97
B. Der Anwendungsbereich der Ad-hoc-Publizitätspflicht
Als Grundtatbestand der Ad-hoc-Publizitätspflicht ist weiterhin § 15 Abs. 1 Satz 1
WpHG einzuordnen. Die nachfolgenden Ausführungen im Hinblick auf Adressaten,
Gegenstand sowie Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht beziehen sich allein
auf diesen praxisrelevanten Grundtatbestand.412 Eine selbständige Verpflichtung zur
Ad-hoc-Publizität begründet die Pflicht zur Korrektur fehlerhafter Meldungen nach
§ 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG, der mit § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG a.F. übereinstimmt. 413
In einem gesonderten Gliederungspunkt zu erörtern ist zudem die durch das AnSVG
installierte Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 4 und 5 WpHG.414
1. Adressaten der Ad-hoc-Publizitätspflicht
Bis zum Inkrafttreten des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG)415 wurde
zur Bestimmung der Adressaten der Ad-hoc-Publizitätspflicht nicht an den Sitz der
Emittenten angeknüpft, sondern an die Zulassung von Finanzinstrumenten zu einem
inländischen organisierten Markt. Nach geltender Rechtslage ist nun die Einstufung
als Inlandsemittent nach § 2 Abs. 7 WpHG entscheidend.416 Weiterhin notwendig ist
dafür eine Zulassung von Finanzinstrumenten zu einem organisierten Markt.
a) Organisierter Markt im Sinne des § 2 Abs. 5 WpHG
Was unter einem organisierten Markt zu verstehen ist, wird durch § 2 Abs. 5 WpHG
bestimmt. Entsprechend dieser Definition ist nur der regulierte Markt nach Maßgabe
des reformierten BörsG als organisierter Markt im Sinne des WpHG anzusehen.417
Finanzinstrumente, welche lediglich zum Freiverkehr zugelassen sind, lösen mithin
keine Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität aus.418
412 Vgl. Teil 1, IV. B. 1. bis 3. Über die genaue Anzahl der veröffentlichten Ad-hoc-Meldungen
informieren die Jahresberichte der BaFin, abrufbar unter www.bafin.de.
413 Vgl. Teil 1, IV. B. 4.
414 Vgl. Teil 1, IV. B. 5.
415 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 15 Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug
auf Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind,
und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz –
TUG) vom 5. Januar 2007, BGBl. 2007 I, S. 10.
416 Vgl. dazu Bosse, DB 2007, 39, 40; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rn. 54.
417 Vgl. Teil 1, III. B. 1. a).
418 Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 43. Eine der Ad-hoc-Publizität ähnelnde
Pflicht zur Information der Deutschen Börse AG gilt nur im „Entry Standard“ der Frankfurter
Wertpapierbörse, vgl. § 17 Abs. 2 der AGB für den Freiverkehr an der FWB, abrufbar unter
www.deutsche-boerse.com. Zum „Entry Standard“ vgl. Harrer/Müller, WM 2006, 653, 657 f.
98
Dass Emittenten von in den Freiverkehr einbezogenen Finanzinstrumenten nicht
der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität unterworfen worden sind, mag insofern fragwürdig
erscheinen, als dass der nationale Gesetzgeber beim Insiderrecht eine Einbeziehung
des Freiverkehrs für erforderlich erachtete.419 Bei einer näheren Auseinandersetzung
mit dem Einbeziehungsverfahren zum Freiverkehr wird jedoch sehr schnell deutlich,
weshalb der Gesetzgeber sich für eine unterschiedliche Behandlung entschieden hat.
Die Einbeziehung eines Wertpapiers in den Freiverkehr der Deutschen Börse erfolgt
entsprechend §§ 2 Abs. 3, 11 Abs. 2 der AGB für den Freiverkehr an der Frankfurter
Wertpapierbörse ausschließlich auf Antrag eines gemäß § 19 BörsG unbeschränkt
zum Börsenhandel zugelassenen Unternehmens, welches mit dem Emittenten der
einzubeziehenden Wertpapiere in aller Regel nicht identisch ist.420 Der Zustimmung
des Emittenten zur Einbeziehung der Wertpapiere bedarf es hierbei nicht, auch ein
Widerspruch des Emittenten zwingt nicht dazu, von der Einbeziehung abzusehen.421
Die Emittenten der in den Freiverkehr einbezogenen Papiere dennoch mit der Pflicht
zur Ad-hoc-Publizität zu belasten, würde zu einer Abkopplung der Publizitätspflicht
von einer vorausgehenden Willensentschließung der betreffenden Emittenten führen.
Art. 9 Satz 3 der Marktmissbrauchsrichtlinie zeigt aber, dass dies nicht gewollt ist. 422
Würde der Freiverkehr als ein organisierter Markt im Sinne des § 2 Abs. 5 WpHG
eingestuft, bestünde darum in aller Regel trotzdem keine Ad-hoc-Publizitätspflicht
der Emittenten.423 Den Freiverkehr bereits nicht als organisierten Markt einzustufen,
ist deshalb als konsequente Lösung zu bewerten. Zur Einbeziehung von Papieren in
den Freiverkehr die Zustimmung der betroffenen Emittenten per Gesetz zu fordern,
ermöglichte zwar die Festschreibung einer Ad-hoc-Publizitätspflicht im Freiverkehr.
Als sinnvoll könnte eine dahingehende Regelung jedoch nicht qualifiziert werden,
da eine Austrocknung des Freiverkehrs aufgrund einer Belastung mit übertriebenen
Anforderungen zu befürchten wäre.424
419 Vgl. Teil1, III. B. 1. a). Kritisch gegenüber der divergierenden Behandlung des Freiverkehrs
beim Insiderrecht und der Ad-hoc-Publizität unter Berufung auf die europäischen Vorgaben
Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 276 ff. Von einem inkonsequenten Verhalten des Gesetzgebers
sprechen Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rn. 36.
420 Die AGB für den Freiverkehr an der FWB sind abrufbar unter www.deutsche-boerse.com.
421 Lediglich im „Entry Standard“ der Frankfurter Wertpapierbörse gilt gemäß § 16 Abs. 3 lit. d
der AGB für den Freiverkehr an der FWB ein Zustimmungserfordernis durch den Emittenten.
Kritisiert wird das Fehlen einer Widerspruchsmöglichkeit gegenüber der Einbeziehung in den
Freiverkehr von Groß, Kapitalmarktrecht, § 57 BörsG Rn. 5.
422 Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 167, 191; Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 14 Rn. 16 ff.
Die Überlegung, dass Emittenten keinen Pflichten ausgesetzt werden sollen, welche sie nicht
selbst zu verantworten haben, findet sich auch bei Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl.,
Vor § 12 Rn. 38. Vgl. dazu auch den neuen § 48 Abs. 1 Satz 2 BörsG.
423 Zurückzukommen ist auf jenen Gedankengang bei den in den regulierten Markt einbezogenen
Finanzinstrumenten, vgl. Teil 1, IV. B. 1. b).
424 Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 45. Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 280 f.,
scheint diese Gefahr ebenfalls zu sehen, zieht jedoch nicht die zutreffenden Schlüsse daraus.
Für eine Einbeziehung des Freiverkehrs de lege ferenda Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann,
§ 15 WpHG Rn. 38.
99
b) Zulassung oder Stellung eines Zulassungsantrags
Die Ad-hoc-Publizitätspflicht greift nur dann, wenn ein Finanzinstrument zu einem
organisierten Markt zugelassen oder ein entsprechender Antrag gestellt worden ist.
Zusätzlich zu fordern ist aufgrund von Art. 9 Satz 3 der Marktmissbrauchsrichtlinie,
dass der Antrag auf Zulassung von dem betreffenden Emittenten selbst ausging.425
Diese Einschränkung ist zweckmäßig, da die Ad-hoc-Publizitätspflicht andernfalls
auch gegen den Willen des betroffenen Emittenten entstehen könnte. Auf nationaler
Ebene zeitigt diese Vorgabe Auswirkungen auf dem regulierten Markt im Sinne des
reformierten BörsG, da sowohl eine Zulassung auf Antrag des jeweiligen Emittenten
nach § 32 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt., Abs. 2 Satz 1 BörsG als auch eine Einbeziehung auf
Antrag eines Handelsteilnehmers oder von Amts wegen durch die Geschäftsführung
nach §§ 32 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt., 33 BörsG zur Eingliederung eines Papiers führen
kann. Im Falle einer Einbeziehung unterliegt der Emittent keiner Verpflichtung zur
Ad-hoc-Publizität.426
Die Ausweitung der Ad-hoc-Publizitätspflicht auch auf solche Finanzinstrumente,
für die lediglich ein Zulassungsantrag gestellt worden ist, hat die Einbeziehung des
Emissionsmarkts zur Konsequenz. Jene Neuerung ist als problematisch zu bewerten,
da eine Kollision der Ad-hoc-Publizitätspflicht mit speziellen Publikationspflichten,
welche bei einem Börsengang zu berücksichtigen sind, vorprogrammiert erscheint.
Insbesondere das berechtigte Interesse eines Emittenten daran, den Investoren einen
ersten vollständigen Überblick im gemäß § 3 Abs. 3 WpPG erforderlichen Prospekt
zu ermöglichen, wird dadurch in Frage gestellt. Wenn einzelne Insiderinformationen
bereits vorab im Rahmen einer Ad-hoc-Meldung preisgegeben werden müssen, steht
eine verfälschte Informationserfassung durch das Anlegerpublikum zu befürchten.427
Bedenklich erscheint ferner die fehlende Abstimmung der Ad-hoc-Publizitätspflicht
mit der Nachtragspflicht gemäß § 16 WpPG.428 Allein in der Regierungsbegründung
zum Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz wird hierzu angeführt, dass die Ad-hoc-
Publizitätspflicht grundsätzlich vorgehen müsse.429 Im Ergebnis führt dies zu einer
Doppelbelastung des Emittenten, der so nach Publikation der Ad-hoc-Meldung eine
Nachtragsmeldung in § 16 Abs. 1 Satz 4 WpPG entsprechender Form abgeben muss.
Lediglich eine Billigung durch die BaFin gemäß §§ 16 Abs. 1 Satz 3, 13 WpPG soll
dann entbehrlich sein, um zeitnahe Nachtragsmeldungen zu ermöglichen.430
425 Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 167, 191; Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 14 Rn. 17 f.
426 Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 43; BaFin, Emittentenleitfaden, S. 39;
Kümpel/Veil, WpHG, 4. Teil Rn. 13. Geboten ist das dargelegte Ergebnis, da den Emittenten
der einzubeziehenden Wertpapiere kein Widerspruchsrecht zusteht, vgl. § 56 Abs. 1 Satz 2
Börsenordnung für die FWB, abrufbar unter www.deutsche-boerse.com.
427 Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729, 734.
428 Vgl. Büche, Ad-hoc-Publizitätspflicht, S. 166.
429 Begründung RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucksache 15/4999, S. 36.
430 Begründung RegE Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucksache 15/4999, S. 36. So
auch Groß, Kapitalmarktrecht, § 16 WpPG Rn. 19.
100
Letztlich muss die hierdurch bewirkte Duplizität der Publizitätsvorschriften auf
dem Emissionsmarkt als eine Folge zwingender Vorgaben auf europäischer Ebene
hingenommen werden. Im Hinblick auf die Entstehung der Ad-hoc-Publizitätspflicht
vor der Ausgabe eines Prospekts, wie ihn § 3 Abs. 3 WpPG verlangt, kommt es aber
in Betracht, den Aufschub einer Ad-hoc-Meldung gemäß § 15 Abs. 3 WpHG bis zur
Veröffentlichung des Prospekts als berechtigt anzusehen.431
c) Finanzinstrumente
Dass sich § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG seit dem Inkrafttreten des AnSVG nicht länger
auf Wertpapiere, sondern auf Finanzinstrumente gemäß § 2 Abs. 2b WpHG bezieht,
bewirkt eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Ad-hoc-Publizitätspflicht.432
Relativiert wird diese Ausweitung aber wiederum dadurch, dass einzig Wertpapiere
zum regulierten Markt im Sinne des reformierten BörsG zugelassen werden können.
Der insofern maßgebliche börsenrechtliche Wertpapierbegriff entspricht weitgehend
der in § 2 Abs. 1 WpHG fixierten Begriffsbestimmung.433
Im Hinblick auf preislich von einem Basiswert abhängige Finanzinstrumente ist
zu betonen, dass die Ad-hoc-Publizitätspflicht den Emittenten des Derivats betrifft.
Wenn der Emittent des Derivats nicht mit dem Emittenten des Basiswerts identisch
ist, sind die jeweiligen Emittenten so unabhängig voneinander zur Veröffentlichung
von Insiderinformationen verpflichtet.434 Eine selbständige Ad-hoc-Publizitätspflicht
des Emittenten eines Derivats setzt jedoch voraus, dass jener Emittent Kenntnis von
entsprechenden Insiderinformationen hat. Dies wird regelmäßig nicht der Fall sein,
da kein privilegierter Zugang zu Insiderinformationen, die auf Umständen beruhen,
welche im Tätigkeitsbereich des Emittenten des Basiswerts eingetreten sind, besteht.
Darüber hinaus trifft die Ad-hoc-Publizitätspflicht den Emittenten des Derivats nur,
wenn er als Inlandsemittent einzustufen ist und das Derivat zu einem organisierten
Markt gemäß § 2 Abs. 5 WpGH zugelassen worden ist.435
431 Zu den Voraussetzungen einer Befreiung vgl. Teil 1, IV. B. 3.
432 Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 46; Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer,
§ 14 Rn. 15; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rn. 60 ff. Zur daraus unter Umständen
resultierenden Ad-hoc-Publizitätspflicht von Emittenten börsennotierter Finanzinstrumente,
die selbst nicht börsennotiert sind, vgl. Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 30 f.
Die nötige Kurserheblichkeit wird in so einem Fall jedoch nur solchen Insiderinformationen
zuzusprechen sein können, welche die Zahlungsfähigkeit des Emittenten betreffen. Vgl. dazu
Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 198 f.; Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 30 f.
433 Vgl. Groß, Kapitalmarktrecht, § 30 BörsG Rn. 12; Heidelbach, in: KMRK, § 30 BörsG Rn. 8;
jeweils m.w.N.
434 Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 50; BaFin, Emittentenleitfaden, S. 39.
435 Jene Einschränkung des Anwendungsbereichs der Ad-hoc-Publizitätspflicht gegenüber dem
Insiderrecht wird durch Art. 9 Abs. 3 der MMR gedeckt, vgl. dazu Büche, Ad-hoc-Publizität,
S. 191.
101
2. Gegenstand der Ad-hoc-Publizitätspflicht
Die weitreichende Deckungsgleichheit zwischen dem Gegenstand der Verpflichtung
zur Ad-hoc-Publizität gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. und der Insidertatsache
nach § 14 Abs. 1 WpHG a.F. verdeutlichte, dass der enge Zusammenhang zwischen
der Ad-hoc-Publizitätspflicht sowie dem Insiderrecht vom nationalen Gesetzgeber
bereits vor der Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie berücksichtigt worden ist.
Mit der Zusammenführung des Insiderrechts und der Ad-hoc-Publizitätspflicht auf
europäischer Ebene ist allerdings eine noch stärkere tatbestandsmäßige Annäherung
erforderlich geworden.
a) Insiderinformation im Sinne des § 13 Abs. 1 WpHG
Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie bezieht sich die Ad-hoc-
Publizitätspflicht auf Insiderinformationen im Sinne der Marktmissbrauchsrichtlinie.
Dieser europäische Regelungsansatz wurde mit der Anknüpfung an den Begriff der
Insiderinformation in § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG, welcher durch § 13 Abs. 1 WpHG
definiert wird, vom nationalen Gesetzgeber übernommen. Gegenstand der Ad-hoc-
Publizitätspflicht können damit nur Umstände sein, die dazu geeignet sind, den Preis
der zu einem organisierten Markt zugelassenen Finanzinstrumente eines Emittenten
erheblich zu beeinflussen.
b) Unmittelbare Betroffenheit des Emittenten
Da die Ad-hoc-Publizitätspflicht nicht auf die Beseitigung sämtlicher Informationsasymmetrien unter den Marktteilnehmern, sondern allein solcher, die zwischen dem
betroffenen Emittenten und dem Anlegerpublikum bestehen, abzielen kann, bedarf
es eines entsprechenden Korrektivs. Dieses stellt § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG über die
Beschränkung auf Insiderinformationen, die einen Emittenten unmittelbar betreffen,
auch bereit. Gegenüber der früheren Regelung, die neben dem Eintritt im Tätigkeitsbereich des Emittenten Auswirkungen auf die Vermögens- oder Finanzlage oder den
allgemeinen Geschäftsverlauf des Emittenten forderte, ist jenes Korrektiv nun enger
gefasst. Dies hat eine Ausweitung der Ad-hoc-Publizitätspflicht zur Folge.436
436 Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 52 m.w.N. Schon vor Veröffentlichung
der MMR wurde ein Verzicht auf die Beeinflussung der Vermögens- oder Finanzlage oder
des allgemeinen Geschäftsverlaufs teilweise gefordert, vgl. dazu Burgard, ZHR 162 (1998),
51, 66, von Klitzing, Ad-hoc-Publizität, S. 123. Das Tatbestandsmerkmal einer Auswirkung
auf die Vermögens- oder Finanzlage oder den allgemeinen Geschäftsverlauf verdeckt wieder
einzuführen, indem eine unmittelbare Betroffenheit einzig in solchen Fällen anerkannt wird,
muss als Missachtung der Intention des Gesetzgebers bewertet werden. Hierfür aber offenbar
Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 184 ff.
102
aa) Emittentenbezug
Die Frage, ob ein Emittent selbst von einer Insiderinformation unmittelbar betroffen
sein muss oder ob eine unmittelbare Betroffenheit seiner Finanzinstrumente genügt,
ist ohne Belang.437 Denn nach richtiger Ansicht beziehen sich insiderpapierbezogene
Informationen auf spezielle Wertpapierkategorien. Mithin sind sie eine Untergruppe
der emittentenbezogenen Informationen.438 Insiderpapierbezogene Informationen als
marktbezogene Informationen zu definieren, vermag bei genauerer Betrachtung der
europäischen Vorgaben nicht zu überzeugen, da in jenem Fall die nach Art. 1 Nr. 1
der Marktmissbrauchsrichtlinie zu ziehende Unterscheidung zwischen einer direkten
und einer indirekter Betroffenheit der Emittenten kaum nachvollziehbar erscheint.439
Denn unter welchen Umständen, wenn nicht bei marktbezogenen Informationen, ein
Emittent nur indirekt betroffen sein soll, bliebe offen.
In Bezug auf derivative Finanzinstrumente, welche selbst zum Handel an einem
organisierten Markt zugelassen sind, ist anzumerken, dass ein Emittentenbezug nach
§ 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG nicht besteht, wenn die Information allein den Emittenten
des Basiswerts unmittelbar betrifft.440 In Fällen, in denen der Emittent eines Derivats
personenverschieden von dem Emittenten des Basiswerts ist, beurteilt sich folglich
zwar die Frage nach dem Vorliegen einer Insiderinformation einheitlich, nicht aber
die nach dem Bestehen einer Veröffentlichungspflicht.441
bb) Unmittelbare Betroffenheit
Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG betreffen Insiderinformationen einen Emittenten
jedenfalls dann unmittelbar, wenn sie sich auf Umstände beziehen, welche in seinem
Tätigkeitsbereich eingetreten sind.442 Darüber hinaus können nun jedoch auch von
außen kommende Insiderinformationen zur Abgabe eine Ad-hoc-Meldung zwingen.
Ausschlaggebend ist insoweit, dass der betreffende Emittent durch eine Information
437 Assmann, in: Assmann/Schneider; 4. Aufl., § 15 Rn. 56; Simon, Der Konzern 2005, 13, 15;
Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rn. 84; Ziemons, NZG 2004, 537, 541. Für einen
Ausschluss insiderpapierbezogener Informationen dagegen BaFin, Emittentenleitfaden, S. 41;
Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 180; Struck, Ad-hoc-Publizitätspflicht, S. 134.
438 So insbesondere Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 13 Rn. 47 ff.
439 Ungeachtet dessen wird teilweise aber weiterhin von diesem Verständnis ausgegangen, vgl.
BaFin, Emittentenleitfaden, S. 21, 42, Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 180. Eine Darstellung des
Streitstands findet sich auch bei Schäfer, in: Schäfer/Hamann, § 13 WpHG Rn. 43.
440 Assmann, in Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 57; BaFin, Emittentenleitfaden, S. 42;
Claussen/Florian, AG 2005, 745, 754.
441 Selbst wenn eine Insiderinformation sich auf den Emittenten des Basiswerts und denjenigen
des Derivats bezieht, wird eine Ad-hoc-Publizitätspflicht des Emittenten des Derivats in der
Regel an dessen mangelnder Kenntnis von der betreffenden Insiderinformation scheitern, vgl.
Teil 1, IV. B. 1. c).
442 Vgl. dazu Begründung RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 26.
103
nicht wie jeder andere Wettbewerber, sondern in einem erkennbar herausgehobenen
Maß berührt wird. Der Emittent muss zwar nicht ausschließlich, jedoch zumindest
maßgeblich betroffen sein.443 Betrifft eine Insiderinformation den Emittenten nicht
in solch einer spezifischen Weise, entfällt die Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität.
Deshalb sind insbesondere allgemeine Marktdaten von der Ad-hoc-Publizitätspflicht
ausgenommen.444
Diese Aussage ist indes wiederum insoweit einzuschränken, als dass spezifische
Auswirkungen von allgemeinen Marktdaten auf einzelne Emittenten eine Ad-hoc-
Publizitätspflicht begründen können.445 Die Befürchtung, dass ein Emittent darüber
mit einer Pflicht belegt wird, zu deren Erfüllung er regelmäßig nicht in der Lage ist,
erscheint dabei kaum realistisch. Denn selbst wenn spezifische emittentenbezogene
Konsequenzen zu bejahen sein sollten, muss ein Emittent doch Kenntnis von diesen
allgemeinen Marktdaten erlangen, bevor jene öffentlich bekannt gegeben werden.446
Andernfalls liegt eine die Ad-hoc-Publizitätspflicht auslösende Insiderinformation
bereits nicht mehr vor. An einem privilegierten Zugang der betreffenden Emittenten
zu allgemeinen Marktdaten wird es jedoch meistens fehlen.447
Einen für die Praxis zentralen Anhaltspunkt dafür, wann von einem unmittelbaren
Emittentenbezug auszugehen ist, liefert der Emittentenleitfaden mit der Aufnahme
eines Beispielkatalogs, der die entsprechenden Empfehlungen durch CESR aufgreift
sowie weitere Paradigmen hinzufügt.448 Einen Hinweis darauf, dass dieser Katalog
einerseits nicht abschließend ist, andererseits jedoch auch eine Prüfung im Einzelfall
nicht ersetzen kann, gibt die BaFin dabei ausdrücklich ab.449
443 Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 68.
444 Vgl. Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 64, mit Nachweisen zum insoweit
einheitlichen Meinungsstand, sowie BaFin, Emittentenleitfaden, S. 41.
445 Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 64; Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 181 f.;
Simon, Der Konzern 2005, 13, 17. Vgl. dazu auch CESR’s Advice on Level 2 Implementing
Measures for the proposed Market Abuse Directive, CESR/02-089d, Rn. 36, abrufbar unter
www.cesr-eu.org. A.A. Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rn. 88.
446 Simon, Der Konzern 2005, 13, 17, und Tollkühn, ZIP 2004, 2215, 2216, scheinen letztlich
allein auf den privilegierten Zugang zu Insiderinformationen abzustellen, womit das Kriterium der Unmittelbarkeit entwertet wird. Klarer insoweit Assmann, in: Assmann/Schneider, 4.
Aufl., § 15 Rn. 64.
447 Simon, Der Konzern 2005, 13, 17. Spindler, NJW 2004, 3449, 3451, hält das Kriterium der
Unmittelbarkeit daher zu Recht für wenig trennscharf. Entscheidend wird in aller Regel sein,
ob eine Information öffentlich bekannt oder zur Kursbeeinflussung ungeeignet ist und bereits
deswegen die Einstufung als Insiderinformation entfällt.
448 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 41 f. Zu den europäischen Ratschlägen vgl. CESR’s Advice on
Level 2 Implementing Measures for the proposed Market Abuse Directive, CESR/02-089d,
Rn. 36, abrufbar unter www.cesr-eu.org.
449 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 41 Fn. 11. Kritisch gegenüber der kasuistischen Bestimmung
des Tatbestandsmerkmals Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rn. 81. Bemühungen um
eine abstrakte Abgrenzung unternimmt ders., a.a.O., § 15 Rn. 89 ff.
104
cc) Konzernsachverhalte
Schwierigkeiten wirft die Frage auf, unter welchen Umständen konzernangehörige
Unternehmen von Insiderinformationen unmittelbar betroffen sind und in der Folge
der Ad-hoc-Publizitätspflicht unterliegen. Ausgeschlossen ist es insoweit jedenfalls,
dass die Ad-hoc-Publizitätspflicht den Konzern selbst betrifft, da ein Konzern nach
§§ 15, 18 AktG als ein Verbund rechtlich selbständiger Unternehmen gelten muss.450
Dem Konzern zugehörige Unternehmen, welche keine Inlandsemittenten von zum
Börsenhandel an einem organisierten Markt gemäß § 2 Abs. 5 WpHG zugelassenen
Finanzinstrumenten sind, müssen aus dem Adressatenkreis der Ad-hoc-Publizitätspflicht ebenfalls von vorn herein ausscheiden.451
Die Frage, ob ein konzernangehöriges Unternehmen von einer Insiderinformation
unmittelbar betroffen ist, stellt sich, falls allein die Muttergesellschaft als Emittentin
der Ad-hoc-Publizitätspflicht unterworfen ist, der Insiderinformation aber Umstände
zugrunde liegen, die im Tätigkeitsbereich einer Tochtergesellschaft eingetreten sind.
In aller Regel kann hierbei davon ausgegangen werden, dass die Muttergesellschaft
im Tätigkeitsbereich einer Tochtergesellschaft eingetretene Informationen erhält.452
Fraglich erscheint auch, was im umgekehrten Fall zu gelten hat, in welchem einzig
die Tochtergesellschaft zur Ad-hoc-Publizität verpflichtet ist, die Insiderinformation
jedoch auf Umstände aus dem Tätigkeitsbereich der Muttergesellschaft zurückgeht.
Eine Ad-hoc-Publizitätspflicht kann in diesem Fall allerdings nur entstehen, falls die
Tochtergesellschaft ausnahmsweise positive Kenntnis der Insiderinformation hat.453
In Fällen, in welchen sowohl die Muttergesellschaft als auch die Tochtergesellschaft
als Emittentinnen potentielle Adressatinnen der Ad-hoc-Publizitätspflicht sind, wird
sich bezüglich jener Problematik nichts ändern. Dafür, dass eine Tochtergesellschaft
die Ad-hoc-Publizitätspflicht nicht betreffen sollte, falls auch die Muttergesellschaft
der Ad-hoc-Publizitätspflicht unterliegt, ist kein gesetzlicher Rückhalt erkennbar.454
Nachgedacht werden muss dann jedoch darüber, inwiefern die konzernangehörigen
Unternehmen zur Zusammenlegung oder zur Abstimmung der Meldungen berechtigt
sein können.
450 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, § 18 Rn. 1.
451 Vgl. Teil 1, IV. B. 1.
452 Im Vertragskonzern bedingt das Weisungsrecht nach § 308 Abs. 1 AktG eine Weiterleitung
sämtlicher relevanter Informationen. Sollte eine Weiterleitung ausnahmsweise unterbleiben,
ist eine Wissenszurechnung vorstellbar, vgl. Schüler, Wissenszurechnung, S. 266 ff. m.w.N.
Im faktischen Konzern bestehen gegenüber einer Pflicht zur Informationsweitergabe dagegen
erhebliche Bedenken, vgl. Fabritius, in: FS Huber, S. 705, 709 f.; Spindler/Speier, BB 2005,
2031, 2032; jeweils m.w.N. Eine Befugnis zur Weiterleitung von Insiderinformationen gemäß
§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG besteht allerdings auch im faktischen Konzern, vgl. hierzu Liekefett,
Due Diligence, S. 285 f. m.w.N. Differenzierend Veil, ZHR 172 (2008), 239, 268 f.
453 Spindler/Speier, BB 2005, 2031, 2034.
454 Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 72; Kuthe, ZIP 2004, 883, 885; Tollkühn,
ZIP 2004, 2215, 2217; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rn. 97. Im Ergebnis ebenso
Spindler/Speier, BB 2005, 2031, 2034. A.A. offenbar Möllers, ZBB 2003, 390, 392.
105
Teilweise wird die unmittelbare Betroffenheit konzernangehöriger Unternehmen,
deren Tätigkeitsbereich die jeweiligen Insiderinformationen nicht zuzuordnen sind,
nur bejaht, wenn jene einen beherrschenden unternehmerischen Einfluss ausüben.455
Nach dieser an der früheren Rechtslage orientierten Meinung wären Informationen,
welche sich auf Umstände beziehen, die in den Tätigkeitsbereich einer Schwesteroder Muttergesellschaft fallen, niemals dazu geeignet, eine Ad-hoc-Publizitätspflicht
bei einer Tochtergesellschaft auszulösen.456 Eine parallele Ad-hoc-Publizitätspflicht
einer Muttergesellschaft müsste zudem bei einer reinen Finanzbeteiligung entfallen.
Diese Auffassung fasst das Kriterium der Unmittelbarkeit jedoch zu eng. Wie bereits
gezeigt, dient es vorwiegend einer Ausklammerung von allgemeinen Marktdaten.457
Eine spezifische Betroffenheit, welche über die eines beliebigen Marktteilnehmers
deutlich hinausgeht, vermittelt die Konzernzugehörigkeit richtigerweise aber stets.458
Als entscheidendes Abgrenzungskriterium muss so die Kurserheblichkeit gelten.459
Im Konzern gilt damit, dass jedes Unternehmen, für welches eine Insiderinformation
kurserheblich ist, grundsätzlich der Ad-hoc-Publizitätspflicht unterliegt.
Ergibt sich daraus, dass mehrere konzerangehörige Unternehmen eine Pflicht zur
Publikation trifft, könnte eine gemeinsame Ad-hoc-Mitteilung in Betracht kommen.
Insofern wurde vereinzelt eine Analogie zu § 24 WpHG in Erwägung gezogen, um
eine einheitliche Ad-hoc-Meldung durch die Muttergesellschaft zu ermöglichten.460
Da die konzernangehörigen Emittenten durch eine Insiderinformation nie in völlig
deckungsgleicher Weise berührt werden, vermag dies jedoch nicht zu überzeugen.461
Zumindest die mit einer Ad-hoc-Meldung abzugebende Erklärung dazu, warum eine
Information zur Kursbeeinflussung beim Emittenten geeignet ist, wird sich in aller
Regel unterscheiden.462 Zulässig und ratsam erscheint es indessen, formell getrennte
Mitteilungen inhaltlich aufeinander abzustimmen, um mögliche Unvollständigkeiten
oder Widersprüchlichkeiten zu vermeiden.463
455 Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 186 f.; Struck, Ad-hoc-Publizitätspflicht, S. 135 f. Ähnlich dazu
Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rn. 96 f.
456 Zur früheren Rechtslage vgl. Thieme, Ad-hoc-Publizität, S. 157 ff.; Schwark, in: KMRK, § 15
WpHG Rn. 54 ff. Differenzierend Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rn. 100.
457 Vgl. Teil 1, IV. B. 2. b) bb).
458 Thieme, Ad-hoc-Publizität, S. 252 ff., weist bereits zu Recht darauf hin, dass nach Umsetzung
der MMR das Merkmal eines Eintritts im Tätigkeitsbereich des Emittenten als limitierender
Faktor wegfallen wird.
459 Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 72; Holzborn/Israel, WM 2004, 1948,
1952; Spindler, NJW 2004, 3449, 3451; Spindler/Speier, BB 2005, 2031, 2033.
460 Singhof, ZGR 2001, 146, 165.
461 Im Ergebnis ebenso Spindler/Speier, BB 2005, 2031, 2034. Auch unter Geltung der früheren
Rechtslage wurde eine einheitliche Ad-hoc-Mitteilung überwiegnd als unzulässig betrachtet,
vgl. Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 31; von Klitzing, Ad-hoc-Publizität, S. 108. Ablehnend wohl
auch Waldhausen, Ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, S. 200.
462 Die Verpflichtung zur Abgabe jener Erklärung ergibt sich aus § 4 Abs. 1 Nr. 7 WpAIV.
463 Eine „rein logistische Übertragung des Veröffentlichungsverfahrens“ auf die Konzernmutter
empfiehlt auch Thieme, Ad-hoc-Publizität, S. 258. Eine zügige Abstimmung begründet dabei
kein schuldhaftes Zögern, vgl. Spindler/Speier, BB 2005, 2031, 2035.
106
3. Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht
Vor dem Inkrafttreten des AnSVG bestand gemäß § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG a.F. für
Emittenten die Möglichkeit, sich im Einzelfall auf Antrag hin durch die BaFin von
der Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität befreien zu lassen. Die Umstellung auf ein
System der Legalausnahme, oder, wie zumeist vorgebracht wird, der Selbstbefreiung
von der Ad-hoc-Publizitätspflicht, ist § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG jedenfalls nicht auf
den ersten Blick zu entnehmen.464 In Zusammenschau mit § 15 Abs. 3 Satz 4 WpHG
wird jedoch klar, dass die entsprechenden europäischen Vorgaben aus Art. 6 Abs. 2
der Marktmissbrauchsrichtlinie umgesetzt wurden.
a) Befreiungsvoraussetzungen
Unter welchen Umständen eine Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht eintritt,
wird in erster Linie durch § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG vorgegeben. Berücksichtigung
finden müssen zudem aber auch die auf Grundlage der Verordnungsermächtigung in
§ 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 WpHG erlassenen Vorschriften der §§ 6 f. WpAIV. 465
aa) Allgemeines
Gemäß § 6 Satz 1 WpAIV ist ein Emittent von der Ad-hoc-Publizitätspflicht befreit,
wenn davon auszugehen ist, dass das Interesse des betreffenden Emittenten an einer
Geheimhaltung der Insiderinformation das Interesse des Anlegerpublikums an einer
sofortigen Veröffentlichung überwiegt.466 Diese Formel mag pauschal erscheinen,
zeigt jedoch, worum es im Kern bei der zu fällenden Abwägungsentscheidung geht.
Als Vorteil jener pauschal gehaltenen Abwägungsformel muss es dabei gelten, dass
eine Offenheit gegenüber schwer vorhersehbaren Fallkonstellationen erhalten bleibt,
was bei genaueren Vorgaben kaum zu gewährleisten wäre.467
464 Ebenso Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 289.
465 Auch die §§ 6 f. WpAIV beruhen auf entsprechenden europäischen Vorgaben, vgl. Art. 3 der
Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG.
466 Die europäischen Vorgaben stellen indes nicht ausdrücklich auf eine Interessenabwägung ab,
sondern fordern lediglich ein berechtigtes Interesse an dem Aufschub einer Ad-hoc-Meldung.
Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Anh. - § 6 WpAIV Rn. 16 f., geht daher davon aus,
dass jedes berechtigte Interesse am Aufschub ein überwiegendes Interesse begründen müsse.
Letztlich wird dadurch jedoch nur ein unbestimmter Rechtsbgriff durch einen anderen ersetzt.
Denn in der Sache muss es, wie auch Versteegen, a.a.O., § 15 Rn. 143, erkennt, darum gehen,
der Ad-hoc-Publizitätspflicht dort Schranken zu setzen, wo mögliche Schäden den erstrebten
Nutzen zu übersteigen drohen. Vgl. dazu auch Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 215 f.
467 Vgl. zu diesem Gedankengang auch CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for
the proposed Market Abuse Directive, CESR/02-089d; Rn. 68 sowie CESR Market Abuse
Consultation Feedback Statement; CESR/02-287b; Rn. 77, abrufbar unter www.cesr-eu.org.
107
Zu kritisieren ist indessen, dass der Gesetzgeber die Formel in § 6 Satz 1 WpAIV
allein auf die Frage nach einem berechtigten Interesse des Emittenten bezieht. Denn
letzlich beschreibt jene Formel umfassend, unter welchen Umständen eine Befreiung
von der Ad-hoc-Publizitätspflicht gelten muss.468 Die weiteren Voraussetzungen der
Legalausnahme des § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG bilden ebenfalls Abwägungsfaktoren.
Sobald eine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist oder die Vertraulichkeit
einer Insiderinformation von dem betreffenden Emittenten nicht länger gewährleistet
werden kann, überwiegt das Interesse des Anlegerpublikums an der Publikation der
Information das Geheimhaltungsinteresse des Emittenten jedoch prinzipiell.469
Die Fragestellung, ob auch Fallkonstellationen auftreten können, in welchen das
Interesse eines Emittenten an der Verzögerung einer Veröffentlichung das Interesse
des Anlegerpublikums an einer sofortigen Publikation stets überwiegt, erfordert es
indessen, einen Blick über die Regelungen des Kapitalmarktrechts hinaus zu werfen.
Denn ein prinzipielles Überwiegen des Geheimhaltungsinteresses könnte bestehen,
wenn wettbewerbs- oder gesellschaftsrechtliche Regelungen einer Veröffentlichung
von Insiderinformationen entgegenstehen. Dass nicht kapitalmarktrechtlich geboten
sein kann, was wettbewerbs- oder gesellschaftsrechtlich verboten ist, wird jedenfalls
als denkbare Konsequenz zu betrachten sein.470
Bei näherer Betrachtung kann so eine Schlussfolgerung jedoch nicht überzeugen.
Denn auch entsprechende wettbewerbs- oder gesellschaftsrechtliche Verbote müssen
letztlich auf Geheimhaltungsinteressen bei den betreffenden Unternehmen gründen.
Gerade jene berechtigten Interessen an der Geheimhaltung von Informationen sollen
aber auch bei der Befreiung von der Ad-hoc-Publizitäspflicht berücksichtigt werden.
Wenn eine Information aufgrund ihrer Kurserheblichkeit als Insiderinformation zu
qualifzieren ist, können die Geheimhaltungsinteressen der Unternehmen allerdings
nicht mehr als der allein ausschlaggebende Faktor bewertet werden. Zusätzlich muss
dann das Interesse des Anlegerpublikums an einer unverzüglichen Veröffentlichung
Beachtung finden. Soweit es um die Geheimhaltung von Insiderinformationen geht,
welche einen Inlandsemittenten unmittelbar betreffen, ist mithin von einem Vorrang
der spezielleren kapitalmarktrechtlichen Regelungen auszugehen.471
468 Schneider, BB 2005, 897, 899. A.A. offenbar Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Anh.
- § 6 WpAIV Rn. 16 ff.
469 Ähnlich Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 221.
470 Vgl. Ekkenga, ZGR 1999, 165, 195, welcher auf dahingehende Aussagen bei Normkonflikten
im Bereich des Kartellrechts verweist. Auf die Möglichkeit einer „per-se-Freistellung“ haben
hieraus Ekkenga, a.a.O., 165, 194 f. und Waldhausen, Ad-hoc-Publizitätspflichtige Tatsache,
S. 233, geschlossen. Eine derartige Differenzierung ergibt nach geltender Rechtslage indessen
keinen Sinn mehr. Ablehnend auch Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 220 f.
471 Zur Schweigepflicht aus § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG vgl. Hefermehl/Spindler, in: MünchKomm.
AktG, § 93 Rn. 58. Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 221, geht zwar ebenfalls von einem Vorrang
der Regelungen zur Ad-hoc-Publizität aus, meint aber, dass im Gesellschaftsrecht wurzelnde
nationale Verbote das grundsätzlich bestehende Ermessen des Vorstands im Hinblick auf den
Aufschub einer Ad-hoc-Mitteilung auf Null reduzieren könnten.
108
bb) Berechtigte Interessen des Emittenten
§ 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG a.F. legte bereits vor dem Inkrafttreten des AnSVG fest,
dass es zur Freistellung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht berechtigter Interessen des
Emittenten bedarf. Nach ganz herrschender Ansicht war ein Interesse des Emittenten
dann als berechtigt zu bewerten, wenn es das Interesse des Anlegerpublikums an der
korrekten Marktpreisbildung überwog.472 Mit § 6 Satz 1 WpAIV wurde jene frühere
herrschende Ansicht vom Gesetzgeber offensichtlich aufgegriffen.
§ 6 Satz 2 WpAIV gibt unter Bezugnahme auf einzelne Fallkonstellationen einen
Ansatzpunkt zur näheren Bestimmung der berechtigten Emittenteninteressen vor.473
Eine solche Eingrenzung ist dringend geboten, da der Forderung nach transparenten
und verstehbaren Bewertungskriterien aufgrund der Einführung eines Systems der
Legalausnahme eine noch höhere Bedeutung zukommt. Ob die Benennung einzelner
Fallgruppen dazu geeignet ist, jenes Ziel zu erreichen, erscheint jedoch zweifelhaft.
Denn sobald es um die Beurteilung eines durch die Vorgaben in § 6 Satz 2 WpAIV
nicht erfassten Falles geht, vermag diese Regelung den Normadressaten kaum mehr
eine Hilfestellung zu leisten. Es besteht folglich ein vordringliches Interesse an der
Herausarbeitung abstrakter Bewertungskriterien.
(1) Zu berücksichtigende Interessen der Emittenten
Die Frage, welche Emittenteninteressen überhaupt Berücksichtigung finden müssen,
kann weiterhin in Anlehnung an die Regelung des § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AktG
beantwortet werden.474 Danach sind jedenfalls sämtliche Nachteile eines Emittenten
wirtschaftlicher Art, welche mit einer gewissen Plausibilität vorherzusehen sind, auf
der Seite des Emittenten in die Waagschale zu werfen.475 Zu beachten sind insoweit
472 Fürhoff/Wölk, WM 1997, 448, 458; Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 157; Kümpel/Assmann, in:
Assmann/Schneider, 3. Aufl., § 15 Rn. 135 f.; Schneider, BB 2001, 1214, 1215 f.; Wilga, in:
Möllers/Rotter, § 9 Rn. 16 ff.; Zimmer, in: KMRK, § 15 WpHG Rn. 130.
473 Dass die dort benannten Beispiele keine abschließende Aufzählung darstellen sollen, betont
die Begründung WpAIV, S. 7, abrufbar unter www.bundesfinanzministerium.de. Vgl. ferner
Art. 3 Abs. 1 der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG.
474 Zur früheren Rechtslage ebenso Fürhoff, Ad-hoc-Publizität, S. 202; Gehrt, Ad-hoc-Publizität,
S. 165; Schäfer, in: Dreyling/Schäfer, Rn. 484. Für eine noch weiter gefasste Definition der
zu berücksichtigenden Interessen sprach sich Wilga, in: Möllers/Rotter, § 9 Rn. 16 ff., aus, da
eine Eingrenzung erst auf der „zweiten Stufe“ der Abwägung zwischen Emittenteninteressen
und Kapitalmarktinteressen vorzunehmen sei.
475 Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 131 Rn. 99. Dass eine unbestreitbare Beeinträchtigung der
Interessen eines Emittenten im Rahmen des § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG nicht zu verlangen ist,
lässt sich auch aus dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 der MMR ableiten. Erforderlich ist
hiernach, dass die Publikation den Interessen des Emittenten schaden könnte; vgl. Schneider,
BB 2005, 897, 898. Zu weitgehend erscheint indes die Ansicht von Büche, Ad-hoc-Publizität,
S. 215 f., der noch nicht einmal eine Schadenswahrscheinlichkeit für notwendig erachtet.
109
auch solche abzusehende Beeinträchtigungen, bei denen der Umfang des möglichen
wirtschaftlichen Schadens des Emittenten nicht eindeutig bestimmt werden kann.476
Die Publikation von negativen Informationen ist so regelmäßig zur Beeinträchtigung
der Emittenteninteressen geeignet.477 Bei positiven Informationen kann ein Interesse
an einer Geheimhaltung hingegen lediglich unter besonderen Umständen vorliegen.
In Betracht kommen hierbei insbesondere solche Fälle, in welchen selbst erarbeitete
Wettbewerbsvorteile eines Emittenten aufgrund der verfrühten Veröffentlichung von
Informationen verloren zu gehen drohen. Nachteilig auswirken könnte sich etwa die
Offenlegung patentrechtlich ungesicherter technischer Neuentwicklungen oder die
Bekanntgabe von Rohstofflagerstätten, solange noch keine Abbaurechte bestehen.478
Auch bei M&A-Transaktionen kann eine frühzeitige Veröffentlichung dazu führen,
dass ein Emittent einen erhöhten Kaufpreis zu zahlen hat oder sogar der Erfolg einer
Transaktion gefährdet wird.479
(2) Abwägung gegenüber den Interessen des Anlegerpublikums
In einem zweiten Schritt bleibt zu überprüfen, ob das Geheimhaltungsinteresse eines
Emittenten das Publikationsinteresse der Anleger, oder noch präziser formuliert, der
gegenwärtigen und der künftigen Aktionäre des betreffenden Emittenten, überwiegt.
Wenn dies nicht zutrifft, kann das Geheimhaltungsinteresse des Emittenten nicht als
berechtigt bewertet werden. Eine Befreiung ist dann unzulässig.480
Von Bedeutung ist hierbei auch die voraussichtliche Dauer der Geheimhaltung.481
Denn so lange die entsprechende Insiderinformation nicht veröffentlicht wird, dauert
aller Voraussicht nach die Störung einer Bildung von zutreffenden Marktpreisen an.
Zu fordern ist daher, dass eine Entschärfung der Spannungslage durch den Aufschub
der Bekanntgabe einer Insiderinformation abzusehen ist. Sollte dies nicht zutreffen,
476 Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 131 Rn. 99. Der entgegengesetzten Ansicht von Ebenroth,
Auskunftsrecht, S. 83, kann schon deswegen nicht gefolgt werden, weil sie im Widerspruch
zu § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV stünde, vgl. Teil 1, IV. B. 3. a) bb) (3) (b).
477 So jedenfalls zur früheren Rechtslage Fürhoff/Wölk, WM 1997, 449, 458. Zustimmend Wilga,
in: Möllers/Rotter, § 9 Rn. 24. A.A. Assmann, in Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 150,
welcher bereits hier danach fragt, ob das negative Ereignis durch geeignete Maßnahmen des
Emittenten abgewendet werden kann.
478 Vgl. Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 151. Zur früheren Rechtslage vgl.
Wilga, in: Möllers/Rotter, § 9 Rn. 23. Besonders betont wird die Bedeutung der Möglichkeit
zur Abschöpfung selbst erarbeiteter Wettbewerbsvorteile aus ökonomischer Perspektive von
Ekkenga, ZGR 1999, 165, 193 f.
479 Vgl. dazu Teil 2, I. C.
480 Jene Zweistufigkeit der Prüfung betont Wilga, in: Möllers/Rotter, § 9 Rn. 16 ff.
481 Die zur früheren Rechtslage genannten Argumente haben insoweit ihre Gültigkeit behalten,
vgl. Fürhoff/Wölk, WM 1997, 449, 458 f.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 16.302;
Wilga, in: Möllers/Rotter, § 9 Rn. 24. Für einen gesonderten entsprechenden Prüfungspunkt
Rückert/Kuthe, in: Rückert/Kuthe/Sickinger, 5. Kap. Rn. 28.
110
greift auch keine Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht, da die Interessen des
Emittenten eine dauerhaft verfälschte Marktpreisbildung nie rechtfertigen können.482
Gerade bei negativen Insiderinformationen kommt eine Befreiung deswegen nur in
Betracht, wenn ein Emittent aus gutem Grunde von einer baldigen Veränderung der
Situation ausgehen darf.
Nicht unterbleiben sollte ein Hinweis darauf, dass auch eine verfrühte Publikation
von Insiderinformationen jedenfalls eine mittelbare Beeinträchtigung der Interessen
des Anlegerpublikums zur Folge haben kann.483 Denn zumindest den gegenwärtigen
Aktionären des Emittenten kommt ein mittelbares Interesse daran zu, dass negative
Umstände sich nicht in noch höherem Maß auswirken, als unbedingt notwendig und
aus positiven Umständen abzuleitende Vorteile vollständig realisiert werden können.
Bei einer an ökonomischen Aspekten orientierten Betrachtung kann diesbezüglich
formuliert werden, dass für das Anlegerpublikum nicht nur die allokative Effizienz
der Mittelzuführung über den Kapitalmarkt, sondern auch die operative Effizienz der
Mittelverwendung an den Leistungsmärkten von Bedeutung ist.484 Die dort erzielten
Erfolge bestimmen letztlich auch den Preis der Finanzinstrumente. Ein vollständiger
Gleichlauf der Interessen von Emittenten und Anlegerpublikum kann hieraus indes
nicht abgeleitet werden. Bei negativen Insiderinformationen haben die zukünftigen
Aktionäre des Emittenten ein Interesse daran, die entsprechenden Finanzinstrumente
nicht zu einem überhöhten Preis zu erwerben und bei positiven Insiderinformationen
haben zumindest diejenigen gegenwärtigen Aktionäre, welche zu einer Veräußerung
entschlossen sind, ein Interesse daran, nicht unter Wert zu verkaufen.
Im Rahmen der Abwägung ist ferner zu berücksichtigen, ob davon ausgegangen
werden darf, dass eine Veröffentlichung der Insiderinformation effektiv zur Bildung
zutreffender Marktpreise beiträgt. Zweifelhaft erscheint dies insbesondere, wenn die
Veröffentlichung eine Verwirrung des Anlegerpublikums zur Folge haben könnte.485
Der Gesetzgeber nimmt zu jenem Problem im Zusammenhang mit den mehrstufigen
Entscheidungsprozessen insofern Stellung, als dass in § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV die
Frage aufgeworfen wird, ob eine Publikation die sachgerechte Bewertung durch das
Anlegerpublikum gefährden würde.486 Denn dann wird nicht Transparenz, sondern
482 A.A. Versteegen, in KölnKomm. WpHG, § 15 Anh. - § 6 WpAIV Rn. 15, der eine Abwägung
von Interessen jedoch generell für nicht geboten erachtet.
483 Vgl. Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 34.
484 Ekkenga, ZGR 1999, 165, 195 f. Die nach § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV zu beachtende ernsthafte
Gefährdung der Interessen der Anleger kann auf die obige Überlegung zurückgeführt werden,
vgl. dazu Teil 1, IV. B. 3. a) bb) (3) (a).
485 Dieser Punkt ist nicht mit dem einer Irreführung der Öffentlichkeit auf Grund des Aufschubs
einer Publikation zu verwechseln, vgl. hierzu Teil 1, IV. B. 3. a) cc). Verkannt wird dies von
Schäfer, in: Marsch/Barner, § 14 Rn. 51.
486 Vgl. dazu auch Begründung RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 35. In den europäischen
Vorgaben wird der entsprechende Gedanke in Art. 3 Abs. 1 lit. b der Durchführungsrichtlinie
2003/124/EG formuliert. Vgl. dazu CESR Market Abuse Consultation Feedback Statement,
CESR/02-287b, Rn. 80 f., abrufbar unter www.cesr-eu.org.
111
eine Verunsicherung des Anlegerpublikums geschaffen.487 Übertragen lässt sich jene
Überlegung indes auf sämtliche Fälle, in welchen bezüglich der Wahrscheinlichkeit
des zukünftigen Eintritts eines Umstands ein Faktor nicht beziffert werden kann.488
Denn eine Ad-hoc-Meldung, der weder unmittelbar noch mittelbar zu entnehmen ist,
wie hoch die Wahrscheinlichkeit der Realisierung eines Umstands ist, regt letztlich
rein spekulatives Handeln an. Zur Bildung zutreffender Marktpreise vermag so eine
Meldung mithin nicht beizutragen. Eine sofortige Publikation ist darum nur sinnvoll,
wenn auch Fakten mitgeteilt werden, die für den verständigen Anleger einen Schluss
auf die zu prognostizierende Eintrittswahrscheinlichkeit zulassen.489
Erwägenswert erscheint es ferner, bei der Interessenabwägung auch auf die Höhe
der Preisbeeinflussung abzustellen. Zu bedenken ist allerdings, dass es nur schwer
abzuschätzen sein wird, wie stark die Veröffentlichung einer Insiderinformation sich
letztlich auf die Marktpreisbildung auswirkt. Zudem ist eine dahingehende Prognose
schon bei der Frage, ob überhaupt eine Insiderinformation vorliegt, vorzunehmen.490
Eine Schwelle bezüglich der Höhe der Preisbeeinflussung besteht deshalb ohnehin.
Bei der Überschreitung jener Schwelle ist von einer verfälschten Marktpreisbildung
auszugehen. Allein über den Verweis auf die Geringfügigkeit der Beeinträchtigung
der Marktpreisbildung kann eine Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht daher
nicht legitimiert werden.
(3) Regelbeispiele gemäß § 6 Satz 2 WpAIV
§ 6 Satz 2 WpAIV benennt Fallbeispiele, in denen das Geheimhaltungsinteresse
eines Emittenten das Interesse der Anleger an einer Publikation überwiegen kann.491
Die genannten Fallbeispiele gehen auf entsprechende europäische Vorgaben zurück,
wobei § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV auf Art. 3 Abs. 1 lit. a der Durchführungsrichtlinie
2003/124/EG beruht und in § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV die Vorgaben aus Art. 3 Abs. 1
lit. b der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG aufgegriffen werden. Eine Befreiung
von der Ad-hoc-Publizitätspflicht soll insbesondere in den genannten Fällen zulässig
sein, weshalb hier von Regelbeispielen gesprochen werden darf.492
487 Begründung WpAIV, S. 8, abrufbar unter www.bundesfinanzministerium.de.
488 Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 218, 290, hält es offenbar ebenfalls für geboten, die Überlegung
entsprechend zu verallgemeinern.
489 Liegt die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines künftigen Umstands unterhalb einer Schwelle
von 50 %, liegt schon keine konkrete Information vor, womit auch keine Publikationspflicht
entsteht, vgl. dazu Teil 1, III. B. 3. a) bb) (1).
490 Vgl. Teil 1, III. B. 3. d).
491 Die benannten Fallbeispiele sind nicht abschließender Natur, vgl. Begründung WpAIV, S. 7,
abrufbar unter www.bundesfinanzministerium.de. Auf europäischer Ebene verdeutlicht dies
Art. 3 Abs. 1 der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG. Näher zur Rechtsnatur der Vorgaben
492 Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 148. Noch weiter gehend Versteegen, in:
KölnKomm. WpHG, § 15 Anh. - § 6 WpAIV Rn. 27 ff.
112
Problematisch an der Vorgabe von Regelbeispielen erscheint es, dass die nötige
Offenheit gegenüber Fallkonstellationen, die nicht ausdrücklich aufgeführt werden,
verloren gehen könnte.493 Die Ausführungen der BaFin im Emittentenleitfaden sind
jedoch geeignet, Bedenken dahingehender Art zu zerstreuen. Dies folgt nicht allein
aus der dortigen Nennung von weiteren Beispielsfällen, sondern vor allem aus dem
Hinweis, dass von zu hoch gesteckten Anforderungen an eine Befreiung wegen der
Erweiterung des Kreises der zu veröffentlichenden Informationen abzusehen ist.494
Dem ist zuzustimmen, weil die Befreiungsmöglichkeit nach § 15 Abs. 3 WpHG das
einzige Korrektiv darstellt, um einen Ausgleich der Interessen zwischen Emittenten
und Anlegerpublikum zu erreichen.
(a) § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV
§ 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV wird vor allem im Rahmen von M&A-Transaktionen eine
Rolle spielen. Darauf bleibt an späterer Stelle noch im Detail zurückzukommen.495
Ferner können auch Sanierungsverhandlungen unter die Regelung gefasst werden.496
Nur schwer einschätzen lässt sich in benanntem Zusammenhang indessen, welches
Ziel der Verordnungsgeber mit der Forderung nach einer ernsthaften Gefährdung der
Interessen der Anleger verfolgt hat. Als Ausgangspunkt jener Forderung muss wohl
eine Fehlinterpretation der europäischen Vorgaben gelten.497 Art 3 Abs. 1 lit. a der
Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG gibt in Bezug auf Sanierungsverhandlungen
vor, dass ein berechtigtes Interesse nicht erst dann besteht, wenn ein Emittent unter
das geltende Insolvenzrecht fällt. Vielmehr soll schon davor eine Befreiung zulässig
sein, da ein Abbruch von Sanierungsverhandlungen die Interessen der Aktionäre des
sanierungsbedürftigen Emittenten massiver Gefahr aussetzen würde. Zu befürchten
sind hohe finanzielle Ausfälle bis hin zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals.498
Der Verordnungsgeber überträgt jenen Gedankengang offenbar auf sämtliche Fälle,
in welchen laufende Verhandlungen durch eine sofortige Veröffentlichung erheblich
beeinträchtigt werden könnten. Aufgrund des bereits dargestellten Zusammenhangs
493 Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 219, m.w.N.
494 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 55. Ebenso argumentieren zahlreichen Literaturstimmen, vgl.
Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 134, 149; Claussen/Florian, AG 2005,
745, 757; Möllers, WM 2005, 1393, 1395 ff.; Schneider, BB 2005, 897; Simon, Der Konzern
2005, 13, 19; Veith, NZG 2005, 254, 257. Kritisch dazu Versteegen, in: KölnKomm. WpHG,
§ 15 Rn. 146. Für hohe Ansprüche an eine Befreiung indes Dreyling, Der Konzern 2005, 1, 3;
Tollkühn, ZIP 2004, 2215, 2218; Struck, Ad-hoc-Publizitätspflicht, S. 146 f.
495 Vgl. Teil 2, I. C. 1. b) sowie Teil 2, I. C. 2. und 3.
496 Besonders betont wird die Erfassung von Sanierungsverhandlungen durch Art. 3 Abs. 1 lit. a
der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG.
497 Möllers, WM 2005, 1393, 1396. Vgl. ferner Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15
WpHG Rn. 138; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Anh. - § 6 WpAIV Rn. 35.
498 Weshalb der europäische Gesetzgeber die Interessen der potentiellen Aktionäre als durch eine
sofortige Bekanntgabe gefährdet ansieht, bleibt indessen rätselhaft. Denn eben jene würden ja
davor bewahrt, Aktien des von der Insolvenz bedrohten Emittenten zu überhöhten Preisen zu
erwerben.
113
zwischen Emittenten- und Aktionärsinteressen ist dies prinzipiell begrüßenswert.499
Die Forderung einer ernsthaften Gefährdung der Interessen der Anleger kann dann
jedoch kein zusätzlich einschränkendes Kriterium bedeuten. Letztlich wird dadurch
also nur illustriert, dass auch die Anlegerinteressen ernsthaft gefährdet sein können,
wenn eine unverzügliche Publikation die laufenden Verhandlungen wahrscheinlich
beeinträchtigen würde.500
(b) § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV
Das in § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV benannte Fallbeispiel bezieht sich auf die Befreiung
von der Ad-hoc-Publizitätspflicht bei einem mehrstufigen Entscheidungsprozess.501
Zur früheren Rechtslage wurde insoweit überwiegend die Auffassung vertreten, dass
aufgrund verbandsrechtlicher Erfordernisse erst dann eine Publizitätspflicht bestehe,
wenn ein mehrstufiger Entscheidungsprozess zu seinem Abschluss gekommen sei.502
Nach geltender Rechtslage muss jene Ansicht aber als überholt betrachtet werden.503
Zu folgern ist dies aus einer Gesamtschau mehrerer Neuerungen durch das AnSVG.
Zunächst ist klargestellt worden, dass auch Informationen über zukünftige Umstände
bei hinreichender Eintrittswahrscheinlichkeit als konkrete Insiderinformationen im
Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG eingestuft werden müssen.504 Ferner wurde bei
der Ad-hoc-Publizität das Erfordernis einer Auswirkung von Insiderinformationen
auf die Vermögens- oder Finanzlage oder den allgemeinen Geschäftsverlauf eines
Emittenten gestrichen.505 Als letztlich ausschlaggebend müssen jedoch Neuerungen
gelten, welche mit der Umstellung der Befreiungsmöglichkeit von der Verpflichtung
zur Ad-hoc-Publizität auf ein System der Legalausnahme im Zusammenhang stehen.
Insbesondere das Fallbeispiel des § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV zeigt, dass der Ausgleich
zwischen dem kapitalmarktrechtlich begründeten Interesse des Anlegerpublikums an
499 Zu jener mittelbaren Gefährdung der Interessen des Anlegerpublikums durch eine verfrühte
Ad-hoc-Meldung vgl. Teil 1, IV. B. 3. a) bb) (2).
500 Im Ergebnis ebenso Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 WpHG Rn. 138.
501 Fleischer, NZG 2007, 401, 403, bezeichnet mehrstufige Entscheidungsprozesse mit Recht als
„causa celebre“ der Ad-hoc-Publizität. Vgl. auch Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl.,
§ 15 Rn. 60, 141 ff.; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Anh. - § 6 WpAIV Rn. 38 ff.
502 Vgl. Kümpel/Assmann, in Assmann/Schneider, 3. Aufl., § 15 Rn. 58 ff.; Zimmer, in: KMRK,
§ 15 Rn. 79 ff.; jeweils m.w.N. Befürchtet wurde andernfalls eine „Ad-hoc-Entmachtung“ des
Aufsichtsrats, vgl. Burgard, ZHR 162 (1998), 51, 78; Happ/Semler, ZGR 1998, 116, 119.
503 Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 60; BaFin, Emittentenleitfaden, S. 46;
Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 649; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929, 935; Fischer zu
Cramburg/Roye, in: Heidel, § 15 WpHG Rn. 11; Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729, 737;
Messerschmidt, BB 2004, 2538, 2539; Möllers, WM 2005, 1393, 1394 f.; Schneider/Gilfrich,
BB 2007, 53 f.; Sickinger, in: Rückert/Kuthe/Sickinger, 10. Kap. Rn. 5; Simon, Der Konzern
2005, 13, 15 f.; Veith, NZG 2005, 254, 256; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rn. 82;
Ziemons, NZG 2004, 537, 541 f.
504 Vgl. Teil 1, III. B. 3. a) bb) (1).
505 Vgl. Teil 1, IV. B. 2. b).
114
einer möglichst frühen Publikation und dem auf das Verbandsrecht zurückgehenden
Bedürfnis, unternehmensinterne Entscheidungsprozesse nicht durch eine verfrühten
Veröffentlichungen zu beeinträchtigen, nach geltender Rechtslage bei der Befreiung
von der Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG zu suchen ist.506
Denn § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV geht erkennbar davon aus, dass grundsätzlich bereits
vor Zustimmung aller verbandsrechtlich vorgegebenen Entscheidungsgremien eine
Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität entsteht. Nicht vorgegeben wird dort indessen,
ob bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen regelmäßig ein berechtigtes Interesse
an der Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht vorliegt, oder aber im Einzelfall
ein spezielles Interesse des Emittenten an einer Befreiung dargelegt werden muss.507
Zweifel daran, dass trotz der Vorgabe eines entsprechenden Fallbeispiels regelmäßig
ein Aufschubinteresse zu bejahen ist, nährt hierbei insbesondere der Umstand, dass
in § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV offenbar kumulativ eine Gefährdung der sachgerechten
Bewertung einer Insiderinformation durch das Anlegerpublikum gefordert wird.508
Bei näherer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass die Gefahr einer unsachgerechten
Bewertung einer Information durch das Anlegerpublikum fast immer besteht, wenn
ein mehrstufuger Entscheidungsprozess noch nicht zum Abschluss gekommen ist.509
Denn allein damit, dass in die entsprechende Ad-hoc-Mitteilung ein Hinweis auf die
ausstehende Zustimmung des Aufsichtsrats aufgenommen wird, lässt sich die Gefahr
einer Fehlreaktion der Anleger nicht bannen. Vielmehr würden die Anleger so dazu
gezwungen, Spekulationen darüber anzustellen, ob eine Vorstandsentscheidung nur
noch der Form nach abzunicken ist oder eine weitere ernsthafte Beratung bevorsteht.
Eine Gefährdung der sachgerechten Bewertung durch das Anlegerpublikum kann so
allenfalls dann ausgeschlossen werden, wenn eine Ad-hoc-Meldung Fakten enthält,
die zeigen, dass die ausstehende Aufsichtsratsentscheidung als eine reine Formsache
einzustufen ist.510 Da solche Fakten in den seltensten Fällen zu liefern sein werden,
ist eine Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht bis zum Abschluss eines mehrstufigen Entscheidungsprozesses regelmäßig zu bejahen.511
506 Fleischer, NZG 2007, 401, 403.
507 Auch die europäischen Vorgaben sind in jenem Punkt nicht eindeutig, vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. b
der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG, ABl. EU Nr. L 339 vom 24.12.2003, S. 71 sowie
CESR Market Abuse Consultation Feedback Statement, CESR/02-287b, Rn. 80 f., abrufbar
unter www.cesr-eu.org.
508 Vgl. Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 218; Veith, NZG 2005, 254, 256.
509 A.A. Staake, BB 2007, 1573, 1576 f., welcher meint, dass der Markt selbst bestimmen müsse,
für wie wahrscheinlich er eine Zustimmung hält. Zur zutreffenden Marktpreisbildung bedarf
es jedoch entsprechender Informationen. Vgl. dazu auch Teil 1, IV. B. 3. a) bb) (2).
510 Ähnlich Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1905; Schneider, BB 2005, 897, 899. Die Einschätzung
durch Happ/Semler, ZGR 1998, 116, 123, dass sonst eine „Hüh-und-Hott-Publizität“ drohe,
lässt sich insofern auf die geltende Rechtslage übertragen.
511 Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 143; BaFin, Emittentenleitfaden, S. 55;
Claussen/Florian, AG 2005, 745, 755; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rn.
66. Vgl. auch Begründung WpAIV, S. 8, abrufbar unter www.bundesfinanzministerium.de.
Die Entscheidung der Hauptversammlung ist schon nicht mehr Teil des gesellschaftsinternen
Entscheidungsprozesses, vgl. Assmann, in Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 146.
115
(4) Konzernsachverhalte
Probleme wirft die Frage auf, wann konzernzugehörigen Emittenten ein berechtigtes
Interesse an der Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht zuzusprechen ist. Denn
§ 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG lässt sich entnehmen, dass Emittenten eine Befreiung nur
auf eigene berechtigte Interessen stützen dürfen.512 Eine erhebliche Einschränkung
der Befreiungsmöglichkeit innerhalb von Konzernstrukturen könnte die Folge sein.
Denn wie bereits dargelegt, müssen Insiderinformationen, welche sich auf Umstände
beziehen, die im Tätigkeitsbereich einer Tochtergsellschaft eingetreten sind, an die
Muttergesellschaft weitergeleitet und bei entsprechender Kurserheblichkeit auch von
der Muttergesellschaft publiziert werden.513
Vor dem Inkrafttreten des AnSVG ist zur Auflösung dieser Problematik teilweise
eine analoge Anwendung des § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG a.F. eingefordert worden.514
Jene Ansicht vermag aber zumindest nach geltender Rechtslage nicht zu überzeugen.
Denn wenn eine Muttergesellschaft von einer Insiderinformation über Umstände, die
im Tätigkeitsbereich einer Tochtergesellschaft eingetreten sind, derart betroffen ist,
dass eine erhebliche Kursbeeinflussung bei der Konzernmutter realistisch erscheint,
müssen stets auch deren berechtigte Interessen als beeinträchtigt angesehen werden.
Droht beispielsweise einer Tochtergesellschaft die Insolvenz, kann darüber auch bei
der Konzernmutter ein berechtigtes Interesse an der Befreiung begründet werden.515
Ist hingegen einzig bei der Tochtergesellschaft, nicht aber bei der Muttergesellschaft
die Kurserheblichkeit zu bejahen, scheidet eine Verpflichtung der Muttergesellschaft
zur Ad-hoc-Publizität von vorn herein aus. Jene Überlegung greift nicht lediglich im
Vertragskonzern, sondern auch im faktischen Konzern.516 Kritik daran, dass sich so
eventuell mehrere Unternehmen um die Befreiung bemühen müssen, lässt sich nach
der Umstellung auf ein System der Legalausnahme nicht länger aufrechterhalten.517
Folglich gilt, dass mit der Verpflichtung zur Publikation von Insiderinformationen,
die aus einem konzernmäßig verbundenen Unternehmen stammen, die Berechtigung
dazu einhergeht, bei der Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht die Interessen
des betreffenden konzernzugehörigen Unternehmens zu berücksichtigen.518
512 Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 157; BaFin, Emittentenleitfaden, S. 55;
Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Anh. - § 6 WpAIV Rn. 12.
513 Vgl. Teil 1, IV. B. 2. b) cc).
514 Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 32 f.; von Klitzing, Ad-hoc-Publizität, S. 183. Für die unmittelbare
Anwendbarkeit von § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG a.F. hingegen Singhof, ZGR 2001, 146, 164 f.
Näher zum früheren Meinungsstand Thieme, Ad-hoc-Publizität, S. 260 f.
515 Thieme, Ad-hoc-Publizität, S. 264, erkennt dies, ohne daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Zutreffend zur geltenden Rechtslage Spindler/Speier, BB 2005, 2031, 2033; Versteegen, in:
KölnKomm. WpHG, § 15 Anh. - § 6 WpAIV Rn. 12.
516 Vgl. Teil 1, IV. B. 2. b) cc).
517 Thieme, Ad-hoc-Publizität, S. 266 f., wollte § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG a.F. aus jenem Grund
nur hinsichtlich der Rechtsfolgen analog auf eine Muttergesellschaft anwenden.
518 Ebenso Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 157; Spindler/Speier, BB 2005,
2031, 2033; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Anh. - § 6 WpAIV Rn. 12.
116
cc) Keine Irreführung der Öffentlichkeit
Eine Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht perpetuiert stets ein Informationsungleichgewicht und damit einen verfälschten Preis der betreffenden Insiderpapiere.
Daran, dass ein verständiger Anleger bei der unverzüglichen Veröffentlichung einer
Insiderinformation anders gehandelt hätte, darf eine Irreführung der Öffentlichkeit
deswegen nicht festgemacht werden.519 Bedeutungslos ist das Tatbestandsmerkmal
der Irreführung der Öffentlichkeit gleichwohl nicht.520 Vielmehr ist eine Irreführung
der Öffentlichkeit jedenfalls dann zu bejahen, wenn ein Emittent aktiv Signale setzt,
welche zu noch nicht publizierten Insiderinformationen im Widerspruch stehen.521
Aus diesem Grund erscheint eine besonders sensible Informationspolitik angezeigt,
solange eine Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht fortdauert. Nicht gefolgt
werden kann indessen der Ansicht, dass insoweit zwischen negativen und positiven
Insiderinformationen unterschieden werden müsse.522 Denn eine Verfälschung des
Preisniveaus bewirkt auch die Zurückhaltung positiver Insiderinformationen.
dd) Gewährleistung der Vertraulichkeit durch den Emittenten
Genauere Vorgaben zum Erfordernis der Gewährleistung von Vertraulichkeit durch
den Emittenten, während eine Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht andauert,
finden sich in § 7 WpAIV.523 § 7 Nr. 1 WpAIV setzt fest, dass andere Personen als
solche, deren Zugang zu Insiderinformationen für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben
bei einem Emittenten unerlässlich ist, keinen Informationszugang erlangen dürfen.
Die entsprechende Forderung hat der Europäische Gerichtshof auch bei der Befugnis
zur Weitergabe von Insiderinformationen nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG erhoben.524
Angesichts jenes Umstands erscheint es nicht länger zweckmäßig, sich näher mit der
Frage auseinanderzusetzen, ob möglicherweise eine richtlinienkonforme Auslegung
des § 7 Nr. 1 WpAIV geboten ist, nach der Zugang auch Personen zu gewähren ist,
519 Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 159; BaFin, Emittentenleitfaden, S. 55;
Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 221 f.; Fischer zu Cramburg/Roye, in: Heidel, § 15 WpHG Rn.
16; Rückert/Kuthe, in: Kuthe/Rückert/Sickinger, 5. Kap. Rn. 33; Simon, Der Konzern 2005,
13, 20; Veith, NZG 2005, 254, 257; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rn. 153 ff.
520 So aber Rückert/Kuthe, in: Kuthe/Rückert/Sickinger, 5. Kap. Rn. 33.
521 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 56. Als ausreichend ist insoweit auch eine Aufrechterhaltung
von Fehlvorstellungen, die auf ein entsprechendes Vorverhalten des Emittenten zurückgehen,
zu beurteilen, vgl. Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 34; Simon, Der Konzern
2005, 13, 20; Veith, NZG 2005, 254, 257.
522 Für eine solche Unterscheidung Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 650; Ziemons, NZG 2004,
537, 543. Zu Recht ablehnend indes Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 160;
Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rn. 135; Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1905,
Möllers, WM 2005, 1393, 1396; Simon, Der Konzern 2005, 13, 20; Veith, NZG 2005, 254,
257; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rn. 156.
523 Grundlage dieser Regelung ist Art. 3 Abs. 2 der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG.
524 EuGH NJW 2006, 133 (Urteil vom 22.11.2005 – Rs C-384/02).
117
welche diesen normalerweise benötigen.525 Denn bei einer solchen Auslegung käme
man zu dem sinnwidrigen Ergebnis, dass ein Emittent die Vertraulichkeit weiterhin
bewahren könnte, obwohl das insiderrechtliche Weitergabeverbot missachtet wurde.
§ 7 Nr. 1 WpAIV könnte so nicht absichern, dass Emittenten während der Befreiung
verstärkt auf eine Bereitstellung effektiver Compliance-Strukturen achten müssen.526
Eingewandt werden könnte hiergegen, dass § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG sich allein auf
die konkrete, selektive Weitergabe von Insiderinformationen bezieht, während durch
§ 7 Nr. 1 WpAIV geregelt wird, wann ein Emittent in seinem Organisationsbereich
eine generelle oder anlassbezogene Zugriffsmöglichkeit gewähren darf.527 Im Kern
stellen aber beide Normen darauf ab, den Kreis der Mitwisser so überschaubar wie
möglich zu halten, um so der Gefahr des Insiderhandels präventiv entgegenzutreten.
Trotz der unterschiedlichen Regelungsbereiche kann mithin von einer einheitlichen
Zielrichtung gesprochen werden. Zugang zu Insiderinformationen soll einzig haben,
wer diesen auch tatsächlich benötigt.528
Die aus § 7 Nr. 2 WpAIV abzuleitende Verpflichtung, eine Information sofort zu
publizieren, wenn die Vertraulichkeit nicht länger garantiert werden kann, stellt klar,
dass als Konsequenz der Befreiung zwar Beeinträchtigungen bezüglich der Bildung
zutreffender Marktpreise in Kauf genommen werden, nicht jedoch die Gefahr eines
unkontrollierbaren Insiderhandels. Die Frage, ob ein Emittent dazu in der Lage ist,
die Vertraulichkeit einer Insiderinformation zu gewährleisten, stellt sich vor allem
dann, wenn Gerüchte am Markt kursieren, der betreffende Emittent aber zumindest
in seinem Herrschaftsbereich ein Informationsleck ausschließt. Zu differenzieren ist
hier zwischen unspezifischen Gerüchten, die nicht als Insiderinformation gelten und
detaillierten Aussagen über einer Insiderinformation zugrunde liegende Umstände.
525 So aber auf Grund der englischen Fassung des Art. 3 Abs. 2 lit. a der Durchführungsrichtlinie
2003/124/EG Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 162; Brandi/Süßmann, AG
2004, 642, 647. Da die offiziellen Amtsprachen grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander
stehen, lässt sich ist ein Vorrang der englischen Sprache bei der Auslegung allerdings nicht
begründen. Abgestellt werden kann deswegen allenfalls auf die Korrektur einer inadäquaten
Übersetzung, welche mit hoher Sicherheit erfolgte, da die englische Sprache in aller Regel als
Arbeitssprache verwendet wird. Allgemein hierzu Oppermann, Europarecht, § 4 Rn. 28, 31 f.
Die englische Form von Art. 3 Abs. 2 lit. a der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG lautet:
“that the issuer has established effective arrangement to deny access to such information to
persons other than those who require it for the exercise of their functions within the issuer”.
Meines Erachtens ist die Übersetzung noch als korrekt zu bewerten. Drastischer formuliert ist
demgegenüber die englische Fassung des Urteils des EuGH vom 22.11.2005 – Rs C- 384/02:
„that disclosure is strictly necessary for the exercise of that employment, profession or duty“.
Die Ansicht von Simon, Der Konzern 2005, 13, 21, der meint, dass es auf die Unerlässlichkeit
der Weitergabe nicht mehr ankommt, falls der Empfänger zur Vertraulichkeit verpflichtet ist,
kann nicht überzeugen. Vgl. dazu die Kritik von Schneider, BB 2005, 897, 900.
526 Zu denken ist dabei etwa an die Errichtung von „Chinese Walls“ oder eine Ausgabe interner
Verhaltenskodizes. Vgl. CESR´s Advice on Level 2 Implementing Measures for the proposed
Market Abuse Directive, CESR/02-089d, Rn. 72, abrufbar unter www.cesr-eu.org.
527 Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 164; Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 223.
528 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 56.
118
Dass reine, etwa von Journalisten vorgebrachte, Spekulationen einen Emittenten zur
Publikation von Insiderinformationen zwingen, liegt wohl kaum im Normsinne.529
Sind hingegen nähere Details über die einer Insiderinformation zu Grunde liegenden
Umstände zu unbefugten Dritten vorgedrungen, kann ein Emittent lediglich dann zur
weiteren Aufrechterhaltung der Selbstbefreiung befugt sein, wenn ihm der Nachweis
gelingt, dass in seiner Sphäre mit Sicheheit kein Informationsleck eingetreten ist.530
Denn in jenem Fall tritt neben eine Verfälschung der Marktpreisbildung zusätzlich
die Gefahr des Insiderhandels.
ee) Erfoderlichkeit einer Entscheidung über die Befereiung
Ob eine Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht automatisch eintritt, wenn die
obgenannten Voraussetzungen vorliegen, oder ob darüber hinaus eine Entscheidung
des Emittenten über die Befreiung erforderlich ist, wird uneinheitlich beantwortet.531
Fraglich erscheint insofern bereits, ob tatsächlich von einer herrschenden Meinung
zu sprechen ist, welche eine Entscheidung des Emittenten implizit fordert, indem der
Terminus der „Selbstbefreiung“ von der Ad-hoc-Publizitätspflicht benutzt wird.532
Letztlich kann es darauf allerdings nicht ankommen. Vielmehr ist durch Auslegung
zu ermitteln, ob und wenn ja, in welcher Form ein Emittent über eine Befreiung von
der Ad-hoc-Publizitätspflicht zu entscheiden hat. Im Anschluss könnte sich dann die
Folgefrage stellen, welche Konsequenzen eine Unterlassung der Entscheidung über
eine Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspficht hat.
529 Vgl. Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 224; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929, 935; Möllers,
WM 2005, 1393, 1397. Näher zum Meinungstand Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl.,
§ 15 Rn. 168. Die Position von Rückert/Kuthe, in: Rückert/Kuthe/Sickinger, 5. Kap. Rn. 34 f.,
ist nur schwer einzuschätzen.
530 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 56. Dass Details über eine Insiderinformation bekannt sind, ist
dabei als klares Indiz für ein Informationsleck beim Emittenten zu bewerten, das oft kaum zu
widerlegen sein wird, vgl. dazu Rückert/Kuthe, in: Rückert/Kuthe/Sickinger, 5. Kap. Rn. 34 f.
Grundsätzliche Bedenken gegen eine Verpflichtung des Emittenten nachzuweisen, dass Dritte
die Information verbreitet haben, äußern indessen Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729, 731.
Für eine ausnahmslose Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität beim Bekanntwerden von Details
hingegen Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rn. 165.
531 Eine entsprechende Entscheidung des Emittenten verlangen Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1906;
Schneider, BB 2005, 897, 900; Schneider/Gilfrich, BB 2007, 53, 54. Ausdrücklich gegen die
Erforderlichkeit so einer Entscheidung Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rn. 168 ff.
Keine Klärung der Frage erfolgte mit der Entscheidugn des OLG Stuttgart ZIP 2007, 481 ff.,
da hier bereits die hinreichende Wahrscheinlichkeit der Ablösung des Vorstandsvorsitzenden
der DaimlerChrysler AG Jürgen Schrempp durch die möglichen Nachfolger Eckhard Cordes
oder Dieter Zetsche verneint wurde. Folglich sollte schon keine Insiderinformation vorliegen.
Kritisch hierzu Fleischer, NZG 2007, 401, 406; Möllers/Weichert, EWiR § 37b WpHG 1/07,
S. 285, 286; Widder, BB 2007, 572, 537. Vgl. dazu auch BGH ZIP 2008, 639 ff.
532 Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rn. 166 f., geht offensichtlich davon aus, dass eine
dahingehende herrschende Meinung besteht. Er stellt dabei aber weniger auf die Verwendung
des Begriffs der „Selbstbefreiung“ als auf weiterführende inhaltliche Ausfühungen ab.
119
Gegen das Erfordernis einer Entscheidung des Emittenten über die Befreiung von
der Ad-hoc-Publizitätspflicht spricht der Wortlaut des § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG. 533
Denn wenn die Voraussetzugen einer Befreiung vorliegen, ist der Emittent nach dem
Wortlaut der Norm auch ohne Vorbehalte von der Ad-hoc-Publitzitätspflicht befreit.
In § 15 Abs. 3 Satz 4 WpHG wird indes, wie auch in § 8 Abs. 5 Nr. 2 lit. a WpAIV,
von einer Entscheidung über den Aufschub der Veröffentlichung gesprochen. Nach
§ 8 Abs. 5 Nr. 2 lit. b WpAIV hat der Emittent zusätzlich konkrete Angaben zu den
Personen zu machen, die an der Entscheidung über eine Befreiung beteiligt waren.
Das Ergebnis der grammatikalischen Auslegung könnte folglich als perplex gelten.
Bei näherer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass sich § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG
auf die Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht bezieht, während die Vorgaben
durch § 15 Abs. 3 Satz 4 WpHG sowie § 8 Abs. 5 Nr. 2 WpAIV im Zusammenhang
mit der Vorabmitteilung an die BaFin nach § 15 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 WpHG stehen.
Die grammatikalische Auslegung führt so zu dem Ergebnis, dass ein Emittent eine
Entscheidung über die Befreiung lediglich treffen muss, um bei der Nachholung der
entsprechenden Ad-hoc-Mitteilung dazu in der Lage zu sein, gegenüber der BaFin
schon vorab zusätzliche Angaben im Hinblick auf die Befreiung machen zu können.
Teleologische Erwägungen stützten das Ergebnis der grammatikalischen Auslegung.
Denn für das Anlegerpublikum macht es keinerlei Unterschied, ob der betreffende
Emittent eine korrekte Entscheidung über die Befreiung von der Verpflichtung zur
Ad-hoc-Publizität trifft, oder ob den Anforderungen an eine Befreiung nur zufällig
entsprochen wird, da der Emittent überhaupt nicht in eine Prüfung eingestiegen ist.
In beiden Fällen besteht ein materielles Interesse des Emittenten an der Befreiung,
welches das Interesse des Anlegerpublikums an einer Veröffentlichung überwiegt.
Allein für die BaFin ist es von Bedeutung, dass der Emittent eine Entscheidung über
die Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht vornimmt. Denn die Mitteilung der
nach § 15 Abs. 3 Satz 4 WpHG und § 8 Abs. 5 WpAIV erforderlichen Angaben zu
Grundlagen und Umständen der Entscheidung eines Emittenten über die Befreiung
erleichtern der BaFin eine Überprüfung der Rechtslage in ganz erheblichem Maße.
Eine Entscheidung über die Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht ist also nur
notwendig, um der BaFin eine Kontrolle der Entscheidung ex post zu ermöglichen.
Die formellen Anforderungen, welche bezüglich jener Entscheidung zu stellen sind,
müssen sich an den Vorgaben in § 15 Abs. 3 Satz 4 WpHG und § 8 Abs. 5 WpAIV
orientieren. Daraus folgt, dass keine formelle Vorstandsentscheidung geboten ist.534
Solange ein Emittent dazu in der Lage ist, die nötigen Angaben zu der Entscheidung
über die Befreiung in eine Vorabmitteilung gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 WpHG
an die BaFin aufzunehmen, muss mithin auch eine konkludente Entscheidung über
die Befreiung ausreichen. Im Hinblick auf die ex post Kontrolle durch die BaFin ist
gleichwohl zu einer Dokumentation der Entscheidung zu raten.
533 So auch Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1906; Schneider, BB 2005, 897, 900; Schneider/Gilfrich,
BB 2007, 53, 54.
534 Gegen besondere Formerfordernisse bezüglich der Entscheidung auch Harbarth, ZIP 2005,
1898, 1906; Schneider, BB 2005, 897, 900; Schneider/Gilfrich, BB 2007, 53, 56.
120
Wenn die materiellen Voraussetzungen einer Befreiung gegeben sind, müssen die
Folgen einer unterlassenen Entscheidung über die Befreiung jenen entsprechen, die
eine falsche Vorabmitteilung gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 WpHG nach sich zieht.
Es liegt damit ein von § 39 Abs. 2 Nr. 2 lit. c WpHG erfasster Verstoß vor, der nach
§ 39 Abs. 4 WpHG mit einer Geldbuße in Höhe von bis zu zweihunderttausend Euro
geahndet wird. Nicht verstoßen wird indessen gegen § 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a WpHG,
weshalb eine Geldbuße in Höhe von bis zu einer Million Euro ausscheiden muss.535
Im Hinblick auf eine mögliche zivilrichtliche Haftung ist zu sagen, dass ein Verstoß
gegen Vorabmitteilungspflichten nur dann zu einer Emittentenhaftung führen kann,
wenn aufgrund eines Verstoßes eine Entscheidung über die Aussetzung des Börsenhandels in den betreffenden Finanzinstrumenten verspätet getroffen wurde.536
b) Nachholung der Ad-hoc-Mitteilung
Nach § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG hat ein Emittent Insiderinformationen unverzüglich
zu veröffentlichen, wenn die Voraussetzungen einer Befreiung nicht mehr vorliegen.
Dies ist regelmäßig der Fall, wenn sich die ursprünglich bestehende Spannungslage
zwischen den Interessen des Emittenten und denen des Anlegerpublikums auflöst.537
In Betracht kommt aber auch, dass ein Emittent überraschend zur Publikation einer
Insiderinformation gezwungen ist, da die Vertraulichkeit nicht länger gewährleistet
werden kann.538 Dass die Erstellung einer Ad-hoc-Meldung und die Begründung der
Befreiung aufgrund entsprechender Vorbereitungen zeitnah möglich sind, muss der
betreffende Emittent deswegen im Vorfeld absichern.539
Uneinheitlich wird die Frage beantwortet, ob Insiderinformationen in der Form zu
publizieren sind, wie sie sich zum Zeitpunkt der Nachholung einer Ad-hoc-Meldung
darstellen, oder ob bekannt zu geben ist, welche Umstände den Insiderinformationen
ursprünglich zugrunde lagen.540 Sollte nur der aktuelle Stand zu veröffentlichen sein,
ist keine Nachholung der Meldung geboten, wenn sich die einer Insiderinformation
535 Vgl. Teil 1, IV. C. 1.
536 Möllers/Leisch, in: KölnKomm. WpHG, §§ 37 b, c Rn. 109.
537 Vgl. Teil 1, IV. B. 3. a) bb) (2).
538 Vgl. Teil 1, IV. B. 3. a) dd).
539 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 64.
540 Für den aktuellen Stand Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 172; BaFin,
Emittentenleitfaden, S. 53; Fischer zu Cramburg/Roye, in: Heidel, § 15 WpHG Rn. 17; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rn. 139; Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1906;
Kümpel/Veil, WpHG, 4. Teil Rn. 29; Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729, 738; Schäfer, in:
Marsch-Barner/Schäfer, § 14 Rn. 52; Schneider, BB 2005, 897, 901; Simon, Der Konzern
2005, 13, 22; Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 35; Veith, NZG 2005, 254,
258; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rn. 185. Für den alten Stand Holzborn/Israel,
WM 2004, 1948, 1952; Tollkühn, ZIP 2004, 2215, 2219 f. Schwer zuzuordnen Bürgers, BKR
2004, 424, 426; Kuthe, ZIP 2004, 883, 886; Rückert/Kuthe, in: Kuthe/ Rückert/Sickinger, 5.
Kap. Rn. 37; Spindler, NJW 2004, 3449, 3452; Ziemons, NZG 2004, 537, 543.
121
zugrunde liegenden Umstände zwischenzeitlich erledigt haben. Dies wird vereinzelt
als eine Missachtung des Informationsinteresses des Anlegerpublikums kritisiert.541
Zu berücksichtigen ist indes, dass die Ad-hoc-Publizitätspflicht nicht jedes beliebige
Informationsinteresse, sondern allein das Interesse der Anleger an einer Publikation
von Insiderinformationen befriedigen soll.542 Die Ad-hoc-Meldung muss darum den
aktuellen Informationsstand wiedergeben. Soweit sich Informationen erledigt haben,
besteht keine Verpflichtung zur Nachholung einer Meldung.
Zweifelhaft scheint dieses Ergebnis allerdings in solchen Fällen zu sein, in denen
keine Insiderinformation mehr vorliegt, weil die zugrunde liegenden Umstände auf
andere Art und Weise als durch Ad-hoc-Meldung öffentlich bekannt geworden sind.
Unter Verweis auf die erhöhte Rechtssicherheit bei einer Veröffentlichung im Zuge
eines gesetzlich geregelten Verfahrens wird in benannten Fällen zum Teil vertreten,
dass trotz der Erledigung eine Nachholung der Ad-hoc-Meldung erfolgen müsse.543
Tatsächlich ist ein Fall, in dem die aufgeworfene Problematik zum Tragen kommt,
indessen kaum denkbar. Schon bevor eine Insiderinformation öffentlich bekannt ist,
wird regelmäßig eine Verpflichtung zur Nachholung der Ad-hoc-Meldung bestehen,
da der Emittent die Vertraulichkeit der Information nicht mehr garantieren kann.544
Sollte eine Insiderinformation demgegenüber schlagartig öffentlich bekannt werden,
beispielsweise durch die Verbreitung in einem Massenmedium wie dem Fernsehen,
ist danach zu differenzieren, ob Zweifel hinsichtlich des Wahrheitsgehalts vorliegen.
Falls insofern berechtigte Zweifel anzumelden sind, bleibt der Emittent zur Ad-hoc-
Publizität verpflichtet, da ungesicherte Informationen sich nicht in gleichem Maße
auf den Preis eines Finanzinstruments auswirken, wie abgesicherte Informationen.545
Wird die Information dagegen von seriösen Quellen als eine inhaltlich abgesicherte
verbreitet, bringt eine zusätzliche Ad-hoc-Meldung keine spürbaren Vorteile für das
Anlegerpublikum. Die Nachholung einer Ad-hoc-Meldung ausnahmsweise doch zu
fordern, wenn die betreffende Insiderinformation auf andere Art unf Weise als durch
eine Ad-hoc-Meldung öffentlich bekannt wurde, muss daher als überflüssig gelten.
Sinnvoll erscheint es jedoch, den Emittenten zumindest die Möglichkeit zu belassen,
eine deklaratorische Ad-hoc-Meldung zu publizieren. Eine teleologische Reduktion
des § 15 Abs. 2 Satz 1 WpHG ist insoweit geboten, um gravierende Unsicherheiten
für die Emittenten im Hinblick auf eine drohende Haftung zu vermeiden.546
541 Tollkühn, ZIP 2004, 2215, 2219 f.
542 Assmann, in Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 172 f.
543 So etwa CESR´s Advice on Level 2 Implementing Measures for the proposed Market Abuse
Directive, CESR/02-089d, Rn. 52 ff., abrufbar unter www.cesr-eu.org. Schneider, NZG 2005,
702, 707, tritt unter solchen Umständen für eine rein deklaratorische Ad-hoc-Mitteilung ein.
Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 188 ff. geht demgegenüber davon aus, dass im Hinblick auf die
Ad-hoc-Publizitätspflicht lediglich dann die öffentliche Bekanntheit einer Information bejaht
werden könne, wenn eine Ad-hoc-Meldung publiziert wurde.
544 Vgl. Teil 1, IV. B. 3. a) dd).
545 Vgl. Teil 1, III. B. 3. d) cc).
546 Schneider, NZG 2005, 702, 707; Sethe, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., §§ 37b, 37c Rn. 89.
122
Gemäß § 15 Abs. 3 Satz 4 WpHG ist bei der Nachholung der Ad-hoc-Meldung in
der nach § 15 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 WpHG an die BaFin gerichteten Vorabmitteilung
Auskunft zu Gründen und Zeitpunkt der Entscheidung über die Befreiung zu geben.
Dadurch wird die Mitteilung über die Befreiung in die Vorabmitteilung eingebettet.
Genauere Vorgaben zu jener speziellen Vorabmitteilung enthält § 8 Abs. 5 WpAIV.
Die Mitteilung muss unmittelbar vor der Nachholung der Ad-hoc-Meldung erfolgen.
Andernfalls wäre die Verpflichtung, über den Zeitpunkt der Befreiung Auskunft zu
geben, nicht erklärbar. Die in der Marktmissbrauchsrichtlinie benannte Möglichkeit,
bei einer Selbstbefreiung eine unverzügliche Meldung an die zuständige Behörde zu
verlangen, wurde mithin nicht genutzt.547 Damit entfällt eine Mitteilungspflicht über
die Befreiung gegenüber der BaFin, falls sich die einer Insiderinformation zugrunde
liegenden Umstände zwischenzeitlich erledigt haben. Kritik hieran könnte sich auf
die daraus folgende Einschränkung der Prüfungsmöglichkeiten der BaFin gründen.
Der Gesetzgeber verzichtete auf diese Kontrollmöglichkeit jedoch bewusst.548
c) Bewertung der Umstellung auf ein System der Legalausnahme
Dass nun der Emittent selbst über eine Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht
zu befinden hat, trägt zu einer schnellen und effektiven Entscheidungsfindung bei.
Denn der Emittent wird mit den einzelnen Umständen des jeweiligen Falls selbst am
besten vertraut sein. Die Entlastung der Bundesanstalt ist darum nicht der alleinige
Grund der Deregulierung. Nicht zu leugnen ist jedoch, dass sich für die Emittenten
aus der eigenverantwortlichen Entscheidung erhebliche Risiken ergeben. Ordnungsrechtliche und zivilrechtliche Konsequenzen können Emittenten bei einem System
der Legalausnahme nicht ausschließen. Die Befreiungsvoraussetzungen dürfen daher
nicht nur im Hinblick auf die Erweiterung der zur Ad-hoc-Publizität verpflichtenden
Sachverhalte, sondern auch aufgrund des einseitig den Unternehmen aufgebürdeten
Risikos einer falschen Entscheidung nicht zu eng gefasst werden. Da die einheitliche
Rechtsanwendung abzusichern ist, muss es außer Betracht bleiben, den Emittenten
bezüglich der Befreiungsvoraussetzungen einen Beurteilungsspielraum zuzubilligen.
Möglich erscheint es hingegen, die einseitige Verteilung der Risiken zu Lasten der
Emittenten im Rahmen des subjektiven Tatbestands zu berücksichtigen.549
547 Vgl. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 der MMR. Kritisch zu dem Verzicht auf die Nutzung jener Vorgabe
Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 224, 290 f. Die Kritik vermag jedoch nicht zu überzeugen, da in
Art. 6 Abs. 10, 3. Spiegelstrich der MMR klargestellt wird, dass eine einheitliche Regelung
über Durchführungsbestimmungen erreicht werden soll. Mit dem Verzicht auf dahingehende
Durchführungsbestimmungen wurden folglich Regelungsunterschiede in den Mitgliedstaaten
hingenommen. Zu den Gründen des Verzichts auf eine Verpflichtung zu einer unverzüglichen
Mitteilung einer Befreiung gegenüber der zuständigen Aufsichtsbehörde im nationalen Recht
vgl. Begründung RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 35.
548 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 53. Vgl. auch Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15
Rn. 173, 176; Schneider, BB 2005, 897, 901.
549 Vgl. dazu Teil 1, IV. C. 1 sowie Teil 1, IV. D. 1.
123
4. Berichtigungspflicht
Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG müssen unwahre Informationen, welche im Wege
einer Ad-hoc-Mitteilung veröffentlicht wurden sind, unverzüglich berichtigt werden.
Die Berichtigungspflicht knüpft insoweit allein an die Übermittlung von unwahren
Informationen in der vorhergehenden Ad-hoc-Mitteilung an. Ohne Belang ist damit,
ob auch die Berichtigung selbst die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG
erfüllen würde.550 Die Berichtigungspflicht muss in der Folge als eine eigenständige
Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität bewertet werden.551 Dies macht Sinn, da davon
auszugehen ist, dass der Markt auch unwahre Informationen, die ein Emittent über
eine Ad-hoc-Mitteilung publiziert hat, einpreisen wird. Daher ist unabhängig davon,
ob die wahre Information als Insiderinformation einzuordnen ist, eine Korrektur des
auf der unwahren Information beruhenden verfälschten Preisniveaus geboten.
5. Ad-hoc-Publizitätspflichten aufgrund selektiver Informationsweitergabe
Mit den Verpflichtungen aus § 15 Abs. 1 Satz 4 und 5 WpHG soll gesichert werden,
dass Insiderinformationen erst im Rahmen einer entsprechenden Ad-hoc-Mitteilung
gegenüber Dritten bekannt werden.552 An der Berechtigung jener Zielsetzung besteht
kein Zweifel, umso mehr jedoch daran, dass durch § 15 Abs. 1 Satz 4 und 5 WpHG
ein effektiver Beitrag zur Erreichung benannter Zielsetzung geleistet werden kann.
Die dort geregelten speziellen Ad-hoc-Publizitätpflichten aufgrund einer selektiven
Informationsweitergabe sollen allein dann zum Tragen kommen, wenn ein Emittent
oder eine Person, welche im Auftrag oder auf Rechnung eines Emittenten handelt,
Insiderinformationen im Rahmen ihrer Befugnis weiterleitet. Daraus folgt, dass eine
Weitergabe befugtermaßen im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG erfolgen muss.553
Soweit allgemeine Rechtfertigungsgründe nicht eingreifen, kann jedoch allein eine
Informationsweitergabe an Primärinsider gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. a bis c WpHG
550 Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 187; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, § 15 WpGH Rn. 189; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rn. 243.
551 Ebenso Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 14 Rn. 57, m.w.N. Anders verhält es sich mit
der Aktualisierungspflicht, vgl. dazu Teil 1, IV. B. 7. a).
552 Begründung RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 35. Weitergehende Ausführungen zu den
Zielen der Regelung finden sich bei Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 110;
Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rn. 214.
553 Dies zeigt ein Abgleich mit Art. 6 Abs. 3 der MMR. Vgl. Assmann, in: Assmann/Schneider,
4. Aufl., § 15 Rn. 116, m.w.N. § 15 Abs. 1 Satz 4 und 5 WpHG bei einem Informationsleck
im Verantwortungsbereich eines Emittenten anzuwenden, wäre nicht nur europarechtwidrig,
sondern auch überflüssig. Denn falls ein Emittent die Vertraulichkeit einer Insiderinformation
nicht länger gewährleisten kann, ist eine sofortige Publikation ohnehin erforderlich. Vgl. dazu
Widder/Gallert, NZG 2006, 451, 453 f. Gegen eine Anwendung von § 15 Abs. 1 Satz 4 und 5
WpHG auf Fälle einer unbefugten Weitergabe von Insiderinformationen auch Versteegen, in:
KölnKomm. WpHG, § 15 Rn. 224.
124
befugtermaßen erfolgen.554 Solche Primärinsider machen sich bei einer unbefugten
Weitergabe von Insiderinformationen strafbar. Einen weitergehenden Schutz vor der
unkontrollierten Verbreitung von Insiderinformationen als das Weitergabeverbot aus
§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG könnten die speziellen Ad-hoc-Publizitätspflichten gemäß
§ 15 Abs. 1 Satz 3 und 4 WpHG jedoch allenfalls bieten, wenn die dort geforderten
Vertraulichkeitsverpflichtungen einen Anreiz zur Geheimhaltung darstellen würden,
welcher noch über die drohenden Sanktionen bei einem Insiderverstoß hinausgeht.
Nicht auszuschließen ist dies bei gesetzlichen Vertraulichkeitsverpflichtungen, die
sich auf bestimmte Berufsstände beziehen, soweit bei Übertretungen ebenfalls eine
Kriminalstrafe droht.555 Entsprechend den europäischen Vorgaben müssen allerdings
auch vertragliche Verpflichtungen als Vertraulichkeitsverpflichtungen im Sinne von
§ 15 Abs. 1 Satz 3 und 4 WpHG gelten.556 Das insiderrechtliche Weitergabeverbot
gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG wirkt einer Verbreitung von Insiderinformationen
effektiver entgegen, als solch eine vertragliche Verpflichtung zur Vertraulichkeit.557
Die Forderung zusätzlicher vertraglicher Vertraulichkeitsverpflichtungen ist deshalb
sinnlos. Gestützt werden kann die Forderung nach vertraglichen Vereinbarungen zur
Vertraulichkeit auch nicht darauf, dass der Informationsempfänger so ausdrücklich
auf das Weitergabeverbot hingewiesen wird. Denn nach § 15b Abs. 1 Satz 3 WpHG
sind sämtliche Personen, die befugtermaßen Zugang zu Insiderinformationen haben,
ohnehin über die Insiderverbote und die Rechtsfolgen von Verstößen aufzuklären.558
Folglich muss gelten, dass auch das Weitergabeverbot aus § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG
als eine Vertraulichkeitsverpflichtung im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 4 und 5 WpHG
einzustufen ist.559 In der Konsequenz sind die speziellen Ad-hoc-Publizitätspflichten
nach § 15 Abs. 1 Satz 4 und 5 WpHG als totes Recht zu qualifizieren, welchem kein
praktischer Anwendungsbereich verbleibt.
554 Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 14 Rn. 75 m.w.N.
555 Gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB gilt für die beratenden Berufe des Rechts- und Wirtschaftslebens eine strafbewehrte Verschwiegenheitsverpflichtung in Bezug auf fremde Geheimnisse.
Keine strafrechtlichen Konsequenzen haben hingegen Verstöße gegen die weiter reichenden
standesrechtlichen Schweigepflichten. Vgl. dazu Rodewald/Tüxen, BB 2004, 2249, 2250.
556 Vgl. Art. 6 Abs. 3 Satz 2 der MMR. Ohne Bedeutung ist es, ob eine Vertragsstrafe vereinbart
wurde, vgl. BaFin, Emittentenleitfaden, S. 46. Nach zutreffender Meinung darf es auch keine
Rolle spielen, ob eine Vertraulichkeitsverpflichtung ausdrücklich vereinbart wurde, oder ob
eine Vertraulichkeitsverpflichtung aus einer (vor-) vertraglichen Nebenpflicht herzuleiten ist.
Vgl. dazu Leuering, NZG 2005, 12, 16; Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 37;
Simon, Der Konzern 2005, 13, 18 f.; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rn. 227.
557 Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 118; Leuering, NZG 2005, 12, 15.
558 Nach Art. 5 Abs. 5 der Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG betrifft diese Aufklärungspflicht
nicht allein die Emittenten, sondern auch die in deren Auftrag handelnden Personen, vgl. dazu
Sethe, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15b Rn. 63 m.w.N.
559 So auch Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 118; von Falkenhausen/Widder,
BB 2005, 227 f.; Simon, Der Konzern 2005, 13, 18 f.; Widder/Gallert, NZG 2006, 451, 453.
Die Gegenauffassung stützt sich allein darauf, dass es nicht im Sinne des Gesetzgebers liegen
könne, dass für § 15 Abs. 1 Satz 4 und 5 WpHG kein eigener Anwendungsbereich verbleibt.
Vgl. dazu Leuering, NZG 2005, 12, 15; Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 37;
Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rn. 225.
125
6. Alternative Formen der Verbreitung von Insiderinformationen
Vereinzelt wird die Auffassung vertreten, dass neben der befugten Weitergabe einer
Insiderinformation gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG sowie der Veröffentlichung im
Zuge einer Ad-hoc-Mitteilung gemäß § 15 WpHG weitere rechtmäßige Formen der
Verbreitung von Insiderinformationen offen stünden.560 Abgestellt wird insoweit auf
eine Informationsweiterleitung, welche das Ziel verfolgt, eine Insiderinformation
innerhalb eines überschaubaren Zeitraums öffentlich bekannt zu machen, ohne dabei
eine den Vorgaben des § 15 WpHG entsprechende Ad-hoc-Meldung zu publizieren.
Eine solche gesetzlich nicht geregelte öffentliche Bekanntmachung würde demnach
vorliegen, wenn die im Rahmen der Ad-hoc-Publizitätspflicht zu beachtende Formvorschriften verletzt worden sind. Möglich soll so eine öffentliche Bekanntmachung
ferner auf Grundlage von nicht im WpHG geregelten Publizitätsvorschriften sein.561
Darüber hinaus soll eine öffentliche Bekanntmachung in Erwägung zu ziehen sein,
wenn Informationen gegenüber Pressevertreten als Informationsvermittlern geäußert
werden. Sofern Pressevertreter als Informationsvermittler anwesend sind, soll damit
auch die Bekanntgabe von Insiderinformationen in einem Gerichtssaal oder auf einer
Hauptversammlung zulässig sein. Für einen Emittenten würde solch eine öffentliche
Bekanntmachung einzig einen Verstoß gegen § 15 Abs. 5 Satz 1 WpHG begründen.
Personen ohne Bezug zu einem Emittenten handelten hingegen rechtmäßig.562
Die aufgeführte Ansicht überzeugt nicht, da sonst erhebliche Strafbarkeitslücken
entstehen würden. Das mit dem insiderrechtlichen Weitergabeverbot verfolgte Ziel,
die Zahl der Insider möglichst zu begrenzen, solange die Bereichsöffentlichkeit noch
nicht hergestellt wurde, wäre so nicht mehr durchsetzbar. Dass Insiderinformationen
nach einer Bekanntgabe gegenüber Pressevertretern innerhalb eines überschaubaren
Zeitraums der Allgemeinheit zugänglich sind, stellt nur eine vage Vermutung dar.563
Durch die Vorschriften zur Ad-hoc-Publizitätspflicht, die insoweit als Pendant zum
insiderrechtlichen Weitergabeverbot nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG gelten müssen,
hat der Gesetzgeber jedoch deutlich gemacht, dass mit dem Ziel der Herstellung der
öffentlichen Bekanntheit einer Insiderinformation begründete Ausnahmen von dem
Weitergabeverbot einzig innerhalb des dort gesteckten Rahmen anzuerkennen sind.
Die spekulative Aussicht auf die Herstellung der öffentlichen Zugänglichkeit einer
Insiderinformation trägt keine Ausnahme von § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG.
560 Schneider, NZG 2005, 702, 703 ff. Ablehnend Sethe, ZBB 2006, 243, 252 f.; Versteegen, in:
KölnKomm. WpHG, § 15 Rn. 247.
561 Näher hierzu Schneider, Informationspflichten, S. 59 ff.
562 Schneider, NZG 2005, 702, 707. Legal soll zudem ein Emittent handeln, der sich selbst von
der Ad-hoc-Publizitätspflicht befreit hat. Diese Annahme muss als abwegig bewertet werden.
Die Ad-hoc-Publizitätspflicht fällt bei einer Befreiung gemäß § 15 Abs. 3 WpHG nicht weg,
gerechtfertigt ist nur ein Aufschub der Veröffentlichung der betreffenden Insiderinformation
im Wege einer Ad-hoc-Mitteilung.
563 Vgl. dazu Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 14 Rn. 104.
126
Dass Personen ohne Bezug zu einem Emittenten sich den Insiderverboten in der
Folge nicht durch die Veröffentlichung einer Insiderinformation entziehen können,
ist hinzunehmen. Denn die Verpflichtung, Insiderinformationen nicht zu verbreiten,
stellt in der Regel keine übermäßige Belastung für die betreffenden Personen dar.564
Ein Emittent, der sich auf der Grundlage berechtigter Unternehmensinteressen von
der Ad-hoc-Publizitätspflicht befreit hat, könnte indes erhebliche Schäden erleiden,
falls diese Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht, etwa durch die Weitergabe
einer Insiderinformation an Medienvertreter, von dritten Personen unterlaufen wird.
Eine Ausnahme vom insiderrechtlichen Weitergabeverbot kann folglich auch dann
nicht bestehen, wenn Insiderinformationen an die Medien weitergeleitet werden.565
Eine darüber hinausgehende Frage ist jedoch, ob die Medien ihrerseits dazu befugt
sind, Insiderinformationen, welche ihnen zugetragen wurden, zu veröffentlichen.566
In Anbetracht der Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG könnte insoweit eine
andere Bewertung angezeigt sein. Dabei schließt die rechtswidrige Erlangung einer
Information nicht von vorn herein aus, dass die Pressefreiheit beachtet werden muss.
Insbesondere dann, wenn die Publikation widerrechtlich erlangter Informationen zur
Aufdeckung eines Zustands dient, der seinerseits als rechtswidrig zu beurteilen ist,
bleibt die Pressefreiheit gewährleistet.567 Mittels dieser Argumentation lässt es sich
begründen, dass eine Insiderinformation jedenfalls dann durch die Medien publiziert
werden darf, wenn die Veröffentlichung einer entsprechenden Ad-hoc-Meldung von
einem Emittenten unberechtigterweise hinausgezögert wird.
Zweifelhaft erscheint auch die eingangs dargelegte Hypothese, dass ein Emittent,
welcher eine Insiderinformation auf andere Weise als durch eine Ad-hoc-Mitteilung
öffentlich bekanntmacht, allein gegen § 15 Abs. 5 Satz 1 WpHG, nicht jedoch gegen
§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG verstößt. Zu klären ist in jenem Zusammenhang zunächst,
welcher Geltungsbereich den §§ 15 Abs. 5 Satz 1, 39 Abs. 2 Nr. 6 WpHG zukommt.
Problematisch ist dabei die Abgrenzung gegenüber einer Veröffentlichung „nicht in
der vorgeschriebenen Weise“, die durch § 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a WpHG erfasst wird.
564 Da Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG einzig Tatsachenbehauptungen erfasst, die Voraussetzung für die
Bildung von Meinungen sind, wird schon der Schutzbereich der Meinungsfreiheit regelmäßig
nicht eröffnet sein, vgl. dazu BVerfGE 94, 1, 7; 65, 1, 41; 61, 1, 8. Darüber hinaus stellt das
WpHG als allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG eine zulässige Schranke dar.
Vgl. dazu Cloppenburg/Kruse, WM 2007, 1109, 1111; Spindler, NZG 2004, 1138, 1140.
565 Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 14 Rn. 100 ff.; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG,
§ 13 Rn. 30 ff.; ders., a.a.O., § 14 Rn. 55; Sethe, ZBB 2006, 243, 252 f. Cloppenburg/Kruse,
WM 2007, 1109, 1112 f., halten die Weiterleitung an Journalisten hingegen dann für zulässig,
soweit die betreffenden Insiderinformationen nicht der Ad-hoc-Publizitätspflicht unterfallen
und Ziel der Weiterleitung die Herstellung der Bereichsöffentlichkeit ist.
566 Grundsätzlich gegen die Befugnis von Journalisten zur Publikation von Insiderinformationen
Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 102. Für eine Differenzierung zwischen
der Publikation in Medien, welche dazu geeignet sind, die Bereichsöffentlichkeit herzustellen
und anderen Medien Cloppenburg/Kruse, WM 2007, 1109, 1114 f.
567 BVerfGE 66, 116, 139. Da das WpHG ein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG
darstellt, kommen Einschränkungen der Pressefreiheit jedoch auch dann in Betracht.
127
Unbefriedigend erscheint es insofern, von der Abgrenzung der Anwendungsbereiche
der Normen unter Verweis auf die identischen Rechtsfolgen gänzlich abzusehen.568
Eine sinnvolle Trennung der Anwendungsbereiche lässt sich indes erreichen, indem
unter §§ 15 Abs. 5 Satz 1, 39 Abs. 2 Nr. 6 WpHG Fälle gefasst werden, in welchen
ein Emittent eine Insiderinformation nicht im Glauben daran, eine ordnungsgemäße
Ad-hoc-Mitteilung abzugeben, veröffentlicht. 569 § 15 Abs. 5 Satz 1 WpHG greift so
insbesondere dann, wenn eine Insiderinformation erstmalig auf der Grundlage einer
Publizitätsvorschrift außerhalb des WpHG publiziert wird. Erfasst wird demzufolge
beispielsweise die Veranlassung der Eintragung einer personellen Änderung auf der
Vorstandsebene eines Emittenten ins Handelsregister nach § 81 Abs. 1 AktG, wenn
nicht bereits vorab eine entsprechende Ad-hoc-Mitteilung abgegeben worden ist.570
Eine Veröffentlichung auf der Grundlage von Publizitätsvorschriften außerhalb des
WpHG wird regelmäßig ganz ähnliche Auswirkungen auf den Kapitalmarkt haben,
wie eine Ad-hoc-Mitteilung, bei welcher ein Emittent die Formerfordernisse nicht
vollständig beachtet. Es wird zwar die Bereichsöffentlichkeit hergestellt und so auch
eine Einpreisung erreicht. Das genutzte Publikationsverfahren ist jedoch suboptimal.
Wegen der vergleichbaren tatsächlichen Folgen scheint der Schluss nahe zu liegen,
dass eine Zuwiderhandlung gegen §§ 15 Abs. 5 Satz 1, 39 Abs. 2 Nr. 6 WpHG nicht
kumulativ einen Verstoß gegen das insiderrechtliche Weitergabeverbot begründet.571
Zwingend ist dies allerdings nicht. Die §§ 15 Abs. 5 Satz 1, 39 Abs. 2 Nr. 6 WpHG
könnten auch ein zusätzliches, lediglich auf Emittenten bezogenes Verbot vorgeben.
Zu beachten ist insofern, dass auch die Weitergabe einer Insiderinformation bei der
Vorbereitung einer Ad-hoc-Meldung einen Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG
darstellen kann. Nur soweit in der Weiterleitung von Insiderinformationen an einen
Dienstleister ein Beitrag zur Erfüllung der Ad-hoc-Publizitätspflicht zu erkennen ist,
kann die Weiterleitung als befugt im Sinne von § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG gelten.572
Werden Insiderinformationen jedoch zur Erfüllung einer Publizitätspflicht außerhalb
des WpHG, beispielsweise an das zuständige Registergericht, weitergegeben, kann
eine Weitergabebefugnis nicht bejaht werden. Vielmehr hätte mit der Weitergabe bis
zur Publikation einer entsprechenden Ad-hoc-Mitteilung abgewartet werden müssen.
Wenn ein Emittent gegen die §§ 15 Abs. 5 Satz 1, 39 Abs. 2 Nr. 6 WpHG verstößt,
wird deshalb regelmäßig bereits im Vorfeld dieses Verstoßes eine Zuwiderhandlung
gegen § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG zu bejahen sein.
568 Vgl. Altenhein, in: KölnKomm. WpHG, § 39 Rn. 26; Vogel, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl.,
§ 39 Rn. 12. Dass § 39 Abs. 2. Nr. 6 WpHG eine Lücke schließt, falls nicht nachweisbar ist,
dass eine Insiderinformation vorsätzlich weitergegeben wurde, kann nicht länger überzeugen.
Denn durch § 39 Abs. 2 Nr. 3 WpHG werden mittlerweile auch leichtfertige Verstöße gegen
das Weitergabeverbot nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG erfasst. Vgl. zu jener früheren Meinung
Cramer/Vogel, in: Assmann/Schneider, 3. Aufl., § 39 Rn. 10.
569 Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rn. 250.
570 Zur Kurserheblichkeit von Personalentscheidungen auf der Führungsebene eines Emittenten
vgl. nur BaFin, Emittentenleitfaden, S. 50.
571 Vgl. Schneider, Informationspflichten, S. 60 f.; ders., NZG 2005, 702, 707.
572 Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 14 Rn. 99.
128
7. Veröffentlichung der Ad-hoc-Mitteilung
a) Inhaltliche Anforderungen
Welchen inhaltlichen Anforderungen eine Ad-hoc-Mitteilung genügen muss, ergibt
sich aus § 4 WpAIV. Eine den Inhalt betreffende Regelung bedeutet darüber hinaus
das § 15 Abs. 2 Satz 1 WpHG zu entnehmende Verbot, offensichtlich überflüssige
Angaben in eine Ad-hoc-Mitteilung aufzunehmen.573
Bei den inhaltliche Anforderungen gemäß § 4 Abs. 1 WpAIV handelt es sich um
die Kennzeichnung als Ad-hoc-Mitteilung, die Benennung des Emittenten und der
betreffenden Finanzinstrumente sowie die Art und Weise der Beschreibung der zu
veröffentlichenden Insiderinformation. Obwohl diese inhaltlichen Anforderungen an
Ad-hoc-Mitteilungen bisher nicht gesetzlich normiert waren, bilden sie in der Sache
eine Festschreibung der bereits zuvor geübten Praxis.574
Welche besonderen inhaltlichen Anforderungen bei der Aktualisierung einer Adhoc-Mitteilung zu berücksichtigen sind, wird durch § 4 Abs. 2 WpAIV vorgegeben.
Dabei macht schon der Wortlaut der Vorschrift deutlich, dass von einer erheblichen
Veränderung allein dann auszugehen ist, wenn auch gemäß § 15 Abs. 1 WpHG eine
Publikation erforderlich ist. Erheblich sind daher nur kurserhebliche Änderungen.575
Jene Regelung ist auch europarechtskonform, da der europäische Gesetzgeber keine
näheren Angaben dazu macht, wann eine erhebliche Veränderung vorliegen soll.576
Die Aktualisierungspflicht erschöpft sich deshalb in der Benennung von besonderen
inhaltlichen Anforderungen an die betreffenden Ad-hoc-Mitteilungen.
Dass besondere inhaltliche Anforderungen bei der Berichtigung einer unwahren
Ad-hoc-Mitteilung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG zu berücksichtigen sind, ergibt
sich aus § 4 Abs. 3 WpAIV.577
573 Eingehend zu diesem Verbot Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 201 ff.;
Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rn. 163 ff.; Versteegen, in: KölnKomm.
WpHG, § 15 Rn. 255 ff. Auf europäischer Ebene ist das Verbot überflüssiger Angaben nun in
Art. 2 Abs. 1 Satz 3 der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG verankert.
574 Eingehend dazu Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 210 ff.; Versteegen, in:
KölnKomm. WpHG, § 15 Anh. - § 4 WpAIV Rn. 4 ff. Weniger detailliert sind die Vorgaben
in Art. 2 Abs. 1 Satz 2 der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG.
575 Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 183; Versteegen, in: KölnKomm WpHG,
§ 15 Rn. 235.
576 Vgl. dazu Art. 2 Abs. 3 der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG und CESR Market Abuse
Consultation Feedback Statement, CESR/02-287b, Rn. 76, abrufbar unter www.cesr-eu.org.
Von einer unzulänglichen Umsetzung der europäischen Vorgaben ausgehend indessen Büche,
Ad-hoc-Publizität, S. 242 ff.; 297.
577 Eingehend dazu Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 237 ff.
129
b) Unverzüglichkeit der Veröffentlichung
Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG muss eine Publikation von Insiderinformationen
unverzüglich erfolgen. Entsprechend der in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB vorgegebenen
Legaldefinition ist hiermit gemeint, dass eine Ad-hoc-Mitteilung zwar nicht sofort,
jedoch ohne schuldhaftes Zögern zu erfolgen hat.578 Erhalten bleibt mithin eine den
Umständen des jeweiligen Einzelfalls anzupassende Prüfungs- und Überlegungsfrist.
Grundsätzlich ist deshalb auch eine Konsultation von externen Beratern möglich.579
Nicht zulässig ist es indessen, sich bei der Publikation an den Börsenhandelszeiten
zu orientieren. Auch während der Börsenhandelszeiten bedarf jede Verzögerung von
Ad-hoc-Mitteilungen eines sachlichen Grundes.580
c) Veröffentlichungsverfahren
Aus den Zielsetzungen der Ad-hoc-Publizitätspflicht folgt, dass Ad-hoc-Meldungen
schnellstmöglich verbreitet werden sollen, um dem Insiderhandel entgegenzuwirken.
Zudem sollen Ad-hoc-Meldungen einen möglichst weiten Adressatenkreis erreichen,
um so die informationelle Chancengleichheit für sämtliche Anleger sicherzustellen.
Daraus ergibt sich ein Zielkonflikt zwischen schneller und umfassender Verbreitung.
Das Veröffentlichungsverfahren muss aus jenem Grund darauf ausgerichtet werden,
den dargestellten Zielkonflikt zu entschärfen.581
Anforderungen bezüglich des Publikationsmodus stellt insbesondere § 5 WpAIV.
Gemäß § 5 Satz 1 Nr. 1 WpAIV müssen Insiderinformationen über ein elektronisch
betriebenes Informationsverbreitungssystem publiziert werden. Jene Systeme richten
sich nur an eine Bereichsöffentlichkeit, also die institutionellen Marktteilnehmer.582
Nach § 5 Satz 1 Nr. 2 WpAIV sind Insiderinformationen aber darüber hinaus in das
Internet einzustellen, soweit der betreffende Emittent über eine Internetseite verfügt.
Diese Publikation über ein Massenmedium, auf welches interessierte Personen ohne
Schwierigkeiten jederzeit zugreifen können, richtet sich an die breite Öffentlichkeit.
Zurück geht jene Regelung auf Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie.
Auch die Publikation auf der Internetseite eines Emittenten birgt jedoch Schwächen.
578 Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl. § 15 Rn. 248; BaFin, Emittentenleitfaden, S. 65;
Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rn. 115. Kritisch zur Übernahme dieser Definition
Möllers, in: FS Horn, S. 473, 474 ff.
579 Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl. § 15 Rn. 249; BaFin, Emittentenleitfaden, S. 54;
Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rn. 122.
580 Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 250.
581 Vgl. dazu Art. 2 Abs. 4 der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG. Büche, Ad-hoc-Publizität,
S. 226 f. übergeht hierbei indes, dass Art. 2 Abs. 4 der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG
die zeitgleiche Information sämtlicher Anlegerkategorien unter den Vorbehalt des Möglichen
stellt („…so zeitgleich wie möglich für alle Anlegerkategorien…“).
582 Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rn. 177; Möllers, ZBB 2003, 390, 392.
130
Interessierte Anleger müssen gezielt die Seite des betreffenden Emittenten aufrufen,
weshalb keine aktive Verbreitung, sondern nur eine passive Bereitstellung erfolgt.583
Kritisch zu bewerten ist darüber hinaus, dass auf der Internetseite eines Emittenten
bereitgestellte Informationen dessen Einflussbereich nicht endgültig entzogen sind,
womit die Möglichkeit zu nachträglichen Manipulationen bestehen bleibt.584
Als Beitrag zur Verbesserung des Publikationsverfahren ist es daher zu bewerten,
dass seit dem 20. Januar 2007 zusätzliche Anforderungen an die Art der Publikation
in § 3a WpAIV gestellt werden.585 Danach ist nun eine europaweite Verbreitung von
Insiderinformationen erforderlich. Noch wichtiger als jene Neuerung erscheint aber,
dass seit dem 1. Januar 2007 gemäß § 8b Abs. 2 Nr. 9 HGB eine Einstellung von
Ad-hoc-Mitteilungen in das elektronische Unternehmensregister erforderlich ist.586
Das Veröffentlichungsverfahren nähert sich dadurch dem in den USA auf der Basis
des EDGAR-Systems gesetzten hohen Standard an.587
d) Vorabmitteilungspflichten
Die Verpflichtung zur Abgabe von Vorabmitteilungen in § 15 Abs. 4 Satz 1 WpHG
entspricht der Sache nach der früheren Regelung des § 15 Abs. 2 Satz 1 WpHG a.F.
Neu sind insoweit allein die Vorgaben zu Inhalt und Form der Vorabmitteilungen in
§§ 8 f. WpAIV.588 Was für inhaltliche Angaben in jeder Vorabmitteilung zu machen
sind, wird dabei in § 8 Abs. 1 WpAIV vorgegeben. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 WpAIV
sind in Vorabmitteilungen, welche der Berichtigung einer Ad-hoc-Mitteilung gemäß
§ 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG vorausgehen, weitere besondere Angaben aufzunehmen.
Nach § 8 Abs. 3 WpAIV sind darüber hinaus bei Vorabmitteilungen, die sich auf die
Ad-hoc-Publizitätspflicht bei einer selektiven Weitergabe von Insiderinformationen
gemäß § 15 Abs. 1 Satz 4 und 5 WpHG beziehen, zusätzliche Angaben zu machen.
Welche zusätzlichen Angaben in Vorabmitteilungen aufgenommen werden müssen,
wenn eine Ad-hoc-Mitteilung erst nach einer Befreiung gemäß § 15 Abs. 3 WpHG
erfolgt, normiert § 15 Abs. 3 Satz 4 WpHG in Verbindung mit § 8 Abs. 5 WpAIV.
Regelungen zur Form von Vorabmitteilungen enthält § 9 WpAIV.
583 Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 230. Ebenso zur freiwilligen Einstellung von Insidertatsachen in
das Internet vor dem Inkrafttreten des AnSVG Schäfer, in: Dreyling/Schäfer, Rn. 477.
584 Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 230.
585 Eingeführt worden ist § 3a WpAIV mit dem Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG),
vom 5. Januar 2007, BGBl. 2007 I, S. 10. Zu den in § 3a WpAIVgestellten Anforderungen an
die Art der Veröffentlichung vgl. ferner Pirner/Lebherz, AG 2007, 19, 24 f.
586 Zurückzuführen ist benannte Neuerung auf das Gesetz über elektronische Handelsregister und
Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) vom 10. November 2006,
BGBl. 2006 I, S. 2553.
587 Einlässlich zu dem US-amerikanischen EDGAR-System Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 235 f.;
Schulte, in: Möllers/Rotter, § 6 Rn. 11.
588 Vgl. dazu Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 261 ff.
131
C. Sanktionierung und Verfolgung von Verstößen
1. Erfassung als Ordnungswidrigkeit
Hinsichtlich der Ahndung von Verstößen gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht haben
sich aufgrund des AnSVG keine Neuerungen von wesentlicher Bedeutung ergeben.
Da auf europäischer Ebene keine konkreten Vorgaben dazu getroffen wurden, wie
im Bereich der Sanktionierung von Pflichtverstößen zu verfahren ist, bestand auch
kein Anlass zu einer grundlegenden Umgestaltung der betreffenden Regelungen.589
Änderungen erschöpfen sich darum überwiegend in einer Adaption an Neuerungen,
welche den Tatbestand der Ad-hoc-Publizitätspflicht betreffen.
Zentral bei der Sanktionierung von Verstößen gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht
ist die Regelung des § 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a WpHG. Danach handelt ordnungswidrig,
wer entgegen § 15 Abs. 1 Satz 1, 3 oder 4 WpHG eine Veröffentlichung nicht, nicht
richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig
vornimmt oder nicht oder nicht rechtzeitig nachholt. Erfasst ist demzufolge auch ein
rechtsfehlerhafter Aufschub der Veröffentlichung. Die gebotene Ad-hoc-Mitteilung
erfolgt dann nicht rechtzeitig. Erfolgt keine unverzügliche Nachholung der Ad-hoc-
Mitteilung nach § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG, so greift die letztgenannte Variante ein.
Verstöße gegen die Berichtigungspflicht gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG müssen
nach § 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a WpHG ebenfalls als ordnungswidrig eingestuft werden,
da eine Berichtigung entsprechend § 15 Abs. 1 WpHG zu erfolgen hat.
Als Ordnungswidrigkeiten sind auch Fehler bei einer Vorabmitteilung gegenüber
der BaFin oder der Börsengeschäftsführung nach § 15 Abs. 3 Satz 4, Abs. 4 Satz 1
WpHG zu ahnden. Dies ergibt sich aus § 39 Abs. 2 Nr. 2 lit. c WpHG. Wer entgegen
§ 15 Abs. 5 Satz 1 WpHG eine Insiderinformation vorab veröffentlicht, handelt nach
§ 39 Abs. 2 Nr. 6 WpHG ebenfalls ordnungswidrig. Nach § 39 Abs. 2 Nr. 7 WpHG
müssen darüber hinaus Verstöße gegen die Pflicht aus § 15 Abs. 5 Satz 2 WpHG zur
Übermittlung einer Ad-hoc-Mitteilung an die BaFin und die Börsengeschäftsführung
als Ordnungswidrigkeiten verfolgt werden.
Für die aufgezählten Tatbestände gilt, dass nicht allein vorsätzliche, sondern auch
leichtfertige Verstöße als Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen sind. Leichtfertigkeit
muss bejaht werden, wenn objektiv ein besonders schwerer Sorgfaltspflichtverstoß
und subjektiv besondere Leichsinnigkeit oder Gleichgültigkeit vorliegen. Erfasst ist
mithin insbesondere ein „vorsatznahes“ Verhalten.590 Besonders schwierig gestaltet
sich die Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlässigkeit dabei im Bereich der Irrtümer.
589 Vgl. Art. 14 Abs. 1 der MMR. Der europäische Regelungsgeber geht selbst davon aus, dass
es insoweit bereits an einer Zuständigkeit mangelt, vgl. Begründung zum Entwurf der MMR,
ZBB-Dokumentation, ZBB 2002, 144, 146, 154 f.
590 Vogel, in Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 39 Rn. 46, m.w.N.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit stellt die Neuerungen, die das Anlegerschutzverbesserungsgesetz in den Bereichen des Insiderrechts und der Ad-hoc-Publizität gebracht hat, in ausführlicher Weise dar. Bei der Erörterung einzelner Fragestellungen wird auf die Dokumentation von Sinnzusammenhängen ebenso besonderer Wert gelegt wie auf ein rechtsdogmatisch fundiertes Vorgehen.
In einem gesonderten Teil zeigt der Autor praxisrelevante Problemfelder, denen in zunehmendem Maße öffentlicher Augenmerk zuteil wird, auf.
Das Werk ist damit nicht nur für Wissenschaftler oder Studenten, sondern auch für Praktiker interessant, um von einer fundierten Basis aus konkrete Lösungswege nachzuvollziehen und weiterzuentwickeln.