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würde das Rechtsschutzdefizit beibehalten und gegen die vorweg geprüften Aspekte des Rechtsstaatsprinzips auf Gemeinschaftsebene verstoßen. Im Übrigen
hat der EuGH in seiner Rechtsprechung selbst die Eigenständigkeit der Schadensersatzklage im Verhältnis zur Nichtigkeitsklage vorgebracht,945 die nur für die
Fälle keine Geltung beanspruchen könne, in denen das Schadensersatzbegehren
in Wahrheit die Aufhebungsintention kaschieren soll.946
4. Fazit
Die Europäische Gemeinschaft ist eine Rechtsgemeinschaft, in der das Prinzip
der Rechtsstaatlichkeit Ausdruck findet. Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes gerade im Hinblick auf Grundrechte ist tragendes Element des Rechtsstaatsprinzips. Mit der Anerkennung der Rechtmäßigkeitshaftung im Rahmen der
außervertraglichen Haftung der Gemeinschaft wird das Ziel des Individual- und
Grundrechtsschutzes weiter verwirklicht. Der EuGH trägt auf diese Weise dazu
bei, den von ihm anerkannten Grundrechten, insbesondere dem Eigentumsrecht,
ausreichend Geltung zu verschaffen.947 Die Haftungserweiterung auf der Grundlage des Lastengleichheitssatzes verstößt auch nicht gegen die Normenhierarchie
im Gemeinschaftsrecht, da der das Sonderopfer auslösende Rechtsakt insgesamt
rechtmäßig ist und schon deshalb der Primärrechtsschutz nicht in jedem Fall Vorrang genießen kann. In dieser Hinsicht besteht aber ein Rechtschutzdefizit, dem
auch die Rechtsprechung des EuGH in der Rs. T. Port nicht Abhilfe verschaffen
kann. Die neue Rechtsprechung des EuG in der Rs. FIAMM u.a. liegt indessen
ganz auf der in dieser Bearbeitung untersuchten Linie. Die Rechtmäßigkeitshaftung der Gemeinschaft auf der Grundlage des Lastengleichheitssatzes verstößt
mithin nicht gegen Elemente des Rechtsstaatsprinzips.
II. Geltung des Demokratieprinzips auf Gemeinschaftsebene
1. Problemdarstellung
Die Erweiterung der außervertraglichen Haftung nach Art. 288 Abs. 2 EG um ein
Haftungsinstitut für rechtmäßige Rechtsetzungsakte soll sich gegen Rechtsbeeinträchtigungen wenden, die von rechtmäßigen Verordnungen und Richtlinien ausgelöst werden. Die Untersuchung hat dargelegt, dass die Haftung für rechtmäßige
oder rechtswidrige förmliche Gesetze in den meisten Mitgliedstaaten ausgeschlossen oder nur erschwert möglich ist. Die Haftung für Rechtsakte der Exeku-
945 Siehe stellvertretend für die ständige Rspr.: EuGH, Urteil v. 2.12.1971, Rs. 5/71 Schöppenstedt, Slg. 1971, S. 975, 983 f., Rn. 3.
946 EuGH, Urteil v. 26.2.1986, Rs. 175/84, Krohn, Slg. 1986, S. 753, 770, Rn. 32.
947 So auch: Held, Die Haftung der EG für die Verletzung von WTO-Recht, S. 271.
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References
Zusammenfassung
Die Studie begründet, weshalb die Haftung der Europäischen Gemeinschaft für rechtmäßige Rechtsetzungsakte keinen Verstoß gegen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts darstellt. Im Gegenteil: Diese Haftung für Sonderopfer ist gemeinschaftsrechtskonform und liefert zugleich einen Beitrag zur grundrechtlichen Anerkennung der Entschädigungspflicht für eigentumsentziehende oder -entwertende Maßnahmen. Mittels einer detaillierten rechtsvergleichenden Untersuchung zur Entschädigungspflicht bei Eigentumsentzugsmaßnahmen und zur gemeinschaftsrechtlichen Grundlage der europäischen Sonderopferhaftung stellt die Bearbeitung einen alternativen Ansatzpunkt für die Sonderopferhaftung bereit und liefert einen neuen Diskussionspunkt zu einer aktuellen Rechtsprechung.