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§ 5 Abs. 1 Satz 4, § 7 ATDG, fehlt ein derartiger Prüfungsvorbehalt beim Direktabruf nach § 5 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 ATDG und wird insoweit dem Zweckbindungsgebot nicht gerecht.
V. Zusammenfassung
Die spezifischen Zwecke der durch das ATDG legitimierten Informationseingriffe
sind im ATDG insgesamt ausreichend präzise festgelegt; hinsichtlich des Zwecks
des Direktabrufs der erweiterten Grunddaten im Eilfall nach § 5 Abs. 2 ATDG ist
eine noch deutlichere Fassung des Verwendungszwecks durch den Gesetzgeber zwar
wünschenswert, verfassungsrechtlich jedoch nicht zwingend. Auch die in § 12
ATDG enthaltene Errichtungsanordnung genügt den im Hinblick auf das Gebot der
Normenklarheit zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen.
Die Zugriffsrechte des § 5 Abs. 1 Satz 1, 3 und 4 ATDG sind dagegen mit dem
Gebot der Zweckbindung nicht vereinbar, soweit der Polizei gefahren- und verdachtsunabhängig der Zugriff auf nachrichtendienstliche Daten betreffend legale
Verhaltensweisen gewährt wird. Gleiches gilt für das Direktabrufrecht nach § 5 Abs.
1 Satz 2 und Abs. 2 ATDG, soweit es den beteiligten Behörden ohne nähere Prüfung
ihrer Berechtigung Zugriff auf Daten, die aufgrund besonderer Eingriffsbefugnisse
gewonnen wurden, im Volltext gewährt. Unter diesem Aspekt ist auch die Regelung
der datenschutzrechtlichen Verantwortung nach § 8 Abs. 1 Satz 3 ATDG mangelhaft. Ferner verstößt die weitere Verwendung der in der Antiterrordatei erfassten
Daten zur allgemeinen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung nach § 6 Abs. 1 Satz 2
ATDG gegen den Grundsatz der Zweckbindung.
E. Die Vorgaben aus dem Gebot der Datensparsamkeit901
Der mit der Antiterrordatei verfolgte Zweck der Terrorismusbekämpfung und insofern letztlich die Gewährleistung der inneren Sicherheit ist ein hinreichend gewichtiges Anliegen, das die Zusammenfassung der Datenbestände der beteiligten Behörden im Hinblick auf die Gebote der Datenvermeidung und Datensparsamkeit grundsätzlich hinnehmbar erscheinen lässt. Allerdings begegnet die Ausgestaltung der
Antiterrordatei in einzelnen Punkten Bedenken. So ist denn auch die Aufnahme der
Religionszugehörigkeit und des Freitextfeldes im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens des Öfteren kritisiert worden.902
901 Vgl. hierzu 6. Kap., C., II.
902 Plenarprotokolle 16/45, S. 4457; 16/50, S. 4853; 16/58, S. 5708; Schmid, Innenausschuss-
Protokoll Nr. 16 /24, S. 38; dies., Stellungnahme zum ATDG-Entwurf, S. 3f.; Hilgendorf,
Stellungnahme zum ATDG-Entwurf, S. 3; Poscher, Stellungnahme zum ATDG-Entwurf, S.
7; Der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Stellungnahme zum ATDG-Entwurf, S. 7f.
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References
Zusammenfassung
Gemeinsame Verbunddateien der Sicherheitsbehörden auf dem Prüfstand: Kurz nach Inkrafttreten des in Politik und Rechtswissenschaft stark umstrittenen Antiterrordateigesetzes (ATDG) liefert das Werk eine wissenschaftlich fundierte Stellungnahme zur Verfassungsmäßigkeit der informationellen Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden im Allgemeinen und der Antiterrordatei im Besonderen. Am Beispiel der Antiterrordatei zeigt die Arbeit die verfassungsrechtlichen Grenzen auf, die das Trennungsgebot und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemeinsamen Verbunddateien von Polizei und Nachrichtendiensten setzen. Eingebettet werden die Erkenntnisse in die verfassungsrechtliche Diskussion um die Grenzen staatlicher Sicherheitsgewährleistung. Mit ihren Ausführungen zum Spannungsverhältnis von Freiheit und Sicherheit bezieht die Arbeit Position zur jüngsten Antiterrorgesetzgebung insgesamt.