160
hen«.688 Die bloße Verschiedenheit rechtlicher Lösungen ist dabei im Hinblick auf
deren funktionale Gleichheit kein Hindernis.689
IV. Auffinden gemeinsamer allgemeiner Rechtsgrundsätze mittels der
wertenden Rechtsvergleichung
Im Rahmen eines wertenden Rechtsvergleiches ist das Staatshaftungsrecht der
Mitgliedstaaten zu untersuchen und im Vergleich der nationalen Rechtsordnungen untereinander ein allgemeiner Rechtsgrundsatz aufzusuchen, der möglicherweise für ein gemeinschaftsrechtliches Haftungsinstitut nutzbar gemacht werden
kann, welches gleichermaßen den Grundrechtsschutz auf Gemeinschaftsebene
und den Anspruch des EU-Bürgers auf effektiven Rechtsschutz verstärkt. Dabei
soll – soweit zugänglich – ein Überblick über die Rechtslage in den derzeitigen
nationalen Rechtsordnungen zur Frage der Staatshaftung für rechtmäßiges Verhalten einschließlich der dahinter stehenden Grundgedanken geliefert werden.
Die Beschränkung der Untersuchung auf die Rechtmäßigkeitshaftung erlaubt es,
nicht dezidiert auf die Haftungsvoraussetzungen für rechtswidriges Handeln im
Übrigen einzugehen. Die Untersuchung wird nach den Bereichen der Haftung für
administratives und für normatives Handeln aufgeteilt, weil, wie sich zeigen wird,
ein bedeutender Unterschied besteht, der auch später im Hinblick auf die Struktur
der Gemeinschaft diskutiert werden muss. Im Übrigen sei auf die bereits früher
zur mitgliedstaatlichen Staatshaftung durchgeführten Rechtsvergleiche von Fines,690 Buriánek691 und Herdegen692 verwiesen.
688 Zweigert, in: FS Schmitthoff, S. 403, 420.
689 Zweigert, in: FS Schmitthoff, S. 403, 420; Lecheler, Der Europäische Gerichtshof und die
allgemeinen Rechtsgrundsätze, S. 189.
690 Fines, La responsabilité extracontractuelle, S. 107 ff.
691 Buriánek, Das Verschuldenselement, S. 25 ff.
692 Herdegen, Die Haftung der EWG für fehlerhafte Rechtsetzungsakte, S. 53 ff.
161
1. Rechtslage in den west-europäischen EU-Mitgliedstaaten
a) Belgien
aa) Haftung für administratives Handeln
Mit Anlehnung an das französische Recht ging das belgische Recht lange Zeit
vom Prinzip der Nichthaftung des Staates aus, was eine Entwicklung der Staatshaftung weitgehend ausschloss, sofern der Staat öffentlich-rechtlich handelte.693
Die früheste Vorschrift im belgischen Recht, die sich mit der Entschädigung für
staatliches Handeln befasst, ist Art. 7 § 1 des Gesetzes über den Conseil d’Etat
vom 23. Dezember 1946.694 Das Gericht erhält die Zuständigkeit für Anträge auf
Ausgleich außergewöhnlicher Schäden, wobei die Gewährung der Kompensation
unabhängig von der Recht- oder Unrechtmäßigkeit der Maßnahme beschieden
wird. Es handelt sich damit nicht um eine reine Rechtmäßigkeitshaftung; diese
wird durch die Vorschrift aber auch nicht ausgeschlossen. Vielmehr wird die Entschädigungsgewährung auf dem Prinzip der Billigkeit aufgebaut.695 Bemerkenswert ist jedoch, dass die Gesetzeskonzeption nicht auf die Anspruchsgewährung
ausgerichtet ist, sondern die Kompensation im Rahmen eines Gutachtens (avis)
erfolgt.696 Der erlittene Schaden muss aktuell und bestimmbar sein. Ebenso ist es
erforderlich, dass unmittelbare Kausalität zwischen der streitigen Maßnahme und
dem Schadenserfolg besteht. Der Schaden muss von einigem Gewicht sein und
besitzt daher Verwandtschaft zum deutschen Sonderopfer.697 Der Conseil d’Etat
entscheidet einzelfallabhängig im Rahmen eines Gutachtens, wobei der Antrag
nur zulässig ist, wenn keine anderweitige Gerichtsbarkeit zuständig ist und der
Betroffene sich zuvor erfolglos an den zuständigen Verwaltungsträger gewendet
hat.698 In der Zwischenzeit hat sich die materielle Rechtslage nicht geändert. Artikel 11 des koordinierten Gesetzes über den Conseil d’Etat vom 12. Januar 1973
normiert verbindlich die subsidiäre Kompetenz des Conseil d’Etat.699
693 Buriánek, Das Verschuldenselement, S. 49; Alen, Treatise on Belgian Constitutional Law,
S. 228; siehe dazu ausführlich: Charlier, in: The Liability of the State, S. 85 ff.
694 Herdegen, Die Haftung der EWG für fehlerhafte Rechtsetzungsakte, S. 85.
695 Suetens, in: Governmental Liability, S. 182.
696 Haack, Die außervertragliche Haftung der Europäischen Gemeinschaften für rechtmäßiges
Verhalten ihrer Organe, S. 47 f.; Herdegen, Die Haftung der EWG für fehlerhafte Rechtsetzungsakte, S. 85; Buriánek, Das Verschuldenselement, S. 53.
697 Haack, Die außervertragliche Haftung der Europäischen Gemeinschaften für rechtmäßiges
Verhalten ihrer Organe, S. 48; Suetens, in: Governmental Liability, S. 181, 195; Fines, La
responsabilité extracontractuelle, S. 183.
698 Suetens, in: Governmental Liability, S. 181, 194 f.
699 Schockweiler, RTDE 1990, S. 29, 33; Charlier, JdT 1980, S. 381, 382; so auch: Buriánek,
Das Verschuldenselement, S. 54.
162
bb) Haftung für normatives Handeln
Im Bereich der Haftung für normatives Handeln ist grundsätzlich zwischen dem
Parlamentsgesetzgeber und dem materiellen Gesetzgeber, also Exekutivorganen,
zu unterscheiden. Rechtsetzungsakte der Exekutive, bspw. Verordnungen, können
vor den ordentlichen Gerichten einer inzidenten Normenkontrolle unterzogen
werden.700 Dies geschieht zumeist im Rahmen einer Schadensersatzklage gegen
den streitigen Rechtsakt. Die Staatshaftung für rechtswidrige untergesetzliche
Rechtsnormen ist von der Rechtsprechung anerkannt, wenn auch nicht ohne Gegenstimmen in der Literatur.701 Die Cour de Cassation hat dies erstmals 1963 im
Falle von Impfschäden angenommen.702 Im Bezug auf rechtmäßige Verordnungen
ist der Verordnungsgeber auf der Grundlage des Art. 7 § 1 des oben genannten Gesetzes mehrfach haftbar gemacht worden.703 Nach der neueren Rechtslage, die
nunmehr mit dem Wortlaut »autorité administrative« nur noch »reine Verwaltungsbehörden« anzusprechen scheint, soll eine Haftbarmachung des Verordnungsgebers nicht mehr möglich sein,704 was jedoch wiederum bestritten wird.705
Belgien kennt damit wohl keine spezielle Handlungsform, wie den französischen
»acte de gouvernement«, welcher von jeglicher Haftung auszunehmen ist.706 Die
Haftung des formellen Gesetzgebers ist dagegen kategorisch ausgeschlossen.707
cc) Gesetzliche Grundlage
Die Staatshaftung richtet sich in Belgien nach den Art. 1382 ff. Code Civil. Sie
setzt drei wesentliche Kriterien voraus: Erstens muss eine »faute« vorliegen. In
der Erläuterung, wie sie oben gegeben wurde, umfasst sie zumindest die Rechtswidrigkeit des Aktes. Zweitens wird ein Schaden verlangt, wobei der Schadensbegriff recht weit ausgelegt wird. Der Schaden muss sicher sein, umfasst vor al-
700 Herdegen, Die Haftung der EWG für fehlerhafte Rechtsetzungsakte, S. 84.
701 Ausdrücklich für die Anerkennung: Suetens, in: Governmental Liability, S. 182, 191;
ebenso: v. Mangoldt, in: Zur Reform des Staatshaftungsrechts, S. 29, 33.
702 v. Mangoldt, in: Zur Reform des Staatshaftungsrecht, S. 29, 33; Herdegen, Die Haftung
der EWG für fehlerhafte Rechtsetzungsakte, S. 84; Cambier, in: Haftung des Staates,
S. 41, 63.
703 Haack, Die außervertragliche Haftung der Europäischen Gemeinschaften für rechtmäßiges
Verhalten ihrer Organe, S. 48.
704 Fines, La responsabilité extracontractuelle, S. 132.
705 Haack, Die außervertragliche Haftung der Europäischen Gemeinschaften für rechtmäßiges
Verhalten ihrer Organe, S. 48 f.; Schockweiler, RTDE 1990, S. 29, 34; Gilsdorf, EuR 1975,
S. 73, 92. Ebenso: Suetens, in: Governmental Liability, S. 182, 184: »… no functions of
public power – executive functions – carry immunity. All acts (…) may give rise to liability.”
706 Suetens, in: Governmental Liability, S. 182, 185.
707 Suetens, in: Governmental Liability, S. 182, 184; Cambier, in: Haftung des Staates, S. 41,
62; Schockweiler, RTDE 1990, S. 29, 34.
163
lem Eigentumsschäden, aber auch Personenschäden und kann sogar im Verlust
zukünftiger Chancen bestehen.708 Ebenso ist ein zukünftiger Schaden noch »certain«.709 Das belgische Staatshaftungsrecht knüpft damit an die Art und Qualität
des Schadens an. Drittens müssen Schaden und »faute« im Kausalitätsverhältnis
zueinander stehen. Neben der »responsabilité pour faute« gibt es noch die »responsabilité sans faute«, die von der Cour de Cassation am 6. April 1960 angenommen worden ist und ihr Hauptanwendungsfeld im Bereich der »travaux publiques« findet.710 Rechtsgrundlage der »sans-faute«-Haftung ist das Prinzip der
»rupture de l’égalité devant les charges publiques«, also der Lastengleichheitssatz, der u.a. aus dem Artikel zum Schutz des Eigentums, Art. 11 der Verfassung,
abgeleitet wird.711 Die Verletzung des Lastengleichheitssatzes zieht eine Kompensationspflicht nach sich, die dazu beitragen soll, das gerechte Gleichgewicht
wieder herzustellen.712
b) Dänemark
aa) Haftung für administratives Handeln
In Dänemark gibt es keinen generellen Tatbestand, nach dem für rechtmäßiges
Verwaltungshandeln gehaftet wird. Vielmehr sind einzelne Gesetze mit Gefährdungstatbeständen erlassen worden, bspw. im Bereich der Schädigung durch Nuklearenergie. Bemühungen, aus diesen Gesetzen ein allgemeines Haftungsinstitut
herauszukristallisieren, haben in der Rechtsprechung keinen Anklang gefunden.713 Der oberste Gerichtshof hat lediglich in einem Fall einem Unternehmen
Entschädigung für eine Beeinträchtigung im Rahmen der öffentlichen Arbeiten
eingeräumt.714 In der Literatur hat sich eine zur Rechtsprechung gegenläufige
Meinung herausgebildet, die aus einer Analogie zu den Rechtsfolgen der Enteignung eine sich auch auf andere geschützte Bereiche auswirkende Sonderopfer-
708 Alen, Treatise on Belgian Constitutional Law, S. 228 ff.
709 Suetens, in: Governmental Liability, S. 182, 189.
710 Fines, La responsabilité extracontractuelle, S. 183.
711 Suetens, in: Governmental Liability, S. 182, 191 f.; Alen, Treatise on Belgian Constitutional Law, S. 230; Bronkhorst, in: Non-contractual liability, S. 13, 18; Herdegen, Die Haftung der EWG für fehlerhafte Rechtsetzungsakte, S. 85; Haack, Die außervertragliche Haftung der Europäischen Gemeinschaften für rechtmäßiges Verhalten ihrer Organe, S. 49.
Cambier, in: Haftung des Staates, S. 41, 54, leitet aus Art. 11 nur das Entschädigungserfordernis an sich ab.
712 Suetens, in: Governmental Liability, S. 182, 192; Bax, Revue européenne de droit public
1999, S. 455, 461. An der Billigkeitshaftung festhaltend dagegen: Cambier, Haftung des
Staates, S. 41, 48; zustimmend: Buriánek, Das Verschuldenselement, S. 53.
713 Fines, La responsabilité extracontractuelle, S. 183 ; Schockweiler, RTDE 1990, S. 29, 35.
714 Schockweiler, RTDE 1990, S. 29, 35.
164
haftung ableiten will.715 Eine gerichtliche Entscheidung diesbezüglich steht noch
aus.
bb) Haftung für normatives Handeln
Obgleich die Zivilgerichte die Kompetenz zur Überprüfung von formellen und
materiellen Gesetzten besitzen, gibt es bislang keine gerichtliche Entscheidung
zu der Frage der Haftung für rechtmäßige formelle oder materielle Gesetze.716
cc) Haftungsgrundlage
Es kann keine definitive Aussage über die Haftung des dänischen Staates für
rechtmäßiges Handeln getroffen werden. Die oben angesprochene Entscheidung
basiert zum einen auf dem Schutz des Eigentums und der daraus folgenden Entschädigungspflicht. Zum anderen zieht die Einordnung des Sachverhalts im Bereich der öffentlichen Arbeiten eine gedankliche Parallele zu den Haftungsfällen
in Belgien. Letztlich bleibt dies aber nur eine Vermutung.
c) Deutschland
aa) Haftung für administratives Handeln
Im deutschen Staatshaftungsrecht sind zwei Tatbestände anerkannt, die Ausgleich für Schäden infolge rechtmäßigen Handelns gewähren. Zum einen der sog.
»enteignende Eingriff«, zum anderen der sog. »Aufopferungsanspruch«.717 Der
enteignende Eingriff greift bei der Verletzung vermögenswerter Positionen i.S.d.
Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. Der Aufopferungsanspruch dagegen dient als Anspruchsgrundlage infolge der Schädigung von Immaterialgüterrechten i.S.d. Art. 2 Abs.
1 S. 1 und 2. GG.718
715 Buriánek, Das Verschuldenselement, S. 99; Schockweiler, RTDE 1990, S. 29, 35; siehe
auch: Gomard, in: Tort Liability and Insurence, S. 233, 243, der offenbar Schädigungen,
die aus einem Gefährdungstatbestand entstanden sind, allein nach dem Gleichheitssatz
(»principle of equality«) begleichen will.
716 Schockweiler, RTDE 1990, S. 29, 35.
717 Es ist bereits streitig, ob der »enteignende Eingriff« als Teil des Staatshaftungsrechts angesehen werden kann. Diese Diskussion steht aber nicht im Problemkreis dieser Bearbeitung
und wird daher nur der Vollständigkeit halber angesprochen, vgl. aber dazu: Steinberg/
Lubberger, Aufopferung – Enteignung und Staatshaftung, S. 241.
718 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 131; Maurer, AllgVerwR, § 28, Rn. 8 ff.; Buriánek, Das
Verschuldenselement, S. 32 f.
165
Der enteignende Eingriff erfasst faktische, meist atypische und unvorhergesehene
Nebenfolgen rechtmäßigen Verwaltungshandelns, die besonders schwerwiegend
und deshalb unzumutbar sind.719 Das Eigentum wird dabei jedoch nicht entzogen.720 Ursprünglich hat der BGH diesen Anspruch aus einer Analogie zu Art. 14
Abs. 3 GG hergeleitet. In der grundlegenden Nassauskiesungsentscheidung721 hat
das BVerfG eine Entschädigung analog Art. 14 Abs. 3 GG zwar abgelehnt.722 Der
enteignende Eingriff wird allerdings vom BGH weiterhin, trotz kritischer Stimmen der Literatur,723 aufrecht erhalten, auch wenn sich die Haftungsgrundlage
nunmehr im allgemeinen Aufopferungsgedanken der §§ 74, 75 der Einleitung
zum Preußischen Allgemeinen Landrecht findet.724 Die enteignende Wirkung eines Eingriffs stellt sich dann ein, wenn dem Betroffenen ein besonderes, anderen
nicht zumutbares Opfer (Sonderopfer) für die Allgemeinheit abverlangt wird,725
wodurch die Entschädigungspflicht ausgelöst wird. Die Eingriffshandlung bleibt
dabei rechtmäßig, auch wenn der Eingriffserfolg rechtswidrig ist.726 Der Eingriffsakt ist damit insgesamt rechtmäßig im Sinne der obigen Ausführungen.
bb) Haftung für normatives Handeln
Sowohl für legislatives,727 als auch für normatives Unrecht728 wird die Haftung in
Deutschland mangels Drittbezogenheit der Amtspflicht vom Bundesgerichtshof
abgelehnt. Eine Ausnahme wird lediglich für Maßnahme- und Einzelfallgesetze
gemacht.729 Aber selbst die Haftungsannahme würde sich im Weiteren nur auf
rechtswidrige Rechtsetzungsakte beziehen.
719 Vgl. bspw. die Entscheidungen: BGH, NVwZ 1992, S. 915, 916; BGH, NJW 1999, S. 938,
939; Maurer, Allg.VerwR, § 27, Rn. 107.
720 Steinberg/Lubberger, Aufopferung – Enteignung und Staatshaftung, S. 242.
721 BVerfGE 58, S. 300 ff.
722 In der Folge hat sich ein lebhafter Streit – angestoßen von Maurer – über die Frage entfacht, ob die Rechtsfigur des enteignenden Eingriffs überhaupt noch Bestand haben soll.
Manche gehen davon aus, dass dieses Haftungsinstitut in der ausgleichpflichtigen Inhaltsbestimmung gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG aufgegangen sei, vgl. dazu für viele: Maurer,
DVBl. 1991, S. 781 ff; ders., AllgVewR, § 27, Rn. 108.
723 Vgl.: Rüfner, in: AllgVerwR, § 48, Rn. 75; Maurer, AllgVerwR, § 27, Rn. 108.
724 BGHZ 91, S. 20, 27 f.; 97, S. 114, 117; 97, S. 361, 363; BGH, NJW 1999, S. 938 ff.; zur
Aufopferungsentschädigung: Sproll, JuS 1996, S. 313, 318 ff.
725 Buriánek, Das Verschuldenselement, S. 33; Maurer, AllgVerwR, § 27, Rn. 112. Herdegen
sieht das Sonderopfer in der Beeinträchtigung des »gesetzestranszendenten Gleichheitssatzes« begründet, siehe: Herdegen, Die Haftung der EWG für fehlerhafte Rechtsetzungsakte, S. 68. Kritisch zum Sinngehalt der dt. Sonderopfertheorie: Riegel, Das Eigentum im
europäischen Recht, S. 48 ff.
726 Maurer, AllgVerwR, § 27, Rn. 111.
727 BGH, NJW 1989, S. 101.
728 BGHZ 56, S. 40, 44 ff.
729 Eine Ausnahme liegt in Maßnahme- und Einzelfallgesetzen, in denen die Drittbezogenheit
der Amtspflichtverletzung bejaht wird, vgl.: BGHZ 113, S. 367, 372 f.
166
Den Hauptanwendungsbereich des enteignenden Eingriffs bilden hoheitliche Realakte, die in ihren Auswirkungen das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum
beeinträchtigen.730 Die Anwendung der Grundsätze des enteignenden Eingriffs
auf formelle oder materielle Gesetze ist hingegen umstritten. Vorgeschlagen wird
die Haftung des Staates beispielsweise für den Fall atypischer Folgen gesetzlicher
Inhaltsbestimmungen des Eigentums i.S.d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG.731 Die Gegenauffassung nimmt hier einen eigenen Anspruch auf Entschädigung an, in dem der
enteignende Eingriff aufgehen soll.732 Die ausgleichspflichtige Inhalts- und
Schrankenbestimmung stellt jedoch keinen Fall richterrechtlich ausgestalteter
Haftung des Gesetzgebers dar. Der BGH lehnt es in gefestigter Rechtsprechung
ab, Entschädigungen bei legislativem Unrecht wegen enteignenden Eingriffs zu
gewähren.733 Der enteignende Eingriff sei nur zur Entschädigung von Einzelfällen
entwickelt worden. Zum Ausgleich von massenhaft auftretenden Schäden sei er
ungeeignet. In diesen Fällen sei der Gesetzgeber angehalten, selbst für Ausgleichsregelungen zu sorgen. Die Ablehnung der Haftung des Staates in diesem
Bereich geht auf den Verweis auf das Gewaltenteilungsprinzip und budgetäre Bedenken zurück.734 Die Anwendung auf Fälle, in denen das Gesetz nur im Einzelfall zu Eigentumseinbußen führt, hat der BGH ausdrücklich offen gelassen.735 Der
Hauptanwendungsbereich des enteignenden Eingriffs bleibt daher auf den Fall
rechtmäßigen Verwaltungshandelns beschränkt.736
cc) Haftungsgrundlage
Die Schutzgutkonzeption des deutschen Staatshaftungsrechts setzt die Verletzung
bestimmter subjektiver Rechte voraus und knüpft nicht vorrangig an die Art und
Qualität des Schadens an.737 Besondere Bedeutung kommt dem Eigentumsrecht
zu. Die Entschädigungspflicht für rechtmäßige Hoheitsakte mit eigentumsbeeinträchtigendem Sonderopfercharakter ergibt sich aus dem Aufopferungsgedanken.
Die Wurzeln des Enteignungs- und Aufopferungsrechts liegen in den §§ 74, 75
730 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 273; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 237,
Rn. 42.
731 Vgl.: Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 272; 276.
732 Steinberg/Lubberger, Aufopferung – Enteignung und Staatshaftung, S. 242 ff.
733 BGH, NJW 1989, S. 101, 102; generell zur Ablehnung der Haftung des Gesetzgebers, vgl.:
BGH, NJW 1997, S. 123, 124 f.
734 Siehe: Gesetzesentwurf zur Änderung des Grundgesetzes, Staatshaftungsrecht, Bundesrats-Drucksache 214/78, S. 10. Zur gesamten Problematik über die Haftung des Staates
für legislatives Unrecht, siehe: Wróblewski, Die Staatshaftung für legislatives Unrecht in
Deutschland, S. 23 ff.; zu den Gründen gegen Staatshaftung für legislatives Unrecht, vgl.:
Bertelmann, Die Europäisierung des Staatshaftungsrechts, S. 32 f.
735 BGHZ 102, S. 350, 361 f; Külpmann, Enteignende Eingriffe?, S. 91.
736 Siehe dazu: BGH, NJW 1993, S. 1700 f.
737 Siehe: Gesetzesentwurf zur Änderung des Grundgesetzes, Staatshaftungsrecht, Bundesrats-Drucksache 214/78, S. 9 f.
167
EALR. Indes ist man sich uneins über die heutige rechtliche Qualifizierung und
Herleitung des Aufopferungsgedankens. Vereinzelt wird er als allgemeiner
Rechtsgrundsatz bezeichnet.738 Der BGH sieht in der Aufopferungsentschädigung ein Erfordernis, abgeleitet aus der Eigentumsgarantie in Art. 14 Abs. 1 GG
und dem Grundsatz der Lastengleichheit in Art. 3 Abs. 1 GG.739 Diese Einordnung ist vorzugswürdig, da sie parallel läuft mit den Grundsätzen, nach denen in
Deutschland Enteignungen entschädigt werden: Die Gewährung einer Enteignungsentschädigung bezweckt den Ausgleich des erlittenen Sonderopfers im
Sinne der Aufopferung für die Allgemeinheit.740 Die Entschädigung trägt zur Einhaltung des Gleichheitsgrundsatzes bei und bestimmt dadurch das Prinzip der
Gleichheit aller vor den öffentlichen Lasten.741
d) Finnland
aa) Haftung für administratives Handeln
Die Verfassung Finnlands sieht vor, dass jeder, der durch die rechtswidrige Handlung eines Beamten in seinen Rechten verletzt ist, Entschädigung von diesem verlangen kann. Insbesondere das Eigentumsrecht erfordert bereits verfassungsrechtlich eine Entschädigung im Falle von Enteignungen, vgl. dazu die obigen
Ausführungen. Die Enteignungsentschädigung muss dabei in separaten Gesetzen
geregelt sein. Das finnische Rechtssystem kennt vor allem auch die Problematik
der de facto Enteignungen742 und legt seiner Haftungskonzeption die Verletzung
subjektiver Rechte zugrunde. Eine öffentliche Körperschaft haftet zum einen aus
unerlaubter Handlung (»tort liability act«).743 Grundlage ist das Vorliegen einer
rechtswidrigen Handlung. Eine rechtswidrige Handlung kann vor allem auch in
Form eines Verwaltungsaktes (»administrative act«) oder einer behördlichen oder
gerichtlichen Entscheidung angenommen werden. Auf der anderen Seite kann die
öffentliche Hand für fehlerhafte Inhaftierungen oder (Straf-)Urteile zur Verantwortung gezogen werden.
Dagegen sieht das Gesetz keine Verpflichtung der Beamten vor, einen Betroffenen für den Vollzug eines rechtmäßigen Rechtsakts zu entschädigen. Nichts desto
738 Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, S. 229. Ohne genaue Festlegung: Maurer, Allg-
VerwR, § 27, Rn. 5; siehe auch: RGZ 102, S. 390, 391.
739 BGH, NJW 1993, S. 1700.
740 Jaschinski, Der Fortbestand des Anspruchs aus enteignendem Eingriff, S. 17.
741 Vgl. dazu die bereits oben dargelegten Grundsätze zum Eigentumsschutz in Deutschland.
Weiterhin vgl.: Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 207; Rüfner, in: AllgVerwR, § 48, Rn.
26; Maurer, AllgVerwR, § 27, Rn. 16; Wendt, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 14, Rn. 82.
742 Siehe dazu oben: Erster Teil III. 7. b) aa) ddd) (3).
743 Die Staat haftet dann ebenso wie ein Bürger, vgl. dazu: Kruse, The American Journal Of
Comparative Law, S. 58, 62 ff.
168
trotz werden auf Antrag Schäden infolge rechtmäßiger Polizeimaßnahmen ersetzt, die aus einem speziell eingerichteten Fond der Regierung für diese und vergleichbare Fälle beglichen werden.744
bb) Haftung für normatives Handeln
Die Haftung des Staates ist zumindest für formelle Gesetze nach herrschender
Meinung ausgeschlossen, da die Gerichtsbarkeit nicht zur verfassungsrechtlichen
Überprüfung der Parlamentsgesetze befugt ist.745
cc) Zusammenfassung
Im finnischen Staatshaftungsrecht kann bezüglich der Haftung für rechtmäßiges
Handeln vom Grundsatz der Nichthaftung ausgegangen werden. Im Übrigen ist
die Entschädigung gerade bei eigentumsbezogenen Maßnahmen an die Kompensationspflicht für Eigentumsentziehungen gekoppelt.
e) Frankreich
aa) Haftung für administratives Handeln
Das französische Staatshaftungsrecht wird zuweilen als das fortschrittlichste bezeichnet, da es sich unabhängig vom zivilrechtlichen Haftungssystem entwickelt
hat.746 Das Staatshaftungsrecht wird seit jeher nicht zum Verfassungsrecht hinzugezählt, da es nicht als letzte Heilungsmöglichkeit verletzter Rechtsstaatlichkeit
gilt und damit keinen Verfassungsrang in Form einer generalklauselartigen Haftungsbestimmung erlangen konnte.747 Die außervertragliche Haftung des französischen Staates für eigenes Verhalten wird in den Art. 1382, 1383 Code Civil geregelt. Primär ist das französische System auf die Haftung für »faute« ausgelegt.
Das heißt, es wird zunächst geprüft, ob eine »faute personelle«, eine »faute personelle« im Zusammenhang mit einer »faute de service« oder nur eine »faute de
service« vorliegt, wobei es noch unterschiedliche Schweregrade innerhalb der
744 Siehe dazu: Kämäräinen, in: The Liability of the State, S. 108-110; Haack, Die außervertragliche Haftung der Europäischen Gemeinschaften für rechtmäßiges Verhalten ihrer
Organe, S. 75.
745 Siehe dazu bereits oben: Erster Teil III. 7. b) aa) ddd) (1); siehe ebenso: Pellonpää, EuGRZ
1993, S. 590, 592.
746 Buriánek, Das Verschuldenselement, S. 38; Schockweiler, RTDE 1990, S. 29, 34.
747 Gromitsaris, Rechtsgrund und Haftungsauslösung im Staatshaftungsrecht, S. 96.
169
»faute« selbst gibt.748 Im Falle einer »faute personelle« haftet der Beamte persönlich, da keinerlei Zusammenhang zu seiner Funktion als Staatsbeamter vorliegt.
Im intermediären Fall haften Beamter und Staat als Gesamtschuldner. Im letzten
Falle der »faute de service« haftet der Staat allein für das Handeln seines Organs.749 Die Besonderheit in Frankreich liegt darin begründet, dass sich neben der
»pour-faute-Haftung« auch eine detaillierte verschuldensunabhängige Haftung
herausgebildet hat, die unter dem Oberbegriff der »responsabilité sans faute« zusammengefasst wird.750 Dabei gilt die Entschädigungspflicht wegen »expropriation« als Wegbereiterin für staatliche Ersatzleistungen gerade in diesem Bereich,751 auch wenn sich die heutige Rechtmäßigkeitshaftung nach dem Lastengleichheitsprinzip richtet. Diese Haftung kommt insbesondere im Bereich der
»travaux publics« zum Tragen, insofern der Betroffene als Einzelner oder Teil einer kleineren Gruppe einen besonders schweren und anormalen Schaden zu tragen hat, der über das normal zu ertragende Risiko hinausgeht.752 Frankreich
knüpft die Haftung damit, anders als in Deutschland, nicht an die Verletzung bestimmter Rechte, sondern an die Handlung und Art und Qualität des Schadens
an.753
Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass das französische Recht als weiteren verschuldensunabhängigen Tatbestand die Gefährdungshaftung (responsabilité pour risque) kennt, die letztlich aber auch dogmatisch auf den Lastengleichheitssatz zurückzuführen ist, so dass im Weitern darauf verwiesen werden
kann.754
748 Siehe dazu ausführlich: Banakas, Revue Hellénique de Droit International 1992, S. 39,
59 ff.
749 Buriánek, Das Verschuldenselement, S. 41; Wittmann, in: Zur Reform des Staatshaftungsrechts, S. 42, 43 ff; Schockweiler, RTDE 1990, S. 29, 37 f.
750 Buriánek, Das Verschuldenselement, S. 47; Gromitsaris, Rechtsgrund und Haftungsauslösung im Staatshaftungsrecht, S. 96.
751 Vogt, Die Entwicklung der »Responsabilité sans faute«, S. 34.
752 Fromont, in: Entwicklungen im Staatshaftungsrecht, S. 69, 77; Vogt, Die Entwicklung der
»Responsabilité sans faute«, S. 57 f.; Herdegen, Die Haftung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft für fehlerhafte Rechtsetzungsakte, S. 82; Banakas, Revue Hellénique
de Droit International 1992, S. 39, 62 f.
753 Wurmnest, Grundzüge eines europäischen Haftungsrechts, S. 113.
754 Fromont, in: Entwicklungen im Staatshaftungsrecht, S. 69, 77; Schockweiler, RTDE 1990,
S. 29, 34; ebenso: Haack, Die außervertragliche Haftung der Europäischen Gemeinschaften für rechtmäßiges Verhalten ihrer Organe, S. 65. Anders dagegen: Fairgrieve, State Liability in Tort, S. 138. Zur Gefährdungshaftung und zur »pré-somption de faute« ausführlich, siehe: Gromitsaris, Rechtsgrund und Haftungsauslösung im Staatshaftungsrecht,
S. 163 ff.
170
bb) Haftung für normatives Handeln
Frankreich weist auch im Hinblick auf die Haftung für normatives Handeln eine
Besonderheit auf. Noch vor der Anerkennung der »responsabilité sans faute« im
Bereich des Verwaltungshandelns hat der Conseil d’Etat den französischen Staat
generell haftbar für förmliche Gesetze erklärt. Im Jahre 1938 sprach das Gericht
in der Rs. La Fleurette einen Ersatzanspruch für einen durch Gesetz verursachten
Schaden aus.755 Die Richter machten allerdings primär zur Bedingung, dass der
Gesetzgeber die Haftung zuvor nicht ausdrücklich oder konkludent ausgeschlossen haben durfte. Darin setzt sich die Begründung der grundsätzlichen Immunität
des Gesetzgebers fort. Das heißt, die Haftung für Gesetze stellt eine mittelbare
Kontrolle des Gesetzgebers und einen Eingriff in das Gewaltenteilungsprinzip
dar, welche wiederum den Grundsatz der Souveränität des Gesetzgebers einschränkt.756 Auch nach der La Fleurette-Entscheidung behält dieser Grundsatz
Geltung, wenn die Haftung durch den Gesetzgeber ausgeschlossen worden ist. In
diesem Fall würden sich die Richter bei der Haftungszusprechung gegen den ausdrücklichen Willen des Souveräns richten.757 Darüber hinaus darf die Haftung
nicht den gesetzlichen Regelungszweck vereiteln. Schließlich hat der Betroffene
einen besonderen Schaden nachzuweisen, der über die normalerweise zu tragenden Lasten hinausgeht (»préjudice spécial et suffisamment grave«).758 Das Kriterium der »spécialité« wird dadurch verwirklicht, dass der Schaden nur eine begrenzte Personenanzahl trifft. Je größer die Zahl der Betroffenen ist, desto
schwieriger ist es, die Vermutung zu widerlegen, der Gesetzgeber wollte die Entschädigung ausschließen.759 Diese Kriterien werden bis heute angelegt, wenngleich die Rechtsprechung bei der Gewährung von Entschädigungen eher zurückhaltend agiert und diese auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen sich der Schaden direkt aus der Gesetzesanwendung ergibt oder das Gesetz selbst keine Entschädigung vorsieht.760 Die Beurteilung eines Gesetzes als »rechtmäßig« resultiert indes nicht aus einer materiell-rechtlichen Überprüfung, sondern entstammt
allein der Unüberprüfbarkeit erlassener Gesetze als Ausdruck der aus der franzö-
755 Conseil d’Etat, arrêt du 14.01.1938, Rs. La Fleurette, Rec. d. déc. du Cons. d’Etat 1938,
S. 25 ff.
756 Vogt, Die Entwicklung der »Responsabilité sans faute«, S. 170, 176; Itin, Grundrechte in
Frankreich, S. 220. Im Übrigens bereits dazu oben: Erster Teil III. 7. b) aa) eee) (1).
757 Gromitsaris, Rechtsgrund und Haftungsauslösung im Staatshaftungsrecht, S. 101.
758 v. Caemmerer, in: Zur Reform des Staatshaftungsrechts, S. 56, 57 f.; Banakas, Revue Hellénique de Droit International 1992, S. 39, 64; Fromont, in: Haftung des Staates, S. 135,
142.
759 Gromitsaris, Rechtsgrund und Haftungsauslösung im Staatshaftungsrecht, S. 101.
760 Conseil d’Etat, arrêt du 21.1.1983, Rs. Ville de Bastia, Rec. d. déc. du Cons. d’Etat 1983,
S. 22 ff.; Schockweiler, RTDE 1990, S. 29, 39; Fairgrieve, State Liability in Tort, S. 162,
der der Haftung für Legislativakte eine untergeordnete Stellung attestiert.
171
sischen Revolution überkommenen »volonté générale«, die eine nachträgliche
Überprüfung erlassener Gesetze aus Gründen der Volkssouveränität verbietet.761
Neben der Haftung für förmliche Gesetze (»responsabilité pour fait des lois«)
existiert auch eine Verantwortlichkeit für untergesetzliche generelle Exekutivakte.762 Bezüglich der Haftungsvoraussetzungen ist zwischen einem gesetzmä-
ßigen und einem gesetzwidrigen »acte réglementaire« zu differenzieren. Im Falle
der Rechtmäßigkeit tritt eine Schadensregulierung nur unter den Voraussetzungen
der Haftung für legislatives Unrecht ein. Ist der Akt dagegen rechtswidrig, unterliegt er den Voraussetzungen der Staatshaftung für rechtswidrige individuelle
Akte.763
cc) Haftungsgrundlage
Die für die Bearbeitung interessante »responsabilité sans faute« wird auf dem
Prinzip der »rupture de l’égalité devant les charges publiques« begründet.764 Im
französischen Recht liegt die dogmatische Wiege dieser Ausformung des Lastengleichheitssatzes, welcher letztlich zu einer ausgeprägten Rechtmäßigkeitshaftung führt und von vielen kontinentaleuropäischen Staaten übernommen worden
ist.765 Seine Geltung als allgemeiner Rechtsgrundsatz erlangt der Lastengleichheitssatz aus einer Zusammenschau der Präambel der Verfassung vom 4. Oktober
1958 und dem 12. Absatz der Präambel von 1946 unter Einbeziehung der Art. 1
und 13 S. 2 der »Déclaration des Droit de l’Homme et du Citoyen« von 1789.766
f) Griechenland
aa) Haftung für administratives Handeln
Das griechische Staatshaftungssystem basiert auf Normen des Privatrechts. Die
Art. 104 und 105 des griechischen Staatshaftungsgesetztes (EGZGB) schreiben
761 Vgl.: v. Caemmerer, in: Zur Reform des Staatshaftungsrechts, S. 56, 64; Fairgrieve, State
Liability in Tort, S. 144.
762 Bronkhorst, in: Non-contractual Liability, S. 13, 19.
763 Wittmann, in: Zur Reform des Staatshaftungsrechts, S. 42, 55.
764 Vogt, Die Entwicklung der »Responsabilité sans faute«, S. 212.
765 Vgl.: Buriánek, Das Verschuldenselement, S. 47; Bronkhorst, in: Non-contractual Liability, S. 13, 19; ders., in: The Action for Damages in Community Law, S. 153, 156 f.; Gromitsaris, Rechtsgrund und Haftungsauslösung im Staatshaftungsrecht, S. 96.
766 Haack, Die außervertragliche Haftung der Europäischen Gemeinschaften für rechtmäßiges
Verhalten ihrer Organe, S. 55; Latournerie, in: Governmental Liability, S. 200, 225; Fairgrieve, State Liability in Tort, S. 137. Zur Zusammensetzung der französischen Grundrechtsgewährungen siehe: Feger, Jura 1987, S. 6, 8.
172
die Haftung des Staates für seine Bediensteten vor.767 Nach Art. 105 EGZGB haftet die für den Staat handelnde Person neben dem Staat als Gesamtschuldner. Das
griechische Recht kennt bislang keine generelle gesetzliche Normierung, die die
Haftung des Staates für rechtmäßiges Handeln seiner Organe herbeiführen
könnte.768 Darüber hinaus wird auch von der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre eine – gesetzlich nicht geregelte – Verantwortlichkeit des Staates in
diesen Fällen abgelehnt. Eine entsprechende Haftung kommt nur in den gesetzlich geregelten Einzelfällen in Betracht, die vor allem die Fälle des Eigentumsentzugs oder die teilweise oder gänzliche Nationalisierung betreffen.769 Es handelt sich insofern aber allein um eine Billigkeitsentscheidung,770 die nicht etwa
von der Verfassung gefordert wird, sondern allein dem Willen des Gesetzgebers
unterliegt.771
bb) Haftung für normatives Handeln
Generell verneint sowohl die Rechtsprechung, als auch die herrschende Meinung
in der Literatur eine Haftung des Staates für formelle Gesetze oder untergesetzliche Rechtsnormen mit einem Verweis vornehmlich auf die Souveränität des Parlaments und den Grundsatz der Immunität der Abgeordneten, der in Art. 61 der
Verfassung festgelegt ist.772 Dennoch gibt es Stimmen in der Literatur, die eine am
Grundsatz der Lastengleichheit (Art. 4, § 5 der Verfassung) orientierte Haftung
des Staates, bei Vorliegen eines Sonderopfers einzelner, etablieren wollen.773 In
diesem Zusammenhang werden vor allem Fälle der de facto Enteignung genannt.774 Die Entwicklung eines Aufopferungsanspruchs wird von der Rechtsprechung aber unter großer Vorsicht hinsichtlich des Staatshaushalts zurückgehalten,
was weitestgehend von der Literatur gebilligt wird.775
767 Dazu ausführlich siehe: Tsatsos, in: Die Haftung des Staates, S. 187, 194 ff.
768 Fines, La responsabilité extracontractuelle, S. 184; Buriánek, Das Verschuldensele-ment,
S. 79.
769 Iliopoulos-Strangas, Revue Hellénique de Droit International 1998, S. 311, 331 f.
770 Kedikoglou, Der Schutz des Eigentums und die Sozialbindung im deutschen und griechischen Verfassungsrecht, S. 76 f.
771 Kedikoglou, Der Schutz des Eigentums und die Sozialbindung im deutschen und griechischen Verfassungsrecht, S. 76 f.
772 Iliopoulos-Strangas, Revue Hellénique de Droit International 1998, S. 311, 327 f.; Dimitrakakis, in: The Liability of the State, S. 115, 126. Anders für die Haftung für untergesetzliche Normen: Schockweiler, RTDE 1990, S. 29, 41.
773 Iliopoulos-Strangas, Revue Hellénique de Droit International 1998, S. 311, 332; Dimitrakakis, in: The Liability of the State, S. 115, 121; ebenso: Schockweiler, RTDE 1990, S. 29,
40.
774 Iliopoulos-Strangas, Revue Hellénique de Droit International 1998, S. 311, 333.
775 Kedikoglou, Der Schutz des Eigentums und die Sozialbindung im deutschen und griechischen Verfassungsrecht, S. 76 f.
173
cc) Zusammenfassung
Die Bemühungen der Lehre, einen Ausgleich für rechtmäßiges Exekutivhandeln
zu etablieren, basieren vornehmlich auf dem Grundsatz der Lastengleichheit.776
g) Großbritannien
aa) Haftung für administratives Handeln
Das Staatshaftungsrecht Großbritanniens777 war lange Zeit vom Grundsatz der
Nichtverantwortlichkeit des Souveräns geprägt (»the king can do no wrong«).778
Heute gilt der Grundsatz der Parlamentssouveränität.779 Erst mit der Einführung
des »Crown Proceedings Act« von 1947 wurde die Möglichkeit eingeräumt, die
Krone selbst wegen unerlaubter Handlung eines ihrer Beamten vor den ordentlichen Gerichten in Anspruch zu nehmen.780 Grundsätzlich haftet der Beamte jedoch persönlich nach dem für Private geltenden Recht.781 Nur wenn die Behörde,
für die er handelt, zusätzlich als Organ der Krone angesehen wird, haftet neben
dem Beamten auch die Krone unter den Einschränkungen des »Crown Proceedings Act«.782 Das britische Deliktsrecht kennt keinen normierten allgemeinen
Tatbestand der unerlaubten Handlung. Vielmehr haben sich im »common law«
einzelne Tatbestände herausgebildet, die speziell auf den Schutz bestimmter Interessen ausgebildet sind, sog. »torts«.783 Dazu zählen bspw. der Schutz der Besitztümer (»trespass«) oder der Schutz der Ehre (»defamation«).784 Die eng beschriebenen »torts« werden in Großbritannien zur Haftungsbegründung herangezogen.785
776 Bax, Revue européenne de droit public 1999, S. 455, 462.
777 Hier ist eine Präzisierung dahingehend vorzunehmen, dass die Rechtslage an sich für England und Wales, die Kanalinseln, die Isle of Man, Nordirland und Schottland getrennt
untersucht werden müsste. Letztendlich stimmen die Staatshaftungsrechte aber im Wesentlichen überein. Eine gesonderte Darstellung kann daher entfallen. Zum schottischen Recht
vgl.: Blackie, in: Governmental Liability, S. 45-58.
778 Wade/Bradley, Constitutional and Administrative Law, S. 733 f.
779 Gromitsaris, Rechtsgrund und Haftungsauslösung im Staatshaftungsrecht, S. 95.
780 Morvay, in: Zur Reform des Staatshaftungsrechts, S. 66; Buriánek, Das Verschuldenselement, S. 83; Schockweiler, RTDE 1990, S. 29, 49.
781 Wade/Bradley, Constitutional and Administrative Law, S. 732.
782 Buriánek, Das Verschuldenselement, S. 83; Kopp, in: Entwicklungen im staatshaftungsrecht, S. 107; Wade/Bradley, Constitutional and Administrative Law, S. 734.
783 Wurmnest, Grundzüge eines europäischen Haftungsrechts, S. 110.
784 Buriánek, Das Verschuldenselement, S. 84; Kopp, in: Entwicklungen im staatshaftungsrecht, S. 107, 108.
785 Wurmnest, Grundzüge eines europäischen Haftungsrechts, S. 123.
174
Auf eigentumsrechtliche Positionen bezogen gilt grundsätzlich die Vermutung,
dass ein Eigentumsentzug nur gegen Entschädigung rechtmäßig sein kann, wovon
das Parlament nur durch einen eindeutigen Gesetzeswortlaut abweichen kann.786
In Bezug auf die Haftung für rechtmäßige Akte ist besonders die Entscheidung
in der Rs. Burmah Oil Co. zu berücksichtigen, in der das House of Lords eine Entschädigung für rechtmäßige kriegsbedingte Eigentumszerstörung zugesprochen
hat und diesen Anspruch dabei auf den Aufopferungsgedanken stützte.787 Der bereits 1868 in der ein privatrechtliches Rechtsverhältnis betreffenden Entscheidung Ryland v. Fletcher anklingende Gedanke der schuldlosen, an rechtmäßiges
Handeln anknüpfende Haftung hat sich nicht als generelles Haftungskonzept für
eine behördliche Haftung gegenüber dem Bürger durchsetzen können. Die Haftungsimmunität der öffentlichen Verwaltung wird auf zwei Gründe gestützt. Zum
einen wird der verursachte Schaden als unvermeidbar angesehen mit der Folge,
dass wenn man ihn vermeiden wollte, die gesetzlich vorgeschriebene Tätigkeit zu
unterlassen wäre. Solange aber ein Gesetz eine Tätigkeit vorschreibt, gelten die
Folgen daraus als zumindest implizit vom Gesetz gedeckt. Die Schadensfolge
kann demnach nicht mehr als rechtswidrig beurteilt werden, was zu einem Wegfall des »Tort«-Tatbestandes führt.788 Zum anderen setzt die Haftungsregel der Ryland v. Fletcher-Entscheidung eine Handlung des Schädigers voraus, die für eigene Zwecke gefährlich ist. Die öffentliche Verwaltung handelt aber grundsätzlich im Interesse des Gemeinwohls, was die Anwendung dieser Haftungsregel auf
sie verbietet.789 Damit sollte es bei dem Ansatz der Burmah Oil Co.-Entscheidung
in der Rechtsprechung bleiben, so dass der Staat generell nicht für rechtmäßige
Handlungen seiner Organe haftet.790 Die Literatur ist sich indessen uneinig darüber, ob eine Haftung des Staates für seine rechtmäßig handelnden Organe eingeführt werden soll.791 Diejenigen, die eine dahingehende Entwicklung befürworten, stützen ihre Überlegungen auf das französische Vorbild des Lastengleichheitssatzes.792 Denn gerade die Tatsache, dass die Verwaltung im Sinne des Gemeinwohls handele, lasse es ungerecht erscheinen, wenn dem Einzelnen die
Schäden zuzumuten sind, die ihm zugunsten der Gemeinschaft widerfahren.793
Dieser Weg ist umstritten. Zwar kennt das englische Verfassungsrecht den Grundsatz der Gleichheit aller vor dem Gesetz (»equality before the law«), der kraft Ge-
786 Gromitsaris, Rechtsgrund und Haftungsauslösung im Staatshaftungsrecht, S. 95.
787 House of Lords, Rs. Burmah Oil Co. Ltd., Law Reports, Appeal Cases, 1965, S. 75 ff.;
Frowein, ZaöRV 1965, S. 735, 745; Wade, in: The Liability of the State, S. 68, 78.
788 Vgl.: Craig, Administrative Law, S. 881.
789 Dazu: Gromitsaris, Rechtsgrund und Haftungsauslösung im Staatshaftungsrecht, S. 168 f.
790 Fairgrieve, State Liability in Tort, S. 161 f.; Herdegen, Die Haftung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft für fehlerhafte Rechtsetzungsakte, S. 94.
791 Andeutungsweise gegen eine solche Haftung spricht sich aus: Street, in: Haftung des Staates, S. 229, 247. Wohl auch gegen die Annahme einer solchen Haftung: Bronkhorst, in:
The Action for Damages in Community Law, S. 153, 158.
792 Wade, in: The Liability of the State, S. 68, 78.
793 Gromitsaris, Rechtsgrund und Haftungsauslösung im Staatshaftungsrecht, S. 169; Craig,
Administrative Law, S. 885.
175
wohnheitsrecht anerkannt ist. Dieser Grundsatz kommt jedoch vornehmlich im
Bereich der Rechtsanwendungsgleichheit zwischen Bürger und Behörde zum
Tragen.794 Der gleichen Lastenverteilung wird dabei nicht einheitlich dieselbe Bedeutung wie im französischen Recht beigemessen.795 Demnach wartet die Frage
der Rechtmäßigkeitshaftung noch auf ihre endgültige Klärung.796 Nichts desto
trotz gibt es Fälle, die insbesondere Enteignungssituationen durch öffentliche
Bauarbeiten betreffen, in denen Entschädigungen durch ein Gesetz (»Act of Parliament«) vorgesehen sind, um die Verluste des Betroffenen abzufedern.797
In Einzelfällen wird eine Entschädigung von Gesetzes wegen auch auf der Grundlage des Gefährdungsprinzips gewährt.798 Die Häufigkeit ist dagegen gering, so
dass die Ableitung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes aus dieser Ausnahmehaftung nicht vorgenommen werden kann.799
bb) Haftung für normatives Handeln
Der Frage der Haftung des Staates für Normativakte kommt im englischen Staatshaftungsrecht eine untergeordnete Rolle zu. Dies liegt zum einen daran, dass die
Haftung des Staates für förmliche Gesetze schon deshalb nicht möglich ist, weil
ein förmliches Gesetz nach dem britischen Verfassungsrecht nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen kann. Das heißt, die Tatsache, dass es in Großbritannien
keine Verfassung im kontinentaleuropäischen Sinne gibt, führt letztlich dazu,
dass Verfassungsrecht nicht als höherrangiges Recht qualifiziert wird.800 Darüber
hinaus sind Gerichte und andere Institutionen auch nicht befugt, Gesetze auf ihre
Vereinbarkeit mit Verfassungsrecht zu überprüfen.801 Demnach ist allenfalls die
Staatshaftung im Falle untergesetzlicher Gesetzgebung (bspw. durch Verordnungen) denkbar, obgleich bis heute keine Entscheidung zur Haftung für den Erlass
von Verordnungen bekannt ist. Es gibt auch keine Bestrebungen, eine Haftung für
Gesetze einzuführen.802 An eine zu etablierende Rechtmäßigkeitshaftung ist damit wohl noch weniger zu denken.
794 Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 542.
795 Für eine Vergleichbarkeit siehe: Wade, in: The Liability of the State, S. 68, 78 f.
796 Wade, in: The Liability of the State, S. 68, 78.
797 Vgl. der »Land Compensation Act« von 1973; Wade, in: The Liability of the State, S. 68,
79; Fairgrieve, State Liability in Tort, S. 160 f.
798 Morvay, in: Zur Reform des Staatshaftungsrechts, S. 66, 70.
799 Haack, Die außervertragliche Haftung der Europäischen Gemeinschaften für rechtmäßiges
Verhalten ihrer Organe, S. 58. Vgl. die ausführliche Darstellung bei Fairgrieve, State Liability in Tort, S. 155 f.
800 Morvay, in: Zur Reform des Staatshaftungsrechts, S. 66, 67, 72.
801 Siehe dazu oben: Erster Teil III. 7. b) aa) ppp) (1)
802 Morvay, in: Zur Reform des Staatshaftungsrechts, S. 66, 72; siehe auch: Schockweiler,
RTDE 1990, S. 29, 49.
176
h) Irland
aa) Haftung für administratives Handeln
Das irische Rechtssystem ging noch bis ins Jahr 1971 von dem aus dem britischen
Recht übernommenen Grundsatz »the king can do no wrong« aus.803 Erst ein Jahr
später hat der Oberste Gerichtshof die generelle Haftung des Staates für seine Organe unter Rückgriff auf die Verfassung anerkannt. Danach haftet der Staat im
Prinzip für individuelle Akte wie eine privatrechtliche juristische Person nach
dem für Private geltenden »common law«.804 Vereinzelt wird indessen auch ein eigenständiges öffentliches Deliktsrecht gefordert.805
Nicht jede unrechtmäßige Verwaltungsmaßnahme zieht die Kompensationspflicht nach sich.806 Gerade in den Fällen, in denen der Akt aus formellen Gründen
unrechtmäßig ist, wird eine Schadensregulierung ausgeschlossen. Insbesondere
im Hinblick auf eigentumsbeeinträchtigende Maßnahmen wird eine Ausgleichspflicht angenommen.807 Eine Verantwortlichkeit der öffentlichen Hand im Sinne
einer Rechtmäßigkeitshaftung ist auch in Sonderfällen nicht etabliert, obgleich
die irische Verfassung den allgemeinen Gleichheitssatz kodifiziert hat.808 Es gibt
lediglich in der Literatur eine Tendenz dahingehend, eine verschuldensunabhängige Haftung zu befürworten.809
bb) Haftung für normatives Handeln
Obgleich es bislang offensichtlich noch keinen Fall gegeben hat, in dem sich der
Oberste Gerichtshof mit Schadensersatzansprüchen aus einem verfassungswidrigen Gesetz zu beschäftigen hatte, ist eine Haftung des Staates, soweit ersichtlich,
hierfür ausgeschlossen.810 Anders gestaltet sich die Haftungsfrage offenbar für
untergesetzliche Normen der Exekutive, für die der Staat haftbar gemacht werden
803 Hogan/Kerr, in: Governmental Liability, S. 145; Heuston, in: The Liability of the State,
S. 133, 134; Buriánek, Das Verschuldenselement, S. 94.
804 Morgan/Hogan, Administrative Law in Ireland, S. 801; Hogan/Kerr, in: Govern-mental
Liability, S. 145, 146; Schockweiler, RTDE 1990, S. 29, 41.
805 Hogan/Kerr, in: Governmental Liability, S. 145, 156; Morgan/Hogan, Administra-tive
Law in Ireland, S. 811 ff.
806 Morgan/Hogan, Administrative Law in Ireland, S. 811.
807 Siehe dazu oben: Erster Teil III. 7. b) aa) hhh) (3); Hogan/Kerr, in: Governmental Liability,
S. 145, 177.
808 Art. 40 § 1 Abs. 1 Verfassung. Vgl. dazu ausführlich: Morgan/Hogan, Administrative Law
in Ireland, S. 652.
809 Vgl. dazu: Buriánek, Das Verschuldenselement, S. 96, mit einem weiteren Nachweis.
810 Schockweiler, RTDE 1990, S. 29, 41.
177
könnte.811 Aber auch hier scheidet eine Staatsverantwortlichkeit für rechtmäßige
Normativakte aus.
i) Italien
aa) Haftung für administratives Handeln
Die Staatshaftung ist in Italien durch Art. 28 der Verfassung i.V.m. Art. 2043 ff.
Codice Civile geregelt. Durch Art. 28 Verf. wird das Staatshaftungsrecht nach
Maßgabe des Zivilrechts verfassungsrechtlich verankert und ebenfalls auf die bis
zu diesem Zeitpunkt nicht haftenden Bediensteten erstreckt. Staat und Bediensteter haften gesamtschuldnerisch.812 Eine allgemeine Haftung für rechtmäßiges
Handeln ist bislang nicht anerkannt. Zwar kennt die Rechtsordnung enteignungsrechtliche Entschädigungsregelungen; doch werden diese zum einen dogmatisch
nicht dem Staatshaftungsrecht zugeordnet, zum anderen ist bislang auch keine
Tendenz der Rechtsprechung dahingehend auszumachen, dass im Wege der Analogie unter Rückgriff auf die bestehenden Enteignungsvorschriften eine solche
Rechtmäßigkeitshaftung etabliert wird.813 Entschädigungen für rechtmäßiges
Staatshandeln sind allenfalls in entsprechenden Gesetzen mitgeregelt, um zu vermeiden, dass der Einzelne durch die im Allgemeinwohl stehende hoheitliche
Handlung geschädigt wird.814 Diese Tatsache wird zum Teil in der Literatur dazu
benutzt, um eine Rechtmäßigkeitshaftung ansonsten abzulehnen.815
bb) Haftung für normatives Handeln
Bislang ist die Frage der Haftung des Staates für ein als verfassungswidrig erklärtes Gesetz noch nicht richterlich entschieden worden. Dies liegt vor allem in der
Tatsache begründet, dass der Verfassungsgerichtshof nur die Verfassungswidrigkeit, nicht jedoch die Frage des Schadenersatzes klären kann.816 Dies ist nach
herrschender Meinung auch nicht erforderlich, da ein förmliches Gesetz niemals
811 Schockweiler, RTDE 1990, S. 29, 42.
812 Buriánek, Das Verschuldenselement, S. 70; Clarich, in: Governmental Liability, S. 228,
232 ff; Oellers-Frahm, in: Zur Reform des Staatshaftungsrechts, S. 73, 74.
813 Buriánek, Das Verschuldenselement, S. 70, 74. Kopp stimmt dem zwar zu, gibt aber zu
bedenken, dass die Anforderungen an die Annahme der Rechtswidrigkeit zurückzugehen
scheinen. Siehe dazu: Kopp, in: Entwicklungen im Staatshaftungsrecht, S. 97, 102.
814 Siehe dazu: Clarich, in: Governmental Liability, S. 228, 237; Fines, La responsa-bilité
extracontractuelle, S. 183 f.; Iannotta, in : The Liability of the State, S. 138, 140.
815 Clarich, in: Governmental Liability, S. 228, 244; so wohl auch: Galeotti, in: Haftung des
Staates, S. 295, 316.
816 Herdegen, Die Haftung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft für fehlerhafte Rechtsetzungsakte, S. 87.
178
ein schädigender, die Schadensersatzpflicht auslösender Akt sein kann. Allein der
Vollzug dieses Gesetzes kann ein schädigender, zu Schadensersatz verpflichtender Akt sein.817 Allenfalls die Verantwortlichkeit für generelle Akte der Exekutive
könnte etabliert werden.818 Bislang gibt es aber keine Nachweise hinsichtlich einer Haftung für rechtmäßige Normativakte.
k) Luxemburg
aa) Haftung für administratives Handeln
Die Staatshaftung weist in Luxemburg starke Verwandtschaft zum belgischen
Recht auf, so dass im Groben auf die obigen Ausführungen zu verweisen ist. Am
1. September 1988 trat in Luxemburg das Gesetz über die Verantwortlichkeit des
Staates und sonstiger Hoheitsträger in Kraft.819 Damit ist in Art. 1 Abs. 2 des Gesetzes ein Tatbestand zum Ausgleich von Schäden infolge rechtmäßigen Veraltungshandelns normiert worden. Der Anspruch ist begründet, wenn ein außergewöhnlicher Schaden in Form von normalerweise nicht hinnehmbaren Opfern entstanden ist. Es muss demnach ungerecht erscheinen, dem Einzelnen die Last allein aufzubürden. Der Schaden muss überdies besonders in der Hinsicht sein, dass
nur eine Person oder ein bestimmter Personenkreis den Schaden trägt.820 Wie
schon in Frankreich und Belgien knüpft auch das luxemburgische Recht an die
Qualität des Schadens an.
Eine verschuldensunabhängige Haftung ist im übrigen Staatshaftungsrecht anerkannt; sie wird allerdings auch auf die Fälle der »travaux publics« beschränkt.821
Auch hier, ebenso wie bei dem Gesetz über die Haftung des Staates von 1988,
liegt der Grund für die Entschädigungsgewährung in der Vermeidung ungleicher
Lastengewichtung,822 also mithin dem Lastengleichheitssatz.823
817 Oellers-Frahm, in: Zur Reform des Staatshaftungsrechts, S. 73, 83.
818 Schockweiler, RTDE 1990, S. 29, 43.
819 Fines, La responsabilité extracontractuelle, S. 183; Schockweiler, RTDE 1990, S. 29, 44.
820 Schockweiler, RTDE 1990, S. 29, 44 f.
821 Buriánek, Das Verschuldenselement, S. 56.
822 Schockweiler, in: The Liability of the State, S. 141, 142: »… where none of its staff is at
fault but where it would nevertheless be inequitable to leave the victim to bear the damage
alone.«
823 Fines, La responsabilité extracontractuelle, S. 183.
179
bb) Haftung für normatives Handeln
Die Staatshaftung unterfällt den Art. 1382 ff. Code Civil, so dass der Staat gleich
einem Individuum haftet.824 Eine Haftung wegen Erlasses oder Nichterlasses eines förmlichen Gesetzes kennt auch das luxemburgische Recht nicht.825 Gleiches
gilt offenbar auch für untergesetzliche Rechtsnormen.826 Rechtswidrige untergesetzliche Normen können lediglich unangewendet bleiben, aber von den Gerichten, mangels entsprechender Kompetenz, nicht aufgehoben werden.827
l) Niederlande
aa) Haftung für administratives Handeln
Das niederländische Recht kennt im Gegensatz zum luxemburgischen Recht keinen normierten Tatbestand zum Ausgleich der Folgen rechtmäßigen Verwaltungshandelns. Jedoch gibt es eine Verwaltungspraxis, nach der in Einzelfällen Entschädigungen gezahlt werden.828 Der niederländische Staatsrat wird somit dem
Grundsatz der »proper administration« – der ordentlichen Verwaltung – gerecht.829 Dieser Grundsatz verpflichtet die öffentliche Hand zur Entschädigung im
Falle einer behördlichen Handlung im Allgemeinwohlinteresse, die im Einzelfall
negative Folgen nach sich zieht. Anknüpfend an die Qualität des Schadens ist entscheidungserheblich, dass der Schaden die üblicherweise in diesem Sektor hinzunehmenden wirtschaftlichen Risiken übersteigt und so dem Betroffenen Entschädigung auf Kosten der Verwaltung gezahlt werden muss. Die Entscheidungskompetenz liegt insoweit bei den Verwaltungsgerichten830 und die Haftung orientiert sich an der Schadensqualität.
824 Schockweiler, in: The Liability of the State, S. 141.
825 v. Mangoldt, Zur Reform des Staatshaftungsrechts, S. 84; Arendt, in: Haftung des Staates,
S. 447, 481.
826 v. Mangoldt, Zur Reform des Staatshaftungsrechts, S. 84, 85, Arendt, in: Haftung des Staates, S. 447, 479 f; Gilsdorf, EuR 1975, S. 73, 93. Anders offenbar: Schockweiler, RTDE
1990, S. 29, 45, der sich die Haftung des Gesetzgebers unter der verschuldensunabhängigen Haftung durchaus vorstellen kann.
827 v. Mangoldt, Zur Reform des Staatshaftungsrechts, S. 84, 85; Arendt, in: Haftung des Staates, S. 447, 480.
828 Fernhout, in: The Liability of the State, S. 144, 146; Fines, La responsabilité extracontractuelle, S. 184; Schockweiler, RTDE 1990, S. 29, 46 f.; Bax, Revue européenne de droit
public 1999, S. 455, 461.
829 Fernhout, in: The Liability of the State, S. 144, 146; Bronkhorst, in: Non-contractual Liability, S. 13, 18; Schockweiler, RTDE 1990, S. 29, 46.
830 Haack, Die außervertragliche Haftung der Europäischen Gemeinschaften für recht-mäßiges Verhalten ihrer Organe, S. 62; Bronkhorst, in: Non-contractual Liability, S. 13, 18.
180
bb) Haftung für normatives Handeln
Formelle Gesetze unterliegen in den Niederlanden nicht der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit durch Behörden und Gerichte. Der Staat kann demnach auch
nicht für unmittelbare oder mittelbare schädliche Folgen seiner verfassungswidrigen Gesetzgebung haftbar gemacht werden.831 Anders dagegen stellt sich die
Lage für die Haftung für Verordnungen des Königs, der Minister, der Provinzen
oder der Gemeinden dar. Insofern diese verfassungs- oder gesetzeswidrig sind,
kann der Staat für sie haftbar gemacht werden.832
cc) Gesetzlicher Grundgedanke
Der angesprochene Grundsatz der »proper administration« ist Ausdruck des aus
dem französischen Rechtskreis bekannten Lastengleichheitsgrundsatzes, der
durch einen außergewöhnlich hohen, nicht zu erwartenden Schaden einer Einzelperson oder eines bestimmten Personenkreises tangiert wird.833
m) Österreich
aa) Haftung für administratives Handeln
In Österreich haften Bund, Länder und Gemeinden und die sonstigen Körperschaften öffentlichen Rechts nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für
den Schaden am Vermögen oder an der Person, den die als ihre Organe handelnden Personen im Vollzug der Gesetze durch ein rechtswidriges, schuldhaftes Verhalten zugefügt haben.834 Der Ersatzanspruch ist als zivilrechtlicher Anspruch vor
den Zivilgerichten einklagbar und die haftenden Rechtsträger können Regress bei
ihren Organen nehmen.835 Eine Besonderheit tut sich im Hinblick auf die Haftung
des Staates für rechtmäßiges Handeln seiner Organe auf. Diese Form der Haftung
wird in Österreich als »Haftungs-Variante« angesehen und stellt sich als Problem
der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie dar. Eingriffe in das Eigentum sind
nicht ausgeschlossen, unterliegen aber den besonderen verfassungsrechtlichen
Voraussetzungen der Enteignung und des sonstigen Eigentumseingriffs. Die Ent-
831 Stein, Zur Reform des Staatshaftungsrechts, S. 86, 94; Prins, in: Haftung des Staates,
S. 487, 502; Schockweiler, RTDE 1990, S. 29, 47.
832 Stein, in: Zur Reform des Staatshaftungsrechts, S. 86, 94; Prins, in: Haftung des Staates,
S. 487, 502; Gilsdorf, EuR 1975, S. 73, 93.
833 Fernhout, in: The Liability of the State, S. 144, 146; Schockweiler, RTDE 1990, S. 29, 46
f.; so auch: Fines, La responsabilité extracontractuelle, S. 184.
834 Ausführlich zur Entwicklung des Staatshaftungsrechts in Österreich, siehe: Spanner, in:
Haftung des Staates, S. 505, 506 ff.
835 Klecatsky, in: Entwicklungen im Staatshaftungsrecht, S. 33, 34.
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schädigungspflicht für Eigentumseingriffe liegt damit der Rechtmäßigkeitshaftung zugrunde. Ebenso wie in Deutschland liegt dem Staatshaftungsrecht eine
Schutzgutkonzeption zugrunde, die die Verletzung subjektiver Rechte verlangt.
Zum Eigentumsschutz im Einzelnen sei an dieser Stelle auf die entsprechenden
Ausführungen im Ersten Teil verwiesen.836 In der neueren Rechtsprechung des
Verfassungsgerichtshofs ist aus der Verbindung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 2 StGG) und der Eigentumsgarantie (Art. 5 StGG) nach teilweiser Literaturmeinung eine allgemeine Entschädigungspflicht des Staates bei hoheitlichen
Vermögenseingriffen abgeleitet worden, wenn diese über ein allgemein zumutbares Maß hinausgehen und einzelne Eigentümer in besonderem Maße treffen.837
Dieser Vermögenseingriff wird als Fall des »Aufopferungsanspruchs« angesehen,
der nach der Rechtsprechung einen Titel zur Entschädigung bildet.838
bb) Haftung für normatives Handeln
Das Amthaftungsgesetz normiert nach wohl herrschender Meinung lediglich die
Haftung für Organverhalten im Bereich der vollziehenden, nicht aber auch der gesetzgebenden Gewalt. Der Ausschluss der Haftung in diesem Bereich wird vornehmlich auf den Wortlaut des § 1 Abs. 1 Amtshaftungsgesetz gestützt, der den
Ausdruck »in Vollziehung der Gesetze« verwendet.839 Die Gesetzgebung im materiellen Sinne soll jedoch nicht von dieser Aussparung betroffen sein, sodass
auch für rechtswidrige Verordnungen gehaftet wird.840 Gegen die haftungsrechtliche Immunität des Gesetzgebers wird in der Literatur die EMRK angeführt, die
in Österreich Verfassungsrang besitzt. Artikel 41 EMRK bestimmt eine Entschädigungspflicht im Falle von Konventionsverletzungen auch für Akte der Gesetzgebung. Diese Bestimmung soll auf das österreichische Haftungsrecht übertragen
werden.841 Inwiefern auch eine Haftung für rechtmäßige formelle und materielle
Gesetze in Frage kommt, ist noch nicht geklärt und bleibt der Entwicklung des
Aufopferungsgedankens überlassen.
836 Siehe dazu oben: Erster Teil II. 3. und III. 4. und IV.
837 Klecatsky, in: Entwicklungen im Staatshaftungsrecht, S. 33, 47, Fn. 57; Feil, Österreichisches Enteignungsrecht, S. 48 f.; Pernthaler/Purtscheller, JBl. 1979, S. 281, 288; kritisch
dazu: Wittmann, in: Zur Reform des Staatshaftungsrechts, S. 96, 98; gegen die Ableitung
auch aus Art. 5 StGG siehe: Stelzer/Maschke, in: Organhaftung und Staatshaftung in Steuersachen, S. 15, 24.
838 Vgl.: VfSlg Nr. 6884/1972, S. 1021, 1022; Nr. 7234/1973, S. 500, 502; Klecatsky, in: Entwicklungen im Staatshaftungsrecht, S. 33, 48, F. 57; Pernthaler/Purtscheller, JBl. 1979,
S. 281, 288; Korinek, Verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz und Raumplanung, S. 53 f.
839 Dazu ausführlich: Spanner, in: Haftung des Staates, S. 505, 515 ff.; ebenso den Ausschluss
verneinend: Wittmann, Zur Reform des Staatshaftungsrechts, S. 96, 106; Loebenstein/
Kaniak, in: Kommentar zum AHG, § 1, Rn. 57.
840 Wittmann, Zur Reform des Staatshaftungsrechts, S. 96, 106; Loebenstein/Kaniak, in: Kommentar zum AHG, § 1, Rn. 64.
841 Klecatsky, in: Entwicklungen im Staatshaftungsrecht, S. 33, 35 f.
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cc) Haftungsgrundlage
In den Bereichen, in denen eine Haftung des österreichischen Staates auch für
rechtmäßiges Handeln seiner Organe teilweise angenommen wird, basiert der
Schadensausgleich zum einen auf der Wiederherstellung der verfassungsrechtlich
zugesicherten Eigentumsschutzlage; zum anderen wird auf die Aufopferungslage
des Betroffenen verwiesen, das heißt, dass insoweit auch in Österreich der Gedanke der Lastengleichheit angenommen und durchgesetzt wird.842
n) Portugal
aa) Haftung für administratives Handeln
Nach dem Wortlaut von Art. 22 der portugiesischen Verfassung vom 2. April 1976
haften der Staat und seine Einrichtungen gemeinschaftlich mit seinen Organen für
schädigende Akte, die in Ausübung ihrer Funktion entstanden sind und Grundrechte der Bürger betreffen.843 Die Staatshaftung ist damit verfassungsrechtlich
verankert. Auch wenn der Wortlaut von Art. 22 Verf. primär rechtswidrige Akte
betrifft, so ist es dem Gesetzgeber letztlich nicht verwehrt, auf einfachgesetzlicher Basis eine auf dem Sonderopfergedanken aufbauende Haftung zu etablieren.844 Am 21. November 1967 wurde das Dekretgesetz Nr. 48051 erlassen, welches durch Art. 9 Abs. 1 einen gesetzlich normierten Tatbestand über die Haftung
des Staates für Sonderopfer aufstellte. Damit weist das portugiesische Staatshaftungsrecht als Besonderheit gegenüber dem deutschen oder französischen Recht
auf, dass die Sonderopferhaftung nicht richterrechtlicher Rechtsfortbildung entstammt, sondern gesetzlich normiert ist und insofern eine festere Verankerung der
objektiven Haftung im Rechtssystem Portugals aufweist.845 Artikel 9 Abs. 1 des
Dekretgesetzes verpflichtet zu staatlichen Entschädigungsleistungen, wenn dem
Betroffenen ein besonderer und außergewöhnlicher Schaden widerfahren ist, der
durch eine rechtmäßige, im öffentlichen Interesse liegende Verwaltungsmaßnahme verursacht wurde.846 Die Spezialität des Schadens liegt in der Betroffenheit eines abgegrenzten Personenkreises begründet und die Schadensqualität wird
842 Klecatsky, in: Entwicklungen im Staatshaftungsrecht, S. 33, 47, Fn. 57; Feil, Österreichisches Enteignungsrecht, S. 48 f.; Pernthaler/Purtscheller, JBl. 1979, S. 281, 288. Diese
Entwicklung wurde schon frühzeitig von Spanner festgestellt, der seinerzeit jedoch eher
skeptisch der Haftungserweiterung gegenüber stand. Siehe dazu: Spanner, in: Haftung des
Staates, S. 505, 527. Zum Gleichheitssatz im Enteingungsrecht, siehe: Öhlinger, in: FS-
Klecatsky, S. 699 f.
843 Schockweiler, RTDE 1990, S. 29, 47; Silveira, in: The Liability of the State, S. 148.
844 Buriánek, Das Verschuldenselement, S. 66.
845 Buriánek, Das Verschuldenselement, S. 69.
846 Fines, La responsabilité extracontractuelle, S. 182; Silveira, in: The Liability of the State,
S. 148, 153; Buriánek, Das Verschuldenselement, S. 69; Schockweiler, RTDE 1990, S. 29,
48.
183
auch in Portugal zur Haftungsgrundlage. Die Überschreitung der für gewöhnlich
zu tragenden Belastungen stellt die Außergewöhnlichkeit der Beeinträchtigung
heraus.847
bb) Haftung für normatives Handeln
Der Wortlaut von Art. 9 Abs. 1 des Dekretgesetzes spricht zwar nur von Verwaltungstätigkeit, jedoch ist es einhellige Meinung, dass auch generelle Akte der
Exekutiven die Sonderopferhaftung des Staates auslösen können.848 Uneinigkeiten bestehen allerdings hinsichtlich der Frage, ob auch Akte der Legislative haftungsauslösend sein können. In der Literatur hat sich derweil eine Meinung für
die Haftung des Gesetzgebers herausgebildet, die sich zum einen auf den Wortlaut von Art. 22 Verf. stützt. Die Norm bestimmt die Haftbarkeit des Staates für
seine Organe, wozu nach Art. 113 Abs. 1 Verf. auch die Versammlung der Republik als Legislativorgan zählt. Zum anderen ist in Art. 13 Verf. der Lastengleichheitssatz verfassungsrechtlich normiert, zu dessen effektiver Durchsetzung die
Verantwortung des formellen Gesetzgebers auch für rechtmäßige Gesetze angenommen werden sollte. Ein weiteres Argument wird aus der in Artikel 62 Verf.
vorgeschriebenen Entschädigungspflicht für Enteignungen gezogen, die sich auf
alle vermögenswerten Rechte beziehen soll, unter Anlehnung an die deutsche
Entschädigungspraxis für Sonderopfer.849
cc) Haftungsgrundlage
Die Sonderopferhaftung des Staates nach Art. 9 Abs. 1 des Dekretgesetzes beruht
auf der Basis der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz hinsichtlich der öffentlichen Lasten.850
847 Silveira, in: The Liability of the State, S. 148, 153.
848 Schockweiler, RTDE 1990, S. 29, 48; Silveira, in: The Liability of the State, S. 148, 153;
so auch: Haack, Die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft für rechtmäßiges Handeln ihrer Organe, S. 63.
849 Schockweiler, RTDE 1990, S. 29, 48; Haack, Die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft für rechtmäßiges Handeln ihrer Organe, S. 63.
850 Fines, La responsabilité extracontractuelle, S. 182; Schockweiler, RTDE 1990, S. 29, 48.
184
o) Schweden
aa) Haftung für administratives Handeln
Das Rechtssystem Schwedens geht grundsätzlich davon aus, dass der Staat nicht
für die Fehler seiner Beamten in Ausübung ihrer Tätigkeit haftet. Der Begründungsansatz liegt darin, dass nicht der Staat, sondern der Beamte selbst für seine
Handlung einzustehen hat. Demnach kann der Staat nur in Sonderfällen verpflichtet werden, Schadensersatz zu zahlen.851 Die Rechtsprechung hat dazu ein Gewohnheitsrecht geschaffen, nach dem der Staat in gewissem Maße verantwortlich
ist. Die Rechtsprechung stützt sich dabei auf eine Analogie zu den Verhältnissen
zwischen Einzelpersonen, namentlich der Geschäftsherrenhaftung für dessen Angestellte.852 Unter dem Grundsatz der staatlichen Nichthaftung ist es nur konsequent, dass die Haftung ohne Verschulden,853 die im Endeffekt auf eine Rechtmä-
ßigkeitshaftung hinausläuft, in noch eingeschränkterem Maße zulässig ist. Es
handelt sich dabei um seltene Einzelfallgruppen, wie z.B. im Bereich der Luftfahrt854 oder des Reisetransportrechts855.
bb) Haftung für normatives Handeln
Die schwedische Rechtsordnung kennt die Besonderheit, dass sowohl für die Gerichte, als auch für die Verwaltungsbehörden die Kompetenz besteht, eine Normenkontrolle durchzuführen.856 Dies ist jedoch nicht mit einer besonderen Haftung des Staates für die parlamentarischen Organe verbunden.857
851 Petrén, in: Haftung des Staates, S. 543, 544.
852 Petrén, in: Haftung des Staates, S. 543, 545.
853 Dazu: Bengtsson, Scandinavian Studies in Law 41 (2001), S. 55, 61.
854 Die verschuldensunabhängige Haftung in diesem Bereich ergibt sich aus einem Gesetz
vom 26. Mai 1922, siehe: Petrén, in: Haftung des Staates, S. 543, 548, mit weiteren Nachweisen.
855 Die verschuldensunabhängige Haftung in diesem Bereich ergibt sich aus einem Gesetz
vom 12. März 1886, siehe: Petrén, in: Haftung des Staates, S. 543, 548; weitere Beispiele
siehe bei: Bengtsson, Scandinavian Studies in Law 41 (2001), S. 55, 63 f.
856 Siehe dazu bereits oben: Erster Teil III. 7. b) aa) ooo) (1). Skeptisch aber: Herlitz, Elements
of Nordic Public Law, S. 221.
857 Petrén, in: Haftung des Staates, S. 543, 553.
185
p) Spanien
aa) Haftung für administratives Handeln
Ursprünglich ging das Rechtssystem Spaniens vom Grundsatz der Nichthaftung
aus. Erst mit Erlass des Gesetzes über die rechtliche Ordnung der Staatsverwaltung vom 26. Juli 1957 hatte sich ein vom Zivilrecht unabhängiges Staatshaftungsrecht herausgebildet, das letztlich durch Art. 106 Abs. 2 der spanischen Verfassung vom 29. August 1978 verfassungsrechtlich abgesichert wurde.858 Artikel
40 Abs. 1 des Staatshaftungsgesetzes gewährt dem Betroffenen einen Ausgleichsanspruch für die Fälle einer Schädigung durch Verwaltungshandeln und
zwar unabhängig von der Rechtswidrigkeit oder Rechtmäßigkeit der Haftung. Die
Haftung stellt sich somit als objektive Gefährdungshaftung dar, die auch einen
Verschuldensnachweis obsolet macht. Die Haftung des Staates auch für rechtmä-
ßiges Handeln fußt auf dem Prinzip der Solidargemeinschaft. Die Verwaltung ist
auch dann zur Wiedergutmachung verpflichtet, wenn das vermögensbeeinträchtigende Handeln gesetzeskonform war.859 Das ausgleichpflichtige Sonderopfer
erlischt allerdings dann, wenn den Betroffenen eine Duldungspflicht trifft.860
Weiterhin ist Voraussetzung, dass das Sonderopfer einer bestimmten Person oder
einem abgrenzbaren Personenkreis auferlegt wird. Der Schaden muss dabei eine
außergewöhnliche und gleichheitswidrige Belastung darstellen.861 Wichtig ist im
spanischen Staatshaftungsrecht die dogmatische Unterscheidung von Staatshaftung und Enteignung. Die Enteignungsentschädigung ergibt sich bereits aus dem
separaten Art. 33 Abs. 3 Verf. Die Entschädigungspflicht des Staates auch für
rechtmäßige Handlungen lässt sich daher nicht einfach über diejenige bei Enteignungen begründen, da nicht jeder rechtmäßige Schaden als Enteignung anzusehen ist.862 Ein weiterer Grund liegt in der Unterschiedlichkeit der juristischen
Ausgangssituationen. Die Enteignungsentschädigung ist das Äquivalent der Güter- und Rechtsbeschränkung durch rechtmäßiges Staatshandeln. Die Staatshaftung dagegen hat ihren Ursprung in der fehlerhaften und damit rechtswidrigen
Ausführung von Verwaltungshandeln gegenüber Dritten.863
bb) Haftung für normatives Handeln
Zu den haftungsauslösenden Akten gehören vor allem auch die generellen Exekutivakte. Artikel 106 Abs. 2 Verf. bezieht sich auf Schäden, die sich aus der Tä-
858 Siehe dazu: Leguina, in: The Liability of the State, S. 31 ff.
859 Buriánek, Das Verschuldenselement, S. 62; Schockweiler, RTDE 1990, S. 29, 36.
860 Buriánek, Das Verschuldenselement, S. 62; Schockweiler, RTDE 1990, S. 29, 37.
861 Leguina, in: The Liability of the State, S. 25, 38 f.
862 García de Enterría, in: Haftung des Staates, S. 585, 595.
863 Falla, in: Entwicklungen im Staatshaftungsrecht, S. 83, 88 f., 92 f.; Leguina, in: The Liability of the State, S. 31, 33 f.; Buriánek, Das Verschuldenselement, S. 63 f.
186
tigkeit der öffentlichen Verwaltung ergeben. Das macht es möglich, auch materielle Rechtsnormen ins Haftungsspektrum einzubeziehen. Anders dagegen ist es
bei reinen Legislativakten, die nach dem Wortlaut der Norm nicht erfasst sein
können.864
cc) Haftungsgrundlage
Ratio legis der Staatshaftung ist die Garantie des Vermögens, obgleich beide Bereiche von einander zu trennen sind und die Entschädigungspflicht für Enteignungen nicht unmittelbar zur Auslösung der Staatshaftung führt. Vielmehr soll die
Gefährdung der Bürger, die sich aus der Errichtung und Unterhaltung der Verwaltung ergibt, nicht von einzelnen getragen werden müssen. Auch wenn in dieser
Hinsicht der Gedanke der Lastengleichheit nahe liegt, soll die dogmatische
Grundlage weiterhin auf der abstrakten Vermögensgarantie beruhen.865
q) Zypern
Die zypriotische Rechtsordnung kennt keine Haftung des Staates für rechtmäßiges Handeln seiner Organe. Die Staatshaftung ist in Art. 172 Verf. verankert, betrifft jedoch nur die Verantwortlichkeit für unrechtmäßige, widerrechtliche
Staatshandlungen (»wrongful acts«).866 Danach ist der Staat verantwortlich für jeden durch seine Beamten in Ausübung des Amtes verursachten kausalen Schaden
durch unrechtmäßiges Handeln oder Unterlassen. Legislativorgane sind von der
Haftung ausgenommen, d.h. ein Gesetz kann höchstens gerichtlich als verfassungswidrig eingestuft werden, aber nicht zu Ersatzansprüchen führen. Ebenso
wenig bestehen Bestimmungen zur Gefährdungshaftung.867
864 García de Enterría, in: Haftung des Staates, S. 585, 600; Schockweiler, RTDE 1990, S. 29,
37; Die Haftung des Gesetzgebers indessen befürwortend: Falla, in: Entwicklungen im
Staatshaftungsrecht, S. 83, 85.
865 García de Enterría, in: Haftung des Staates, S. 585, 597; Haack, Die Haftung der Europäischen Gemeinschaften für rechtmäßiges Handeln ihrer Organe, S. 65 f.
866 Stylianides, in: The Liability of the State, S. 103.
867 Stylianides, in: The Liability of the State, S. 103, 104.
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2. Rechtslage in den ost-europäischen EU-Mitgliedstaaten
a) Entwicklung staatshaftungsrechtlicher Strukturen im allgemeinen
Umwandlungsprozess
Die Entwicklung des Staatshaftungsrechts in den ost-europäischen Mitgliedstaaten ist beeinflusst durch den allgemeinen Umwandlungsprozess, den die ehemals
sozialistischen Staaten erfahren. Die Evolution der Staatshaftung korrespondiert
mit der Umstrukturierung im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich in
diesen Ländern. Im Zuge der Orientierung an westlichen Rechtsordnungen haben
die ehemals sozialistischen Systeme das Rechtsstaatsprinzip als grundsätzliches
Verfassungsprinzip anerkannt. Eine Ausprägung der Rechtsstaatlichkeit ist dabei
auch, dass der Staat zumindest für rechtswidrig verursachte Schäden an den
Rechtsgütern der Bürger haftet.868 Nun ist das Staatshaftungsrecht eine Materie,
die in den westeuropäischen Mitgliedstaaten auf eine lange Tradition zurückblicken kann. Diesen Entwicklungsprozess kann ein neues ost-europäisches Mitgliedsland naturgemäß nicht in ein paar Jahren aufholen, da es nicht nur einer gesetzlichen Regelung der Staatshaftung, sondern auch einer entsprechenden
Rechtsprechung hierzu bedarf, um von einer gängigen Praxis zu sprechen.
Gleichwohl ist die Entwicklung und der derzeitige Rechtsstand – soweit ersichtlich – für die Auffindung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes des Gemeinschaftsrechts zu evaluieren. Die Entwicklung des heutigen Staatshaftungsrechts
in den neuen Mitgliedstaaten ist eine konsequente Weiterentwicklung der auch
schon unter dem sozialistischen Regime bestandenen Ansätze einer Staatshaftung, was auch dadurch gekennzeichnet wird, das die meisten ost-europäischen
Staaten die Staatshaftung verfassungsrechtlich verankert haben.869 Man unterscheidet dabei heute zwei Ausgangspunkte. Zum einen wird die Staatshaftung als
modifizierte Form der Arbeitgeberhaftung ausgestaltet, zum anderen wird eine
öffentlich-rechtliche Regelung getroffen. Beide Formen sollen nachfolgend dargestellt werden.
aa) Staatshaftung als modifizierte Arbeitgeberhaftung
Die Staatshaftung als abgewandelten Teil der Arbeitgeberhaftung auszuformen
war in den meisten sozialistischen Regimen üblich.870 Damit war und ist die
Staatshaftung Bestandteil des Deliktsrechts und grundsätzlich zivilrechtlich ausgestaltet. Litauen hat die Haftung des Staates für rechtswidriges Hoheitshandeln
868 Küpper, Osteuroparecht 2003, S. 495, 533 f.
869 § 25 Verf. Estland; Art. 92 S. 3 Verf. Lettland; Art. 30 Abs. 2 Verf. Litauen; Art. 77 Verf.
Polen; Art. 46 Abs. 3 Verf. Slowakei; Art. 26, 30 Verf. Slowenien; Art. 36 Abs. 3 Charta
der Grundrechte Tschechien; § 55 Abs. 3 Verf. Ungarn; vgl. dazu: Küpper, Osteuroparecht
2003, S. 495, 534, Fn. 141.
870 Küpper, Osteuroparecht 2003, S. 495, 534.
Chapter Preview
References
Zusammenfassung
Die Studie begründet, weshalb die Haftung der Europäischen Gemeinschaft für rechtmäßige Rechtsetzungsakte keinen Verstoß gegen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts darstellt. Im Gegenteil: Diese Haftung für Sonderopfer ist gemeinschaftsrechtskonform und liefert zugleich einen Beitrag zur grundrechtlichen Anerkennung der Entschädigungspflicht für eigentumsentziehende oder -entwertende Maßnahmen. Mittels einer detaillierten rechtsvergleichenden Untersuchung zur Entschädigungspflicht bei Eigentumsentzugsmaßnahmen und zur gemeinschaftsrechtlichen Grundlage der europäischen Sonderopferhaftung stellt die Bearbeitung einen alternativen Ansatzpunkt für die Sonderopferhaftung bereit und liefert einen neuen Diskussionspunkt zu einer aktuellen Rechtsprechung.