168
C. Ad-hoc-Publizität
Ebenso wie beim Insiderrecht bietet es sich bei bei der Ad-hoc-Publizitätspflicht an,
zwischen unterschiedlichen Transaktionsgestaltungen zu differenzieren. Vertiefend
ist auf öffentliche Übernahmeangebote, einfache öffentliche Erwerbsangebote sowie
den Pakethandel einzugehen.
1. Ad-hoc-Publizität bei Übernahmeangeboten
a) Den Bieter betreffende Problemstellungen.
Anders als bei der Zielgesellschaft nach §§ 2 Abs. 3, 1 Abs. 3 WpÜG kann in Bezug
auf den Bieter nach § 2 Abs. 4 WpÜG nicht prinzipiell davon ausgegangen werden,
dass es sich um einen Inlandsemittenten nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG handelt.737
Wenn eine Bietergesellschaft jedoch eine Inlandsemittentin ist, welche die Vorgaben
zur Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 WpHG beachten muss, wird sich aus den in
der Konsequenz anzuwendenden verbandsrechtlichen Regelungen ergeben, dass die
Zustimmung verschiedener Organe der Bietergesellschaft erforderlich ist, damit ein
Übernahmevorhaben durchgeführt werden kann.738 Die Bietergesellschaft trifft die
Entscheidung über die Abgabe eines Übernahmeangebots folglich im Rahmen eines
so genannten mehrstufigen Entscheidungsprozesses.739 Grundsätzlich muss insofern
davon ausgegangen werden, dass eine Befreiung von der Verpflichtung zur Abgabe
einer Ad-hoc-Meldung besteht, bis ein solcher mehrstufiger Entscheidungsprozess
zum Abschluss gekommen ist.
Nicht übersehen werden sollte indes, dass es bereits an einer Insiderinformation
fehlt, wenn die Entscheidung über die Abgabe eines Übernahmeangebots bezüglich
der Papiere der Bietergesellschaft keine Kurserheblichkeit entfaltet. Dies kann etwa
der Fall sein, wenn der Zielgesellschaft eine deutlich geringere Marktkapitalisierung
zukommt als der Bietergesellschaft. Auch bei einem größeren Übernahmevorhaben
kann jedoch nicht prinzipiell von der Kurserheblichkeit hinsichtlich der Papiere der
Bietergesellschaft ausgegangen werden. Denn empirische Studien haben aufgezeigt,
dass der Kurs der Papiere der Zielgesellschaft regelmäßig erheblich ansteigen wird,
die Papiere der Bietergesellschaft dagegen oft erst langfristig von einer signifikanten
positiven oder auch negativen Kursentwicklung betroffen sind.740
737 Vgl. Teil 1, IV. B. 1. Die Zielgesellschaft muss ein solcher Emittent sein, da sonst schon der
Anwendungsbereich des WpÜG nicht eröffnet wäre, vgl. Santelmann, in: Steinmeyer/Häger,
§ 1 Rn. 34, § 2 Rn. 10.
738 Vgl. dazu Assmann, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, § 10 Rn. 15; Santelmann/Steinhardt, in:
Steinmeyer/Häger, § 10 Rn. 16.
739 Vgl. Teil 1, IV. B. 3. a) bb) (3) (b).
740 Hirte, in: KölnKomm. WpÜG, Einl. Rn. 5 f., m.w.N.
169
Dass die Entscheidung eines Bieters zur Abgabe eines Übernahmeangebots auch
dann unverzüglich zu veröffentlichen ist, falls die Kurserheblichkeit verneint werden
muss, ergibt sich aber aus § 10 Abs. 1, 3 WpÜG.741 Bei der Fragestellung, wann von
einer Entscheidung des Bieters zur Abgabe eines Angebots auszugehen ist, müssen
die gesellschaftsrechtlichen Anforderungen an die interne Entscheidungsfindung bei
einer Bietergesellschaft respektiert werden. Dies zeigt ein Umkehrschluss, welcher
aus § 10 Abs. 1 Satz 2 WpÜG abzuleiten ist. Denn wenn die gesellschaftsrechtlichen
Vorgaben nicht zu beachten wären, müsste an dieser Stelle nicht klargestellt werden,
dass die fehlende Zustimmung der Gesellschafterversammlung grundsätzlich nichts
daran zu ändern vermag, dass gesellschaftsintern über die Abgabe eines öffentlichen
Angebots bereits entschieden wurde. Der Zeitpunkt, zu dem die Publikationspflicht
nach § 10 Abs. 1, 3 WpÜG entsteht, ist folglich mit dem Zeitpunkt identisch, in dem
die herrschende Meinung vor dem Inkrafttreten des AnSVG davon ausging, dass die
Verpflichtung zur Abgabe einer Ad-hoc-Meldung nach § 15 WpHG a.F. entstand.742
Aus § 10 Abs. 6 WpÜG könnte mithin folgen, dass eine Befreiung des Bieters von
der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 3 WpHG bis zur Entscheidung über die
Abgabe eines Übernahmeangebots überhaupt nicht erforderlich ist, da ohnehin eine
Verdrängung durch die speziellere Regelung des § 10 Abs. 1, 3 WpÜG stattfindet. 743
Nach zutreffender Auffassung kann eine Verdrängung der Ad-hoc-Publizitätspflicht
durch die speziellere Regelung des § 10 Abs. 1, 3 WpÜG aber nur insoweit erfolgen,
als tatsächlich eine entsprechende Veröffentlichung vorgenommen wird. Denn durch
§ 10 Abs. 6 WpÜG soll lediglich eine Doppelung der Meldungen verhindert werden.
Würde die Verdrängung der allgemeinen Ad-hoc-Publizitätspflicht weiter reichen,
hätte dies die unter Transparenzgesichtspunkten schwerlich tragbare Folge, dass eine
Ad-hoc-Meldung im Vorfeld der Entscheidung eines Bieters über die Abgabe eines
Übernahmeangebots selbst dann unterbleiben könnte, wenn die Vertraulichkeit der
entsprechenden Insiderinformation nicht länger sichergestellt ist. Die Verpflichtung
zur Agbabe einer Ad-hoc-Meldung kann deshalb nur im Hinblick auf die endgültige
Entscheidung des Bieters zur Abgabe eines Angebots entfallen.744
741 Keine Rolle spielt insoweit, ob der Bieter ein Inlandsemittent nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG
ist, vgl. Santelmann/Steinhardt, in: Steinmeyer/Häger, § 10 Rn. 1 f.
742 Vgl. Assmann, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, § 10 Rn. 15; Walz, in: FrankKomm. WpÜG,
§ 10 Rn. 24. Ebenso noch Kümpel/Assmann, in: Assmann/ Schneider, 3. Aufl., § 15 Rn. 110.
Auch Stimmen, die bereits vor Inkrafttreten des AnSVG eine Zustimmung des Aufsichtsrats
nicht für zwingend erforderlich hielten, um eine Ad-hoc-Publizitätspflicht zu bejahen, fordern
diese bei § 10 Abs. 1, 3 WpÜG, vgl. Braun, in: Möllers/Rotter, § 7 Rn. 24.
743 Für so eine umfassende Verdrängung Assmann, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, § 10 Rn. 79;
Kümpel/Assmann, in: Assmann/Schneider, 3. Aufl., § 15 Rn. 112.
744 Mittlerweile kann insoweit offenbar von einer allgemeinen Meinung gesprochen werden, vgl.
Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 75, BaFin, Emittentenleitfaden, S. 46 f.;
Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 651 ff.; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, § 15 WpHG
Rn. 12 ff.; Noack, in: KMRK, § 10 WpÜG Rn. 40; Santelmann/Steinhardt, in: Steinmeyer/
Häger, § 10 Rn. 53; Sickinger, in: Rückert/Kuthe/Sickinger, 10. Kap. Rn. 57 ff.; Versteegen,
in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rn. 134. Vgl. zur Problematik auch Begründung RegE WpÜG,
BT-Drucksache 14/7034, S. 40.
170
Das Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 08.07.2006 hat bestätigt, dass
eine Doppelung von Meldungen über die Entscheidung zur Abgabe eines Angebots
vermieden werden soll.745 Denn die Regelungen, welche die Art der Publikation der
Entscheidung zur Abgabe eines Angebots nach § 10 Abs. 3 WpÜG betreffen, sind
an die Vorgaben angepasst worden, die nach der Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie für die allgemeine Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 WpHG gelten.746
Versäumt hat es der Gesetzgeber aber, bei der Umsetzung der Transparenzrichtlinie,
also mit Inkrafttreten des TUG und den daraus folgenden Änderungen der WpAIV,
erneut für einen Gleichlauf dieser Anforderungen zu sorgen. Wie bereits dargestellt,
müssen bei der Ad-hoc-Publizitätspflicht inzwischen sowohl die Anforderungen aus
§ 5 WpAIV als auch die Anforderungen aus § 3a WpAIV berücksichtigt werden.747
Dies beachtet § 10 Abs. 3 WpÜG nicht. Nach den europäischen Vorgaben wäre ein
Gleichlauf jedoch erforderlich, da eine Ausnahme von der Ad-hoc-Publizitätspflicht
bei öffentlichen Übernahmeangeboten weder in der Übernahmerichtlinie noch in der
Transparenzrichtlinie vorsehen ist. Lediglich daraus, dass die Übernahmerichtlinie
in Art. 6 Abs. 1, 8 Abs. 2 überhaupt Regelungen in Bezug auf die Entscheidung zur
Abgabe eines Angebots vorgibt, ist nicht auf eine stillschweigende Verdrängung der
Ad-hoc-Publizitätspflicht zu schließen.748 Die Marktmissbrauchsrichtlinie enthält so
eine Ausnahmeregelung ebensowenig, weswegen § 10 Abs. 6 WpÜG bereits in dem
Zeitraum nach Ablauf der Umsetzungsfrist der Marktmissbrauchsrichtlinie und vor
Inkrafttreten des Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetzes mit den europäischen
Vorgaben unvereinbar war. Denn für eine europarechtskonforme Auslegung belässt
§ 10 Abs. 6 WPÜG, der § 15 WpHG explizit für unanwendbar erklärt, keinen Raum.
Die geltende nationale Rechtslage ist ebenfalls als europarechtswidrig zu bewerten.
Den betroffenen Bietern vermittelt dieser Befund indes keinen Anlass zur Besorgnis.
Eine direkte vertikale Wirkung der europäischen Richtlinienvorgaben zu Lasten der
betroffenen Privatrechtssubjekte, die ordnungsrechtliche Folgen zu fürchten hätten,
kommt nicht in Betracht.749 Der nationale Gesetzgeber ist demgegenüber gehalten,
diesen Zustand so schnell wie möglich zu beseitigen.750
745 BGBl. 2006 I, S. 1426.
746 Begründung RegE WpÜG-Änderungsgesetz, BT-Drucksache 16/1003, S. 18.
747 Vgl. Teil 1, IV. B. 7. c)
748 Selbst wenn man dies für vertretbar halt, könnte eine Verdrängung doch nur im Hinblick auf
Angebote erfolgen, welche die Übernahmerichtlinie erfasst. § 10 Abs. 6 WpÜG bezieht sich
jedoch auch auf einfache öffentliche Erwerbsangebote, die nicht in den Anwendungsbereich
der Übernahmerichtlinie fallen, vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. a der Übernahmerichtlinie.
749 Streinz, Europarecht, Rn. 446, mit Nachweisen zur Rechtsprechung des EUGH.
750 Möglich wäre insoweit eine Streichung von § 10 Abs. 6 WpÜG. Dann müsste in Fällen, in
denen die Entscheidung zur Abgabe eines Angebots eine Insiderinformation darstellt und von
einem der Ad-hoc-Publizitätspflicht unterfallenden Emittenten gefällt wird, eine Doppelung
der Meldungen in Kauf genommen werden. Sinnvoller erscheint es deswegen, in § 10 Abs. 3
WpÜG zukünftig auf §§ 3a, 5 WpAIV zu verweisen und so eine Doppelung von Meldungen
weiterhin zu vermeiden. Streng genommen müsste auch eine entsprechende Anwendung der
Vorgaben bezüglich des Inhalts der Meldung nach § 4 WpAIV und der Sprache der Meldung
nach § 3b WpAIV angeordnet werden.
171
Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass ein Bieter eine Ad-hoc-Meldung über die
Planung eines öffentlichen Übernahmeangebots grundsätzlich so lange aufschieben
darf, bis der gesellschaftsinterne mehrstufige Entscheidungsprozess über die Abgabe
eines Angebots seinen Abschluss gefunden hat. Hat dieser Prozess seinen Abschluss
gefunden, muss nach § 10 Abs. 1, 3 WpÜG aber unabhängig von der Frage nach der
Kurserheblichkeit der geplanten Übernahme für die Papiere des Bieters unverzüglich
eine Veröffentlichung erfolgen. Umfasst diese Veröffentlichung auch die Eckdaten
des Angebots, ist nach § 10 Abs. 6 WpÜG keine zusätzliche Ad-hoc-Meldung mehr
erforderlich, wodurch eine Doppelung der Meldungen vermieden wird.
Für öffentliche Pflichtangebote nach §§ 35 ff. WpÜG kann nichts anderes gelten.
Zu beachten ist insofern nur, dass § 10 Abs. 1 Satz 1 WpÜG nach § 39 WpÜG durch
die aus § 35 Abs. 1 abzuleitende Pflicht, eine Überschreitung der Kontrollschwelle
zu publizieren, ersetzt wird.751
b) Die Zielgesellschaft betreffende Problemstellungen
Bei einer Zielgesellschaft darf aufgrund der Angleichung der Anwendungsbereiche
des WpÜG und des WpHG grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass es sich
um eine Inlandsemittentin gemäß §§ 15 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 7 WpHG handelt.752
Zweifel könnten jedoch daran vorgebracht werden, ob die Abgabe eines öffentlichen
Übernahmeangebots durch den Bieter auch die Zielgesellschaft unmittelbar betrifft.
Denn eine Information, die sich auf Umstände im Tätigkeitsbereich der Zielgesellschaft bezieht, stellt die Abgabe solch eines Angebots durch den Bieter nicht dar.753
Dies ist entsprechend der geltenden Rechtslage aber auch nicht länger erforderlich,
da § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG nur noch ein Regelbeispiel vorgibt. Eine unmittelbare
Betroffenheit ist über dieses Regelbeispiel hinausgehend nun in sämtlichen Fällen zu
bejahen, in denen ein Emittent ausschließlich oder ganz maßgeblich betroffen ist.754
Dass die Zielgesellschaft von einem öffentlichen Übernahmeangebot in einem ganz
herausgehobenen Maß berührt wird, muss indes als auf der Hand liegend gelten.755
Auch die Kurserheblichkeit der Entscheidung eines Bieters zur Abgabe eines Übernahmeangebots für die Papiere der Zielgesellschaft ist nicht ernsthaft zu bezweifeln.
751 Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, § 39 Rn. 12. Dass Pflichtangebote ansonsten keine
besonderen Problemstellungen aufwerfen, belegen ferner die Ausführungen von Assmann, in:
Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 76; Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 653; Sickinger,
in: Rückert/Kuthe/Sickinger, 10. Kap. Rn. 61 f.
752 Vgl. Teil 2, I. C. 1. a).
753 Zur früheren Rechtslage entsprach dieser Befund jedenfalls der ganz herrschenden Meinung,
vgl. nur Kümpel/Assmann, in: Assmann/Schneider, 3. Aufl., § 15 Rn. 46; Zimmer, in: KMRK,
§ 15 WpHG Rn. 51 ff.; jeweils m.w.N.
754 Vgl. Teil 1, IV. B. 2. b) bb).
755 Dies ergibt sich bereits aus der Begründung RegE AnSVG, BT-Drucksache 15/3174, S. 35.
Vgl. ferner die Nachweise bei Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 71.
172
Denn Aussicht auf Erfolg hat ein Übernahmeangebot nur, soweit eine deutlich über
dem aktuellen Börsenkurs liegende Gegenleistung angeboten wird. Unklar ist indes,
ab welchem Zeitpunkt ein Übernahmevorhaben als eine konkrete und kurserhebliche
Insiderinformation eingestuft werden kann. Aufgrund der individuellen Gestaltung
eines jeden Übernahmevorhabens erscheint es insoweit aber eher müßig, sich näher
mit den einzelnen Stadien auseinanderzusetzen, welche ein Übernahmevorhaben im
Regelfall durchläuft.756 Es soll darum in diesem Zusammenhang mit dem Hinweis
bewenden, dass die Realisierung eines Übernahmevorhaben wahrscheinlicher sein
muss als die Aufgabe, um von einer hinreichenden Eintrittswahrscheinlichkeit nach
§ 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG ausgehen und infolgedessen auch die Kurserheblichkeit
nach § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 WpHG bejahen zu können.757 Demnach gilt, dass eine
Zielgesellschaft, die durch einen oder mehrere potentielle Bieter, etwa im Zuge einer
Anfrage nach der Gestattung einer Due Diligence, davon in Kenntnis gesetzt wurde,
dass ein Übernahmevorhaben verfolgt wird, grundsätzlich die Verpflichtung trifft,
eine entsprechende Ad-hoc-Meldung zu veröffentlichen, sobald sie die Abgabe eines
Übernahmeangebots für überwiegend wahrscheinlich hält.
In einem zweiten Schritt ist dann zu fragen, ob und unter welchen Umständen die
Zielgesellschaft von der Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG
befreit ist. Dabei ist zunächst von dem Regelfall auszugehen, dass eine Übernahme
als freundliche Übernahme, also nicht entgegen dem Willen der Verwaltungsorgane
der Zielgesellschaft, durchgeführt werden soll. Auf das in § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV
benannte Regelbeispiel kann die Zielgesellschaft eine Befreiung, im Gegensatz zum
Bieter, nicht stützen. Denn die Abgabe eines Übernahmeangebots durch den Bieter
hängt nicht von einer Entscheidung der Verwaltungsorgane der Zielgesellschaft ab.
Möglich erscheint eine Berufung auf das Regelbeispiel des § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV.
Denn die vorzeitige Veröffentlichung eines Übernahmevorhabens ist durchaus dazu
geeignet, das Ergebnis beziehungsweise den Fortgang der Übernahmeverhandlungen
zu beeinträchtigen. Dies gilt insbesondere deswegen, weil die sofortige Publikation
eines Übernahmevorhabens regelmäßig eine erhebliche Erhöhung des Börsenpreises
der Wertpapiere der Zielgesellschaft zur Folge haben wird, wodurch eine geplante
Transaktion zum Scheitern gebracht werden kann.758 Da bei einer Befreiung von der
Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG jedoch nur die Interessen
des betreffenden Emittenten berücksichtigt werden dürfen, muss belegt werden, dass
756 Auf die Probleme einer verallgemeinernden Betrachtung verweisen dabei auch jene Stimmen,
die auf die einzelnen regelmäßig zu durchlaufenden Stadien einer Transaktion eingehen, vgl.
Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 75; BaFin, Emittentenleitfaden, S. 51 f.;
Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 655; Claussen/Florian, AG 2005, 745, 756 f.; Harbarth,
ZIP 2005, 1898, 1902; Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729, 735 f.; Santelmann/Steinhardt,
in: Steinmeyer/Häger, § 10 Rn. 54.
757 Vgl. Teil 1, III. B. 3. a) bb) (1) sowie Teil 1, III. B. 3. d) cc) (1).
758 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 52. Vgl. hierzu ferner Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 652;
Santelmann/Steinhardt, in: Steinmeyer/Häger, § 10 Rn. 55.
173
ein Scheitern der Transaktion auch die Interessen der Zielgesellschaft gefährdet.759
Ein eigenes Interesse der Zielgesellschaft am Zustandekommen der Transaktion ist
jedenfalls dann zu bejahen, wenn die Zielgesellschaft auf die Zuführung von Finanzoder Produktionsmitteln durch den Bieter zur Sicherung ihrer Überlebensfähigkeit
angewiesen ist.760 Doch auch außerhalb von solchen Sanierungsübernahmen ist ein
ein eigenes Interesse der Zielgesellschaft am Zustandekommen der Transaktion gut
begründbar. Wie bereits im Zusammenhang mit der Gestattung einer Due Diligence
durch eine Zielgesellschaft dargelegt, sind bei der Bestimmung der Interessen einer
Zielgesellschaft nach § 3 Abs. 3 WpÜG die Belange der Aktionäre der Gesellschaft
von zentraler Bedeutung.761 Dass sämtliche Aktionäre der Zielgesellschaft von dem
geplanten Übernahmeangebot profitieren können, ist jedoch nur gewährleistet, wenn
tatsächlich ein Angebot abgegeben wird. Falls ein Vorhaben verfrüht bekannt wird
und infolgedessen die Kurse der Papiere der Zielgesellschaft hochgetrieben werden,
die Transaktion letztlich aber scheitert, werden lediglich einzelne Aktionäre, welche
zum richtigen Zeitpunkt verkauft haben, profitieren. Die in § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV
erhobene Forderung einer ernsthaften Gefährdung der Interessen der Anleger kann
zu keinem gegenteiligen Ergebnis führen. Denn nach zutreffender Auffassung soll
damit kein zusätzliches Eingrenzungskriterium benannt, sondern nur unterstrichen
werden, dass die zu beachtenden berechtigten Belange des betreffenden Emittenten
weitgehend mit den Interessen der gegenwärtigen Aktionäre gleichzusetzen sind.762
Eine Zielgesellschaft wird nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG, § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV
also in der Regel nicht dazu verpflichtet sein, eine Ad-hoc-Meldung zu publizieren,
die anzeigt, dass ein Bieter ein öffentliches Übernahmeangebot abgeben möchte.763
Nichts anderes kann für einzelne Zwischenschritte bei einem Übernahmevorhaben,
wie etwa die Gestattung einer Due Diligence Prüfung durch die Zielgesellschaft, die
selbst als kurserheblich einzustufen sind, gelten.764
759 Vgl. Teil 1, IV. B. 3. a) bb) (4) sowie Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 655 f.
760 Vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. a der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG, ABl. EU Nr. L 339 vom
24.12.2003, S. 71 sowie Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 656. Generell am eigenen Interesse
einer Zielgesellschaft zweifelnd Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rn. 97.
761 Vgl. Teil 2, I. B. 1. b) bb). Dass die Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots zu
diesem Zeitpunkt noch nicht gefallen ist, ändert hieran nichts, vgl. Teil 2, I. B. 1. b) aa).
762 Vgl. Teil 1, IV B. 3. a) bb) (3) (a).
763 Ebenso Santelmann/Steinhardt, in: Steinmeyer/Häger, § 10 Rn. 60, die auch in Bezug auf den
Bieter auf die Regelung des § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV abstellen, vgl. dies., a.a.O., § 10 Rn. 55.
Ähnlich Sickinger, in: Rückert/Kuthe/Sickinger, 10. Kap. Rn. 6, 29, unter Berufung auf die
Begründung RegE AnSVG, BT-Drucksache 15/3174, S. 35 sowie den Entwurf der MMR,
Begründung zu Art. 6 Nr. 3, ZBB-Dokumentation 2002, 144, 152. Zu obgenanntem Ergebnis
kommen auch Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 656, die aber scharf zwischen den Interessen
der Aktionäre und dem Unternehmensinteresse trennen.
764 Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 13 Rn. 82. Auch den Bieter wird die Gestattung einer
Due Diligence durch die Zielgesellschaft unmittelbar betreffen. Anders beurteilen kann sich
hingegen die Kurserheblichkeit in Bezug auf die vom Bieter emittierten Finanzinstrumente.
Soweit die Kurserheblichkeit bejaht werden muss, kommt für den Bieter, ebenso wie für die
Zielgesellschaft, eine Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1
WpHG, § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV in Betracht.
174
Eine andere Bewertung ist indes bei feindlichen Übernahmeangeboten angezeigt.
Wenn die Verwaltung einer Zielgesellschaft eine Übernahme berechtigterweise, das
heißt unter Bezug auf das Unternehmensinteresse, nicht aber auf eigene Interessen,
zurückweist, kann auch kein berechtigtes Interesse nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG,
§ 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV daran bestehen, eine Ad-hoc-Meldung aufzuschieben. Denn
insoweit muss ebenfalls das Unternehmensinteresse als ausschlaggebend gelten.765
Problematisch an diesem Befund ist, dass im Vorfeld der Entscheidung zur Abgabe
eines Angebots oft noch gar nicht feststeht, ob die Verwaltung einer Zielgesellschaft
zur Kooperation mit einem Bieter bereit sein wird. Der Bieter muss sich deswegen
darüber im Klaren sein, dass die Kontaktaufnahme zur präsumtiven Zielgesellschaft
mit Risiken verbunden ist, solange ihm selbst noch ein berechtigtes Interesse an der
Geheimhaltung des Übernahmevorhabens zukommt.766
c) Berichtigung und Aktualisierung von Ad-hoc-Meldungen
Wenn schon im Vorfeld der Entscheidung des Bieters zur Abgabe eines öffentlichen
Übernahmeangebots eine Ad-hoc-Meldung abgegeben wurde, die das bevorstehende
Übernahmeangebot bekannt gibt, stellt sich die Frage, wann eine Verpflichtung zur
Berichtigung oder Aktualisierung dieser Ad-hoc-Meldung entsteht. Eine Pflicht zur
Berichtigung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG besteht nur, wenn die ursprüngliche
Ad-hoc-Meldung sich auf eine zum Abgabezeitpunkt unwahre Information bezog.767
Eine Verpflichtung zur Aktualisierung nach § 4 Abs. 2 WpAIV gilt lediglich dann,
wenn die neue Information ebenfalls als eine kurserhebliche Insiderinformation zu
qualifizieren ist, die entsprechend § 15 Abs. 1 WpHG veröffentlicht werden muss.768
Wenn ein Übernahmevorhaben, dessen Realisierung zum Zeitpunkt der Abgabe der
entsprechenden Ad-hoc-Meldung überwiegend wahrscheinlich erschien, sich später
zerschlägt, ist in der Konsequenz nach § 15 Abs. 1 WpHG, § 4 Abs. 2 WpAIV eine
Ad-hoc-Meldung zur Aktualisierung zu publizieren. Wird dagegen nur ein weiterer
Zwischenschritt auf dem Weg zur Realisierung getan, dem für sich genommen keine
Kurserheblichkeit zuzusprechen ist, besteht keine Verpflichtung zur Aktualisierung
der ursprünglichen Meldung.769
765 Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 654; Santelmann/Steinhardt, in: Steinmeyer/Häger, § 10 Rn.
61. Belegt wird in diesen Quellen auch, weshalb ein Verstoß gegen die Neutralitätspflicht des
§ 33 WpÜG durch die Veröffentlichung des Übernahmevorhabens durch die Zielgesellschaft
nicht in Betracht kommt.
766 Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 654 f.; Sickinger, in: Rückert/Kuthe/Sickinger, 10. Kap. Rn.
17 f., 30.
767 Vgl. Teil 1, IV. B. 4. sowie Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1907.
768 Vgl. Teil 1, IV. B. 7. a).
769 Näher dazu Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1907 f. Ebenso Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 188, der
sich damit jedoch zu seinen Aussagen a.a.O., S. 242 ff., 297, in Widerspruch setzt.
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2. Ad-hoc-Publizität bei einfachen öffentlichen Erwerbsangeboten
In Bezug auf einfache öffentliche Erwerbsangebote nach §§ 2 Abs. 1, 10 ff. WpÜG
kann grundsätzlich auf die Ausführungen zu den öffentlichen Übernahmeangeboten
verwiesen werden. Beachtet werden muss allerdings, dass bei einfachen öffentlichen
Erwerbsangeboten die Kurserheblichkeit für die Papiere der Bietergesellschaft nicht
so oft zu bejahen sein wird, wie bei öffentlichen Übernahmeangeboten. Vor allem
bei Teilangeboten nach § 19 WpÜG kann die Kurserheblichkeit zu verneinen sein.
Muss die Kurserheblichkeit eines einfachen öffentlichen Erwerbsangebots dagegen
bejaht werden, bleibt dem Bieter noch die Möglichkeit einer Befreiung von der Adhoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG, § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV.770
Im Hinblick auf die Ad-hoc-Publizitätspflicht einer Zielgesellschaft könnte bereits
in Zweifel gezogen werden, dass die geplante Abgabe eines einfachen öffentlichen
Erwerbsangebots in der Form eines Teilangebots durch einen Bieter, das lediglich
auf den Erwerb einer Finanzbeteiligung abzielt, überhaupt eine Information darstellt,
welche die Zielgesellschaft unmittelbar betrifft.771 Da nach zutreffender Ansicht eine
unmittelbare Betroffenheit schon bejaht werden muss, wenn ein Emittent durch eine
Insiderinformation in herausgehobenem Maß berührt wird, ist jedoch auch bei einem
Teilangebot von der unmittelbaren Betroffenheit der Zielgesellschaft auszugehen.772
An einer Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität der Zielgesellschaft wird es allerdings
trotzdem oft fehlen, da der beabsichtigte Erwerb einer reinen Finanzbeteiligung nur
in Ausnahmefällen als kurserheblich gelten kann.773 Zu beachten ist darüber hinaus,
dass mögliche Unsicherheiten bezüglich der künftigen Umsetzung eines Vorhabens
Eingang in die Prognoseentscheidung über die Kurserheblichkeit finden müssen.774
Wenn die bevorstehende Abgabe eines einfachen öffentlichen Erwerbsangebots als
kurserheblich für die Papiere einer präsumtiven Zielgesellschaft einzuschätzen ist,
wird dieser regelmäßig ein berechtigtes Interesse am Aufschub einer entsprechenden
Ad-hoc-Meldung gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1, § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV zukommen.
Denn ebenso wie bei der geplanten Abgabe eines öffentlichen Übernahmeangebots
kann bei einem einfachen öffentlichen Erwerbsangebot eine verfrühte Bekanntgabe
das Vorhaben zum Scheitern bringen.
770 Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 653 f.
771 Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 656 f. Eine reine Finanzbeteiligung wird insofern jedenfalls
eine Beteiligung von unter 5% der Stimmrechtsanteile an der Zielgesellschaft darstellen, vgl.
dies.; a.a.O., 642, 648.
772 Vgl. Teil 1, IV. B. 2. b) bb). Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 71, 77, sieht
ebenfalls keinerlei Anlass zu einer unterschiedlichen Behandlung von einfachen öffentlichen
Erwerbsangeboten und öffentlichen Übernahmeangeboten. Zu Formen eines Anteilserwerbs,
die nicht durch das WpÜG geregelt werden vgl. ders., a.a.O., § 15 Rn. 81.
773 Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 657.
774 Vgl. Teil 1, III. B. 3. d) bb) (1).
176
3. Ad-hoc-Publizität beim Pakethandel außerhalb der Börse
Beim Pakethandel außerhalb der Börse stellen sich ähnliche Probleme wie bei einem
Anteilserwerb nach den Vorschriften des WpÜG. Sowohl in Bezug auf den Käufer
als auch den Verkäufer ist insoweit jedoch zunächst zu prüfen, ob es sich überhaupt
um Inlandsemittenten handelt, die nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG dazu verpflichtet
sind, die Ad-hoc-Publizitätspflicht zu achten. Wenn dies der Fall ist, sind der Käufer
und der Verkäufer von dem Erwerb respektive der Veräußerung eines Aktienpakets
auch unmittelbar betroffen. In jedem Einzelfall untersucht werden muss hingegen,
ob dem Erwerb oder der Veräußerung eines Aktienpakets Kurserheblichkeit für die
Papiere des Käufers oder des Verkäufers zuzusprechen ist. Hierbei wird neben dem
Umfang der Beteiligung zu beachten sein, ob eine (Des-) Investitionsentscheidung
Anlass dazu gibt, auf weitere Transaktionen oder eine Übernahme zu spekulieren.
Bei einem bevorstehenden Pakethandel ist ferner zu beachten, dass Unsicherheiten
im Hinblick auf die tatsächliche spätere Durchführung eines Geschäfts Eingang in
die Prognose über die Kurserheblichkeit finden müssen. Soweit ein bevorstehender
Pakethandel als kurserheblich für die Papiere des Käufers oder auch des Verkäufers
einzustufen ist, ist an eine Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht zu denken.
Sowohl der Erwerber als auch der Verkäufer werden sich in diesem Zusammenhang
nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG, § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV regelmäßig darauf berufen
können, dass ein Aufschub der entsprechenden Ad-hoc-Meldung bis zum Abschluss
des internen Entscheidungsprozesses betreffend den Paketerwerb beziehungsweise
Paketverkauf zulässig ist.
Denkbar erscheint es beim Pakethandel ferner, dass der Emittent, dessen Papiere
Gegenstand des Geschäfts sind, zur Ad-hoc-Publizität verpflichtet ist. Kenntnis von
einem geplanten Handel eines Aktienpakets kann der betreffende Emittent erhalten,
wenn der präsumtive Erwerber ihn um die Gestattung einer Due Diligence ersucht.
Der Emittent, dessen Papiere Gegenstand des Geschäfts sein sollen, wird durch die
entsprechende Information in einem herausgehobenen Maße und damit unmittelbar
im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG betroffen.775 Da der vereinbarte Kaufpreis
jedenfalls beim Handel einer unternehmerischen Beteiligung oft Auswirkungen auf
den Börsenkurs der Papiere des betreffenden Emittenten haben wird, kann auch die
Kurserheblichkeit zu bejahen sein. Die gilt vor allem dann, wenn der Emittent dem
möglichen Erwerber die Durchführung einer Due Diligence Prüfung gestattet hat.776
Da ein Pakethandel auch ohne Beteiligung des betreffenden Emittenten abgewickelt
werden kann, lässt sich eine Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht nicht über
§ 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG, § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV begründen. Denkbar ist jedoch,
dass der betreffende Emittent ein berechtigtes Interesse daran hat, dass das geplante
Geschäft tatsächlich zustande kommt. Möglich ist in der Folge eine Befreiung nach
775 Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 81.
776 Vgl. Teil 2, I. B. 3. b).
177
§ 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG, § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV. Ob der Emittent annimmt, dass
der geplante Pakethandel dem Unternehmensinteresse, welches weitgehend mit dem
Interesse der Aktionäre des Emittenten gleichgesetzt werden darf, dienlich sein wird,
lässt sich aus der Sicht des Käufers einer unternehmerischen Beteiligung indes nicht
ohne weiteres abschätzen. Wenn der präsumtive Käufer den betreffenden Emittenten
darüber informieren möchte, dass die Durchführung eines Pakethandels beabsichtigt
ist, sollte er sich darum darüber im Klaren sein, dass unter Umständen eine sofortige
Publikation des Vorhabens erfolgt.
Zu klären bleibt zuletzt, in welchem Verhältnis die Ad-hoc-Publizitätspflicht nach
§ 15 WpHG zur der Verpflichtung gemäß §§ 21 ff. WpHG steht, Veränderungen des
Stimmrechtsanteils, welche sich beim Pakethandel ergeben können, zu publizieren.
Teilweise wird vertreten, dass die §§ 21 ff. WpHG als speziellere Bestimmungen die
Ad-hoc-Publizitätspflicht verdrängen.777 Dieser Auffassung ist nicht zuzustimmen,
da die Regelungskreise nicht nur unterschiedliche Tatbestandsvoraussetzungen und
Rechtsfolgen aufweisen, sondern auch verschiedene normative Zwecke verfolgen.778
Anders als im Verhältnis der Ad-hoc-Publizitätspflicht zur Veröffentlichungspflicht
nach § 10 Abs. 1, 3 WpÜG kann jedoch auch nicht gelten, dass eine Doppelung der
Meldungen zu vermeiden ist. Die Verpflichtung aus §§ 21 Abs. 1, 26 Abs. 1 WpHG,
Veränderungen des Stimmrechtsanteils zu veröffentlichen, wird zeitlich regelmäßig
erst nach der Publikation einer entsprechenden Ad-hoc-Meldung zu erfüllen sein.779
Denn eine Mitteilung des Meldepflichtigen an den betreffenden Emittenten ist nach
§ 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG spätestens innerhalb von vier Handelstagen abzugeben;
die Veröffentlichung durch den Emittenten hat dann nach § 26 Abs. 1 Satz 1 WpHG
spätestens drei Handelstage nach Zugang der Mitteilung zu erfolgen. Eine Ad-hoc-
Meldung ist gemäß § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG dagegen unverzüglich nachzuholen,
sobald die Voraussetzungen einer Befreiung nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG nicht
mehr vorliegen. Dies wird regelmäßig der Fall sein, wenn eine vertragliche Einigung
über einen Pakethandel erzielt worden ist. Doch auch falls ein berechtigtes Interesse
am Aufschub einer Ad-hoc-Meldung ausnahmsweise so lange weiterbestehen sollte,
bis eine Veröffentlichung gemäß §§ 21 Abs. 1, 26 Abs. 1 WpHG vorzunehmen ist,
kann nicht davon abgesehen werden, parallel dazu eine Ad-hoc-Meldung abzugeben.
Denn die zusätzlichen Anforderungen bezüglich der Art der Veröffentlichung einer
Ad-hoc-Meldung nach §§ 3a, 5 WpAIV gelten für die Veröffentlichungspflicht nach
§§ 21 Abs. 1; 26 Abs. 1 WpHG nicht.
777 Braun, in: Möllers/Rotter, § 7 Rn. 23, § 8 Rn. 53; Gehrt, Ad-hoc-Publizität, S. 140; Sickinger,
in: Rückert/Kuthe/Sickinger, 10. Kap. Rn. 75.
778 Schneider, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., Vor § 21 Rn. 35. So auch Assmann, a.a.O., § 15
Rn. 79, 92; Fiedler, Beteiligungen, S. 60 f.; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, § 15 WpHG
Rn. 11; Janert, BB 2004, 169, 171. Ebensowenig werden die Pflichten nach §§ 21 ff. WpHG
durch die Ad-hoc-Publizitätspflicht verdrängt, vgl. dazu Assmann, a.a.O. § 15 Rn. 94; Starke,
Beteiligungstransparenz, S. 104 ff.; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rn. 135.
779 Zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten des TUG Schneider, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl.,
Vor § 21 Rn. 35.
178
D. Zusammenfassung
Im Hinblick auf das Insiderrecht ist festzuhalten, dass durch Erwägungsgrund 29 der
Marktmissbrauchsrichtlinie keine Bereichsausnahme begründet wird. Die Vorgaben
des Insiderrechts sind folglich auch bei öffentlichen Übernahmeangeboten im Sinne
von § 29 Abs. 1 WpÜG anzuwenden. Verdeutlicht wird durch Erwägungsgrund 29
der Marktmissbrauchsrichtlinie aber, dass die Normen des Insiderrechts im Zweifel
so auszulegen sind, dass Übernahmevorhaben nicht unnötig beeinträchtigt werden.
Im Rahmen der Konkretisierung hat sich jedoch gezeigt, dass unter Zugrundelegung
der im ersten Teil der Arbeit gefundenen Auslegungsergebnisse nicht zu befürchten
ist, dass Übernahmevorhaben in unsinniger Weise erschwert oder vereitelt werden.
Von besonderer Bedeutung ist insoweit, dass Insiderinformationen allein dann nach
§ 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG verwendet werden, wenn von einer Ursächlichkeit für die
getroffene (Des-) Investitionsentscheidung ausgegangen werden muss. Hinsichtlich
des Weitergabeverbots nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG ist zu konstatieren, dass jeder
sachliche und im Ergebnis zwingende Grund des betreffenden Emittenten und damit
auch das Interesse an der Durchführung eines Übernahmevorhabens grundsätzlich
dazu führt, dass eine Befugnis zur Weiterleitung von Insiderinformationen besteht.
Erwägungsgrund 29 der Marktmissbrauchsrichtlinie gibt mithin keine Veranlassung
dazu, die Ergebnisse der Auslegung zu korrigieren, soweit es um die Bewertung von
öffentlichen Übernahmevorhaben geht. Bei anderweitigen Transaktionsgestaltungen,
die ebenfalls spezifische Probleme bezüglich des Insiderrechts aufwerfen, kann bei
einer zutreffenden Auslegung der Tatbestandsmekmale der Insiderverbote ebenfalls
davon abgesehen werden, im Rahmen der Konkretisierung Ergebniskorrekturen zu
realisieren.
Auch bezüglich der Ad-hoc-Publizitätspflicht ist festzuhalten, dass Korrekturen
der Auslegungsergebnisse nicht erforderlich sind, um unnötige Beeinträchtigungen
von M&A-Transaktionen zu verhindern. Besonders wichtig ist insofern allerdings,
dass bei der Auslegung die zutreffenden Maßstäbe bezüglich der Befreiung von der
Ad-hoc-Publizitätspflicht angelegt werden. Kritisch zu betrachten ist indes, dass die
Ad-hoc-Publizitätspflicht mit anderen kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten in
keinster Weise abgestimmt worden ist. Jedenfalls im Hinblick auf die Art und Weise
der Publikation von Kapitalmarktinformationen erscheint eine Vereinheitlichung der
Veröffentlichungspflichten jedoch dringend geboten. Die Hinführung auf solch eine
Vereinheitlichung durch eine entsprechende Auslegung respektive Konkretisierung
der betreffenden Normen verbietet sich aber schon deswegen, weil die europäischen
Vorgaben kein einheitliches Verfahren bei den Veröffentlichungspflichten vorsehen.
Den an einen integrierten europäischen Finanzmarkt berechtigterweise zu stellenden
Anforderungen wird diese unkoordinierte Regelung der Veröffentlichungsverfahren
nicht gerecht.
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References
Zusammenfassung
Die Arbeit stellt die Neuerungen, die das Anlegerschutzverbesserungsgesetz in den Bereichen des Insiderrechts und der Ad-hoc-Publizität gebracht hat, in ausführlicher Weise dar. Bei der Erörterung einzelner Fragestellungen wird auf die Dokumentation von Sinnzusammenhängen ebenso besonderer Wert gelegt wie auf ein rechtsdogmatisch fundiertes Vorgehen.
In einem gesonderten Teil zeigt der Autor praxisrelevante Problemfelder, denen in zunehmendem Maße öffentlicher Augenmerk zuteil wird, auf.
Das Werk ist damit nicht nur für Wissenschaftler oder Studenten, sondern auch für Praktiker interessant, um von einer fundierten Basis aus konkrete Lösungswege nachzuvollziehen und weiterzuentwickeln.