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Wie auch beim Kreditbetrug handelt es sich beim Kapitalanlagebetrug um ein
Vermögensgefährungsdelikt im Vorfeld des Betruges.572 Der Wortlaut des § 264 a
StGB ist hinsichtlich seines Adressatenkreises offen formuliert 573, so dass ein Limited-director als tauglicher Täter grundsätzlich in Betracht kommt. Der Tatbestand
setzt voraus, dass der Täter in einem Werbemittel unrichtige Informationen verbreitet, die geeignet sind, Anlass zu irrtumsbedingten Anlageentscheidungen zu geben.
Dabei bezieht sich die Täuschungshandlung des § 264 a I StGB auf Anlagewerte eines Unternehmens bzw. auf Anlagewerte eines Vermögens, das ein Unternehmen
treuhänderisch verwaltet.574 Eine korporative Anknüpfung an die Haftungs- oder
Organisationsverfassung ist nicht gegeben. Der Tatbestand des Kapitalanlagebetruges bietet damit keinen Anwendungsbereich für das anzuerkennende Gesellschaftsrecht des Gründungsstaates.
Einer Anwendbarkeit der Vorschrift des § 264 a StGB auf den director einer in
Deutschland ansässigen Limited steht damit nichts entgegen.
H. Zusammenfassung
Eine Anwendbarkeit der §§ 82 ff. GmbHG auf den director scheitert an dem formell i.S.d. GmbH-Gesetzes auszulegenden Geschäftsführerbegriff. Eine analoge
Anwendung scheitert an dem im Strafrecht geltenden Verbot strafbegründender Analogie gem. Art. 103 II GG, § 1 StGB.
Die Organ- und Vertreterhaftung des § 14 StGB weist anhand ihrer Anknüpfung
an die Struktur der Gesellschaft eine korporative Wirkung auf. Sie schafft in Verbindung mit der an einen begrenzten Adressatenkreis gerichteten Strafnorm ein eigenständiges Strafdelikt. Aufgrund dieser Einheit ist § 14 StGB nicht einzeln nach
dem Gründungsstatut zu bewerten, sondern nur als Einheit mit dem jeweils anzuwendenden Straftatbestand zu beurteilen, der gleichsam mit der Gesellschaftsrechtsakzessorietät des § 14 StGB „infiziert“ wird.
Die Insolvenzstraftatbestände §§ 283 I Nr. 5-7, 283 b I Nr. 1-3 StGB weisen
durch den Rückgriff auf Rechnungslegungsvorschriften gesellschaftsrechtliche Akzessorietät auf. In diesem Bereich ist auf die entsprechenden englischen Rechnungslegungsvorschriften zurückzugreifen. Eine solche Fremdrechtsanwendung ist auch
mit den Verfassungsprinzipien Bestimmtheitsgebot und Parlamentsvorbehalt vereinbar. Insolvenzakzessorische Begriffe sind nach der deutschen Insolvenzordnung
auszulegen.
Die objektive Strafbarkeitsbedingung nach § 283 VI StGB hat eine strafbegrenzende Funktion und ist als Anknüpfungspunkt im Rahmen von § 9 I Alt. 3 StGB zur
572 S / S-Lenckner / Perron, § 264 a Rn. 1 m.w.N.
573 S / S-Lenckner / Perron, § 264 a Rn. 38.
574 S / S-Lenckner / Perron, § 264 a Rn. 4, 34.
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Eröffnung des Anwendungsbereichs des deutschen Strafrechts bei Begehung der Tat
im Ausland nicht geeignet.
Auch die Strafvorschrift des § 331 HGB weist durch die Bezugnahme auf den Bereich der Rechnungslegung eine Gesellschaftsrechtsakzessorietät auf. Auch wenn
ein director durch Auslegung unter den von den Tatbeständen des § 331 StGB verwendeten Organbegriff subsumierbar ist, so scheitert eine Strafbarkeit eines directors einer englischen Limited nach § 331 HGB gleichwohl an der Nichtvereinbarkeit
des durch die Niederlassungsfreiheit gebotenen Rückgriffs auf das englische Gründungsstatut im Rahmen der Rechnungslegung an dem Verbot strafbegründender
Analogie gem. Art. 103 II GG.
Die Untreuestrafbarkeit eines directors gem. § 266 StGB zu Lasten des Gesellschaftsvermögens ist im Hinblick auf das Vorliegen einer Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht nach englischen Gesellschaftsrecht zu beurteilen. Verfassungsrechtliche Bedenken greifen nicht durch. Es ist insbesondere der Parlamentsvorbehalt gewahrt, da der Schwerpunkt des Pflichtdelikts des § 266 I StGB in dem
Erfordernis einer Vermögensbetreuungspflicht und einer Verletzung derselben besteht. Die konkrete Ausgestaltung dieser Pflicht ist als nicht wesentlich im Rahmen
des Untreuetatbestandes zu erachten, da sie für den Untreuestraftatbestand selbst
nicht wesensgebend ist.
Das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt weist selbst keine Gesellschaftsrechtsakzessorietät auf. Eine Strafbarkeit des directors nach § 266 a StGB
setzt jedoch die Anwendung der Organ- und Vertreterhaftung nach § 14 StGB voraus, da nicht er, sondern die Limited den Angestellten gegenüber den von § 266 a
StGB adressierten Arbeitgeber darstellt. Eine korporative Wirkung entsteht durch
die verbundene Anwendung des § 266 a StGB mit § 14 StGB.
Die Strafvorschriften der §§ 265 b, 264 a StGB weisen keine korporative Wirkung auf und stellen somit aufgrund der teleologischen Reduktion des Schutzbereichs der Niederlassungsfreiheit durch die sinngemäße Anwendung der „Keck“-
Grundsätze keinerlei Beschränkung dar.
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References
Zusammenfassung
Das Werk befasst sich mit Fragen zur möglichen Strafbarkeit des directors einer englischen Limited nach deutschem Strafrecht und damit mit einem ebenso aktuellen wie vielschichtigen Problem, dessen praktische Relevanz und Zukunftsorientierung nicht genug betont werden kann. Anstoß der Überlegungen sind die Urteile des EuGH in den Rechtssachen „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“, in denen die Bedeutung der Niederlassungsfreiheit insbesondere in Bezug auf die inländische Anerkennung von sog. Scheinauslandsgesellschaften behandelt werden. Die Autorin analysiert die Auswirkungen dieser viel beachteten Rechtsprechung auf das deutsche Strafrecht. Im Zuge dessen werden ausgewählte deutsche Strafnormen auf ihre Relevanz im Lichte der EuGH-Rechtsprechung näher untersucht. Ferner gibt sie einen Überblick über die Haftungsmöglichkeiten eines directors einer Limited nach englischem Gesellschaftsrecht und untersucht intensiv verschiedene Haftungsvorschriften nach englischem Strafrecht. Schließlich geht das Buch auf die Reform des GmbH-Gesetzes ein und schließt mit einer Stellungnahme zu den relevanten geplanten Änderungen.