechtsanwalts ist allerdings nicht erforderlich, um die geschäftlichen Verhältnisse oder die Vermögenssituation des Schuldners
ermitteln zu können. Sie wird vom Gesetz nicht angeordnet. § 22 Abs. 3 S. 2 InsO,
der für den Sachwalter über § 274 Abs. 2 S. 2 InsO gilt, lautet: „Der Schuldner hat
dem vorläufigen Insolvenzverwalter Einsicht in seine Bücher und Geschäftspapiere
zu gestatten.“ Diese Verpflichtung bezieht sich auf alle Aufzeichnungen, die Aufschluss über die geschäftlichen Verhältnisse und die Vermögenssituation des Schuldners geben können.163 Hierzu gehören Buchhaltungsunterlagen wie Handelsbücher,
Bilanzen und die sonstigen Unterlagen des Rechnungswesens. Es genügt demnach,
wenn Namen und Adressen der Mandanten sowie die Kostennoten dem Sachwalter
offenbart werden.164 Die Kenntnis der Auftragdetails ist auch nicht erforderlich, um
die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines angenommenen Auftrags vorzunehmen.
Es ist nicht im Sinne der Eigenverwaltung, dass der Sachwalter jeden angenommenen
Auftrag inhaltlich prüft. Die Kenntnis von Existenz und Umfang des Auftrags sollte
genügen, um die ordnungsgemäße Überwachung durch den Sachwalter zu wahren.
Die Bücher und Geschäftspapiere werden im Gesetz auch in § 69 InsO genannt.
Die Mitglieder des Gläubigerausschusses sollen in die Bücher und Geschäftspapiere
Einsicht nehmen können, um sich einen Einblick in das Rechnungswesen zu verschaffen.165 § 69 InsO meint zwar die Bücher und Geschäftspapiere des Insolvenzverwalters, nicht die des Schuldners166, für eine unterschiedliche Deutung besteht aber kein
Anlass. In beiden Fällen geht es um den Einblick in Geschäftsunterlagen zur Kontrolle der Vermögenssituation des Schuldners. Der Vergleich von § 22 Abs. 3 S. 2
InsO mit § 69 InsO bestätigt daher das gefundene Ergebnis. Demnach sind Bücher
und Geschäftspapiere im Sinne des § 22 Abs. 3 S. 2 InsO nur die vermögensrelevan-
160 Schick, NJW 1990, 2359, 2360.
161 Allg. Meinung, vgl. nur Gottwald-Klopp/Kluth, § 26 Rn. 12; KP-Holzer, § 35 Rn. 62; NR-
Andres, § 35 Rn. 74; FK-Schmerbach, § 159 Rn. 9; Schick, NJW 1990, 2359, 2360; Uhlenbruck, FS-Henckel, 877, 880.
162 Schick, NJW 1990, 2359, 2361.
163 HK-Kirchhof, § 22 Rn. 36; MüKo-Haarmeyer, InsO, § 22 Rn. 181; NR-Mönning, § 22
Rn. 246.
164 S. dazu ausführlich unten, § 11 C., S. 232 f.
165 MüKo-Gößmann, InsO, § 69 Rn. 18; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 69 Rn. 15.
166 MüKo-Gößmann, InsO, § 69 Rn. 18.
67
ten Geschäftsunterlagen des Schuldners, die Einsicht in Mandantenakten ist nicht von
§ 22 Abs. 3 S. 2 InsO erfasst. Die von der Schweigepflicht umfassten Daten der Mandanten sind dem Zugriff durch den Sachwalter nicht ausgesetzt. Es besteht daher kein
Konflikt zwischen § 22 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 274 Abs. 2 S. 2 InsO und § 43 a BRAO.
Nach der hier vertretenen Auffassung kommt es deshalb auf die Klärung des Verhältnisses von insolvenz- zu berufsrechtlichen Regelungen nicht an.
IV. Die Verbindung mit einem Insolvenzplan
1. Allgemeine Vorteile einer Verbindung
Bei der Eigenverwaltung werden immer wieder die Vorteile der Verbindung des Antrags auf Eigenverwaltung mit einem Insolvenzplan hervorgehoben.167 Dies gilt insbesondere für den Fall der Fortführung mit dem Ziel der Sanierung des Unternehmens. Wenn ein Insolvenzplan die Sanierung der Praxis unter Fortführung durch den
Schuldner vorsieht, bietet sich der Antrag auf Eigenverwaltung an. Bei einem Antrag
auf Eigenverwaltung liegt nämlich die Überlegung nahe, den Erhalt der Praxis durch
Einschnitte für die Gläubiger zu ermöglichen. Im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens können Zugeständnisse der Gläubiger in der Regel gut erreicht werden. Es empfiehlt sich daher für den Schuldner grundsätzlich, den Antrag auf Eigenverwaltung
mit einem (vorbereiteten) Insolvenzplan zu verbinden. Die beiden Rechtsinstitute sind
daher jeweils als sinnvolle Ergänzung des anderen Instituts anzusehen.168
2. Risiko bei einer Verbindung
Von der Verbindung ist dagegen abzusehen, wenn die frühe Offenbarung der bevorstehenden Antragstellung, wie sie bei einem vorbereiteten Insolvenzplan (sog. prepackaged plan) erforderlich ist, zu große Risiken birgt. Die Abstimmung des Plans
mit den wesentlichen Gläubigergruppen muss grundsätzlich zügig erfolgen. Arbeitnehmer und Kunden sollten vor der Bekanntmachung der Planverhandlungen informiert werden, um Kurzschlussreaktionen der Beteiligten zu vermeiden, die den Erfolg
der Sanierung gefährden.169 Vor Erstellung des Insolvenzplanes steht eine einzelfallbezogene Prognose über seine Erfolgschancen. Wird das Risiko einer Gefährdung der
Sanierung hoch eingeschätzt, sollte von der Verbindung der Eigenverwaltung mit einem Insolvenzplan abgesehen werden.
167 Vgl. nur Vallender, FS-Metzeler, 21, 33; Graf/Wunsch, ZIP 2001, 1029, 1034; Huntemann/
Dietrich, ZInsO 2001, 13, 16.
168 So auch Huntemann/Dietrich, ZInsO 2001, 13, 16 und Westrick, NZI 2003, 65, 69.
169 Buchalik, NZI 2000, 294, 296; s. dazu auch oben unter § 3 A. I. 2., S. 48.
68
3. Insbesondere: Vorteile einer Verbindung für einen Rechtsanwalt
Für den Rechtsanwalt liegt der Vorteil einer Verbindung von Eigenverwaltung und
Insolvenzplan in dem Erhalt der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein
Vermögen. Die Abstimmung mit den Gläubigern im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens kann er selbst vornehmen. Auf diese Art kann er die Fortführung seiner Kanzlei besser organisieren. Zugleich erhält er den Kontakt zu seinen Mandanten aufrecht.
Dies ist im Hinblick auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und seinen Mandanten von großer Bedeutung.170 Die Fortführung ist aber auch
für die Gläubiger des Rechtsanwalts günstig. Angesichts des geringen Zerschlagungswertes einer Kanzleieinrichtung und des in der Regel geringen Umfangs des nicht belasteten Privatvermögens wird sich die Fortführung für die Gläubiger regelmäßig als
vorteilhaft im Vergleich zur Zerschlagung darstellen.171
V. Vorteile und Risiken der Eigenverwaltung bei einem Rechtsanwalt
1. Allgemeine Kritik an der Eigenverwaltung
Die Eigenverwaltung gehört zu den umstrittensten Regelungen der InsO. Die Möglichkeit für den Schuldner, trotz Verfahrenseröffnung weiterzuwirtschaften, löst dabei
die meiste Kritik aus.172 Des Weiteren wird bemängelt, ein Insolvenzverfahren ohne
Insolvenzverwalter sei ein Widerspruch in sich.173 Der Schuldner dürfe nicht sein eigener Gerichtsvollzieher sein.174
Ziel der Einführung der Eigenverwaltung war die Stärkung der Gläubigerautonomie. Die Gläubiger haben bei der Eigenverwaltung das Recht, dem Schuldner weitgehend die Verfahrensabwicklung anzuvertrauen, um die Kosten des Verfahrens gering
zu halten und den Schuldner in die Verfahrensabwicklung einzubinden.175 An der
Stärkung der Autonomie der Gläubiger wird jedoch gezweifelt. Es stelle einen Widerspruch in sich dar, dass der Schuldner als Eigenverwalter der Interessenvertreter der
Gläubiger sei und eine bestmögliche Befriedigung der Gläubiger erreichen soll, während er auch eigene Interessen verfolge.176 Es wird befürchtet, der Schuldner trete auf
Grund der Möglichkeit der Eigenverwaltung eine „Flucht in die Insolvenz“177 bzw.
„Flucht in die Insolvenzordnung“178 an. Weiterhin wird Anstoß daran genommen,
170 Pape, Kölner Schrift II, 895, 899; Uhlenbruck, FS-Henckel, 877, 878.
171 So für den Arzt: Graf/Wunsch, ZIP 2001, 1029, 1035 und Vallender, FS-Metzeler, 21, 33.
172 Siehe dazu HK-Landfermann, vor §§ 270-285 Rn. 4; Smid-Smid, InsO, § 270 Rn. 2; Leipold,
Insolvenzrecht im Umbruch, 165 ff.; Gravenbrucher Kreis, ZIP 1992, 657, 658; Grub, ZIP
1993, 393, 397; Schlegel, ZIP 1999, 954; Vallender, WM 1998, 2129, 2130.
173 Leipold, Insolvenzrecht im Umbruch, 165, 168.
174 Gravenbrucher Kreis, ZIP 1992, 657, 658; Grub, Neuordnung des Insolvenzrechts, 79, 90.
175 BT-Drucks. 12/2443, S. 223; Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 1.
176 Grub, Neuordnung des Insolvenzrechts, 79, 90.
177 NR-Riggert, vor § 270 Rn. 5 m.w.N.
69
dem Schuldner, der die Krise in der Regel verursacht hat, das Vertrauen zu schenken,
den Ausweg aus der Krise zu finden.179 Zum Teil wird sogar behauptet, der Schuldner
sei zur Abwicklung seiner eigenen Insolvenz regelmäßig untauglich.180 Die Manipulationsmöglichkeiten des Schuldners seien der Preis für die Verbilligung des Verfahrens. Manche bezeichnen die Eigenverwaltung sogar als eines der gefährlichsten Instrumente des neuen Insolvenzrechts.181 Es wird daher zum Teil gefordert, das Verfahren der Eigenverwaltung mit Sachwalter ersatzlos zu streichen.182 Dem mit der
Einführung der Eigenverwaltung verfolgten Ziel der Nutzung der Kenntnisse des
Schuldners wird dabei entgegengehalten, auch im Regelinsolvenzverfahren könne
eine Einbindung des Schuldners stattfinden.183
2. Würdigung der Kritik bezogen auf den Rechtsanwalt
Zum Erhalt der Kanzlei und zur Nutzung der Kenntnisse des Rechtsanwalts bietet das
Insolvenzverfahren mit Eigenverwaltung gute Möglichkeiten. So gibt es bei aller Kritik auch einige Wenige, die dem Institut der Eigenverwaltung positiv gegenüberstehen. Richtig instrumentalisiert und angewandt kann die Eigenverwaltung nach dieser
Meinung ein wichtiges Sanierungsinstrument der InsO werden.184
In der Tat bietet sich die Eigenverwaltung bei einem Rechtsanwalt an, weil dabei
die Kanzlei erhalten und die Kenntnisse, Fähigkeiten und Beziehungen des Rechtsanwalts genutzt werden können.185 Der Konflikt zwischen Berufs- und Standesrecht und
dem Insolvenzrecht wird durch die Eigenverwaltung vermieden. Das zwischen dem
Rechtsanwalt und seinen Mandanten bestehende Vertrauensverhältnis kann ebenfalls
geschützt werden.
Die an der Eigenverwaltung geübte Kritik lässt sich nicht in allen Punkten widerlegen. An dieser Stelle soll untersucht werden, inwiefern die allgemeine Kritik auf den
Rechtsanwalt in Eigenverwaltung übertragbar ist. Für den Rechtsanwalt stellt der Erhalt der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis eine große Chance dar. Nur auf diesem Weg kann sein Vermögen adäquat verwertet werden.186 Personenbezogene Daten, die dem Geheimnisschutz unterliegen, etwa die Handakten des Rechtsanwaltes,
dürfen Dritten nämlich nicht zugänglich gemacht werden.
178 Schlegel, Eigenverwaltung, S. 48.
179 Pape, Kölner Schrift II, 895, 896; ähnlich: Leipold, Insolvenzrecht im Umbruch, 165, 169; s.
auch Uhlenbruck, KTS 1972, 220, 223.
180 Gravenbrucher Kreis, ZIP 1990, 476, 477; ZIP 1992, 657, 658.
181 Smid/Nellessen, InVo 1998, 113, 114.
182 Leipold, Insolvenzrecht im Umbruch, 165, 172.
183 Leipold, Insolvenzrecht im Umbruch, 165, 171.
184 Buchalik, NZI 2000, 294, 295.
185 So für den Freiberufler allgemein: Westrick, NZI 2003, 65, 69.
186 So für den Freiberufler allgemein: Pape, Kölner Schrift II, 895, 899.
70
Eine wirtschaftlich sinnvolle Verwertung ist deshalb bei einem Rechtsanwalt nur
bei dessen Mitarbeit möglich.187 Sofern also Kritik daran geübt wird, dem Schuldner
die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zu belassen, überzeugt dies bei einem
Rechtsanwalt nicht. Dem Rechtsanwalt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zu
nehmen, mindert zugleich die Chancen der Gläubiger auf eine gute Befriedigung.
Der Interessenkonflikt des Schuldners, der zugleich die Interessen der Gläubiger
und seine eigenen wahrnehmen soll, kann nicht geleugnet werden. Jedoch soll der
Sachwalter den Schuldner überwachen. Zudem kann das Insolvenzgericht auf Antrag
der Gläubigerversammlung gemäß § 277 Abs. 1 InsO die Zustimmungsbedürftigkeit
bestimmter Rechtsgeschäfte anordnen. Dies erweitert die Kontrollmöglichkeiten des
Sachwalters. Im Falle der Fortführung ist außerdem zu bezweifeln, ob es für die Gläubiger nachteilig ist, wenn der Schuldner auch eigene Interessen vertritt. Die vom
Rechtsanwalt verfolgten Interessen können nämlich im Interesse der Gläubiger sein.
Schafft der Rechtsanwalt es, seine Kanzlei wiederaufzubauen, profitieren die Gläubiger davon ebenfalls. Dies setzt natürlich voraus, dass der Rechtsanwalt redlich ist und
nicht versucht, die anderen Verfahrensbeteiligten zu hintergehen.188
Die Flucht in die Insolvenz oder in die Insolvenzordnung bietet sich für den
Rechtsanwalt nicht an. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens droht zugleich immer auch der Widerruf der Zulassung gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls. Das Risiko des Verlustes der Zulassung ist als hoch einzuschätzen. Jeder
Rechtsanwalt sollte Kenntnis von der Existenz des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO haben.
Wenn es auch stimmen mag, dass sich die Flucht in die Insolvenz bzw. Insolvenzordnung für manche Schuldner anbietet, so ist dies für den Rechtsanwalt in der Regel
nicht anzunehmen. In diesem Punkt greift die Kritik nicht.
Bei der Anordnung der Eigenverwaltung sollten immer auch die Insolvenzursachen
berücksichtigt werden.189 Sie können Aufschluss darüber geben, ob sich für den betreffenden Schuldner das Verfahren nach §§ 270 ff. InsO anbietet. Wie bereits festgestellt wurde, sollte danach differenziert werden, ob die Ursachen im geschäftlichen
oder im privaten Bereich liegen.190 Wird festgestellt, dass die Ursache für die Insolvenz die privaten Ausgaben des Rechtsanwalts sind, die Kanzlei ansonsten gewinnbringend war, so kann Vertrauen in das geschäftliche Geschick des Rechtsanwalts gesetzt werden. In einem solchen Fall kann es im Interesse aller Beteiligten liegen, die
Kanzlei fortzuführen. Nur in den Fällen, in denen der Grund für die Krise in der Kanzlei selbst angelegt ist, kann kein Vertrauen in den Rechtsanwalt gesetzt werden.191
Der Erfolg eines Verfahrens mit Eigenverwaltung hängt neben dem Verhalten des
Schuldners auch davon ab, wie der Sachwalter seine Kontrollfunktion wahrnimmt.192
187 So für den Freiberufler allgemein: Pape, Kölner Schrift II, 895, 899 f.
188 S. dazu auch Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 5.
189 Vgl. hierzu § 3 B. II. 3. a) bb), S. 60.
190 S. oben § 1 B. II., S. 38.
191 So für die Partnerschaftsgesellschaft: Kesseler, PartG, S. 128 (Rn. 256).
192 So auch Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 6.
71
Die Möglichkeit der Kontrolle des Schuldners sollte vom Sachwalter, dem Insolvenzrichter, der Gläubigerversammlung und dem Gläubigerausschuss genutzt werden.
Der Vorwurf, man könne nicht darauf vertrauen, dass der Schuldner, der die Krise
verursacht hat, eine Sanierung meistern kann, ist damit einzuschränken.
Soweit dem Schuldner Untauglichkeit zur Führung seines Unternehmens unterstellt wird, ist für den Einzelfall eine Einschätzung zu treffen. Hierbei sollte das Verhalten des Schuldners in der Vergangenheit und im Laufe des Insolvenzeröffnungsverfahrens berücksichtigt werden. Es kann jedenfalls nicht generell gesagt werden,
ein Rechtsanwalt sei untauglich seine Kanzlei im Insolvenzverfahren fortzuführen.
Eine Manipulation durch den Rechtsanwalt kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Zum einen bestehen jedoch im Verfahren mit Eigenverwaltung die
genannten Kontrollmöglichkeiten.193 Der Sachwalter kann dem Schuldner die Manipulation aber erschweren, indem er seine Aufgabe ernst nimmt und die ihm gemäß
§§ 274 Abs. 2, 22 Abs. 3 InsO zustehenden Rechte wahrnimmt.
Dem redlichen Rechtsanwalt wird zudem viel daran gelegen sein, den Gläubigern
keinen Grund zu geben, eine Aufhebung der Anordnung der Eigenverwaltung gemäß
§ 272 Abs. 1 InsO zu beantragen. Zugleich muss er bei Rechtsverstößen den Widerruf
der Zulassung befürchten.
Der Vorschlag, den Rechtsanwalt lediglich in das Insolvenzverfahren einzubinden
statt ihm die Möglichkeit der Eigenverwaltung zu geben, muss an den Vorschriften
über die Vertraulichkeit von Mandantendaten (§ 43 a BRAO, § 203 Abs. 1 Nr. 3
StGB) gemessen werden. Verliert der Rechtsanwalt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, so können die Handakten trotzdem nur von ihm inhaltlich bearbeitet
werden. Die Abrechnung hat der Insolvenzverwalter zu kontrollieren bzw. über seine
Buchhaltung durchzuführen.
Trotz der teilweise berechtigten Kritik an der Eigenverwaltung ist sie bei einem
Rechtsanwalt als vorteilhaft anzusehen. Für den Rechtsanwalt sind wegen der berufsrechtlichen Regelungen besondere Maßstäbe anzulegen. Die Aufrechterhaltung des
Kanzleibetriebs setzt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners voraus. Diese kann ihm nur im Rahmen der Eigenverwaltung belassen werden. Auch die
sonstigen Kritikpunkte treffen auf einen Rechtsanwalt nicht zu oder die mit ihnen verbundenen Risiken sind in Kauf zu nehmen.
193 S. dazu auch Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 6.
72
VI. Stellung von Schuldner und Sachwalter und die Gefahr von
Kompetenzkonflikten
1. Rechtsstellung des Schuldners
Der Schuldner ist bei der Eigenverwaltung grundsätzlich für die Durchführung des Insolvenzverfahrens zuständig. Er ist berechtigt, unter Aufsicht des Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen, § 270 Abs. 1 InsO. Das Schuldnervermögen wird dabei ebenso wie im Regelinsolvenzverfahren beschlagnahmt.194
Für die Verwertung der Masse und die Verteilung des Verwertungserlöses195 ist er
auch zuständig. Im Berichtstermin hat der Schuldner wie ein Insolvenzverwalter der
Gläubigerversammlung Bericht zu erstatten, § 281 Abs. 2 InsO. Die Gläubigerversammlung kann ihn oder den Sachwalter gemäß § 284 InsO mit der Ausarbeitung eines Insolvenzplans beauftragen. Der Schuldner hat nach § 281 Abs. 1 InsO die Vermögensverzeichnisse zu erstellen, die vom Sachwalter zu überprüfen sind. Des Weiteren trifft ihn die Pflicht zur Rechnungslegung, §§ 66, 155 InsO. Außerdem entscheidet der Schuldner nach § 279 InsO grundsätzlich über die Fortsetzung beiderseitig
nicht vollständig erfüllter Vertragsverhältnisse und über die Aufnahme von Prozessen196.
Verbindlichkeiten, die nicht zum normalen Geschäftsbetrieb gehören, darf der
Schuldner nur mit Zustimmung des Sachwalters eingehen, § 275 Abs. 1 S. 1 InsO.
Gemäß § 276 S. 1 InsO hat der Schuldner die Zustimmung der Gläubiger einzuholen,
wenn er Rechtshandlungen vornehmen will, die für das Insolvenzverfahren von besonderer Bedeutung sind. Geschäfte, die im Regelinsolvenzverfahren an die Zustimmung des Gläubigerausschusses gebunden sind, dürfen vom Schuldner im Fall der Eigenverwaltung ebenfalls nur mit der Zustimmung des Ausschusses vorgenommen
werden, § 276 S. 2 i.V.m. §§ 160 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, 161 S. 2 InsO.
2. Rechtsstellung des Sachwalters
Kennzeichnend für die Rechtsstellung des Sachwalters ist seine umfassende Aufsichtspflicht. Gemäß § 274 Abs. 2 S. 1 InsO hat der Sachwalter die wirtschaftliche
Lage des Schuldners zu prüfen und die Geschäftsführung sowie die Ausgaben für die
Lebensführung zu überwachen. Um seine Aufgaben erfüllen zu können, gewährt
§ 274 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 22 Abs. 3 InsO ihm das Recht, die Geschäftsräume des
Schuldners zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen, sowie Einsicht in die
Bücher und Geschäftspapiere des Schuldners zu verlangen. Der Schuldner hat dem
Sachwalter im Übrigen alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Nach § 274 Abs. 3
194 KP-Pape, § 270 Rn. 1; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 8.13; Smid, Grundzüge, S. 32.
195 § 283 Abs. 2 S. 1 InsO.
196 BT-Drucks. 12/2443, S. 223.
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InsO hat der Schuldner laufend zu prüfen, ob die Fortsetzung der Eigenverwaltung zu
Nachteilen für die Gläubiger führt. Stellt er eine solche Gefahr fest, hat er dies unverzüglich dem Gläubigerausschuss und dem Insolvenzgericht anzuzeigen. Diese Anzeigepflicht aus § 274 Abs. 3 InsO kann der Sachwalter als wichtiges Druckmittel einsetzen, um den Schuldner zur Kooperation anzuhalten.197
Darüber hinaus normiert § 280 InsO die Zuständigkeit des Sachwalters für die Gesamtschadensliquidation und für die Insolvenzanfechtung. Wird ein Insolvenzplanverfahren durchgeführt, obliegt dem Sachwalter die Überwachung der Planerfüllung
gemäß § 284 Abs. 2 InsO. Für die Anmeldung der Insolvenzforderungen ist nach
§ 270 Abs. 3 S. 2 InsO der Sachwalter zuständig, im Prüfungstermin ist er neben dem
Schuldner zum Widerspruch gegen eine Anmeldung berechtigt, § 283 Abs. 1 InsO.
§ 285 InsO regelt die Anzeigepflicht des Sachwalters bei Masseunzulänglichkeit.
3. Mögliche Kompetenz- und Interessenkonflikte
Die Befugnisse von Schuldner und Sachwalter sind nach dem Grundsatz abzugrenzen, dass der Schuldner für die laufenden Geschäfte zuständig ist und der Sachwalter
diese Geschäftsführung kontrolliert und unterstützt.198 Hierbei besteht die Gefahr von
Kompetenzkonflikten.199 Durch das Fortbestehen von Rechten des Schuldners entstehen in vielen Bereichen Doppelzuständigkeiten.200 Dabei ist zu befürchten, dass Abgrenzungsschwierigkeiten im Einzelfall auftreten.201 Zudem birgt die ständige Kontrolle durch den Sachwalter das Risiko von Auseinandersetzungen zwischen Schuldner und Sachwalter. Das Zustimmungserfordernis des § 274 Abs. 2 InsO, die Pflicht
zur jederzeitigen Auskunftserteilung durch den Schuldner sowie das Anzeigerecht des
Sachwalters können das Verhältnis von Schuldner und Sachwalter beeinträchtigen.
Der Schuldner kann durch die ständige Kontrolle nicht schnell und frei agieren. Demgegenüber besteht für den Sachwalter die Gefahr, dem Schuldner immer „hinterherlaufen“ zu müssen. Außerdem hat der Schuldner oft die Verbesserung der eigenen Situation und den wirtschaftlichen Neuanfang vor Augen, während der Sachwalter dar-
über zu wachen hat, dass eine möglichst gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger erzielt werden kann. Die Eigenverwaltung mit Sachwalter setzt daher zwingend ein
einvernehmliches Zusammenwirken zwischen Schuldner und Sachwalter voraus.202
Es wird zutreffend darauf hingewiesen, es sei Aufgabe der Praxis, Kooperationsmodelle zu entwickeln, die der beiderseitigen Verantwortung gerecht werden.203 Eine
197 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 8.19; Vallender, WM 1998, 2129, 2136.
198 MüKo-Wittig, InsO, vor §§ 270 bis 285, Rn. 46 u. 57; Vallender, WM 1998, 2129, 2135.
199 S. dazu KP-Pape, § 270 Rn. 30.
200 Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 274 Rn. 1.
201 Huhn, Eigenverwaltung, Rn. 1262; Koch, Eigenverwaltung, S. 268.
202 Uhlenbruck-Uhlenbruck, InsO, § 274 Rn. 1; für Arzt und Sachwalter: Vallender, FS-Metzeler, 21, 33.
203 KP-Pape, § 270 Rn. 32.
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theoretische Lösung dieses Problems scheint nicht möglich. Das Insolvenzgericht
sollte deshalb bei seiner Prognose im Rahmen des § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO das Konfliktpotenzial im Verhältnis von Schuldner und Sachwalter berücksichtigen.
4. Konfliktpotenzial bei einem Rechtsanwalt mit Sachwalter
Für das Verhältnis zwischen einem Rechtsanwalt und einem Sachwalter gelten die genannten möglichen Konfliktpunkte uneingeschränkt. Hinzu kommen die berufsrechtlichen Probleme, insbesondere die Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts. In
Bezug auf die Mandantendaten muss der Sachwalter dem Rechtsanwalt vertrauen
können, dass dieser die Mandate im Sinne des laufenden Insolvenzverfahrens bearbeitet.204 Es gilt als,o wie bei jedem Schuldner ein einvernehmliches Zusammenwirken
von Sachwalter und Schuldner anzustreben und gegebenenfalls ein auf den Einzelfall
zugeschnittenes Kooperationsmodell zu entwickeln.
C. Insolvenzplan
I. Der Insolvenzplan als Sanierungsinstrument
1. Einleitung
a.) Bedeutung und Begriff des Insolvenzplans
Die Einführung des Insolvenzplans (§§ 217 ff. InsO) stellt den Kern der Insolvenzrechtsreform dar.205 Angelehnt an Chapter 11 des U.S. Bankruptcy Code206 tritt der
Insolvenzplan an die Stelle von Vergleich und Zwangsvergleich207.
Der Insolvenzplan ist ein Instrument für die Beteiligten, um von den Vorschriften
der Insolvenzordnung abweichen zu können (§ 217 InsO). Im Rahmen eines Insolvenzplans können die Beteiligten versuchen, das Verfahrensziel der bestmöglichen
Gläubigerbefriedigung besser zu verwirklichen. Letztlich ist der Insolvenzplan nichts
anderes als die schriftliche Festlegung, auf welche Weise die Haftungsverwirklichung
zu Gunsten der Gläubiger erfolgen soll.208 Dabei spielt der Grundsatz der Gläubigerautonomie ebenso wie im Regelinsolvenzverfahren eine entscheidende Rolle, vgl. nur
§§ 222 - 226 InsO.
204 S. dazu oben unter § 3 B. III. 2., S. 65.
205 BT-Drucks. 12/2443, S. 90; Smid, Grundzüge, S. 16; Maus, Kölner Schrift II, 931; Grub,
WM 1994, 880.
206 Uhlenbruck-Lüer, InsO, Vor §§ 217-269, Rn. 3, 10, 13 ff.; Bork, Insolvenzrecht, Rn. 311;
Graf/Wunsch, ZIP 2001, 1029.
207 BT-Drucks. 12/2443, S. 90; Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, Rn. 773.
208 Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, Rn. 779.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Insolvenz des selbstständigen Rechtsanwalts zeichnet sich durch eine Kollision von insolvenz- und berufsrechtlichen Regelungen aus. Zuvorderst ist für den Rechtsanwalt in der Insolvenz der Erhalt seiner Zulassung von Bedeutung. Daneben stellen sich Fragen rund um die Verwertung, Freigabe oder Fortführung der Kanzlei, Sanierungsmöglichkeiten vor und in der Insolvenz, den Unterhalt des Rechtsanwalts im laufenden Insolvenzverfahren sowie den möglichen Schutz und Erhalt seiner Altersvorsorge. In berufsrechtlicher Hinsicht werden in dieser Arbeit neben Fragen rund um die Zulassung, wie Erhalt und Wiedererlangung der Zulassung, die Auswirkungen der Schweigepflicht des Rechtsanwalts im Insolvenzverfahren und das Verhältnis des Insolvenzverwalters zum Kanzleiabwickler untersucht. Dabei werden auch allgemeine Überlegungen zur Insolvenz des Selbstständigen und des Freiberuflers angestellt. Das Buch wendet sich insbesondere an Insolvenzrechtler und Rechtsanwälte.