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C. Sanktionierung und Verfolgung von Verstößen
1. Erfassung als Ordnungswidrigkeit
Hinsichtlich der Ahndung von Verstößen gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht haben
sich aufgrund des AnSVG keine Neuerungen von wesentlicher Bedeutung ergeben.
Da auf europäischer Ebene keine konkreten Vorgaben dazu getroffen wurden, wie
im Bereich der Sanktionierung von Pflichtverstößen zu verfahren ist, bestand auch
kein Anlass zu einer grundlegenden Umgestaltung der betreffenden Regelungen.589
Änderungen erschöpfen sich darum überwiegend in einer Adaption an Neuerungen,
welche den Tatbestand der Ad-hoc-Publizitätspflicht betreffen.
Zentral bei der Sanktionierung von Verstößen gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht
ist die Regelung des § 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a WpHG. Danach handelt ordnungswidrig,
wer entgegen § 15 Abs. 1 Satz 1, 3 oder 4 WpHG eine Veröffentlichung nicht, nicht
richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig
vornimmt oder nicht oder nicht rechtzeitig nachholt. Erfasst ist demzufolge auch ein
rechtsfehlerhafter Aufschub der Veröffentlichung. Die gebotene Ad-hoc-Mitteilung
erfolgt dann nicht rechtzeitig. Erfolgt keine unverzügliche Nachholung der Ad-hoc-
Mitteilung nach § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG, so greift die letztgenannte Variante ein.
Verstöße gegen die Berichtigungspflicht gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG müssen
nach § 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a WpHG ebenfalls als ordnungswidrig eingestuft werden,
da eine Berichtigung entsprechend § 15 Abs. 1 WpHG zu erfolgen hat.
Als Ordnungswidrigkeiten sind auch Fehler bei einer Vorabmitteilung gegenüber
der BaFin oder der Börsengeschäftsführung nach § 15 Abs. 3 Satz 4, Abs. 4 Satz 1
WpHG zu ahnden. Dies ergibt sich aus § 39 Abs. 2 Nr. 2 lit. c WpHG. Wer entgegen
§ 15 Abs. 5 Satz 1 WpHG eine Insiderinformation vorab veröffentlicht, handelt nach
§ 39 Abs. 2 Nr. 6 WpHG ebenfalls ordnungswidrig. Nach § 39 Abs. 2 Nr. 7 WpHG
müssen darüber hinaus Verstöße gegen die Pflicht aus § 15 Abs. 5 Satz 2 WpHG zur
Übermittlung einer Ad-hoc-Mitteilung an die BaFin und die Börsengeschäftsführung
als Ordnungswidrigkeiten verfolgt werden.
Für die aufgezählten Tatbestände gilt, dass nicht allein vorsätzliche, sondern auch
leichtfertige Verstöße als Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen sind. Leichtfertigkeit
muss bejaht werden, wenn objektiv ein besonders schwerer Sorgfaltspflichtverstoß
und subjektiv besondere Leichsinnigkeit oder Gleichgültigkeit vorliegen. Erfasst ist
mithin insbesondere ein „vorsatznahes“ Verhalten.590 Besonders schwierig gestaltet
sich die Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlässigkeit dabei im Bereich der Irrtümer.
589 Vgl. Art. 14 Abs. 1 der MMR. Der europäische Regelungsgeber geht selbst davon aus, dass
es insoweit bereits an einer Zuständigkeit mangelt, vgl. Begründung zum Entwurf der MMR,
ZBB-Dokumentation, ZBB 2002, 144, 146, 154 f.
590 Vogel, in Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 39 Rn. 46, m.w.N.
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Zwischen der Rechtsfahrlässigkeit, welche den Vorsatz in der Regel unberührt lässt,
und der Tatfahrlässigkeit, welche den Vorsatz grundsätzlich entfallen lässt, liegt oft
ein schmaler Grad.591 Dies zeigt sich insbesondere beim Irrtum über das Vorliegen
der Befreiungsvoraussetzungen. Ob die berechtigten Interessen des Emittenten eine
Verzögerung der Veröffentlichung einer Insiderinformation legitimieren, ist eine im
Einzelfall zu treffende Wertungsentscheidung. Darum ist auch im Hinblick auf die
Vorsatzfeststellung eine wertende Betrachtung geboten. Fällt die rechtliche Wertung
insoweit nicht eindeutig aus, kann kein Vorsatz unterstellt werden. Hat der Emittent
hinreichende rechtliche Klärungsbemühungen unternommen, muss zudem auch der
Vorwurf der Leichtfertigkeit entfallen.592
Welche Höchstgrenzen im Hinblick auf die drohenden Geldbußen bestehen, folgt
aus § 39 Abs. 4 WpHG. Ordnungswidrigkeiten nach § 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a WpHG
und § 39 Abs. 2 Nr. 6 WpHG werden danach mit einer Geldbuße in Höhe von bis zu
einer Million Euro geahndet. Von § 39 Abs. 2 Nr. 2 lit. c WpHG erfasste Verstöße
werden mit einer Geldbuße in Höhe von bis zu zweihunderttausend Euro geahndet.
Ordnungswidrigkeiten nach § 39 Abs. 2 Nr. 7 WpHG ziehen eine Geldbuße in Höhe
von bis zu fünfzigtausend Euro nach sich. Berücksichtigung finden muss dabei stets
§ 17 Abs. 2 OWiG, der bei fahrlässigen Verstößen den Höchstbetrag der Geldbuße
auf die halbe Summe der höchsten Geldbuße bei vorsätzlichem Verhalten begrenzt.
Darüber hinaus ist bei der Sanktionierung die Regelung des § 30 OWiG zu beachten,
die es zulässt, juristische Personen mit der Zahlung von Geldbußen zu belegen.593
Mit der Einordnung von Zuwiderhandlungen gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht
als Ordnungswidrigkeiten wird eine im Verwaltungsverfahren erfolgende Sanktion
im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie bereitgestellt.594
In Anbetracht der Höhe der drohenden Geldbußen muss ferner festgehalten werden,
dass der in § 14 Abs. 1 Satz 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie benannten Forderung
wirksamer, verhältnismäßiger und abschreckender Maßnahmen entsprochen wird.595
Flankiert wird die Sanktionierung als Ordnungswidrigkeit durch die Möglichkeit zur
Bekanntgabe von Verstößen nach § 40b WpHG und die drohende Aussicht auf eine
zivilrechtliche Haftung gemäß §§ 37b, 37c WpHG.
591 Vogel, in Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 39 Rn. 44 ff. Vgl. ferner Duttge, in MünchKomm.
StGB, § 15 Rn. 23 ff.
592 Raum, in: Langen/Bunte, Bd. 1, § 81 Rn. 64, äußert sich zur vergleichbaren Problematik im
Kartellrecht nach der 7. GWB-Novelle ähnlich.
593 Vgl. Altenhain, in: KölnKomm. WpHG, § 39 Rn. 64 ff.; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann,
§ 15 WpHG Rn. 206; Vogel, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 39 Rn. 55 ff. Im Bereich der
Insiderverbote wird § 30 OWiG in aller Regel nicht zum Tragen kommen, da Insiderverstöße,
welche im Interesse der betreffenden juristischen Person liegen, kaum denkbar sind, vgl. dazu
Altenhain, a.a.O., § 39 Rn. 66; Vogel, a.a.O., § 39 Rn. 59.
594 Vgl. Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 300.
595 Vgl. Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 301 ff.
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2. Verfolgung durch die BaFin
Wie beim Insiderrecht folgt auch bei der Ad-hoc-Publizität aus § 4 WpHG, welche
Aufgaben und Befugnisse der BaFin bei der Verfolgung von Verstößen zukommen.
Hervorzuheben bleibt in diesem Zusammenhang daher einzig der durch das AnSVG
installierte § 40b WpHG. Die Einführung jener Regelung beruht auf Art. 14 Abs. 4
der Marktmissbrauchsrichtlinie.596 Zweck des § 40b WpHG ist die Entfaltung einer
abschreckenden Wirkung. Eine Brandmarkung der Täter im Sinne einer repressiven
Nebenstrafe wird mit der Regelung hingegen nicht verfolgt. Schon deshalb wird es
in aller Regel nicht zulässig sein, die Namen natürlicher Personen auf der Grundlage
von § 40b WpHG offen zu legen. Zu beachten ist zudem, dass natürliche Personen
durch die Offenlegung in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt werden.597
Öffentlich bekannt zu geben, welche Emittenten gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht
verstoßen haben, muss demgegenüber als sinnvolles Mittel zur Prävention künftiger
Zuwiderhandlungen bewertet werden.
D. Zivilrechtliche Haftung bei Verstößen gemäß §§ 37b, 37c WpHG
Da die Marktmissbrauchsrichtlinie keine Vorgaben im Hinblick auf die Haftung für
unterlassene oder fehlerhafte Ad-hoc-Meldungen enthält, kann es nicht überraschen,
dass die auf das AnSVG zurückgehenden Änderungen der §§ 37b, 37c WpHG sich
in einer redaktionellen Anpassung an die Neufassung des § 15 WpHG erschöpfen.598
Änderungen bei der gerichtlichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen
bewirkte indes das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG).599
1. Begründung von Schadensersatzansprüchen
Ebenso wie § 15 WpHG gelten die §§ 37b, 37c WpHG nicht länger lediglich für die
Emittenten von Wertpapieren, sondern für alle Emittenten von Finanzinstrumenten
nach § 2 Abs. 2b WpHG. Bedeutung hat jene Neuerung vor allem für die Emittenten
596 Vorschläge, eine öffentliche Bekanntgabe von Verstößen gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht
zu ermöglichen, existierten indessen schon lange vor Erlass der Marktmissbrauchsrichtlinie,
vgl. Fürhoff, Ad-hoc-Publizität, S. 231 f.; Gehrt, Ad-hoc-Publizität, S. 194 f.; Hahn, Anlegerschutz, S. 191; von Klitzing, Ad-hoc-Publizität, S. 228 f.
597 Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 306 ff. m.w.N.
598 Vgl. Begründung RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 40; Sethe, in: Assmann/Schneider,
4. Aufl., §§ 37b, 37c Rn. 2, 32. Die Transparenzrichtlinie sieht bei einer Fehlinformation des
Kapitalmarkts dagegen eine Haftung vor, wobei das Ausmaß der Haftung den Mitgliedstaaten
überlassen bleibt, vgl. Erwägungsgrund 17 der Transparenzrichtlinie, ABl. EU Nr. L 390 vom
31.12.2004, S. 39.
599 Installiert wurde das KapMuG durch Art. 1 des Gesetzes zur Einführung von Kapitalanleger-
Musterverfahren vom 16.8.2005, BGBl. 2005 I, S. 2437, 3095.
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References
Zusammenfassung
Die Arbeit stellt die Neuerungen, die das Anlegerschutzverbesserungsgesetz in den Bereichen des Insiderrechts und der Ad-hoc-Publizität gebracht hat, in ausführlicher Weise dar. Bei der Erörterung einzelner Fragestellungen wird auf die Dokumentation von Sinnzusammenhängen ebenso besonderer Wert gelegt wie auf ein rechtsdogmatisch fundiertes Vorgehen.
In einem gesonderten Teil zeigt der Autor praxisrelevante Problemfelder, denen in zunehmendem Maße öffentlicher Augenmerk zuteil wird, auf.
Das Werk ist damit nicht nur für Wissenschaftler oder Studenten, sondern auch für Praktiker interessant, um von einer fundierten Basis aus konkrete Lösungswege nachzuvollziehen und weiterzuentwickeln.