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IV. Die Ad-hoc-Publizität nach dem AnSVG
Bei der Ad-hoc-Publizität ist die Setzung eines Schwerpunkts auf die Neuerungen
durch das AnSVG angesichts der Fülle der bestehenden Rechtsfragen gleichermaßen
erforderlich wie beim Insiderrecht. Bei der Haftung für fehlerhafte und unterlassene
Ad-hoc-Meldungen sind ferner Änderungen zu beachten, die auf das Kapitalanleger-
Musterverfahrensgesetz (KapMuG) zurückzuführen sind.379
A. Die Regelungsziele der Ad-hoc-Publizität nach dem AnSVG
Die Regelungsziele der Ad-hoc-Publizität sind mit denen des Insiderrechts teils eng
verwoben, teils aber auch als weitgehend unabhängig von diesen anzusehen. Soweit
Übereinstimmungen zwischen den Zielsetzungen bestehen, soll es zur Vermeidung
von Wiederholungen bei einem entsprechenden Verweis bleiben.
1. Herstellung eines europäischen „level playing field“
Die Zielsetzung der Herstellung eines europäischen „level playing field“ beschränkt
sich nicht auf das Insiderrecht, sondern gilt für sämtliche von der Marktmissbrauchsrichtlinie erfassten Teilbereiche eines vereinheitlichten europäischen Kapitalmarkts.
Unter- wie auch Überschreitungen der europäischen Vorgaben müssen demzufolge
grundsätzlich als unzulässig gelten. Wie auch beim Insiderrecht ist aber zu beachten,
dass in Bezug auf die Harmonisierung der straf- und zivilrechtlichen Konsequenzen
von Verstößen keine abschließende Regelung angestrebt wurde.380
2. Bildung zutreffender Marktpreise
Als Teilbereich der kapitalmarktrechtlichen Publizitätsvorschriften soll auch die Adhoc-Publizitätspflicht einen Beitrag zur Bildung zutreffender Marktpreise leisten.381
In vollem Umfang kann jene Zielsetzung indessen nur unter Zugrundelegung der so
genannten halbstrengen Form der Kapitalmarkteffizienzhypothese erreicht werden.
Nach dieser Hypothese reflektiert der Börsenkurs eines Wertpapiers stets sämtliche
379 Installiert wurde das KapMuG durch Art. 1 des Gesetzes zur Einführung von Kapitalanleger-
Musterverfahren vom 16.8.2005, BGBl. 2005 I, S. 2437, 3095.
380 Vgl. Teil 1, III. A. 1. sowie Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 85.
381 Begründung RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 34 f.; Assmann, in: Assmann/Schneider,
4. Aufl., § 15 Rn. 29; BaFin, Emittentenleitfaden, S. 38; Kümpel/Veil, WpHG, 4. Teil Rn. 5;
Sethe, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., §§ 37b, 37c Rn. 4. Im Hinblick auf die europäischen
Vorgaben vgl. CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the proposed Market
Abuse Directive, CESR/02-089d, Rn. 62, abrufbar unter www.cesr-eu.org.
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öffentlich zugänglichen Informationen.382 Eine Veröffentlichung von Informationen
führt demnach unmittelbar zu einer entsprechenden Einpreisung am Kapitalmarkt.
Obgleich sich ein eindeutiger empirischer Nachweis zu jener halbstrengen Variante
der Kapitalmarkteffizienzhypothese schwerlich erbringen lässt, belegen Studien zur
Markteffizienz doch zumindest eine messbare Annäherung.383 Das Aufgreifen jener
wirtschaftstheoretischen Basis durch den Gesetzgeber ist deswegen zweckmäßig.384
Die Bildung angemessener Marktpreise stellt jedoch keinen reinen Selbstzweck dar.
Vielmehr haben angemessene Marktpreise essentielle Bedeutung für die allokative
Effizienz der Kapitalmärkte.385 Denn angemessene Preise auf den Sekundärmärkten
stellen sicher, dass die Kosten der Kapitalbeschaffung dort am geringsten ausfallen,
wo eine ertragreiche Verwendung zu prognostizieren ist.
Als weitere positive Auswirkung der optimierten Marktpreisbildung aufgrund der
Veröffentlichung von Insiderinformationen ist ein Vertrauensgewinn auf Seiten des
Anlegerpublikums zu verzeichnen. Dadurch wird die Kapitalaufbringungsfunktion
eines Kapitalmarkts gefördert, was als eine Steigerung der institutionellen Effizienz
zu bewerten ist.386
Darüber hinaus erspart die Ad-hoc-Publizitätspflicht allen Marktteilnehmern Zeit
und Kosten bei der Beschaffung von Informationen, was der operationalen Effizienz
der Kapitalmärkte zuträglich ist.387
Eine Veröffentlichung kurserheblicher Informationen auf freiwilliger Basis kann
zur Bildung angemessener Marktpreise nicht in gleichem Maße beitragen wie eine
Publizitätpflicht.388 Dass ein hinreichender Anreiz zur Informationsveröffentlichung
auch ohne eine entsprechende Pflicht entsteht, ist eine These, welche allenfalls bei
positiven Nachrichten Überzeugungskraft entwickeln kann. Doch auch bei positiven
382 Grundlegend Fama, Journal of Finance 1970, 383 ff. Eingehend und aktuell zu allen Formen
der Kapitalmarkteffizienzhypothese Sauer, Haftung für Falschinformation, S. 127 ff.
383 Nachweise finden sich bei Hsu, Ad-hoc-Publizität, S. 26 ff.; Krauel, Insiderhandel, S. 22 ff.;
Sauer, Haftung für Falschinformationen, S. 132 f.; Steinhauer, Insiderhandelsverbot; S. 63 ff.
Beachtung müssen ferner Studien finden, welche belegen, dass langfristig allein Insider dazu
in der Lage sind, Profite zu erzielen, welche oberhalb der allgemeinen Marktrendite liegen,
vgl. dazu Lahmann, Insiderhandel, S. 115.
384 Veil, ZHR 167 (2003), 365, 377 ff.; Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 32 f.; jeweils m.w.N.
385 Vgl. dazu Merkt, Unternehmenspublizität, S. 347 f.; Möllers, in: Möllers/Rotter, § 3 Rn. 48;
Pellens, AG 1991, 62, 63 f.; Waldhausen, Ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, S. 26, 30 ff.;
Zimmer, in: KMRK, § 15 WpHG Rn. 9. Kritisch indes Fülbier, Ad-hoc-Publizität, S. 144 ff.
Zum Begriff der allokativen Effizienz Kümpel, in: Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.417 f.
386 Waldhausen, Ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache, S. 26; Zimmer, in: KMRK, § 15 WpHG
Rn. 9. Vgl. ferner Erwägungsgrund 24 der MMR. Zum Begriff der institutionellen Effizienz
Kümpel, in: Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.400 ff.
387 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 16.213. Zum Begriff der operationalen Effizienz
Kümpel, in: Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.412 ff.
388 Detailliert zur Diskussion einer Regulierung auf freiwilliger Basis Fülbier, Ad-hoc-Publizität,
S. 165 ff.; von Klitzing, Ad-hoc-Publizität, S. 9 ff.
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Informationen werden Publizitätskosten und, in noch höherem Maße, die Angst, aufgrund einer Publikation Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten einzubüßen,
den Anreiz zu einer freiwilligen Veröffentlichung ganz entscheidend herabsetzen.389
Darüber hinaus muss beachtet werden, dass den Anlegern weitaus höhere Kosten zur
Informationsbeschaffung entstehen würden, wenn keine Publizitätspflicht bestünde.
Im Vergleich dazu sind die den Emittenten entstehenden Veröffentlichungskosten zu
vernachlässigen. Die Emittenten als „cheapest cost avoider“ zu verpflichten, ist so
auch bei ökonomischer Betrachtung geboten.390
3. Prävention des Insiderhandels
Eine Verknüpfung des Insiderrechts mit der Ad-hoc-Publizitätspflicht folgt daraus,
dass nach der Veröffentlichung von Insiderinformationen keinerlei Aussicht mehr
auf die Erzielung von unberechtigten Sondervorteilen besteht, da eine entsprechende
Einpreisung stattfinden wird.391 Je schneller eine Insiderinformation publiziert wird,
desto effektiver kann einer unzulässigen Verwendung der Boden entzogen werden.
Der mögliche Verwendungszeitraum wird so verkürzt und der Kreis der potentiellen
Insider eingeschränkt.392 Jene Eignung der Ad-hoc-Publizitätspflicht zur Prävention
des Insiderhandels hatte jedenfalls der europäische Gesetzgeber schon bei Erlass der
Insiderrichtlinie ins Auge gefasst. Anders ist es nicht zu erklären, dass in Art. 7 der
Insiderrichtlinie eine Angleichung in Bezug auf die Reichweite der Vorgaben zum
Insiderrecht und der Vorgaben zur Ad-hoc-Publizitätspflicht verfügt worden ist.393
Die Vereinigung der europäischen Vorgaben zum Insiderrecht wie auch zur Ad-hoc-
Publizität in der Marktmissbrauchsrichtlinie und die damit einhergehende inhaltliche
Angleichung der korrelierenden Regelungsbereiche stellt jene Funktion der Ad-hoc-
Publizität nun aber noch deutlicher heraus.394 Die Funktion der Ad-hoc-Publizität als
insiderrechtliche Präventivmaßnahme muss deswegen in gleichem Maße Beachtung
finden wie die als kapitalmarktrechtliche Informationspflicht.395
389 Vgl. dazu von Klitzing, Ad-hoc-Publizität, S. 10 ff., m.w.N. zur Diskussion jener Problematik
im anglo-amerikanischen Rechtsraum.
390 Kümpel/Veil, WpHG, 4. Teil Rn. 7; Veil, ZHR 167 (2003), 365, 379 f.; vgl. auch von Klitzing,
Ad-hoc-Publizität, S. 16 ff.
391 Begründung RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 34 f.; BaFin, Emittentenleitfaden, S. 38;
Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 32 ff.; Kümpel/Veil, WpHG, 4. Teil Rn.
5.
392 Vgl. Begründung RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 34 f.; Begründung RegE 2. FFG,
BT-Drucks. 12/6679, S. 48.
393 Vorgaben zur Ad-hoc-Publizitätspflicht enthielt damals der Anhang, Schema C Nr. 5 lit. a der
Börsenzulassungsrichtlinie 79/279/EWG, ABl. EG Nr. L 66 vom 16.03.1979, S. 21.
394 Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 68; Schulte, in: Möllers/Rotter, § 4 Rn. 79. Vor Inkrafttreten der
MMR waren die Vorgaben zur Ad-hoc-Publizität in Art. 68, 81 der Kapitalmarktpublizitätsrichtlinie 2001/34/EG, ABl. EG Nr. L 184 vom 6.7.2001, S. 1, zu finden.
395 Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 34.
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Einschränkend ist anzumerken, dass die Ad-hoc-Publizität als eine die Emittenten
von Finanzinstrumenten treffende Verpflichtung nicht auf die Einebnung sämtlicher
ungleicher Informationsstände zwischen den Marktteilnehmern angelegt sein kann.
Um den Rahmen der Möglichkeiten der Emittenten nicht zu sprengen, darf allein für
Informationen, bei denen eine spezielle Verantwortung der betreffenden Emittenten
gegenüber dem Anlegerpublikum erkennbar ist, eine Verpflichtung zur Publikation
begründet werden.396 Dem wird darüber Rechnung getragen, dass Emittenten allein
solche Insiderinformationen im Wege einer Ad-hoc-Mitteilung publizieren müssen,
welche sie unmittelbar betreffen.397
4. Gewährleistung von Chancengleichheit unter den Anlegern
Eine Zielsetzung, welche sowohl mit der Prävention des Insiderhandels als auch der
Herstellung angemessener Marktpreise zusammenhängt, ist die Gewährleistung von
Chancengleichheit unter den Anlegern. Die Gleichbehandlung im Hinblick auf die
Zugangsmöglichkeiten zu kurserheblichen Informationen ist wiederum essentiell für
die institutionelle Funktionsfähigkeit des Marktes.398
5. Schutz des Vermögens einzelner Anleger
Wie beim Insiderrecht wird auch bei der Ad-hoc-Publizität darüber gestritten, ob mit
den Regelungen ein Schutz von individuellen Vermögensinteressen verfolgt wird.399
Von der Entscheidung jener Streitfrage hängt es ab, ob § 15 WpHG als Schutzgesetz
im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB einzustufen ist. Denn richtigerweise sind die Fragen
nach dem Schutz einzelner Anleger durch eine Norm sowie deren Tauglichkeit dazu,
individuelle Ersatzansprüche zu etablieren, miteinander gleichzusetzen.400
Vor dem Inkrafttreten der Marktmissbrauchsrichtlinie ist teilweise die Meinung
vertreten worden, dass ein Schutz einzelner Anleger schon wegen der europäischen
Vorgaben zwingend erforderlich sei.401 Diese Auffassung ist als überholt anzusehen.
Dass Ziel der Marktmissbrauchsrichtlinie die Stärkung des Binnenmarkts sein muss,
zeigt insbesondere die Auswahl des Art. 95 EGV als alleinige Rechtsgrundlage.402
396 Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 182; Struck, Ad-hoc-Publizitätspflicht, S. 134.
397 Vgl. dazu Teil 1, IV. B. 2. b).
398 Vgl. dazu Teil 1, III. A. 4. und 5. sowie Assmann, in: Assmann/Schütze, § 1 Rn. 26. Deutlich
gemacht wird jener Zusammenhang auch in Erwägungsgrund 24 der MMR.
399 Vgl. zum Meinungsstand Zimmer, in: KMRK, § 15 WpHG Rn. 8, 172.
400 Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 14 Rn. 7; Mörsdorf, Ad-hoc-Publizitätspflicht,
S. 40.
401 So etwa Gehrt, Ad-hoc-Publizität, S. 201; von Klitzing, Ad-hoc-Publizität, S. 52, 222 ff.
402 Allgemein hierzu Oppermann, Europarecht, § 18 Rn. 17. Speziell zur MMR Büche, Ad-hoc-
Publizität, S. 65 ff., 72 ff.
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Denn auf jene Rechtsgrundlage lassen sich lediglich solche Regelungen stützen, die
zumindest in erster Linie der Realisierung des gemeinsamen Binnenmarkts dienen.
Berücksichtigt werden muss bei der Frage nach dem Schutz von einzelnen Anlegern
allerdings, dass sich der europäische Gesetzgeber in der Marktmissbrauchsrichtlinie
selbst die Zuständigkeit zur Installation von zivilrechtlichen Sanktionen abspricht.403
Aus der Marktmissbrauchsrichtlinie lassen sich deshalb jedenfalls keine zwingenden
Schlüsse in Bezug auf die Frage nach einem Schutz von einzelnen Anlegern ziehen.
Erforderlich erscheint in jenem Zusammenhang vielmehr eine Konzentration auf die
nationalen Regelungen.
Mit dem 4. Finanzmarktförderungsgesetz wurden in den 7. Abschnitt des WpHG
Haftungsvorschriften für falsche und unterlassene Ad-hoc-Mitteilungen eingefügt.404
Diese sprechen für einen Individualschutz.405 Denn ohne jeden Zweifel wurde damit
die bei Erlass des zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes getroffene Entscheidung
gegen einen Schutz einzelner Anleger mittels einer Emittentenhaftung korrigiert.406
Gleichzeitig verdeutlicht aber die Einschränkung in § 15 Abs. 6 Satz 1 WpHG, dass
allein in den Fallkonstellationen, welche durch die §§ 37 b und 37 c WpHG explizit
erfasst werden, eine Verpflichtung zum Ersatz individueller Schäden bestehen soll.
Durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz wurde so ein Vermögensschutz einzelner
Anleger etabliert, ohne jedoch § 15 WpHG selbst als Schutzgesetz auszugestalten.407
Da die §§ 37 b und 37 c WpHG tatbestandsmäßig auf § 15 WpHG aufbauen, muss
die zumindest mittelbare Schutzfunktion des § 15 WpHG jedoch gleichwohl bei der
Auslegung berücksichtigt werden.408
403 Dies folgt aus Art. 14 Abs. 1 der MMR sowie der Begründung zum Entwurf der MMR, ZBB-
Dokumentation, ZBB 2002, 144, 146, 154 f. Kritisch hierzu Möllers, ZBB 2003, 390, 395 f.
Vgl. ferner Strese, Privatrechtsangleichung, S. 62 f.
404 Vgl. Art. 2 Nr. 24 des Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland
(Viertes Finanzmarktförderungsgesetz), BGBl. 2002 I, S. 2010.
405 Vgl. Hahn, Anlegerschutz, S 80 f.; 219 ff.; Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 14 Rn. 4;
Struck, Ad-hoc-Publizitätspflicht, S. 96 ff.
406 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 16.223; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15
Rn. 7, 12. Zu Recht wollen daraus aber weder Kümpel, a.a.O., Rn. 16.224, noch Versteegen,
a.a.O., § 15 Rn. 267 ff., den Schluss ziehen, dass § 15 WpHG als Schutzgesetz im Sinne von
§ 823 Abs. 2 BGB zu qualifizieren sei. Ähnlich dazu Möllers, in: Möllers/Rotter, § 3 Rn. 48,
der von einer materiell individualschützenden Funktion des § 15 WpHG spricht, welche nicht
zu einer Einstufung der Regelung als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs 2 BGB führe.
407 Vgl. Assmann, in Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 28, 307; Zimmer, in: KMRK, § 15
WpHG Rn. 8, 172; jeweils m.w.N., auch zur entgegengesetzten Ansicht. Für jene Auffassung
spricht auch die Begründung RegE 4. FFG, BT-Drucksache 14/8017, S. 87.
408 Sethe, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., §§ 37b, 37c Rn. 9, führt in jenem Zusammenhang an,
dass § 15 WpHG i.V.m. §§ 37b, 37c WpHG auf einen unmittelbaren Anlegerschutz abziele.
Bei solch einer gemeinsamen Zitierung von § 15 WpHG und den §§ 37b, 37c WpHG ist diese
Aussage als zutreffend zu bewerten.
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6. Schutz berechtigter Unternehmensinteressen
Noch deutlicher als beim Insiderrecht zeigt es sich bei der Ad-hoc-Publizitätspflicht,
dass Interessendivergenzen zwischen dem Anlegerpublikum einerseits und den zur
Veröffentlichung von Insiderinformationen verpflichteten Emittenten andererseits
auftreten können. Während aus der Sicht des Anlegerpublikums stets eine zeitnahe
Publikation von Insiderinformationen erforderlich erscheint, drohen den betroffenen
Emittenten bei einer sofortigen Informationsveröffentlichung gravierende Nachteile.
Vor allem der mögliche Verlust selbst erarbeiteter Wettbewerbsvorteile gegenüber
konkurrierenden Unternehmen bedeutet eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Denn
längerfristig schädigt ein solches „free riding“ nicht lediglich die davon betroffenen
Emittenten, sondern auch die Gesamtwirtschaft, da Investitionsanreize schwinden.409
Um solche negative externe Effekte zu verhindern, bedarf es einer entsprechenden
Ausnahmeregelung bei der Ad-hoc-Publizitätspflicht. Die den Emittenten gewährte
Möglichkeit der Befreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG stellt diese Ausnahme bereit.410
Eine eingehende Auseinandersetzung mit dem beschriebenen Zielkonflikt ist darum
erst im Zusammenhang mit der Regelung des § 15 Abs. 3 WpHG angezeigt.411
7. Zusammenfassung
Die Ad-hoc-Publizität dient der Bildung von angemessenen Marktpreisen, wodurch
die Transparenz und damit auch die allokative sowie die institutionelle Effizienz der
Kapitalmärkte gefördert werden. Zudem beugt sie Insiderverstößen vor, womit das
für die institutionelle Funktionsfähigkeit eines Kapitalmarkts notwendige Vertrauen
des Anlegerpublikums auf Gleichbehandlung gestärkt wird. Daran, dass im Rahmen
des § 15 WpHG der Schutz von einzelnen Anlegern lediglich einen Rechtsreflex des
Institutionenschutzes darstellt, haben die §§ 37 b und 37 c WpHG nichts geändert.
Als mittelbare Zielsetzung muss der Individualschutz gleichwohl Beachtung finden.
Da die Ad-hoc-Publizitätspflicht berechtigte Gesellschaftsinteressen beeinträchtigen
kann, ist eine sofortige Bekanntgabe von Insiderinformationen nicht immer geboten.
Das Ziel der Bereitstellung eines europäischen „level playing field“ muss insofern
Berücksichtigung finden, als dass es zu einer minutiösen Anpassung der nationalen
Regelungen an die europäischen Richtlinienvorgaben zwingt.
409 Vgl. Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 33 f., 70 f.; Ekkenga, ZGR 1999, 165, 193 ff.; von Klitzing,
Ad-hoc-Publizität, S. 167; Pellens/Fülbier, DB 1994, 1381, 1382 f. In der Begründung RegE
2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 48, wird ebenfalls betont, dass die Ad-hoc-Publizitätspflicht
keinen Zwang zur Preisgabe von selbst erarbeiteten Wettbewerbsvorsprüngen begründen soll.
Zur Problematik des „free riding“ vgl. Krauel, Insiderhandel, S. 21.
410 Vgl. nur Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 150 f. sowie CESR’s Advice on
Level 2 Implementing Measures for the proposed Market Abuse Directive, CESR/02-089d,
Rn. 67, abrufbar unter www.cesr-eu.org.
411 Vgl. Teil 1, IV. B. 3.
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B. Der Anwendungsbereich der Ad-hoc-Publizitätspflicht
Als Grundtatbestand der Ad-hoc-Publizitätspflicht ist weiterhin § 15 Abs. 1 Satz 1
WpHG einzuordnen. Die nachfolgenden Ausführungen im Hinblick auf Adressaten,
Gegenstand sowie Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht beziehen sich allein
auf diesen praxisrelevanten Grundtatbestand.412 Eine selbständige Verpflichtung zur
Ad-hoc-Publizität begründet die Pflicht zur Korrektur fehlerhafter Meldungen nach
§ 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG, der mit § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG a.F. übereinstimmt. 413
In einem gesonderten Gliederungspunkt zu erörtern ist zudem die durch das AnSVG
installierte Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 4 und 5 WpHG.414
1. Adressaten der Ad-hoc-Publizitätspflicht
Bis zum Inkrafttreten des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG)415 wurde
zur Bestimmung der Adressaten der Ad-hoc-Publizitätspflicht nicht an den Sitz der
Emittenten angeknüpft, sondern an die Zulassung von Finanzinstrumenten zu einem
inländischen organisierten Markt. Nach geltender Rechtslage ist nun die Einstufung
als Inlandsemittent nach § 2 Abs. 7 WpHG entscheidend.416 Weiterhin notwendig ist
dafür eine Zulassung von Finanzinstrumenten zu einem organisierten Markt.
a) Organisierter Markt im Sinne des § 2 Abs. 5 WpHG
Was unter einem organisierten Markt zu verstehen ist, wird durch § 2 Abs. 5 WpHG
bestimmt. Entsprechend dieser Definition ist nur der regulierte Markt nach Maßgabe
des reformierten BörsG als organisierter Markt im Sinne des WpHG anzusehen.417
Finanzinstrumente, welche lediglich zum Freiverkehr zugelassen sind, lösen mithin
keine Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität aus.418
412 Vgl. Teil 1, IV. B. 1. bis 3. Über die genaue Anzahl der veröffentlichten Ad-hoc-Meldungen
informieren die Jahresberichte der BaFin, abrufbar unter www.bafin.de.
413 Vgl. Teil 1, IV. B. 4.
414 Vgl. Teil 1, IV. B. 5.
415 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 15 Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug
auf Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind,
und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz –
TUG) vom 5. Januar 2007, BGBl. 2007 I, S. 10.
416 Vgl. dazu Bosse, DB 2007, 39, 40; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rn. 54.
417 Vgl. Teil 1, III. B. 1. a).
418 Assmann, in: Assmann/Schneider, 4. Aufl., § 15 Rn. 43. Eine der Ad-hoc-Publizität ähnelnde
Pflicht zur Information der Deutschen Börse AG gilt nur im „Entry Standard“ der Frankfurter
Wertpapierbörse, vgl. § 17 Abs. 2 der AGB für den Freiverkehr an der FWB, abrufbar unter
www.deutsche-boerse.com. Zum „Entry Standard“ vgl. Harrer/Müller, WM 2006, 653, 657 f.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Arbeit stellt die Neuerungen, die das Anlegerschutzverbesserungsgesetz in den Bereichen des Insiderrechts und der Ad-hoc-Publizität gebracht hat, in ausführlicher Weise dar. Bei der Erörterung einzelner Fragestellungen wird auf die Dokumentation von Sinnzusammenhängen ebenso besonderer Wert gelegt wie auf ein rechtsdogmatisch fundiertes Vorgehen.
In einem gesonderten Teil zeigt der Autor praxisrelevante Problemfelder, denen in zunehmendem Maße öffentlicher Augenmerk zuteil wird, auf.
Das Werk ist damit nicht nur für Wissenschaftler oder Studenten, sondern auch für Praktiker interessant, um von einer fundierten Basis aus konkrete Lösungswege nachzuvollziehen und weiterzuentwickeln.