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beschränkt wird, die im Zeitpunkt der Übermittlung eine konkrete Gefahr- oder
Verdachtslage begründen, ist der Informationsaustausch mit dem kompetenzrechtlichen Gehalt des Trennungsgebots vereinbar.
Demnach ist die Speicherung nachrichtendienstlicher Daten in einer Verbunddatei dann, aber auch nur dann zulässig, wenn der Zugriff der Polizei auf diese Daten
an das Bestehen konkreter gefahr- bzw. verdachtsbegründender Tatsachen gebunden
bleibt.
II. Zugriff der Nachrichtendienste auf polizeiliche Daten
Umgekehrt stellt sich die Frage, inwieweit der Zugriff der Nachrichtendienste auf
polizeiliche Daten unter befugnisrechtlichen Erwägungen mit dem Trennungsgebot
vereinbar ist. Maßgeblich ist dabei erneut der Zweck des Trennungsgebotes, exekutive Zwangsbefugnisse aus dem nachrichtendienstlichen Betätigungsfeld herauszuhalten. Die Nachrichtendienste dürfen sich auch nicht über Umwege polizeiliche
Befugnisse aneignen. Inwieweit dieses Verbot im Bereich des Informationsaustausches und der Datenzusammenführung Konsequenzen nach sich zieht, ist umstritten.
Nach überwiegender Ansicht soll jede Art von informationeller Zusammenarbeit,
die im Ergebnis den Nachrichtendiensten mittels der Polizei Informationen zukommen lässt, die sie aufgrund der ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nicht
in gleicher Weise erheben dürften, unzulässig sein.171 Dieser Ansicht nur eingeschränkt folgend, wird dagegen zum Teil die Übermittlung solcher Daten, die die
Polizei rechtmäßig mit Zwangsmitteln zu eigenen Zwecken erhoben hat, mit dem
Trennungsgebot für vereinbar gehalten. In einem solchen Falle, seien die Zwangsmittel im Zeitpunkt der Datenweitergabe bereits eingesetzt gewesen, eine Zueignung
dieser Zwangsbefugnisse durch die Nachrichtendienste sei dann nicht gegeben.172
Im Rahmen dieser Streitfrage ist zunächst erwägenswert, ob und gegebenenfalls
inwieweit die für die Weitergabe nachrichtendienstlicher Daten an die Polizei bemühte „Kehrseitenargumentation“ auf die Seite der Übermittlung polizeilicher Daten an die Nachrichtendienste übertragbar ist. Kern dieser Argumentation war, dass
gerade der Ausschluss der Nachrichtendienste von polizeilichen Befugnissen die
Weitergabe nachrichtendienstlicher Daten an die Polizei erfordere. Zu fragen ist
demnach, ob die kompetenzrechtliche Trennung umgekehrt auch die Weitergabe
von mittels polizeilicher Befugnisse erlangten Informationen an die Nachrichtendienste erfordert. Die Weitergabe der nachrichtendienstlichen Informationen an die
Polizei ist erforderlich und im Lichte des Trennungsgebotes unbedenklich, weil die
Nachrichtendienste die bestehende Gefahr für Staat und Verfassung nicht selbst
abwehren können, dies vielmehr der Polizei vorbehalten ist. Es sind demgegenüber
171 Lisken, ZRP 1981, 231 (235); Kutscha, ZRP 1986, 194 (197); Baumann, in: FS f. Posser, S.
306; Baumann, DVBl. 2005, 798 (801).
172 Gusy, ZRP 1987, 45 (51); Schafranek, Kompetenzverteilung, S. 175; Nehm, NJW 2004, 3289
(3295).
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auch Fallgestaltungen denkbar, in denen die Polizei auf die spezifischen Kompetenzen der Nachrichtendienste angewiesen ist. Erlangt die Polizei Informationen, die
eine konkrete Gefahr oder einen Anfangsverdacht begründen, kann und muss sie alle
gebotenen Mittel ergreifen, einer Einschaltung der Nachrichtendienste bedarf es
insofern nicht. Hat sich dagegen aufgrund polizeilicher Erkenntnisse die Gefahrenoder Verdachtslage noch nicht hinreichend konkretisiert, ist die Zuständigkeit der
Polizei jedenfalls im Bereich konkurrierender nachrichtendienstlicher Zuständigkeit
nicht eröffnet und ihre weitere Tätigkeit nicht zulässig. Hält sie eine weitere Beobachtung dieser momentan noch legalen, keinen Gefahrbezug aufweisenden Verhaltensweisen aber dennoch für nötig, weil diese etwa zu einem späteren Zeitpunkt
Rechtsgüter gefährden könnten, wäre es grundsätzlich geboten, diese Informationen,
soweit sie spezifisch nachrichtendienstliche Bereiche des Staats- und Verfassungsschutzes betreffen und insofern die Zuständigkeit der Nachrichtendienste eröffnen,
diesen mitzuteilen.
Sofern die der Polizei zur Kenntnis gelangten Informationen durch Mittel erhoben
wurden, die den Nachrichtendiensten in gleicher Weise zugestanden hätten, begegnet die Übermittlung im Hinblick auf die befugnisrechtliche Reichweite des Trennungsgebotes auch keinen Bedenken. Eine Erweiterung der nachrichtendienstlichen
Kompetenzen ist dann nicht ersichtlich. Aber auch wenn die für die Nachrichtendienste relevanten Informationen bei Anwendung allein der Polizei vorbehaltener
Zwangsbefugnisse erhoben wurden, steht das Trennungsgebot ihrer Weitergabe
solange nicht entgegen, als diese Informationen bloße Zufallsfunde im Rahmen
eines Einsatzes polizeilicher Befugnisse zu eigenen Zwecken darstellen.173 Denn ein
Zuwachs exekutiver Befugnisse an die Nachrichtendienste ist in solchen Fällen nicht
gegeben. Gemäß dem Zweck des Trennungsgebotes, die Vereinigung nachrichtendienstlichen Wissens mit exekutiven Kompetenzen in einer Hand zu verhindern,
liegt ein Zuwachs polizeilicher Befugnisse an die Nachrichtendienste nur dann vor,
wenn diese über ihren Einsatz selbst entscheiden können. Danach ist das Trennungsgebot erst dann berührt, wenn polizeiliche Kompetenzen gezielt zur Wahrnehmung nachrichtendienstlicher Tätigkeiten eingesetzt werden.174
Um das befugnisrechtliche Trennungsgebot nicht auszuhöhlen, ist demnach also
ein eingeschränkter Kompetenzvorbehalt dergestalt nötig, dass die Polizei den Nachrichtendiensten nur solche Daten zur Verfügung stellen darf, die sie entweder beim
Einsatz von den Nachrichtendiensten in gleicher Weise zustehenden Kompetenzen
gewonnen hat, oder auf die sie bei einem Einsatz polizeilicher Kompetenzen zufällig
gestoßen ist. Für Verbunddateien bedeutet dies Folgendes: Da die bloße Einspeicherung der Polizei bekannter Informationen in die gemeinsame Datei allein noch keine
Änderung der Kompetenzverteilung bedeutet, dürfen diese zunächst im Lichte des
kompetenzrechtlichen Trennungsgebotes uneingeschränkt eingespeichert werden.
Dem Zugriff der Nachrichtendienste dagegen dürfen nur solche Daten geöffnet wer-
173 So auch Bull, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, S. 155.
174 So auch Gusy, ZRP 1987, 45 (51); Schafranek, Kompetenzverteilung, S. 175.; Zöller, JZ
2007, 763 (767).
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den, die entweder die Nachrichtendienste mit den ihnen zustehenden Kompetenzen
in gleicher Weise hätten erheben können, oder solche, die die Polizei bei einem
Einsatz ausschließlich ihr zustehender Kompetenzen zufällig erlangt hat. Der Zugriff
der Nachrichtendienste auf gezielt durch exekutive Mittel gewonnene Erkenntnisse
muss ausgeschlossen bleiben. Das bedeutet, dass etwa Daten, die die Polizei mittels
Abhörmaßnahmen gewonnen hat, den Nachrichtendiensten zur Kenntnis gegeben
werden dürfen, Informationen aus erkennungsdienstlichen Maßnahmen oder Durchsuchungen, die die Nachrichtendiensten nicht gleichfalls durchführen dürfen, dagegen nicht.
D. Zusammenfassung und Ergebnis
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass gemeinsame Verbunddateien von Polizei und Nachrichtendiensten grundsätzlich mit dem Trennungsgebot vereinbar
sind175 und auch im Lichte seines organisatorischen Gehalts keinen Bedenken begegnen, sofern jede Behörde sowohl für die Speicherung als auch für die Abfrage
und Übermittlung der in die Verbunddatei einzustellenden Daten hinsichtlich ausführenden Personals, datenschutzrechtlicher Verantwortung und rechtlicher Überprüfbarkeit jeweils selbständig und in ihrer Tätigkeit von der anderen Behörde unabhängig bleibt. Gemeinsame Verbunddateien müssen aber in einer Art und Weise
ausgestaltet sein, dass sie die aus dem Trennungsgebot in seiner funktionellen und
befugnisrechtlichen Reichweite fließenden Vorgaben Rechnung tragen. Demnach
ergeben sich folgende verfassungsrechtliche Grenzen für Verbunddateien:
1. Der gesetzliche Zweck der Verbunddatei muss einen Bezug der nachrichtendienstlichen Tätigkeit zu ihren spezifischen Aufgaben des Staats- und Verfassungsschutzes sicherstellen. Verbunddateien zwischen Polizei und Nachrichtendiensten
zur Erfüllung ihrer jeweiligen Aufgaben zur Aufklärung und Bekämpfung des internationalen Terrorismus oder der internationalen, organisierten Kriminalität sind
insoweit zulässig.
2. Hinsichtlich der in die Datei einzustellenden Daten und der Zugriffsrechte der
beteiligten Behörden gilt Folgendes:
Die Polizei darf keine Kenntnis von nachrichtendienstlichen Informationen
betreffend legaler Verhaltensweisen im Vorfeld konkreter Gefahren- bzw. Verdachtslagen erlangen. Deswegen dürfen entweder überhaupt nur schon gefährliche
oder verdächtige Verhaltensweisen in die Verbunddatei eingespeichert werden oder
aber die gesetzlichen Voraussetzungen eines Datenzugriffs durch die Polizei müssen
an das Bestehen konkreter gefahr- bzw. verdachtsbegründender Tatsachen gebunden
werden. Umgekehrt müssen die Zugriffsrechte der Nachrichtendienste auf solche
Daten beschränkt bleiben, die sie entweder mit den ihnen zustehenden Kompetenzen
175 A.A. Weichert, CR 1990, 281 (286) für die Arbeitsdatei PIOS Innere Sicherheit (APIS).
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Gemeinsame Verbunddateien der Sicherheitsbehörden auf dem Prüfstand: Kurz nach Inkrafttreten des in Politik und Rechtswissenschaft stark umstrittenen Antiterrordateigesetzes (ATDG) liefert das Werk eine wissenschaftlich fundierte Stellungnahme zur Verfassungsmäßigkeit der informationellen Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden im Allgemeinen und der Antiterrordatei im Besonderen. Am Beispiel der Antiterrordatei zeigt die Arbeit die verfassungsrechtlichen Grenzen auf, die das Trennungsgebot und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemeinsamen Verbunddateien von Polizei und Nachrichtendiensten setzen. Eingebettet werden die Erkenntnisse in die verfassungsrechtliche Diskussion um die Grenzen staatlicher Sicherheitsgewährleistung. Mit ihren Ausführungen zum Spannungsverhältnis von Freiheit und Sicherheit bezieht die Arbeit Position zur jüngsten Antiterrorgesetzgebung insgesamt.