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chen Recht zu sehen und damit eine Qualifizierung als öffentlich-rechtlich zu befürworten.
Einer Anwendung des § 82 I Nr. 5 GmbHG-E i.V.m. §§ 8 III, 39 III GmbHG
steht damit die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit nicht entgegen. Ein director einer in Deutschland domizilierenden englischen Limited kann sich
nach dem vom Regierungsentwurf beabsichtigten § 82 I Nr. 5 GmbHG-E strafbar
machen.999
II. § 15 a InsO-E
Auch bei dieser durch das Bundeskabinett vorgesehenen neuen Vorschrift ist zunächst zu untersuchen, wie diese international-privatrechtlich zu qualifzieren ist. Die
nun in § 15 a I InsO-E geregelte Insolvenzantragspflicht, ist derzeit noch in § 64 I
GmbHG zu finden. Die Tatsache, dass die Insolvenzantragspflicht und die als strafbar erklärte Insolvenzverschleppung im GmbHG geregelt wurden könnte auf eine
gesellschaftsrechtliche Materie hindeuten. Tatsächlich ist die Verortung dieser Vorschriften ims GmbHG historisch zu begründen und keine vom Gesetzgeber gewollte
dogmatische Einordnung oder bewusste Entscheidung.1000
Die „Verlegung“ der Insolvenzantragspflicht samt –verschleppung vom GmbHG
ins Insolvenzrecht spricht zudem dafür, dass der Regierungsentwurf die entsprechende Regelung eher als insolvenzrechtliche Materie einordnet. Ausweislich der
Begründung des Regierungsentwurfs wird mit der gesetzlich festgelegten Antragspflicht der Sinn und Zweck verfolgt, das Insolvenzverfahren rechtzeitig einzuleiten
um damit zum einen Altgläubiger vor einer weiteren Verringerung der Haftungsmasse und potentielle Neugläubiger vor einem Vertragsabschluss zu schützen.1001
Ferner für eine Einordnung als insolvenzrechtlich spricht, dass auch das Insolvenzantragsrecht bereits in der Insolvenzordnung geregelt ist und dass im internationalen
Vergleich mit England und Frankreich die dortigen vergleichbaren Regelungen
(wrong-trading-rule bzw. action en comblement de passif) vergleichbare Regelungen ebenfalls als insolvenzrechtlich qualifziert werden. Damit dürfte auch der Verweis der in § 15 a InsO-E in Gestalt der Absätze IV und V inkorporierten strafrechtlichen Vorschriften gem. § 84 I Nr. 2, II GmbHG auf die Insolvenzantragspflicht
gem. § 15 a I InsO-E bzw. § 64 I GmbHG derzeitige Fassung vor dem Hintergrund
der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit unproblematisch sein.
999 Dieses Ergebnis steht auch im Interesse der Einheit der Rechtsordnung. So hat der BGH in
seinem Beschluss vom 07. Mai 2007 (II ZB 7/06) festgestellt, dass eine Ablehnung der Eintragung einer Limited-Zweigniederlassung bei bestehendem Gewerbeverbot gegen den director einer Limited zulässig ist.
1000 Vgl. Begründung im RegEntwurf zu § 15 a InsO-E (Art. 9 Ziff. 3) S. 126; Bittmann,
GmbHR 2007, 70, 75 m.w.N.
1001 Vgl. Begründung im RegEntwurf zu § 15 a InsO-E (Art. 9 Ziff. 3) S. 126.
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Nach dem im Regierungsentwurf gem. § 15 a III, IV InsO-E könnte sich ein director einer Limited mit deutschem Verwaltungssitz damit einer Insolvenzverschleppung strafbar machen.
III. Ergebnis
Die Änderungen des Regierungsentwurfs zum MoMiG gegenüber dem Referentenentwurf zeigen besonders in dem in dieser Arbeit untersuchten strafrechtlichen
Ausschnitt deutliche Fortschritte im Bestreben der Schließung von Schutz- und
Strafbarkeitslücken, die vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Gerichtshofs
zur Niederlassungsfreiheit drohen. Mit der geplanten rechtsformübergreifenden Regelung der Strafbarkeit einer Insolvenzverschleppung in der Insolvenzordnung bzw.
durch die Ausdehnung des Wortlauts der Eignungstäuschung gem. § 82 I Nr. 5
GmbHG macht der Gesetzgeber klar, dass die Limited nicht zur Umgehung der
deutschen Insolvenzantragspflichten oder Berufs- oder Gewerbeverboten dienen
kann. Allerdings ist es fraglich, warum die strafrechtliche Regelung des § 84 I Nr. 2,
II GmbHG in § 15 a III, IV InsO-E inkorporiert wird und nicht als neuer Regelungstatbestand im Rahmen der §§ 283 ff StGB in das StGB Eingang gefunden hat. Dies
wäre von der Systematik her einleuchtender, schließlich enthält die Insolvenzordnung bislang keine Strafvorschriften, der vorgeschlagene Regelungsort im StGB wäre von der Thematik her überzeugend und ein eigener Straftatbestand würde dem
Regelungsinhalt der strafrechtlich verfolgbaren Insolvenzverschleppung auch zu
mehr Aufmerksamkeit verschaffen als eine Regelung in den Abs. III und IV des §
15 a InsO-E.1002
Die Bildung von einheitlichen, europäischen Strafrechtsvorschriften, die auf alle
Gesellschaften gleichermaßen angewendet werden können, bleibt mangels einer
Kompetenz der Gemeinschaft dahingehend1003 allenfalls Zukunftsmusik. Angesichts
der Reformbestrebungen könnte dieses Thema möglicherweise auch bald für die
deutsche GmbH interessant werden, wenn sie in Zukunft auch die Mögichkeit haben
wird, den Verwaltungssitz im Ausland zu unterhalten, so dass Satzungssitz und
Verwaltungssitz auseinanderfallen.1004 Für die GmbH würde die Sitztheorie damit
ihre Bedeutung zukünftig verlieren.
1002 So auch Bittmann, wistra 2007, 321, 322.
1003 Vgl. Ausführungen in Kapitel „Die Niederlassungsfreiheit“ unter B. II.
1004 Vgl. die durch den Regierungsentwurf und auch schon durch den Referentenentwurf zum
MoMiG beabsichtigte Streichung des § 4 a II GmbHG, S. 1, 65 bzw. S. 1, 37.
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References
Zusammenfassung
Das Werk befasst sich mit Fragen zur möglichen Strafbarkeit des directors einer englischen Limited nach deutschem Strafrecht und damit mit einem ebenso aktuellen wie vielschichtigen Problem, dessen praktische Relevanz und Zukunftsorientierung nicht genug betont werden kann. Anstoß der Überlegungen sind die Urteile des EuGH in den Rechtssachen „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“, in denen die Bedeutung der Niederlassungsfreiheit insbesondere in Bezug auf die inländische Anerkennung von sog. Scheinauslandsgesellschaften behandelt werden. Die Autorin analysiert die Auswirkungen dieser viel beachteten Rechtsprechung auf das deutsche Strafrecht. Im Zuge dessen werden ausgewählte deutsche Strafnormen auf ihre Relevanz im Lichte der EuGH-Rechtsprechung näher untersucht. Ferner gibt sie einen Überblick über die Haftungsmöglichkeiten eines directors einer Limited nach englischem Gesellschaftsrecht und untersucht intensiv verschiedene Haftungsvorschriften nach englischem Strafrecht. Schließlich geht das Buch auf die Reform des GmbH-Gesetzes ein und schließt mit einer Stellungnahme zu den relevanten geplanten Änderungen.