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III. Fazit
Es hat sich gezeigt, dass eine Negierung der Rechtsfähigkeit bzw. die Umqualifizierung in eine Personengesellschaft deutschen Rechts gegen die Niederlassungsfreiheit einer EU-Auslandsgesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland verstößt.
Die Gesellschaft ist als solche anzuerkennen.
Die Reichweite der durch die Art. 43, 48 EG gebotene Gründungsanknüpfung beschränkt sich nicht auf den Bereich von Rechtsfähigkeit und Gründung, sondern umfasst nach der Rechtsprechung des EuGH das Gesellschaftsrecht als Ganzes. Gemessen an den Anforderungen der Niederlassungsfreiheit kann insofern von einer kollisionsrechtlichen Wirkung der Niederlassungsfreiheit gesprochen werden.63 Zugezogene EU-Auslandsgesellschaften tragen damit ihr „gesellschaftsrechtliches Gewand
auch im Sitzstaat“64.
Der EuGH kann mithin ohne Übertreibung als „Motor des Wettbewerbs der Gesellschaftsformen“65 beschrieben werden: dem deutschen Unternehmer steht nun –
auch bei einem beabsichtigten Verwaltungssitz in Deutschland – neben den Rechtsformen der AG oder der GmbH die Wahl unter den vielzähligen Kapitalgesellschaftsformen der Mitgliedstaaten der EU offen.
B. Auswirkung auf das deutsche Strafrecht
I. Verhältnis Gemeinschaftsrecht - nationales Strafrecht
Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit
ist zu untersuchen, ob der Grundsatz: „Der Staat darf auf alle Handlungen, die auf
seinem Territorium begangen werden, seine Strafgesetze anwenden [...]“66 als eines
vom mehreren grundlegenden Prinzipien des deutschen Strafanwendungsrechts67
uneingeschränkt weiter Gültigkeit beanspruchen kann. Die Unterwerfung unter das
63 Rehm, in: Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht m.w.N., §
2 Rn. 66; Eidenmüller / Rehm, ZGR 2004, 159, 166; Leible, in: Hirte / Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, § 3 Rn. 10.
64 Eidenmüller / Rehm, ZGR 2004, 159, 161.
65 Triebel / von Hase / Melerski, in: Triebel / von Hase / Melerski, Die Limited in Deutschland, Vorwort S. V.
66 Oehler, Internationales Strafrecht, Rn. 152.
67 Neben dem Territorialitätsprinzip als Ausgangsprinzip des deutschen Strafanwendungsrechts, bei dem an den Begehungsort der Tat angeknüpft wird, gibt es im Rahmen von
grenzüberschreitenden Sachverhalten eine Reihe weiterer Prinzipien des internationalen
Strafrechts z.B. (aktives/passives) Personalitätsprinzip (Staatsangehörigkeit des Täters/Opfers), Schutzprinzip (Schutz bestimmter inländischer Rechtsgüter); zur Vertiefung
Ambos, Internationales Strafrecht, §§ 1-4; Hacker, Europäisches Strafrecht, § 2 Rn. 13 ff.
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References
Zusammenfassung
Das Werk befasst sich mit Fragen zur möglichen Strafbarkeit des directors einer englischen Limited nach deutschem Strafrecht und damit mit einem ebenso aktuellen wie vielschichtigen Problem, dessen praktische Relevanz und Zukunftsorientierung nicht genug betont werden kann. Anstoß der Überlegungen sind die Urteile des EuGH in den Rechtssachen „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“, in denen die Bedeutung der Niederlassungsfreiheit insbesondere in Bezug auf die inländische Anerkennung von sog. Scheinauslandsgesellschaften behandelt werden. Die Autorin analysiert die Auswirkungen dieser viel beachteten Rechtsprechung auf das deutsche Strafrecht. Im Zuge dessen werden ausgewählte deutsche Strafnormen auf ihre Relevanz im Lichte der EuGH-Rechtsprechung näher untersucht. Ferner gibt sie einen Überblick über die Haftungsmöglichkeiten eines directors einer Limited nach englischem Gesellschaftsrecht und untersucht intensiv verschiedene Haftungsvorschriften nach englischem Strafrecht. Schließlich geht das Buch auf die Reform des GmbH-Gesetzes ein und schließt mit einer Stellungnahme zu den relevanten geplanten Änderungen.