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schaftsrecht bestimmt. So kann insoweit in der Grundkonstellation beispielsweise
ein Auftrag oder eine Vollmacht das Treueverhältnis bestimmen. Im Zivilrecht
selbst ist aber eine Rechtswahl zulässig. Das bedeutet, dass im Falle einer dem
Treueverhältnis zugrundeliegenden Vollmacht Normen eines anderen Rechtskreises
anzuwenden wäre, wenn in der Vollmacht eine Rechtswahl getroffen würde. Die
Vereinbarkeit der anzuwendenden Vorschriften eines fremden Rechtskreises zur
Beurteilung des Treueverhältnisses und der Prüfung, ob ein Verstoß gegen eine
Vermögensbetreuungspflicht vorliegt, mit dem Parlamentsvorbehalt kann nicht
ernsthaft in Zweifel gezogen werden. Es ist nicht ersichtlich, warum aber etwas anderes für die Bestimmung des Inhalts der Treuepflicht durch ausländisches Gesellschaftsrecht gelten soll.
Daraus folgt, dass der Grundsatz des Parlamentsvorbehalts bei der Anwendung
des Untreuetatbestands in Verbindung mit englischem Gesellschaftsrecht gewahrt
wird. Das Parlament hat bei § 266 I StGB der Wesentlichkeitstheorie entsprechend,
die wesentlichen Entscheidungen selbst getroffen.
II. Fazit
Die Frage der Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht ist nach englischem
Recht zu beurteilen.540 Verfassungsrechtliche Grundsätze gegen eine solche Fremdrechtsanwendung innerhalb des § 266 I StGB stehen nicht entgegen. Eine Untreuestrafbarkeit eines Limited-directors erscheint insofern als möglich.
E. Strafrechtliche Sonderdelikte i.V.m. § 14 StGB
I. § 266 I i.V.m. § 14 StGB
Neben einer Strafbarkeit gem. § 266 I StGB aufgrund einer Untreue des Geschäftsleiters gegenüber seiner Gesellschaft ist darüber hinaus auch eine Untreue
gegenüber Dritten möglich. Vor allem aus Geschäftsbesorgungs- oder Kommissionsvertrag bzw. Auftrag kommt eine Treuepflichtigkeit in Betracht.541 Dabei ist jedoch zu beachten, dass das Betreuungsverhältnis nicht zwischen dem Dritten und
dem Geschäftsleiter entsteht, sondern zwischen dem Dritten und der Gesellschaft.
Da das Untreuedelikt ein Sonderdelikt dahingehend ist, dass eine Strafbarkeit eine
Vermögensbetreuungspflicht des Täters voraussetzt, ist eine Strafbarkeit des direc-
540 Ebenso: Riegger, ZGR 2004, 510, 526.
541 LK-Schünemann, § 266 Rn. 48, 60 ff.; Scholz-Tiedemann, GmbHG, Vor §§ 82 ff., Rn. 16;
MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 69, 90.
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References
Zusammenfassung
Das Werk befasst sich mit Fragen zur möglichen Strafbarkeit des directors einer englischen Limited nach deutschem Strafrecht und damit mit einem ebenso aktuellen wie vielschichtigen Problem, dessen praktische Relevanz und Zukunftsorientierung nicht genug betont werden kann. Anstoß der Überlegungen sind die Urteile des EuGH in den Rechtssachen „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“, in denen die Bedeutung der Niederlassungsfreiheit insbesondere in Bezug auf die inländische Anerkennung von sog. Scheinauslandsgesellschaften behandelt werden. Die Autorin analysiert die Auswirkungen dieser viel beachteten Rechtsprechung auf das deutsche Strafrecht. Im Zuge dessen werden ausgewählte deutsche Strafnormen auf ihre Relevanz im Lichte der EuGH-Rechtsprechung näher untersucht. Ferner gibt sie einen Überblick über die Haftungsmöglichkeiten eines directors einer Limited nach englischem Gesellschaftsrecht und untersucht intensiv verschiedene Haftungsvorschriften nach englischem Strafrecht. Schließlich geht das Buch auf die Reform des GmbH-Gesetzes ein und schließt mit einer Stellungnahme zu den relevanten geplanten Änderungen.