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B. Stellungnahme
Gerade in strafrechtlicher Hinsicht weist der Regierungsentwurf gegenüber dem
Referentenentwurf einige Änderungen und im Ergebnis auch Verbesserungen auf.
Während der Referentenentwurf an der Regelung der Pflicht zur Anmeldung der Insolvenz im GmbH-Gesetz noch keine Veränderung vorsah, sieht nunmehr der Regierungsentwurf vor, die materiellrechtlichen Regelung einschließlich der korrespondierenden Strafnorm im GmbH-Gesetz zu streichen und die Pflicht zur Anmeldung der Insolvenz einheitlich in einem neuen § 15 a InsO-En zu regeln. Diese Verlagerung der Insolvenzantragspflicht ins Insolvenzrecht und deren rechtsformneutrale Ausgestaltung ist vom Grundsatz her ebenso begrüßenswert wie die Ausdehnung
des Wortlauts des § 82 I Nr. 5 GmbHG. Aus strafrechtlicher Sicht ist vor dem Hintergrund des Analogieverbotes die rechtsformunabhängige Fassung der Bestimmung
über die Pflicht zur Insolvenzanmeldung und der entsprechenden Strafnorm unabdingbar.
Die Ausdehnung des Adressatenkreises in Bezug auf den Geschäftsführer einer
deutschen GmbH auf Geschäftsleiter einer inländischen oder ausländischen juristischen Person ist auch aus Sicht des jeweiligen Adressten bestimmt genug i.S.d. Art.
103 II GG, so dass er erkennen kann, dass sich die Vorschrift vom Grundsatz auch
an ihn wendet.
Unklar bleibt jedoch, warum der Regierungsentwurf die Wortlautänderung allein
auf den § 82 I Nr. 5 GmbHG begrenzt. In der Begründung wird auf § 13 g HGB-E
verwiesen, nachdem zukünftig auch bei einer Anmeldung einer inländischen Zweigniederlassung durch eine ausländische Gesellschaft mit beschränkter Haftung, also
beispielsweise auch durch eine englische Limited, eine Versicherung gem. §§ 8 III
bzw. 39 III GmbHG, auf die § 82 I Nr. 5 GmbHG verweist, über das Nichtvorliegen
von Bestellungshindernissen abgegeben werden muss. Hinsichtlich der übrigen Tatbestandsalternativen des § 82 GmbHG mag man argumentieren, dass auch bei einer
Ausdehnung des Adressatenkreises auf „Geschäftsleiter einer inländischen oder ausländischen juristischen Person“ eine Anwendbarkeit auf einen director einer Limited
schlicht aufgrund der inhaltlichen Regelung – es wird an für das deutsche GmbH-
Recht typischen Kapitalerbringungs- und Kapitalerhaltungsregeln angeknüpft - recht
schwierig ist. Nicht recht einleuchen will jedoch, warum im Regierungsentwurf
nicht auch eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 85 GmbHG vorgesehen
ist. Schließlich knüpft die Vorschrift allgemein an die unbefugte Offenbarung von
Betriebes- oder Geschäftsgeheimnissen an, die „ihm in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer“ bekannt geworden sind.
I. § 82 I Nr. 5 GmbHG-E
Abschließend genauerer Untersuchung bedarf schließlich die praktische Anwendbarkeit der durch den Regierungsentwurf vorgesehenen Änderungen der §§ 82 ff.
GmbHG auf die Strafbarkeit eines directors einer englischen Limited mit Verwal-
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tungssitz in Deutschland vor dem Hintergrund der bekannten Rechtsprechung des
EuGH zur Niederlassungsfreiheit. So sind die vorgesehenen Vorschriften des § 82 I
Nr. 5 GmbHG-E und des § 15 a InsO-E im Gegensatz zur jetzigen Rechtslage vom
Wortlaut her auf einen director einer Limited anwendbar. Jedoch ist damit noch
nicht die Frage beantwortet, wie sich der Verweis des § 82 I Nr. 5 GmbHG auf die
§§ 8 III und 39 III GmbHG hinsichtlich der Problematik Gründungs- oder Zuzugsrecht auswirkt. ob im Rahmen der Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut die entsprechenden Vorschriften des englischen Rechts heranzuziehen sind.
Zu untersuchen ist damit, ob die Vorschriften der §§ 8 III, 39 III GmbHG, auf die
§ 82 I Nr. 5 GmbHG-E verweist primär dem Gesellschaftsrecht oder dem öffentlichen Recht zuzuweisen sind. Im ersteren Fall wäre nach dem Gesellschaftsstatut
nicht das Zuzugsrecht, sondern das Gründungsrecht anzuwenden. Kommt man zu
dem Ergebnis,dass die Vorschriften auf die in § 82 I Nr. 5 GmbHG-E verwiesen
wird, dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind, somit nicht in das Gesellschaftsstatut
fallen und damit auch einem director einer englischen Limited gegenüber anwendbar
sind. Dieser Unterscheidungsschwerpunkt ist mit der vorgestellten Rechtsprechung
des EuGH zur Niederlassungsfreiheit zu begründen, wonach das Gründungsrecht für
alle an das Gesellschaftsrecht anknüpfenden Vorschriften als Maßstab zu beachten
ist.
Die Vorschrift des § 82 I Nr. 5 GmbHG dient in seiner aktuellen Fassung und
damit konsequenterweise auch in der vom Bundeskabinett vorgestellten Fassung lediglich der Erleichterung des Registergerichts, das keinen Bundeszentralregisterauszug einzuholen braucht.997 Ebenfalls dem Registergericht die Prüfung erleichtern
soll die nach § 8 III bzw. § 39 III GmbHG vorgesehene Versicherung, auf die § 82 I
Nr. 5 GmbHG alte und neue Fassung verweist.998 Dies spricht allesamt für eine international-privatrechtliche Einordnung der Vorschriften als öffentlich-rechtlich. Ein
weiteres Argument für einen öffentlich-rechtlichen Charakter ist, dass hinter den abzugebenden Versicherungen auch ein allgemeiner Gedanke des Gläubigerschutzes
steht, indem einschlägig vorbestrafte Personen, die sich als Geschäftsleiter einer juristischen Person als unzuverlässig erwiesen haben, nicht mehr als solche fungieren
können sollen.
Als gesellschaftsrechtlicher Anhaltspunkt kann demgegenüber die Verortung der
Vorschriften im GmbHG herangezogen werden und der allgemeine Anwendungsbereich der Vorschriften im Rahmen der Anmeldung der Gesellschaft bzw. der Geschäftsführer beim Registergericht.
Vor dem Hintergrund, dass die §§ 8 III, 39 III GmbHG im Grunde lediglich eine
Erleichterung für das Registergericht darstellen, damit dieses nicht für jede Anmeldung einen Auszug beim Bundeszentralregister einholen muss und dass die Verortung einer Vorschrift in einem bestimmten Gesetz lediglich ein Indiz für die international-privatrechtliche Einordnung sein kann, ist der Schwerpunkt klar im öffentli-
997 Lutter / Hommelhoff-Lutter / Kleindiek, § 82 Rn. 27 m.w.N.
998 Lutter / Hommelhoff-Lutter / Bayer, § 8 Rn. 14; Lutter / Hommelhoff-Lutter / Hommelhoff,
§ 39 Rn. 9 f.
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chen Recht zu sehen und damit eine Qualifizierung als öffentlich-rechtlich zu befürworten.
Einer Anwendung des § 82 I Nr. 5 GmbHG-E i.V.m. §§ 8 III, 39 III GmbHG
steht damit die Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit nicht entgegen. Ein director einer in Deutschland domizilierenden englischen Limited kann sich
nach dem vom Regierungsentwurf beabsichtigten § 82 I Nr. 5 GmbHG-E strafbar
machen.999
II. § 15 a InsO-E
Auch bei dieser durch das Bundeskabinett vorgesehenen neuen Vorschrift ist zunächst zu untersuchen, wie diese international-privatrechtlich zu qualifzieren ist. Die
nun in § 15 a I InsO-E geregelte Insolvenzantragspflicht, ist derzeit noch in § 64 I
GmbHG zu finden. Die Tatsache, dass die Insolvenzantragspflicht und die als strafbar erklärte Insolvenzverschleppung im GmbHG geregelt wurden könnte auf eine
gesellschaftsrechtliche Materie hindeuten. Tatsächlich ist die Verortung dieser Vorschriften ims GmbHG historisch zu begründen und keine vom Gesetzgeber gewollte
dogmatische Einordnung oder bewusste Entscheidung.1000
Die „Verlegung“ der Insolvenzantragspflicht samt –verschleppung vom GmbHG
ins Insolvenzrecht spricht zudem dafür, dass der Regierungsentwurf die entsprechende Regelung eher als insolvenzrechtliche Materie einordnet. Ausweislich der
Begründung des Regierungsentwurfs wird mit der gesetzlich festgelegten Antragspflicht der Sinn und Zweck verfolgt, das Insolvenzverfahren rechtzeitig einzuleiten
um damit zum einen Altgläubiger vor einer weiteren Verringerung der Haftungsmasse und potentielle Neugläubiger vor einem Vertragsabschluss zu schützen.1001
Ferner für eine Einordnung als insolvenzrechtlich spricht, dass auch das Insolvenzantragsrecht bereits in der Insolvenzordnung geregelt ist und dass im internationalen
Vergleich mit England und Frankreich die dortigen vergleichbaren Regelungen
(wrong-trading-rule bzw. action en comblement de passif) vergleichbare Regelungen ebenfalls als insolvenzrechtlich qualifziert werden. Damit dürfte auch der Verweis der in § 15 a InsO-E in Gestalt der Absätze IV und V inkorporierten strafrechtlichen Vorschriften gem. § 84 I Nr. 2, II GmbHG auf die Insolvenzantragspflicht
gem. § 15 a I InsO-E bzw. § 64 I GmbHG derzeitige Fassung vor dem Hintergrund
der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit unproblematisch sein.
999 Dieses Ergebnis steht auch im Interesse der Einheit der Rechtsordnung. So hat der BGH in
seinem Beschluss vom 07. Mai 2007 (II ZB 7/06) festgestellt, dass eine Ablehnung der Eintragung einer Limited-Zweigniederlassung bei bestehendem Gewerbeverbot gegen den director einer Limited zulässig ist.
1000 Vgl. Begründung im RegEntwurf zu § 15 a InsO-E (Art. 9 Ziff. 3) S. 126; Bittmann,
GmbHR 2007, 70, 75 m.w.N.
1001 Vgl. Begründung im RegEntwurf zu § 15 a InsO-E (Art. 9 Ziff. 3) S. 126.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Das Werk befasst sich mit Fragen zur möglichen Strafbarkeit des directors einer englischen Limited nach deutschem Strafrecht und damit mit einem ebenso aktuellen wie vielschichtigen Problem, dessen praktische Relevanz und Zukunftsorientierung nicht genug betont werden kann. Anstoß der Überlegungen sind die Urteile des EuGH in den Rechtssachen „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“, in denen die Bedeutung der Niederlassungsfreiheit insbesondere in Bezug auf die inländische Anerkennung von sog. Scheinauslandsgesellschaften behandelt werden. Die Autorin analysiert die Auswirkungen dieser viel beachteten Rechtsprechung auf das deutsche Strafrecht. Im Zuge dessen werden ausgewählte deutsche Strafnormen auf ihre Relevanz im Lichte der EuGH-Rechtsprechung näher untersucht. Ferner gibt sie einen Überblick über die Haftungsmöglichkeiten eines directors einer Limited nach englischem Gesellschaftsrecht und untersucht intensiv verschiedene Haftungsvorschriften nach englischem Strafrecht. Schließlich geht das Buch auf die Reform des GmbH-Gesetzes ein und schließt mit einer Stellungnahme zu den relevanten geplanten Änderungen.