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den, die entweder die Nachrichtendienste mit den ihnen zustehenden Kompetenzen
in gleicher Weise hätten erheben können, oder solche, die die Polizei bei einem
Einsatz ausschließlich ihr zustehender Kompetenzen zufällig erlangt hat. Der Zugriff
der Nachrichtendienste auf gezielt durch exekutive Mittel gewonnene Erkenntnisse
muss ausgeschlossen bleiben. Das bedeutet, dass etwa Daten, die die Polizei mittels
Abhörmaßnahmen gewonnen hat, den Nachrichtendiensten zur Kenntnis gegeben
werden dürfen, Informationen aus erkennungsdienstlichen Maßnahmen oder Durchsuchungen, die die Nachrichtendiensten nicht gleichfalls durchführen dürfen, dagegen nicht.
D. Zusammenfassung und Ergebnis
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass gemeinsame Verbunddateien von Polizei und Nachrichtendiensten grundsätzlich mit dem Trennungsgebot vereinbar
sind175 und auch im Lichte seines organisatorischen Gehalts keinen Bedenken begegnen, sofern jede Behörde sowohl für die Speicherung als auch für die Abfrage
und Übermittlung der in die Verbunddatei einzustellenden Daten hinsichtlich ausführenden Personals, datenschutzrechtlicher Verantwortung und rechtlicher Überprüfbarkeit jeweils selbständig und in ihrer Tätigkeit von der anderen Behörde unabhängig bleibt. Gemeinsame Verbunddateien müssen aber in einer Art und Weise
ausgestaltet sein, dass sie die aus dem Trennungsgebot in seiner funktionellen und
befugnisrechtlichen Reichweite fließenden Vorgaben Rechnung tragen. Demnach
ergeben sich folgende verfassungsrechtliche Grenzen für Verbunddateien:
1. Der gesetzliche Zweck der Verbunddatei muss einen Bezug der nachrichtendienstlichen Tätigkeit zu ihren spezifischen Aufgaben des Staats- und Verfassungsschutzes sicherstellen. Verbunddateien zwischen Polizei und Nachrichtendiensten
zur Erfüllung ihrer jeweiligen Aufgaben zur Aufklärung und Bekämpfung des internationalen Terrorismus oder der internationalen, organisierten Kriminalität sind
insoweit zulässig.
2. Hinsichtlich der in die Datei einzustellenden Daten und der Zugriffsrechte der
beteiligten Behörden gilt Folgendes:
Die Polizei darf keine Kenntnis von nachrichtendienstlichen Informationen
betreffend legaler Verhaltensweisen im Vorfeld konkreter Gefahren- bzw. Verdachtslagen erlangen. Deswegen dürfen entweder überhaupt nur schon gefährliche
oder verdächtige Verhaltensweisen in die Verbunddatei eingespeichert werden oder
aber die gesetzlichen Voraussetzungen eines Datenzugriffs durch die Polizei müssen
an das Bestehen konkreter gefahr- bzw. verdachtsbegründender Tatsachen gebunden
werden. Umgekehrt müssen die Zugriffsrechte der Nachrichtendienste auf solche
Daten beschränkt bleiben, die sie entweder mit den ihnen zustehenden Kompetenzen
175 A.A. Weichert, CR 1990, 281 (286) für die Arbeitsdatei PIOS Innere Sicherheit (APIS).
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in gleicher Weise hätten erheben können, oder die die Polizei bei einem Einsatz
ausschließlich ihr zustehender Kompetenzen zufällig erlangt hat.
3. Die weitere Verwendung nachrichtendienstlicher Daten durch die Polizei ist
dann mit dem Trennungsgebot vereinbar, wenn diese Daten den Polizeibehörden
zuvor im Einklang mit der spezifischen, einen Bezug zu den Primäraufgaben der
Nachrichtendienste aufweisenden Zwecksetzung der Verbunddatei zur Kenntnis
gelangt sind und diese nunmehr zur Abwehr einer konkreten Gefahr oder zur Verfolgung eines Anfangsverdachts erforderlich sind. Soweit also die nachrichtendienstlichen Informationen der Polizei unter Wahrung der spezifischen Aufgabenzuweisung der Nachrichtendienste zunächst zur Abwehr konkreter Gefahren auf
dem Gebiet des Staats- und Verfassungsschutzes übermittelt wurden, mögen gegebenenfalls der grundrechtliche Datenschutz oder die einfachgesetzlichen Regelungen
zur Datenverarbeitung in den jeweiligen Fachgesetzen, nicht jedoch das Trennungsgebot einer späteren weiteren Verwendung der Daten zu Zwecken der allgemeinen
Gefahrenabwehr und Strafverfolgung entgegen stehen.
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References
Zusammenfassung
Gemeinsame Verbunddateien der Sicherheitsbehörden auf dem Prüfstand: Kurz nach Inkrafttreten des in Politik und Rechtswissenschaft stark umstrittenen Antiterrordateigesetzes (ATDG) liefert das Werk eine wissenschaftlich fundierte Stellungnahme zur Verfassungsmäßigkeit der informationellen Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden im Allgemeinen und der Antiterrordatei im Besonderen. Am Beispiel der Antiterrordatei zeigt die Arbeit die verfassungsrechtlichen Grenzen auf, die das Trennungsgebot und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemeinsamen Verbunddateien von Polizei und Nachrichtendiensten setzen. Eingebettet werden die Erkenntnisse in die verfassungsrechtliche Diskussion um die Grenzen staatlicher Sicherheitsgewährleistung. Mit ihren Ausführungen zum Spannungsverhältnis von Freiheit und Sicherheit bezieht die Arbeit Position zur jüngsten Antiterrorgesetzgebung insgesamt.